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Fluchtversuch mit Minendetonation

18. Dezember 1971
Information Nr. 1209/71 über einen ungesetzlichen Grenzübertritt DDR – BRD mit Auslösung einer Minendetonation am 14. Dezember 1971

Am 14.12.1971, gegen 18.00 Uhr, erfolgte im Grenzabschnitt Jützenbach, Ortsteil Zwinge, Kreis Worbis, Bezirk Erfurt, ein ungesetzlicher Grenzübertritt DDR – BRD durch die DDR-Bürger [Name, Vorname 1], geboren [Tag, Monat] 1950 in [Ort], wohnhaft Großbogungen,1 Kreis Worbis, [Straße, Nr.], beschäftigt gewesen als Arbeiter in [Betrieb] in Großbodungen, dessen Ehefrau [Name, Vorname 2, Geburtsname], geboren [Tag, Monat] 1951 in [Ort], wohnhaft wie Ehemann, nicht berufstätig, und deren gemeinsames Kind [Vorname] [Alter].

Die Täter lösten bei der Überwindung der Grenzsicherungsanlagen eine Minendetonation aus, wodurch sie vermutlich schwer verletzt wurden.2

Die bisherigen Untersuchungen durch das MfS ergaben:

Zum Zeitpunkt des ungesetzlichen Grenzübertritts waren in der Nähe der Durchbruchstelle keine Grenzposten eingesetzt.

Der nächste Grenzposten der Grenzkompanie Silkerode, GR 4 Heiligenstadt, befand sich ca. 2 000 m vom Tatort entfernt im Abschnitt Ziegelei Zwinge. Durch diesen Grenzposten wurde die gegen 18.30 Uhr erfolgte Minendetonation wahrgenommen und eine diesbezügliche Meldung an die Grenzkompanie erstattet. Die vom Kompaniechef zum Einsatz befohlenen Kontroll- und Bergungskräfte stellten gegen 19.25 Uhr im Durchbruchabschnitt zwei Spuren DDR – West fest.

Gegen 21.45 Uhr wurden im Ergebnis der vom Kommandeur des Grenzregiments befohlenen Maßnahmen durch die Bergungstruppe die Detonationsstelle und in deren Umgebung folgende Dokumente und Gegenstände gefunden, die zur Identifizierung der Täter führten:

  • zwei Personalausweise,

  • ein Damenstiefel (stark zerrissen),

  • eine Herrenjacke (stark mit Blut beschmutzt),

  • eine kunstlederne Dameneinkaufstasche mit Inhalt (Familienstammbuch, Kinderpullover, Kinderkleid und Kinderunterwäsche).

Die bisherige Rekonstruktion des Grenzdurchbruchs ergab, dass die Annäherung der Grenzverletzer zu Fuß erfolgte und der freundwärtige Streckmetallzaun überstiegen wurde.

Nach Überwindung des Minenfeldes, bei der die Detonation einer Mine ausgelöst wurde, haben die Täter den feindwärtigen Maschendrahtzaun offensichtlich durch Unterkriechen überwunden. Inwieweit und in welcher Art und Weise sie dabei Unterstützung von westlicher Seite erhielten, wird noch untersucht.

Zum Zeitpunkt des Eintreffens der Grenzsicherungskräfte am Tatort, gegen 19.15 Uhr, befanden sich in dem feindwärts der Grenzsicherungsanlagen vorgelagerten Gebiet der DDR bis zum eigentlichen Grenzverlauf (ca. 60 m) keine Personen.

Im westlichen Vorfeld befanden sich zu diesem Zeitpunkt in einer Entfernung von 150 m zum Tatort auf der Straße Fuhrbach – Brochthausen ca. 30 Zivilfahrzeuge (Pkw) und Kfz des BGS. Gegen 19.35 Uhr hielten sich ca. zehn BGS- und BGS-Angehörige auf westlichem Gebiet in der Nähe des Tatortes auf, die den Durchbruchsabschnitt mit Spurenlampen ableuchteten. Zu Provokationen oder Kontaktversuchen kam es dabei nicht.

Am 15.12.1971 wurden auf westlicher Seite des Tatortes umfangreiche Aktivitäten gegnerischer Kräfte beobachtet.

Von 7.30 bis gegen 16.30 Uhr wurden ca. 150 Zivilpersonen von ZGD-Angehörigen an der Durchbruchstelle eingewiesen. Vorwiegend handelte es sich hierbei um Zivilpersonen, die mit Pkw bis in unmittelbare Nähe des Durchbruchortes fuhren.

Gegen 10.45 Uhr überflogen zwei englische Militärhubschrauber diesen Grenzabschnitt und standen ca. drei Minuten über dieser Stelle.

Im Verlaufe des Nachmittags wurden mehrere Schulklassen aus den umliegenden Orten Fuhrbach und Brochthausen an den Durchbruchsort geführt. Von ZGD-Angehörigen wurden die Schulkinder (9 bis 14 Jahre) eingewiesen.

Die Grenzsicherungskräfte der NVA wurden von diesen Kindern in übelster Weise beschimpft. Anwesende Erwachsene unterstützten die Kinder.

Auffällig war, dass sich die auf westdeutscher Seite anwesenden BGS-Angehörigen nicht an den Einweisungen beteiligten und sich auch gegenüber den Zivilpersonen zurückhielten.

Die Durchbruchstelle war ganztägig besetzt durch drei Angehörige des BGS und drei Angehörige des ZGD. Gegen 16.45 zogen sich die ZGD-Angehörigen in gedeckte Beobachtungspunkte zurück, während die BGS-Angehörigen in das Hinterland zurückfuhren. Gegen 23.00 Uhr hielt sich der ZGD noch in den Beobachtungspunkten auf.

Angaben zur Person der Täter:

[Name] und seine jetzige Ehefrau hatten bereits am 7.5.1968 im Grenzabschnitt Silkerode, Kreis Worbis, die DDR ungesetzlich verlassen und waren am 23.7.1968 über die Grenzübergangsstelle Oebisfelde wieder in die DDR zurückgekehrt.

Sie wurden bedingt verurteilt [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben]. Für den [Name, Vorname 1] wurde für die 2-jährige Bewährungszeit bis 1970 Arbeitsplatzbindung angeordnet.

[Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben]

Er war politisch nicht organisiert und politisch desinteressiert. Seine Einstellung zu unseren gesellschaftlichen Verhältnissen war negativ.

Die Ehefrau des [Name] arbeitete bis zum ersten ungesetzlichen Grenzübertritt und nach der Rückkehr aus der BRD [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben] als wirtschaftliche Hilfskraft im VEB Kaliwerk »Karl Liebknecht« in Bleicherode.

[Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben]

Die Untersuchungen des MfS zur umfassenden Aufklärung der Ursachen und begünstigenden Bedingungen für diesen Grenzdurchbruch werden im Zusammenwirken mit den zuständigen Organen der Grenztruppen der NVA fortgeführt.

  1. Zum nächsten Dokument Schwere Verbrechen des Grenzsoldaten Gerhard Meyer

    27. Dezember 1971
    Information Nr. 1231/71 über schwere Verbrechen des NVA-Angehörigen Soldat Meyer, Gerhard in der Zeit vom 24. bis 25. Dezember 1971

  2. Zum vorherigen Dokument Eingeschleuste Hetzschriften (V)

    9. Dezember 1971
    Information Nr. 1183/71 über eingeschleuste Hetzschriften