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Schusswechsel zwischen NVA- und sowj. Soldaten

7. Juli 1971
Information Nr. 639/71 über die Anwendung der Schusswaffe durch einen Angehörigen der NVA/Grenze gegen einen Angehörigen der Sowjetarmee

Am 5.7.1971, in der Zeit von 17.00 bis 19.00 Uhr, war der Soldat [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1952, wohnhaft in Eisenhüttenstadt, Angehöriger des Grenzregimentes 7 (Halberstadt), als Wachposten am Munitionslager des Regiments eingesetzt.

Um 18.20 Uhr stellte er von seinem Beobachtungsturm aus zwei Personen in unmittelbarer Nähe des Munitionslagers fest.

Soldat [Name 1] verließ daraufhin den Beobachtungsturm, um beide Personen zu kontrollieren. Bei Annäherung stellte er fest, dass es sich um zwei Angehörige aus einem sowjetischen Militärobjekt handelt, welches unmittelbar an das Objekt des Regiments grenzt.

Beide sowjetische Militärangehörige, die auf ins Gelände stehende Kirschbäume geklettert waren, stiegen nach mehrmaliger Aufforderung des Wachpostens von den Bäumen herab. Der Wachposten forderte sie durch Worte und Gesten zum Mitkommen auf. Einer der beiden sowjetischen Militärangehörigen kam dieser Aufforderung nach, während sich der andere in Richtung des sowjetischen Militärobjektes entfernte. Als dieser den Aufforderungen zum Stehenbleiben durch den mehrmaligen Ruf »Stoj«1 nicht nachkam und sich ca. 50 m entfernt hatte, gab der Wachposten mit der MPi zwei Warnschüsse in die Luft ab und, da der sowjetische Militärangehörige weiterging, anschließend drei gezielte Schüsse. Der sowjetische Militärangehörige wurde am linken Oberschenkel verletzt (Muskeldurchschuss ohne Knochenverletzung).

Bei dem Verletzten handelt es sich um den 19-jährigen Unterserganten [Name 2, Vorname].

Durch den Wachposten und den anderen sowjetischen Militärangehörigen wurde sofort Erste Hilfe geleistet und die Wache des Grenzregiments verständigt. Daraufhin erfolgte durch den Regimentsarzt die erste medizinische Behandlung und die sofortige Überführung des Verletzten in das Kreiskrankenhaus Halberstadt.

Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen müssen bei der Einschätzung des Vorkommnisses folgende Umstände mit beachtet werden:

Der Postenbereich war nicht konkret genug festgelegt; das Gelände um das Munitionslager wurde in der Vergangenheit mehrfach von sowjetischen Militärangehörigen betreten, ohne dass dies zum Anlass genommen wurde, eine feste Ordnung zu schaffen.

Die Anwendung der Schusswaffe durch den Wachposten des Grenzregiments erfolgte entgegen den Schusswaffenbestimmungen der NVA.

Bei dem Wachposten, Soldat [Name 1], handelt es sich – nach den bisherigen Aufklärungsergebnissen – um einen positiv auftretenden Soldaten, der sich u. a. für die Offizierslaufbahn verpflichtet hat, sich durch eine disziplinierte Dienstdurchführung auszeichnet und gesellschaftlich aktiv mitarbeitet. Er ist erst seit dem 4.5.1971 Angehöriger der NVA/Grenze und befand sich erstmals auf Wache. Sein Einsatz erfolgte am Munitionslager des Regiments, ohne dass er vorher in anderen Wachbereichen eingesetzt war. Er war von seinen Vorgesetzten nicht in die Schusswaffengebrauchsbestimmungen eingewiesen worden, sodass ihm auch das Verbot der Anwendung der Schusswaffe gegen Angehörige der befreundeten Armee nicht bekannt war.

Gegen die Dienstvorgesetzten wurden entsprechende disziplinarische Maßnahmen eingeleitet. Das Vorkommnis wird im Bestand des Grenzkommandos ausgewertet.

Die Untersuchungen werden weitergeführt.

Dem zuständigen sowjetischen Kommandeur, Gen. General Tousakow,2 wurde das Bedauern über dieses Vorkommnis ausgesprochen.

  1. Zum nächsten Dokument Instabilität des Ferngasverbundnetzes

    14. Juli 1971
    Information Nr. 669/71 über die Instabilität des Ferngasverbundnetzes der DDR

  2. Zum vorherigen Dokument Fahnenflucht eines Leutnants nach Westberlin

    6. Juli 1971
    Information Nr. 635/71 über eine Fahnenflucht durch einen Leutnant der Grenztruppen nach Westberlin am 4. Juli 1971