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Anträge auf Ausreise in die Bundesrepublik

[ohne Datum]
Information Nr. 104/76 über massive gegnerische Interventionen in innere Angelegenheiten der DDR im Zusammenhang mit der Übersiedlung von Bürgern der DDR nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin

In der letzten Zeit häufen sich zunehmend Aktivitäten und Versuche gegnerischer Kräfte zur unmittelbaren Einmischung in innere Angelegenheiten der DDR. Behörden, Einrichtungen und Institutionen der BRD inspirieren und initiieren in massiver Form Bürger der Deutschen Demokratischen Republik zur Antragstellung auf Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten bzw. Westberlin. Insbesondere durch die Ständige Vertretung der BRD in der DDR, durch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, durch Massenmedien und durch in der DDR akkreditierte Journalisten der BRD, aber zunehmend auch durch die im Zusammenhang mit dem Einreiseverkehr stehenden umfangreichen verwandtschaftlichen und bekanntschaftlichen Beziehungen und Kontakte erfolgt diesbezüglich eine sich ständig ausweitende aktive Einwirkung auf das Bewusstsein eines Teiles der Bevölkerung der DDR.

Das gegnerische Vorgehen basiert auf den bekannten Rechtspositionen der BRD – wie sie u. a. im Bonner Grundgesetz, im Staatsbürgerschaftsrecht und in der Auslegung des Grundlagenvertrages durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe fixiert sind. In fast allen von Bürgern der DDR gestellten Anträgen auf Übersiedlung wird in der Begründung – in Übereinstimmung mit der gegnerischen Argumentation – auf den Grundlagenvertrag, auf die Aufnahme der DDR in die UNO und damit im Zusammenhang auf die Charta der Vereinten Nationen, auf die Erklärung der UNO über die Menschenrechte verwiesen.

Insbesondere seit der Veröffentlichung der Schlussakte der KSZE1 treten Bürger der DDR, die Anträge auf Übersiedlung gestellt haben bzw. stellen, in zunehmendem Umfang dahingehend in Erscheinung, dass sie – und, angeregt durch die gegnerische Argumentation, in zum Teil provokatorischer Form – eine »zügige« Bearbeitung ihrer Anträge fordern und die Einschaltung zentraler staatlicher Organe der DDR, der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR bzw. der Massenmedien der BRD und Westberlins in die Lösung ihrer Anliegen androhen. Derartige, durch das gegnerische Einwirken provozierte Handlungen und Verhaltensweisen führen zu zunehmenden Versuchen, »Druck« auf die zuständigen staatlichen Organe der DDR auszuüben.

Entsprechend den bisher vorliegenden Erkenntnissen und Erfahrungen des Ministeriums für Staatssicherheit zeigen sich die unmittelbaren Einflüsse und Einwirkungen des Gegners auf die Erwirkung der Antragstellung des Gegners u. a. in folgenden Aktivitäten:

  • In Sendungen des Rundfunks und des Fernsehens sowie in der Presse der BRD erfolgt eine gezielte Propaganda und Hetze, um Bürger der DDR zu beeinflussen bzw. sie bei derartigen Absichten zu unterstützen mit dem Ziel, sie zum Verlassen der DDR zu bewegen. Dabei werden Fälle und Briefe von Bürgern der DDR konkret mit Namen und Adressen ausgewertet, völkerrechtliche Bestimmungen zusammenhanglos und einseitig interpretiert und Mittel und Wege aufgezeigt, wie eine Übersiedlung erwirkt bzw. erzwungen werden könnte.

  • Die »Gesellschaft für Menschenrechte e. V.« in Frankfurt/M. organisiert gezielte Aktionen zu Übersiedlungen von Bürgern der DDR in Zusammenarbeit mit der Presse und anderen Massenmedien. Ihre Hauptmethoden sind Flugblattaktionen, Unterschriftensammlungen, die Androhung und Durchführung von Provokatorischen Handlungen und Hungerstreiks vor der Ständigen Vertretung der DDR in der BRD, um auf diese Weise die Übersiedlung bestimmter Personen zu erzwingen.2 Dabei handelt es sich z. T. um Personen, die wegen Straftaten in der DDR inhaftiert sind, indem z. B. direkte Forderungen zur Freilassung und Übersiedlung dieser Personen gestellt werden.

  • Die Ständige Vertretung der BRD in der DDR entwickelt gleichfalls umfangreiche Aktivitäten zur Erwirkung von Übersiedlungen nach der BRD. Sie empfängt Bürger der DDR, führt mit diesen Gespräche zur Übersiedlung und »berät« sie über Methoden der Antragstellung. In großem Umfang werden durch die Ständige Vertretung der BRD solche Fälle auch getarnt als Ersuchen von BRD-Bürgern, die um Übersiedlung ihrer Angehörigen bitten, an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten herangetragen.

  • Staatliche Organe und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der BRD verwenden sich in zunehmendem Maße in Schreiben an führende Repräsentanten der DDR, an das Ministerium des Innern und an die Ständige Vertretung der DDR in der BRD für die Erwirkung der Übersiedlung von Bürgern der DDR nach der BRD. Dabei ist auffällig, dass sie sich selbst für Personen einsetzen, die noch nie einen Antrag auf Übersiedlung gestellt haben.

Jüngstes Beispiel der diesbezüglichen massiven gegnerischen Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR sind die am 7. Januar und 21. Januar 1976 durch den Mitbegründer und Sprecher des »Bundes Freies Deutschland«3 in Westberlin und »Einfluss-Agenten« des BND im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) der BRD, Gerhard Löwenthal, moderierten Beiträge, indem Massenmedien der BRD zunehmend als »Interessenvertreter« von DDR-Bürgern, die Anträge auf Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin und auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR gestellt haben, in Erscheinung treten. Es wurden Einzelbeispiele von Bürgern der DDR, die eine Übersiedlung beantragt haben, und die sich aufgrund der ständigen massiven und gezielten Propagierung direkt an Behörden, Einrichtungen, Institutionen und Massenmedien der BRD und Westberlins zur »Unterstützung« ihres Anliegens gewandt haben oder in der BRD und Westberlin lebende Verwandte und Bekannte damit beauftragten, mit Namen und Adresse popularisiert, um auch auf diese Art und Weise die DDR zu diskreditieren und Druck auf die zuständigen staatlichen Organe der DDR auszuüben.

Durch das ZDF ist geplant, die massive Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR durch Veröffentlichung weiterer Namen und Adressen von DDR-Bürgern, die sich zwecks »Unterstützung« ihrer Anträge auf Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin an das ZDF gewandt haben, fortzusetzen.4 (Die Ergebnisse der Überprüfung des Ministeriums für Staatssicherheit zu den in der Sendung des ZDF am 21. Januar 1976 veröffentlichten Namen und Adressen von Bürgern der DDR sind aus der Anlage zu dieser Information ersichtlich.)

Entscheidende Einflüsse und unmittelbare Einwirkungen auf Antragstellungen für Übersiedlungen bestehen in den sich aus dem umfangreichen Einreiseverkehr aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin in die DDR ergebenden Kontakten zu Bürgern der DDR und den damit verbundenen vielfältigen Einflussmöglichkeiten ebenso wie aus bekanntschaftlichen oder verwandtschaftlichen Verbindungen sowie den Rückverbindungen von Personen, welche die DDR legal oder ungesetzlich verlassen haben.

Dass den Argumenten des Gegners in zunehmendem Maße gefolgt wird, »nicht locker zu lassen; den DDR-Behörden derartig viel Ärger zu machen, dass sie schließlich nachgeben müssen; Durchstehvermögen aufzubringen und auf den Antrag zu beharren; sich ›vertrauensvoll‹ an die Behörden der BRD und an die UNO zur Unterstützung ihrer Bemühungen zur Übersiedlung zu wenden«, wird besonders darin deutlich, dass in vielen Fällen wiederholt Anträge und Eingaben eingereicht werden sowie Vorsprachen bei den verschiedensten staatlichen Organen der DDR erfolgen und die Übersiedlung von einer erheblichen Anzahl antragstellender DDR-Bürger hartnäckig betrieben wird.

Die Antragsteller verschließen sich in den meisten Fällen den ihnen gegenüber zum Ausdruck gebrachten sachlichen und politischen Argumenten. Bei diesen Personen handelt es sich im Wesentlichen um hartnäckige Dauerantragsteller. Die Mehrzahl von ihnen ist mehrfach vorbestraft,5 asozial oder kriminell gefährdet und besitzt eine verfestigte negative Grundeinstellung zu unserer sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung.

Aus der Entwicklung der Antragstellung auf Übersiedlung nach der BRD wird sichtbar, dass die Handlungen und Verhaltensweisen im Wesentlichen in Einflüssen und Auswirkungen der politisch-ideologischen Diversion und der zielgerichteten gegnerischen Kontaktpolitik und Kontakttätigkeit motiviert sind.

Die Entwicklung der Antragstellung auf Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin weist aus, dass im Zeitraum vom 1. Januar 1972 bis 31. Dezember 1975 insgesamt 37 972 Bürger der DDR offiziell einen Antrag auf Übersiedlung gestellt haben. Darüber hinaus wenden sich zunehmend Bürger der DDR mit schriftlichen Eingaben, Gesuchen oder durch Vorsprachen an die zuständigen staatlichen Organe, um ihrer Antragstellung auf Übersiedlung Nachdruck zu verleihen oder nach Ablehnung der Genehmigung erneut einen diesbezüglichen Antrag zu stellen.

Von den 37 972 offiziellen Anträgen auf Übersiedlung, darunter allein 20 270 aus dem Jahr 1975, wurden bisher 15 809 Übersiedlungen (darunter 7 618 aus dem Jahr 1975) genehmigt.

22 163 Übersiedlungsanträge (darunter 12 652 aus dem Jahr 1975) wurden bisher nicht genehmigt, da keine den geltenden Grundsätzen entsprechenden Gründe vorlagen.

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Zahlen nur von den gegenwärtig vorliegenden Angaben ausgehen, d. h., dass die zu verzeichnende Tendenz hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Antragstellung unter Beachtung der eingangs dargestellten massiven Einwirkungsversuche des Gegners auf Bürger der DDR und die eventuell daraus erwachsenden zukünftigen Probleme aus diesen Zahlen allein nicht sichtbar werden.

Aus der Sicht der dem Ministerium für Staatssicherheit vorliegenden Erkenntnisse über das gegnerische Vorgehen und die Entwicklung der Antragstellung auf Übersiedlung werden folgende Vorschläge bzw. Empfehlungen zur Prüfung bestimmter Maßnahmen unterbreitet, die geeignet sein könnten, dem gegnerischen Vorgehen entgegenzuwirken und den Umfang der Antragstellungen kontinuierlich zurückzudrängen.

  • 1.

    Den zunehmend massiven Einmischungsversuchen in die inneren Angelegenheiten der DDR seitens reaktionärer Kräfte der BRD und Westberlins sollte in geeigneter Form und zu geeigneten Zeitpunkten auf politischem und diplomatischem Wege offensiv entgegengewirkt werden.

  • 2.

    Ausgehend von den neuen Erscheinungsformen des massiven Einwirkens des Gegners auf die Probleme der Übersiedlung von Bürgern der DDR nach nichtsozialistischen Staaten (besonders nach der BRD) und Westberlin, sollte erwogen werden, die gegenwärtig geltenden Grundsätze für die Bearbeitung von Anträgen auf Übersiedlung zu präzisieren. Das gilt insbesondere für Antragsteller, die eine ablehnende Haltung zu unserer sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung als Motiv für die Antragstellung auf Übersiedlung vorgeben bzw. kriminelle oder andere gegen die staatliche Sicherheit und Ordnung gerichtete Handlungen androhen, um durch massiven Druck auf die staatlichen Organe eine Übersiedlung zu erzwingen.

    In die Prüfung der Antragstellung sollte deshalb stärker als bisher die Frage einbezogen werden, ob die vorgegebenen Antragsgründe auch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen oder inwieweit durch die verschiedensten Formen der Einwirkung des Gegners derartige Motive als Vorwand für die Antragstellung genommen werden.

  • 3.

    Die durch das Politbüro am 30. April 1974 bestätigten Grundsätze für die Einleitung und Realisierung von Reisesperren von aus der DDR nach nichtsozialistischen Staaten und nach Westberlin übergesiedelten Personen sind noch konsequenter in Anwendung zu bringen.6

  • 4.

    Ausgehend davon, dass ein Teil der Antragsteller (19,1 %) auf Übersiedlung sein Anliegen mit zugespitzten Konfliktsituationen (u. a. ungeklärten Wohnungsverhältnissen, Antreten einer Erbschaft) begründet, sollte im Rahmen des engen kameradschaftlichen Zusammenwirkens zwischen den Schutz- und Sicherheitsorganen, mit den staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen, den Betrieben, Kombinaten und Einrichtungen und den gesellschaftlichen Organisationen und Kräften, durch eine zügige, den konkreten Umständen angemessene Klärung des Problems, die Beseitigung der Antragsgründe auf Übersiedlung erreicht werden.

  • 5.

    Im stärkeren Umfang als bisher sollte in konsequenter Wahrnehmung der Verantwortlichkeiten der Leiter der zuständigen Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen sowie durch die Parteien und gesellschaftlichen Organisationen bereits auf Anfänge des Entstehens von Übersiedlungsabsichten reagiert und eine offensive politisch-ideologische Einwirkung bzw. Auseinandersetzung geführt werden mit dem Ziel, diese Bürger der DDR im Rahmen einer überzeugenden Argumentation vor einer beabsichtigten Antragstellung auf Übersiedlung abzubringen und sie fester an unseren sozialistischen Staat zu binden. In dieser Richtung sollte insbesondere verstärkt mit solchen Personen gearbeitet werden, die bisher jahre- und jahrzehntelang durch ihre Arbeit ihre Kraft für die Stärkung und Festigung des Sozialismus eingesetzt haben und jetzt plötzlich – maßgeblich durch die massive gegnerische Einwirkung als konkreter Ausdruck des sich zuspitzenden ideologischen Klassenkampfes – eine ablehnende Haltung und Einstellung zu unserer sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung vorgeben.

  • 6.

    Es sollte geprüft und erwogen werden, den gegenwärtig verwandten und den Anstrich bestimmter »innerdeutscher« Beziehungen zum Ausdruck bringenden Begriff »Übersiedlung« durch eine Definition zu ersetzen, die der staatlichen Souveränität Rechnung trägt. Für zweckmäßig und der Situation angemessen wird die Definition »Antrag zum ständigen Aufenthalt außerhalb der DDR« oder »Antrag zum Zwecke der Wohnsitznahme außerhalb der DDR« vorgeschlagen.

  • 7.

    Zur offensiven Bekämpfung der Kräfte, welche die gegnerische Hetzkampagne organisieren und zielgerichtet deren Unterstützung betreiben, ist die Anwendung des sozialistischen Strafrechts unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Handlung und der politischen Zusammenhänge und Auswirkungen der Entscheidung zu prüfen.

    Dabei ist ein einheitliches und für den Einzelfall differenziertes Vorgehen zu sichern. Die Möglichkeiten der Anwendung solcher Rechtsnormen, welche derartige Straftaten als kriminelles Delikt charakterisieren, sind konsequent zu nutzen.

  • 8.

    Stärker als bisher sollten in unserer Agitation und Propaganda solche Fälle aufgegriffen und ausgewertet werden, wo ehemalige Bürger der DDR, denen entsprechend ihrem Antrag die Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin genehmigt wurde, nach ihrer Übersiedlung sozial scheiterten, ihre diesbezügliche Entscheidung bereuen und sich um Rückkehr in die DDR bemühen.

  • 9.

    Dem Minister des Innern sollte empfohlen werden, durch eine weitere Präzisierung und Konkretisierung der Aufgaben und Maßnahmen im Antrags- und Genehmigungsverfahren kontinuierlich zu einer höheren Qualität der Bearbeitung von Anträgen auf Übersiedlung und der Entscheidungsfindung zu gelangen. Im Zusammenwirken mit den anderen zuständigen zentralen Staatsorganen sollte die Prüfung diesbezüglicher Möglichkeiten auch eine weitere Verstärkung und Qualifizierung der in die Bearbeitung einbezogenen Kader, ihre Anleitung und Qualifizierung einschließen.

  • 10.

    Unter Einbeziehung zuständiger zentraler staatlicher Organe der DDR sollte geprüft werden, inwiefern Antragsteller auf Übersiedlung verpflichtet werden können, für die ihnen von unserem sozialistischen Staat ermöglichte Ausbildung und erworbene Qualifikation (insbesondere bezogen auf Hoch- und Fachschulkader) die dabei entstandenen Aufwendungen in angemessener Höhe als Voraussetzung für eine Übersiedlung zurückzuerstatten.

Anlage zur Information Nr. 104/76

Ergebnisse der Überprüfungen des Ministeriums für Staatssicherheit zu den in der Sendung des ZDF vom 21. Januar 1976 veröffentlichten Namen und Adressen von Bürgern der DDR, die Anträge auf Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin gestellt haben

Bei den während der Sendung des ZDF am 21. Januar 1976 veröffentlichten 65 Personen und Adressen handelt es sich um 15 Familien und 14 Kinder sowie um 21 Einzelpersonen. Der jüngste in dieser Sendung des ZDF genannte Bürger der DDR, der sich zwecks »Unterstützung« seines Antrages auf Übersiedlung in nichtsozialistische Staaten bzw. Westberlin an Massenmedien der BRD und Westberlin wandte, ist 18 Jahre und der älteste Bürger der DDR 63 Jahre alt. Das Durchschnittsalter der genannten Personen beträgt 30 Jahre.

Aus den Veröffentlichungen der Namen und Adressen durch das ZDF wird ersichtlich, dass sich die unmittelbaren Einflüsse und Einwirkungen gegnerischer Kräfte auf das Erzwingen von Genehmigungen zur Übersiedlung von DDR-Bürgern nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin vorrangig – wie die Überprüfungen ergaben – auf hochqualifizierte Kräfte der DDR – die zugleich vorrangig zu den Zielgruppen der verbrecherischen Machenschaften der kriminellen Menschenhändlerbanden gehören, was gerichtsnotorisch bewiesen wurde – konzentrieren, wie zum Beispiel

  • Ärzte (3),

  • Zahnärzte (2),

  • Pharmazie-Ingenieur (1),

  • Elektronik-Ingenieur (1) sowie

  • qualifizierte Facharbeiter (22).

Nach noch nicht vollständig vorliegenden Untersuchungsergebnissen befinden sich auch unter den als »Hausfrauen« oder »ohne Tätigkeit« genannten Antragstellern ebenfalls qualifizierte Fachkräfte.

Die Überprüfungen des Ministeriums für Staatssicherheit ergaben weiter, dass seitens der vom ZDF veröffentlichten Namen und Adressen von DDR-Bürgern am häufigsten als Grund für die beantragte Übersiedlung die »Familienzusammenführung« mit in der BRD oder Westberlin lebenden Verwandten sowie die durch Kontakte und Begegnungen im Zusammenhang mit dem verstärkten Einreiseverkehr von Bürgern der BRD und ständigen Einwohnern von Westberlin entstandenen sogenannten Verlöbnissen mit DDR-Bürgern angegeben wurde. So wurden u. a. folgende charakteristische Begründungen für eine Übersiedlung angegeben:

  • Aufgrund erfolgter Ehescheidungen seien keine Bindungen mehr an die DDR vorhanden, sodass nur eine Übersiedlung zu in der BRD wohnhaften Verwandten infrage käme.

  • Eine zu einem früheren Zeitpunkt aus der BRD in die DDR erfolgte Übersiedlung sei eine »Fehlentscheidung« gewesen und deshalb wolle man wieder in die BRD zurück.

  • Unter Berufung auf die Möglichkeit der »Familienzusammenführung« wolle man zur Mutter, zum Bruder, Onkel oder anderen Verwandten in die BRD übersiedeln.

  • DDR-Bürgerinnen motivieren ihren Antrag zur Übersiedlung in die BRD bzw. in andere nichtsozialistische Staaten damit, dass sie mit ihren »Verlobten« zusammenleben wollen.

  • Unter Missbrauch von genehmigten Reisen in dringenden Familienangelegenheiten nicht zurückgekehrte DDR-Bürger fordern ihre in der DDR verbliebenen Ehepartner auf, alles zu unternehmen, um eine Genehmigung zur Übersiedlung im Rahmen der »Familienzusammenführung« zu erzwingen.

Darüber hinaus sind eine Anzahl von Anträgen auf Übersiedlung in nichtsozialistische Staaten und Westberlin und die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR damit begründet worden, dass die Antragsteller angeblich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR nicht einverstanden seien. Darunter befinden sich DDR-Bürger, die über Jahre hinweg eine positive Einstellung zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR hatten und zum Teil eine aktive gesellschaftliche Arbeit leisteten oder zumindest eine loyale Haltung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen der DDR bezogen.

Bei der Antragstellung zur Übersiedlung traten sie zum Teil in provokatorischer Art und Weise auf und äußerten sich mündlich oder schriftlich negativ zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR. Diese Antragsteller motivierten ihre Haltung u. a. mit folgenden Argumenten:

  • Als Nichtmitglied der SED habe man in der DDR »keine Perspektive« und keine Möglichkeit der fachlichen Qualifikation,

  • ihre Weltanschauung entspreche nicht der Politik von Partei- und Staatsführung,

  • in der DDR wären die demokratischen Rechte der Bürger, insbesondere die Meinungs- und persönliche Freiheit, eingeschränkt,

  • christlich orientierte Bürger der DDR wären in ihrer Glaubensausübung und im gesellschaftlichen Leben benachteiligt,

  • in der DDR würde die Freizügigkeit des Reiseverkehrs nach nichtsozialistischen Staaten – im Widerspruch zu Verträgen und Vereinbarungen – eingeschränkt.

In einer Reihe von Fällen versuchen die Antragsteller, inspiriert durch sogenannte »Ratschläge«, wie sie das ZDF am 7. Januar 1976 und 21. Januar 1976 erneut verbreitete, durch Androhung von Demonstrativhandlungen, Intervenierung bei internationalen Organisationen, der Einschaltung von Behörden, Einrichtungen und Institutionen sowie Massenmedien der BRD und Westberlins, »Druck« auf die staatlichen Organe auszuüben, um eine positive Entscheidung ihrer Anträge zu erzwingen.

Bei einem Teil der im ZDF genannten DDR-Bürger, deren Anträge auf Übersiedlung »aktiv unterstützt« werden sollen, handelt es sich um Personen (insgesamt 5), die wegen versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts, staatsfeindlicher Hetze, Verfehlung zum Nachteil persönlichen und privaten Eigentums, Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten durch Gerichte der DDR in der Vergangenheit rechtskräftig verurteilt worden waren. So wurde beispielsweise [Nennung des Beispiels].

Des Weiteren befinden sich unter den vom ZDF genannten Personen solche Antragsteller, die eine asoziale Lebensweise führen (2) und die ihre verfestigte negative und feindliche Einstellung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen der DDR durch

  • die Verweigerung des Wehrdienstes (1),

  • die Weigerung der Beteiligung an Wahlen seit 13 Jahren (1),

  • demonstrativen Austritt aus der LDPD, da diese Partei ihre Weiterentwicklung hemme (2),

zum Ausdruck bringen.

Von den insgesamt 51 erwachsenen DDR-Bürgern, die in der ZDF-Sendung genannt wurden und einen Antrag auf Übersiedlung stellten, waren

  • drei Anträge durch die zuständigen Organe der DDR bereits genehmigt,

  • sechs Anträge befinden sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch in Bearbeitung.

In allen anderen Fällen erfolgte die Ablehnung der Gesuche entsprechend den geltenden Grundsätzen für die Bearbeitung von Anträgen auf Übersiedlung.

  1. Zum nächsten Dokument Probleme mit algerischen Arbeitern in der DDR

    [ohne Datum]
    Information Nr. 105/76 über einige Probleme im Zusammenhang mit dem Einsatz und dem Aufenthalt algerischer Werktätiger in der DDR

  2. Zum vorherigen Dokument Bevölkerungsreaktion auf die Materialien zum IX. SED-Parteitag

    3. Februar 1976
    Information über erste Reaktionen unter der Bevölkerung der DDR auf die in Vorbereitung des IX. Parteitages veröffentlichten Materialien [Bericht O/21]