Lage in Berlin und in den Bezirken
[Ohne Datum]
Über die Lage am 17. Juni 1953 in Groß-Berlin und der DDR [Meldung Nr. 3/53]
I. Groß-Berlin
Bereits in den frühen Morgenstunden war es offensichtlich, dass es zu einer weiteren Ausdehnung des Streiks kommen wird. In einer Reihe von Groß- und Mittelbetrieben wurden Versammlungen durchgeführt und beschlossen, ebenfalls in den Streik zu treten und zum überwiegenden Teil sich an der Demonstration zu beteiligen. Hier einige Beispiele dafür:
6.15 Uhr demonstrierten ca. 400 Arbeiter des Fortschrittwerkes Möllendorfstraße in Richtung Stalinallee.
6.20 Uhr die Arbeiter des Betriebes Wälzlager Rittergutstraße, die seit 24 Uhr des vergangenen Tages in den Streik getreten waren.
6.30 Uhr kam es zur Arbeitsniederlegung im KWO-Kupferwalzwerk und Gummi–Asbest1. Es wurde zur Demonstration aufgerufen.
7.00 Uhr kam es zur Diskussion in der 11. Abteilung der Niles-Werke »7. Oktober«.
7.10 Uhr stellte das Werk Knorr-Bremse die Arbeit ein und die Belegschaft begab sich auf die Straßen.
7.10 Uhr legten einige Gruppen von Arbeitern des EAW »Stalin« in Treptow die Arbeit nieder.
7.15 Uhr legten die Arbeiter des Kabelwerkes Oberspree, Drahtwerk, die Arbeit nieder mit der Losung »Weg mit der Polizei, Volksarmee und Regierung!«
7.20 Uhr legten 200 Arbeiter in der Brennerei des Werkes Siemens-Plania die Arbeit nieder.
7.20 Uhr verließen 200 Bauarbeiter von Bergmann-Borsig das Werk.
7.40 Uhr stellte das gesamte Werk EAW »Stalin«, Treptow, die Arbeit ein.
7.45 Uhr legte das gesamte Kabelwerk Oberspree die Arbeit nieder.
Im Verlaufe des Vormittags legte eine Reihe von Belegschaften anderer Betriebe ebenfalls die Arbeit nieder. Z. B.:
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Berliner-Glühlampenwerk,
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RFT Treptow,
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RFT Edisonstraße,
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Kabelwerk Köpenick,
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ABUS Lichtenberg
und andere Betriebe.
Die von den Streikenden erhobenen Forderungen lauteten in der Regel:
»Nieder mit der Normenerhöhung«,
»Wir fordern Lohnerhöhung«,
»Senkung der HO-Preise«,
»Durchführung freier Wahlen«,
»Sturz der Regierung«,
»Nieder mit der SED«,
»Freilassung der politischen Gefangenen«.
Unter diesen Losungen gingen die Streikenden zu Demonstrationen über. Es gelang den Agenten-Provokateuren aus Westberlin, die Arbeiter für ihre politischen Hetzparolen zu missbrauchen.
Der weitaus größte Teil der Demonstrationszüge bewegte sich zum Stadtzentrum, insbesondere auf den Straßen Stalinallee zum Alexanderplatz, Unter den Linden, Leipziger Straße, Potsdamer Platz, Klement-Gottwald-Allee.
Trotz sofort eingeleiteter Gegenmaßnahmen konnte nicht verhindert werden, dass die Demonstranten nach dem Stadtinnern zogen. Dabei gelang es ihnen, Arbeiter anderer Werke mitzureißen. Die Demonstrationen wurden dadurch verstärkt.
Um 7.45 Uhr begab sich ein Demonstrationszug von ca. 200 Personen unter der Losung »Generalstreik« nach dem Marx-Engels-Platz.
Gegen 8.00 Uhr bewegten sich ca. 400 Personen in Richtung Strausberger Platz und auf der Stargarder Straße ca. 100 Personen in Richtung Zentralhaus der Einheit.
8.50 Uhr bewegten sich 1 000 Personen nach dem Haus der Ministerien.
9.25 Uhr befanden sich ca. 2 000 Demonstranten in der Wilhelmstraße.
9.30 Uhr wurde ein größerer Demonstrationszug nach dem Haus der Ministerien festgestellt.
10.15 Uhr wurde eine Ansammlung mehrerer 1 000 Menschen auf dem Thälmannplatz gemeldet. Um die gleiche Zeit bewegten sich ca. 2 000 Personen zum Brandenburger Tor.
10.35 Uhr befanden sich bereits 4 000 Personen auf dem Wege zum Dönhoffplatz über die Leipziger Straße zum Haus der Ministerien.
An zahlreichen Abschnitten der Sektorengrenze kamen Personen, insbesondere Jugendliche aus Westberlin, um an den Demonstrationen randalierend und hetzend teilzunehmen. Sie waren zweifellos die treibenden Kräfte. Es wurde festgestellt, dass an den Spitzen der Züge sich Radfahrer befanden, die mit dem Westsektor bzw. mit von Westen eingedrungenen Pkw Verbindung hielten. Dadurch, dass alle Demonstrationen nach dem Haus der Ministerien vordringen konnten, entstand dort um diese Zeit eine außerordentlich ernste Situation.
Bereits auf dem Wege zum Haus der Ministerien wurden zahlreiche Ausschreitungen begangen. Transparente wurden verbrannt, Sektorenschilder zertrümmert, HO-Kioske angezündet, Geschäfte gestürmt und geplündert. Im Laufe des Tages wurde auch das Columbus-Haus am Potsdamer Platz in Brand gesteckt.
Zu besonderen Ausschreitungen kam es auch in der Markthalle am Alexanderplatz, wo private Kleinhändler die HO und den Konsum zwangen, den Verkauf einzustellen. Beladene HO-Lkw mit Lebensmitteln wurden daran gehindert, die Halle zu verlassen. In der Innenstadt wurden zahlreiche Pkw umgeworfen, darunter drei Funkwagen und ein Pkw des MfS.
Zwei große Demonstrationszüge aus dem Westsektor kommend passierten das Brandenburger Tor und schlossen sich den Demonstranten im demokratischen Sektor an. Die Rowdys versuchten das Haus der Ministerien zu stürmen. Die dort eingesetzten Kräfte des Wachregimentes des Ministeriums für Staatssicherheit unter der Leitung von Oberst Weikert2 konnten nur mit äußerstem Einsatz dem Ansturm standhalten.
Schließlich wurde der Befehl gegeben, Wasserwerfer einzusetzen. Inzwischen erschien sowjetisches Militär. Durch den energischen Widerstand der Verteidiger des Hauses und das Eingreifen der sowjetischen Truppen wurden die Demonstranten zurückgedrängt.
In den Mittagsstunden versuchte ein starker Demonstrationszug in das Präsidium der Volkspolizei einzudringen. Mit Steinen bewaffnet griffen sie die vor dem Hause postierenden VP-Angehörigen an. Das Eindringen wurde durch Schusswaffengebrauch und Einsatz der Feuerwehr verhindert.
Nachdem energische Maßnahmen gegen die Unruhestifter angedroht und ergriffen wurden, wurde der Höhepunkt der feindlichen Aktionen überschritten und ein langsames aber stetiges Abflauen der Provokationen festgestellt. Im Laufe des Tages wurde vereinzelt die Arbeit in einigen Betrieben, so z. B. im Schaltwerk Markgrafendamm, wieder aufgenommen. Dort wurde z. B. einstimmig beschlossen, nach den Richtlinien des ZK3 zu arbeiten. Auch im RAW Berlin hat der größte Teil der Belegschaft wieder zu arbeiten begonnen.
Im Wesentlichen blieb aber die Streiklage am 17.6.1953 unverändert. Auch im Laufe des Nachmittags bewegten sich noch einige Demonstrationszüge besonders in der Stadtmitte.
Es muss bemerkt werden, dass das Eisenbahnbetriebspersonal sich, mit wenigen Ausnahmen, an dem Streik nicht beteiligte und ihrer Dienstpflicht nachkam. Die durch den RIAS verbreitete Nachricht, dass die S-Bahner in den Streik getreten sind, entspricht nicht den Tatsachen. S-Bahn, U-Bahn und Straßenbahn wurden auf Anweisung unserer Regierungsorgane eingestellt.
Welche Maßnahmen führten zu einer Entspannung der Lage?
Wie bereits festgestellt, trat im Laufe des Nachmittags eine Entspannung der Lage ein. Die Ursachen dürften Folgende sein:
Am frühen Nachmittag merkten die Demonstranten, dass energische Maßnahmen gegen sie ergriffen werden, mit denen sie offensichtlich nicht gerechnet hatten. Des Weiteren verbreitete der Rundfunk den Befehl des sowjetischen Stadtkommandanten über die Verhängung des Ausnahmezustandes im sowjetischen Sektor von Berlin. Ebenfalls brachte der Rundfunk in regelmäßigen Abständen den Aufruf der Regierung der DDR. Auch das Schließen der Sektorengrenze sowie das Stilllegen der Verkehrsmittel wirkten sich auf das Abflauen der Demonstrationsbewegung aus.
Während von Westberliner Seite aus am Vormittag eine Reihe von Maßnahmen ergriffen wurde, um die Demonstrationen zu vergrößern, forderte der RIAS wie auch der Fraktionsvorsitzende der West-CDU Lemmer4 auf, keine Unbesonnenheiten zu begehen.
Auch auf einer Kundgebung am Nachmittag forderte Bürgermeister Kressmann5 die Teilnehmer aus dem sowjetischen Sektor auf zurückzukehren. Er verwies dabei auf die Ausgangssperre ab 21 Uhr und versprach die Auszahlung von Fahrgeld.
Die Stumm-Polizei6 verhinderte zahlreiche Durchbrüche von Westberliner Demonstranten nach dem sowjetischen Sektor.
Aus den vorhandenen Unterlagen kann noch nicht genau festgestellt werden, welche feindlichen Kräfte in Westberlin die Hauptdrahtzieher sind. Jedoch steht fest, dass sich KgU7, BDJ8 aktiv beteiligt haben. Zweifellos haben die Besatzungsmächte, offensichtlich der Amerikaner, an dem Auslösen der Unruhen namhaften Anteil. Das beweist das Abwerfen hetzerischer Flugblätter aus Flugzeugen.
II. Die Lage in der Republik
In den 14 Bezirken ist die Lage unterschiedlich. Aus den Bezirken Schwerin, Rostock, Neustrelitz, Suhl sind so gut wie keinerlei feindliche Aktionen gemeldet worden. In den Bezirken Dresden, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Erfurt werden bereits zahlreiche Aktionen gemeldet. Noch größeren Umfang haben die feindlichen Maßnahmen aber in den Bezirken Halle, Magdeburg, Gera, Potsdam, Cottbus.
Besonders im Bezirk Halle war die Lage außerordentlich ernst. Es streikten: Die Filmfabrik Wolfen im Kreis Bitterfeld streikte ganz, die Farbenfabrik streikte teilweise. Sie vereinigten sich zu Demonstrationen. Ebenso streikten die Arbeiter in den größten Werken der Republik: Leuna-Werke »Walter Ulbricht«, Buna-Werke. Auch in Leuna kam es zu Demonstrationen. Hier sangen die Arbeiter das »Deutschlandlied« und schlugen Funktionäre demokratischer Organisationen nieder.
Es hat den Anschein, als wäre man im Bezirk Halle nach einem wohlüberlegten Plan vorgegangen. Im Norden streikten die Bitterfelder-Betriebe, im südlichen Teil des Bezirkes streikten Leuna und Buna. Des Weiteren streikten die Arbeiter der Schiffswerft Roßlau und die Arbeiter des Eisenhüttenwerkes Thale.
In Bitterfeld wurde die Kreisdienststelle gestürmt. Ebenso die Kreisdienststelle in Merseburg. Hier wurde der Kreisdienststellenleiter mitgeschleppt.9 In Bitterfeld wurden HO-Läden gestürmt und Losungen heruntergerissen.
Während ein Teil der Streikenden in Halle unsere Dienststelle belagerte, die Bezirksleitung der Partei stürmte und demolierte und Häftlinge vom VPKA befreite, begaben sich andere Streikende nach den Braunkohlenwerken des Geiseltales, um die Bergarbeiter für die Teilnahme am Streik zu gewinnen und dadurch u. a. die Energieversorgung lahmzulegen.
In der Braunkohlengrube Großkayna gelang es den Provokateuren vorerst, die Arbeiter für den Streik zu gewinnen, doch durch den Einsatz des Genossen Werksleiter nahm die Belegschaft nach einer kurzen Zeit die Arbeit wieder auf.
Es hat den Anschein, als hätten die für die Herstellung der Ruhe und Ordnung verantwortlichen Organe nicht energisch genug durchgegriffen.
Im Bezirk Magdeburg entstand eine ebenso ernste Lage. Die wichtigsten Betriebe des Schwermaschinenbaus traten ebenfalls teilweise oder ganz in den Streik.
So wurde im Dimitroff-Werk die Arbeit niedergelegt. Ebenso streikte die Dreherei im Karl-Marx-Werk. Demonstranten stürmten das Karl-Liebknecht-Werk und zwangen die Arbeiter, an der Demonstration teilzunehmen. Im RAW Magdeburg und im Bahnbetriebswerk Magdeburg-Buckau wurde ebenfalls gestreikt.
Auch in Magdeburg fanden größere Demonstrationen statt. Demonstranten drangen in die Bezirksleitung der Partei ein und demolierten sie. Ebenso versuchten sie, unser Gefängnis zu stürmen und setzten das Tor zum Gefängnis in Brand. Hier verfügten die Aufständischen über 14 Karabiner.
Auch die Büroräume des Bezirks-Friedensrates, des FDGB und das Haus der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft wurden demoliert. Ferner wurden das Haus der FDJ und die »Volksstimme« besetzt und geplündert. Die Reichsbahndirektion Magdeburg wurde von Demonstranten besetzt.
Bei dem Kampf in Magdeburg sind zwei Volkspolizisten, ein Angehöriger des MfS sowie vier Zivilisten ums Leben gekommen. 42 Personen wurden verletzt.
Bezirk Potsdam
Auf den Bezirk Potsdam wirkte sich die Nähe Berlins ungünstig aus. In folgenden Betrieben wurde hier gestreikt:
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LEW,10
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Walzwerk Brandenburg,
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Stahlwerk Hennigsdorf,
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Optische Werke Rathenow,
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Bau-Union Hennigsdorf,
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Bau-Union Hohenschöpping,
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Kreuzungsbauwerk Karow,
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Kunstseidenwerk Premnitz,
im Letzteren mit Ausnahme der Arbeiter des Kraftwerkes und der Mitglieder der SED.
Um 13.20 Uhr marschierten 4 000 Demonstranten des LEW Hennigsdorf nach Westberlin über Heiligensee. Ebenso überschritten Arbeiter der Bau-Union Naumburg die Sektorengrenze. Im Stahl- und Walzwerk Brandenburg wurde die Arbeit 11.35 Uhr wieder aufgenommen. Es ist auch damit zu rechnen, dass auch im Stahlwerk Hennigsdorf und im LEW die Arbeit am 18.6.1953 wieder teilweise aufgenommen wird.
Die Demonstranten gingen dazu über, in den Mittagsstunden das Parteihaus und das FDGB-Gebäude sowie das Gericht zu stürmen. Gefangene wurden freigelassen.
Auch im Bezirk Potsdam kann mit einem Abflauen des Streiks gerechnet werden. Im Karl-Marx-Werk Babelsberg wurde beschlossen, sich nicht an dem Streik zu beteiligen.
Bezirk Gera
Im Bezirk Gera kam es zu Streiks, besonders in Jena bei Zeiss, Schott, Jenapharm und RAW. Die Streikenden gingen hier ebenfalls zu Demonstrationen über. In Jena wurde die Dienststelle des MfS demoliert und man versuchte das VPKA zu stürmen. Demonstranten drangen in die Haftanstalt ein. Das Haus der Nationalen Front wurde gestürmt und das Gebäude der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft angegriffen.
Während die Kumpels der Wismut AG zumeist sich in fast allen Gebieten von Streiks und Demonstrationen fernhielten, versuchten mehrere Hundert Wismut-Arbeiter, die z. T. auf Lastwagen nach Gera fuhren, sich an der Demonstration zu beteiligen. Einem Teil gelang dies.
In Weida wurde das VP-Revier von Wismut-Arbeitern gestürmt. Sie wurden jedoch zurückgeschlagen. Dagegen verpflichteten sich die Wismut-Kumpels in Freital, beim Ausfall von Arbeitskräften in der 3. Schicht freiwillig weiterzuarbeiten, um einen Produktionsausfall zu verhindern.
Bezirk Erfurt
Im Bezirk Erfurt kam es zu keinen größeren Ausschreitungen. In den Rheinmetall-Werken Sömmerda wurde die Arbeit niedergelegt. Zwei kleinere Betriebe schlossen sich diesem Streik an. Später wurde mitgeteilt, dass die Menschen in diesen Betrieben zum Sitzstreik übergegangen sind.
In Langensalza, Bad Tennstedt, hat ein Pfarrer auf einer Kundgebung von 400 bis 500 Menschen zum Sturz der Regierung aufgerufen.11 Der Bürgermeister hat sich seiner Meinung angeschlossen.
Im Kreis Mühlhausen rotteten sich Groß- und Mittelbauern zusammen, nach Mühlhausen zu demonstrieren, doch hat sich die Demonstration aufgelöst. Zehn Personen wurden festgenommen. Weitere Verhaftungen erfolgen noch.
Bezirk Cottbus
Im Bezirk Cottbus legten Teile der Arbeiter der Großkokerei Lauchhammer die Arbeit nieder, ebenso 600 Arbeiter des TEWA-Drahtwerkes Finsterwalde. Ferner wurde an den Baustellen des Kraftwerkes Sonne im Kreis Spremberg und im RAW Cottbus gestreikt.
In Jessen versuchten Großbauern, die MTS-Arbeiter zur Arbeitsniederlegung aufzufordern. Nur wenige folgten diesen.
Demonstrationen fanden nicht statt.
Bezirk Frankfurt/Oder
Aus dem Bezirk Frankfurt/Oder wird gemeldet, dass in Stalinstadt das Leben den normalen Gang geht. Im Eisenhütten-Kombinat »Stalin« streikten 800 Bauarbeiter der dortigen Bau-Union. Die Arbeiter dieses Betriebes beteiligten sich nicht an dem Streik. Ferner stürmten Demonstranten das Deka-Reifenwerk und versuchten dort, die Arbeiter zur Arbeitsniederlegung zu veranlassen. Der Versuch, das Rathaus von Fürstenwalde zu stürmen, wurde von FDJ-lern verhindert.
Im EKM Eberswalde wurde gestreikt. Das Werk wurde von sowjetischen Truppen besetzt. Daraufhin wurde die Arbeit wieder aufgenommen.
Im ABUS-Kranbau Eberswalde wurde eine Resolution gegen die Streiks angenommen. Die Arbeit läuft dort normal.
Bezirk Dresden
Im Bezirk Dresden streikten:
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LOWA-Waggonwerk Görlitz,
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EKM-Maschinenbau und
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1 000 Mann des NAGEMA-Werkes,
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Sachsenwerk Niedersedlitz.
Die Belegschaften einiger anderer Werke schlossen sich dem Streik an.
Die Dienststelle Görlitz wurde gestürmt. Der Dienststellenleiter und der 1. Sekretär des FDGB12 wurden vorerst verschleppt. Beide sind verletzt. Die Haftanstalt der Dienststelle Görlitz wurde gestürmt, die Häftlinge befreit. Die Demonstranten drangen ins Rathaus ein.
Auch die Dienststelle Niesky wurde besetzt und in Brand gesteckt, die Mitarbeiter des MfS stark bedrängt. Um 21.30 Uhr wurde gemeldet, dass die Lage in Görlitz sich bereits beruhigt hat und fünf Personen bis dahin festgenommen wurden. Laut Meldung von 23.55 Uhr war die Dienststelle Niesky wieder in unseren Händen. Vier Mitarbeiter sind verletzt und z. T. im Krankenhaus.
Wahrscheinlich haben die für die Wiederherstellung der Ordnung verantwortlichen Organe in Görlitz und Niesky nicht rechtzeitig und energisch genug durchgegriffen.
Bezirk Karl-Marx-Stadt
Die Arbeiter des Zwickau-Oelsnitzer Steinkohlenreviers beteiligen sich nicht am Streik. Lediglich einige kleinere Betriebe der Leichtindustrie streiken.
Bezirk Leipzig
Bereits am 15.6. und 16.6.1953 fanden einige kleinere Streiks statt. Am 17.6.1953 belagerten Demonstranten das Polizeipräsidium und drangen in das Gebäude des Rundfunks ein. Sie stürmten das VPTA13 (Trapo). An der Spitze befand sich ein ehemaliger Transportpolizist. Dieser wurde festgenommen.14
Ein Demonstrationszug bewegte sich aus Richtung Schkeuditz nach Leipzig in einer Stärke von 10 000 Mann. In Delitzsch kam es zu Schießereien unter den Arbeitern, die in Bitterfeld zu einer Demonstration waren und wieder zurückkamen. Im VEB NAGEMA in Schkeuditz hat ein Teil der Arbeiter die Arbeit bereits wieder aufgenommen.
Abschließend muss zur Lage in der Republik gesagt werden, dass bereits vor den Ereignissen in Berlin Anzeichen einer feindlichen Tätigkeit im Bezirk Leipzig vorhanden waren. Drohbriefe wurden in Leipzig an Verwaltungsstellen und Betriebsleitungen gesandt. Hier streikten auch bereits am 15.6.1953 40 Personen eine Stunde im VEB SANAR15, Roßwein. Am 16.6.1953 streikten 300 Personen im VEB Hammerschuh in Döbeln.
Das Auslösen der feindlichen Aktionen in fast allen Bezirken mit starkem industriellen Einschlag unter den gleichen Losungen und denselben Handlungen zeugen davon, dass die Aktionen offensichtlich von Westberlin aus zentral gesteuert wurden, wobei das Hauptgewicht auf die Lahmlegung der Industrie und die Gewinnung des Industrie-Proletariats für die feindliche Tätigkeit gelegt wurde, obwohl auch vereinzelt, z. B. in den Bezirken Leipzig, Potsdam, Erfurt und Cottbus, die feindlichen Aktionen auf die Landwirtschaft ausgedehnt sind.
Die Organe der kasernierten Volkspolizei, der Wachbereitschaft des MfS, der Grenzpolizei, der Transportpolizei und die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit selbst sind bester Stimmung, erfüllen freudig ihre Pflicht und führen alle Befehle gewissenhaft aus. U. a. wurden zwei Abteilungsleiter, zwei Referatsleiter und ein Sachbearbeiter des Ministeriums erheblich verletzt und befinden sich im Krankenhaus.16
Über die Verletzten in der Republik wurde bereits berichtet.17
Bisher wurden in Berlin über 800 Provokateure und in der Republik über 300 festgenommen.
Einschätzung der voraussichtlichen Lage am 18.6.1953
Die Lage am 18.6.1953 in der Republik dürfte sich nicht wesentlich von der Lage in Berlin am gleichen Tage unterscheiden.
In der Republik wie in Groß-Berlin kann damit gerechnet werden, wenn die für die Wiederherstellung der Ordnung verantwortlichen Organe nach den gegebenen Anweisungen gründlich handeln, dass es zu keinerlei nennenswerten Demonstrationen mehr kommt.
Ebenfalls kann damit gerechnet werden, dass die Streiks in Berlin in allen Bezirken abflauen und die Arbeit in zahlreichen Betrieben allmählich wieder aufgenommen wird.
Für Berlin wie auch für die Republik muss festgestellt werden, dass die Parteiorganisation und auch die verantwortlichen Organe des FDGB offensichtlich den Aufgaben im Betrieb nicht gewachsen waren. Es fehlte an der notwendigen Anleitung. Die Genossen waren ratlos. Obwohl der größte Teil unserer Genossen sich nicht am Streik beteiligte, wussten sie nicht, welche Maßnahmen sie zur Verhinderung des Streiks einleiten sollten.
In fast allen Betrieben wurden Streikleitungen gebildet. Provokateure machten die Vorschläge. Diese Streikleitungen stellten Forderungen auf, die fast überall im Wesentlichen übereinstimmten. Auch hier dürfte der Beweis für eine zentrale Leitung bzw. zentrale Anweisungen seitens des Gegners erbracht sein. Die Rädelsführer selbst gingen in der Regel nicht in die Streikleitung, sondern blieben im Hintergrund.
Wenn die Parteiorganisationen, der FDGB, die FDJ und die für die Wiederherstellung der Ordnung zuständigen Organe ihre Kräfte entsprechend mobilisieren und sie energisch einsetzen und ständige Anleitung der übergeordneten Organe erhalten, dürfte der Aufruhr in kürzester Frist beendet sein.