Lage in der ersten Dezemberhälfte
[Ohne Datum]
Analyse vom 1. bis 15. Dezember 1953 [Nr. 7/53]
Zur Regierungserklärung vor der Volkskammer vom 25. November 19531 wurden aufgrund der Aufklärung die Diskussionen zahlreicher in denen zum Ausdruck kam, wie z. B. ein parteiloser Arbeiter des VEB Schott Jena erklärte: »Die Vorschläge der Regierung der DDR an den Westen sind ein bedeutender Schritt zur Einheit Deutschlands.«
Ein Arbeiter aus Neuhaus/Suhl meint dazu: »Die in der Regierungserklärung gemachten Vorschläge entsprechen den Forderungen aller Werktätigen in der DDR und werden ohne Zweifel auch ihren Widerhall in der Bevölkerung Westdeutschlands finden.«
Über die Note der SU zur Einberufung der Viermächtekonferenz2 wurde vorwiegend in den Betrieben und unter der städtischen Bevölkerung, weniger auf dem Lande, diskutiert. Die Bemühungen der SU um eine friedliche Regelung der deutschen Frage und Entspannung der internationalen Lage wurden in der Mehrzahl anerkannt und begrüßt. So erklärte ein Arbeiter der VEB Werkzeugfabrik Königsee/Gera: »Ich habe die Note der SU gelesen und erkannt, dass die SU dadurch wieder einen Schritt zur Einheit unseres Vaterlandes leistet. Diesem Aufruf stimme ich hundertprozentig zu, denn nur durch die Unterstützung der SU können wir die Einheit Deutschlands erreichen.«
Vielfach wurde jedoch auch an einem Erfolg der Friedensbemühungen gezweifelt, wie z. B. ein Arbeiter (SED) aus dem Gaswerk Demmin erklärte: »Es wurden schon viele Noten gewechselt, aber Erfolge dadurch fast nicht erzielt. Es war genauso mit der letzten Note der SU und der DDR an die Westmächte, wo nichts dabei herauskam.«
Nachdem die Westmächte dem Vorschlag der SU zustimmten,3 wuchs das Interesse an der Viermächtekonferenz. Viele hoffen auf eine friedliche Lösung der deutschen Frage. So erklärten einige Jugendliche aus dem VEB Waggonbau Niesky: »Wir hoffen und wünschen, dass die vier Regierungen über die Frage Deutschlands einig werden und dem deutschen Volke einen gerechten Friedensvertrag geben.«
Vielfach wurde aber auch noch an einem positiven Ausgang der Konferenz gezweifelt, wie z. B. ein Wismut-Kumpel aus Annaberg, welcher erklärte: »Die SU und unsere Regierung versuchen alles, um die Einheit Deutschlands auf friedlichem Wege herbeizuführen, aber die Westmächte werden sich schon wieder herausreden und da kommt bei der ganzen Konferenz genau nichts heraus.«
Verhältnismäßig gering waren die negativen Diskussionen, welche oft von Menschen aus bürgerlichen Kreisen geführt wurden, wie z. B. ein Großbauer aus Greschendorf/Rostock, welcher erklärte: »Wenn es auch zu Verhandlungen kommen sollte, so wird die SU schon irgendwelche Winkelzüge finden, damit die Verhandlungen zu keinem Ziel kommen. Man wird bestimmt einen Grund finden, die Verhandlungen abzubrechen.«
Industrie und Verkehr
Die neue Verordnung des Ministerrates zur weiteren Verbesserung der Lebenslage der Arbeiter und der Rechte der Gewerkschaften4 wurde von den Belegschaften der Betriebe in der Mehrzahl freudig begrüßt. So erklärte z. B. ein Arbeiter vom VEB IKA Annaberg: »Ich begrüße die Verordnung und sehe darin einen weiteren Fortschritt. Gerade damit beweisen wir den Arbeitern in Westdeutschland, welche Rolle die Gewerkschaften bei uns in der DDR spielen und zeigen ihnen, dass der Weg des DGB unbedingt falsch ist.«
Das Vertrauen der Arbeiter zur Partei und Regierung und die aktive Unterstützung des neuen Kurses ist [sic!] weiterhin gewachsen. So sagte z. B. ein Wismut-Kumpel: »Was unsere Regierung beschließt, ist richtig und entspricht den Interessen der Arbeiter, denn es sind ja alles Arbeiter, die in der Regierung sitzen.« Nach Bekanntwerden der Verordnung führten z. B. im Walter-Schneider-Schacht des Mansfeld-Kombinates acht Brigaden Hochleistungsschichten durch und mehrere Kumpel stellten den Antrag, als Kandidaten in die SED aufgenommen zu werden.
Verschiedentlich standen die Arbeiter der Verordnung noch skeptisch gegenüber, wie z. B. eine Näherin aus dem Bekleidungswerk Waltersdorf, Kreis Zittau, die sagte: »Ich glaube noch nicht daran, dass diese Verordnung auch in der Praxis durchgeführt wird. Es ist schon viel versprochen worden, aber nichts gehalten, z. B. die Angelegenheit mit der Stromsperre und die Belieferung für das Weihnachtsfest.«
Direkt negative Meinungen sind gering und kommen meist aus Kreisen der Angestellten, welche die Verbesserung bagatellisieren, wie z. B. ein Angestellter aus dem VEB »Heinrich Rau« Wildau, welcher sagte: »Das ist eine reine Gewerkschaftsangelegenheit und geht darauf hinaus, dass die Gewerkschaften sich noch mehr einschalten müssen, damit mehr geleistet wird. An sich bringt uns der Beschluss gar nichts.«
Die Wettbewerbsbewegung in den Betrieben hat weiterhin zugenommen, desgleichen die Verpflichtungen zur Verbesserung der Produktion, und in einigen Betrieben wurden auch freiwillige Normenerhöhungen vorgenommen. Vielfach handelt es sich um innerbetriebliche Wettbewerbe und Verpflichtungen zur vorfristigen Planerfüllung oder zur Aufholung von Planrückständen. Die zusätzliche Produktion von Massenbedarfsartikeln ist dabei noch wenig vertreten.5
Der Umfang dieser Bewegung ist in den einzelnen Bezirken verschieden, z. B. laufen Wettbewerbe in der übergroßen Mehrzahl der Betriebe im Bezirk Leipzig, Frankfurt/Oder und Suhl, in den meisten Betrieben des Bezirkes Karl-Marx-Stadt, ca. 70 % der Wismut-Kumpel stehen im Wettbewerb oder haben Produktionsverpflichtungen übernommen, ca. 50 % der Arbeiter im VEB stehen im Bezirk Erfurt im Wettbewerb, wobei in allen Schwerpunktbetrieben Wettbewerbe laufen. Dagegen ist z. B. die Wettbewerbsbewegung im Bezirk Rostock verhältnismäßig gering, sie trägt nur in der Warnow-Werft Massencharakter.
In der Tuchfabrik Paasche in Burg/Magdeburg haben z. B. acht Brigaden der Weberei einen Wettbewerb abgeschlossen, um die Qualität zu verbessern und die Planrückstände aufzuholen. Im VEB Steingutfabrik Torgau verpflichtete sich ein Teil der Kollegen, bis 30.6.1954 85 t Geschirr über den Plan zu produzieren. In dem VEB Cunnersdorfer Wirkwarenfabriken, Kreis Annaberg/Karl-Marx-Stadt, verpflichteten sich mehrere Brigaden in der Konfektion einen rationalen Zuschnitt nach der Methode Korabelnikowa6 anzuwenden. Dadurch werden monatlich 1 000 DM und 100 kg Material eingespart. Die Kollegen der Britzer Eisenwerke in Eberswalde haben 81 Normen erhöht (freiwillig).
Die Mängel, welche bisher in einem Teil der Betriebe zu Produktionsschwierigkeiten und damit zur Gefährdung der Planerfüllung führten, sind in letzter Zeit zu einem erheblichen Teil überwunden worden, sodass z. B. in den Bezirken Suhl, Leipzig, Magdeburg, Cottbus, Neubrandenburg, Rostock, Karl-Marx-Stadt, Gera und der Wismut dadurch die Produktion und die Planerfüllung nicht mehr wesentlich beeinflusst [sind]. Ursachen für die Produktionsschwierigkeiten in einem Teil der Betriebe sind hauptsächlich noch Mangel an Rohmaterial, Halbfertigfabrikaten bzw. verspätete Anlieferung und mangelhafte Qualität des gelieferten Materials. So wurde z. B. im Kompressorenbau Bannewitz, Kreis Freital, der Plan bis jetzt wegen Materialmangel nur zu 44,1 % und in den Welta Kamerawerken Freital wegen verspätetem Eingang von Material nur zu 77 % erfüllt.
Im VEB MIFA Sangerhausen/Halle bestehen Schwierigkeiten in der Fertigstellung von Fahrrädern, da für die Speichen die Nippel fehlen. Der Zubringerbetrieb VEB Barchfeld kann die Nippel nicht liefern, da er kein Material hat. Ähnlich ist es im VEB Reifenwerk Fürstenwalde, Frankfurt/Oder, mit der Belieferung der Ventile für die Schlauchproduktion. Die Produktion im EMW Eisenach leidet weiterhin an der Lieferung nicht normgerechten Schmiede- und Stahlmaterials, sodass dem Betrieb laufend erhebliche Geldverluste entstehen.
Der Transportraummangel, welcher nicht mehr so groß wie vorher in Erscheinung tritt, führte in einigen Betrieben meistens zu Absatzschwierigkeiten, weniger zur Behinderung der Produktion. So füllten sich z. B. im VEB Holzindustrie Bad Kösen, Kalkwerke Kösen und Querfurt, Salzbergwerk Gröna, Kreis Bernburg, und Farbenfabrik Wolfen/Halle die Lager, weil die Produkte wegen ungenügender Waggongestellung nicht abgesetzt werden konnten.
Handel und Versorgung
Im Allgemeinen wurde das Warenangebot verbessert, trotzdem bestehen weiterhin in vielen Warenarten meist zeitweilige und örtlich begrenzte Mängel. Die wesentlichen Ursachen dafür sind schlechte Planung und Verteilung sowie der Mangel an handelseigenen Transportmitteln.
Die vollständige Belieferung der Bevölkerung mit Einkellerungskartoffeln ist wegen der schlechten Ablieferung immer noch nicht erreicht worden. Sie erhöhte sich von 91 % auf ca. 95 % durchschnittlich in den Bezirken, wobei aber noch große Unterschiede bestehen. Z. B. die Bezirke Erfurt und Suhl haben die Einkellerungsaktion bereits abgeschlossen, dagegen wurden im Bezirk Schwerin erst 88,7 % und im Bezirk Frankfurt/Oder bis 7. Dezember erst 85 % eingekellert, wobei die Kreise Bernau, Strausberg und Fürstenwalde erst 78–80 % erhalten haben. Ähnlich ist es auch noch in Berlin.
Die Belieferung mit Zutaten für die Weihnachtsbäckerei wurde bedeutend verbessert, sodass die großen Anforderungen vom Anfang des Monats im Wesentlichen gedeckt sind. Vielfach machte sich ein zeitweiliger Mangel in verschiedenen Bezirken an Margarine Sorte I und II bemerkbar.
In fast allen Bezirken war die Belieferung mit Winterkleidung zu gering und zum Teil auch mit Arbeitskleidung.
Landwirtschaft
Die Ablieferung wurde in den Bezirken bei Getreide durchschnittlich erst mit ca. 89 % und Kartoffeln mit 88 % erfüllt. Wobei der Bezirk Frankfurt/Oder mit Getreide 78,3 % und Kartoffeln 76,6 % noch am weitesten zurückliegt.
Die Schwierigkeiten bei der Ablieferung und der Widerstand gegen die Erfassung der landwirtschaftlichen Produkte, besonders Kartoffeln, hielten weiterhin in der Mehrzahl der Bezirke an. Dabei haben die verhältnismäßig größten Rückstände die Großbauern, in zweiter Linie die Mittelbauern und im geringen Umfang die Kleinbauern. In der Gemeinde Milzau/Halle erfüllten z. B. zwölf Großbauern ihre Verpflichtungen gegenüber dem Staat nicht, ein Großbauer hat u. a. erst 40 % der Kartoffeln abgeliefert. Alle zwölf sind Mitglieder der LDP und haben sich am 17. Juni am Putsch beteiligt.
Mit den in letzter Zeit energischer durchgeführten Erfassungsaktionen ist eine ganze Reihe Bauern nicht einverstanden. Dazu sagen z. B. die Bauern in Stolpe/Rostock: »Das ist ja die reine Mordkommission.« In Schönebeck/Potsdam wollten die Mitglieder einer Leipziger Erfassungsbrigade eine Gabel ausleihen, die sie zu einer Zwangsverladung brauchten. Überall wurde ihre Bitte abgeschlagen, auch vom Gastwirt, bei dem sie einquartiert waren. Dieser sagte: »Euretwegen verliere ich schon die Kundschaft, ein Großbauer sagte mir: ›Schmeiß doch die Leipziger raus oder gib ihnen nicht zu essen, dann müssen sie ja abhauen, andernfalls kommen wir nicht mehr zu dir.‹«
Oftmals äußerten Bauern sie würden nach dem Westen gehen, wenn man sie zwingen würde abzuliefern. So sagten verschiedene Bauern in Bristow und Güstrow/Neubrandenburg, wenn die Erfasser7 der Kreisverwaltungen so weitermachen und ihnen die Saatkartoffeln wegnehmen, seien sie gezwungen nach dem Westen zu gehen. Im Bezirk Rostock setzten sich z. B. ein Bauer aus Klüss8 und ein Neubauer aus Rosenhagen, aufgrund der Erfassung, nach dem Westen ab.
Nicht selten werden die Erfasser von Großbauern und auch von werktätigen Bauern bedroht. So sagte z. B. ein Großbauer in Müchedorf9 zu dem Erfasser: »Scher Dich vom Hof, oder ich lasse die Hunde los.« Ein Kleinbauer aus Protzen/Potsdam erklärte: »Nur mit Gewalt könnt ihr mein Restablieferungssoll haben, freiwillig gebe ich keine Kartoffel heraus.« Ein Kleinbauer aus Lancken10/Rostock äußerte: »Wer über meine Schwelle kommt, den schlage ich tot. Ich steck den ganzen Kram an und setze mich nach dem Westen ab.«
Von den Bauern wird die schlechte Ablieferung weiterhin meistens mit der ungenügenden Futtergrundlage und mit schlechter Ernte begründet, teilweise auch, dass sie bei restloser Sollablieferung keine Saatkartoffeln mehr haben. So erklärte ein Neubauer aus Groß Nienhagen11/Rostock: »Ich kann mein Kartoffelsoll nicht erfüllen, da ich eine schlechte Ernte hatte, nachdem ich abgeliefert habe was ich konnte, ist man noch zweimal gekommen und hat neu erfasst. Jetzt habe ich gerade noch so viel, dass ich knapp mit meiner Familie leben und meine vier Schweine acht Tage füttern kann. Ich bin gezwungen meine Schweine sofort abzuliefern. Was ich nächstes Jahr abliefern soll weiß ich nicht, die Herren haben es ja nicht anders haben wollen.«
Fünf Großbauern aus Groß Radden, Kreis Calau, brachten in einer Unterhaltung zum Ausdruck: »Wenn die Zwangsmaßnahmen in der Sollerfassung so weitergehen, dann werden wir im zeitigen Frühjahr mit unseren Futtermitteln soweit sein, dass wir das Vieh nicht mehr halten können und uns absetzen müssen.«
Trotzdem war in vielen Fällen festzustellen, dass die Großbauern noch über mehr Vorräte verfügen, als sie unbedingt benötigen, dass sie ihr Soll nicht erfüllten und die Kartoffeln versteckten. So hatte z. B. eine Großbäuerin in Schönhagen, die ihr Kartoffelsoll erst zu 50 % erfüllt hat, vier Kartoffelmieten verheimlichen wollen, indem sie die Mieten mit dem Namen eines anderen Bauern versah.
Bei einem Großbauern in Werenzhain12/Cottbus konnten, außer den Saatkartoffeln, noch 75 dz Kartoffeln in Mieten verheimlicht, festgestellt und für die Versorgung erfasst werden. Im Walde der Gemeinde Klein-Tröben13 wurde eine Anzahl versteckter Kartoffelmieten aufgefunden, deren Eigentümer unbekannt sind.
Bei den Wahlen zu den VdgB-Ortsvorständen versuchen die Großbauern ihren Einfluss zu verstärken, oft versuchen sie in die Vorstände gewählt zu werden, was meistens verhindert worden ist. Besonders schlecht war es im Bezirk Frankfurt/Oder, dort wurden bisher 14 Großbauern in die Vorstände hinein gewählt, außerdem noch eine ganze Reihe ehemalige Offiziere und Umsiedler. Oftmals wurden auch werktätige Bauern von den Großbauern beeinflusst, sich für deren Wahl einzusetzen, durch Argumente wie »Es ist ungerecht, dass die Großbauern in der VdgB keine Funktion ausüben können« oder »Entscheidend ist nicht die Hektarzahl, sondern die Soll-Erfüllung« oder »dass man auf dem Land den Klassenkampf nicht führen soll« oder: »Es gibt überhaupt keinen Unterschied zwischen Groß- und Kleinbauern. Wir sind alle aufeinander angewiesen und man soll endlich mit diesen Unterschieden Schluss machen.«
In den Fällen, wo die Anleitung und Unterstützung sowie die Vorbereitung der VdgB-Wahlen von unseren Genossen Funktionären ungenügend war, gab es oft schlechte Ergebnisse wie z. B. in Weichensdorf, Kreis Beeskow/Frankfurt/Oder, wo der Genosse Kreisbeauftragte der VdgB es nicht verhinderte, dass bei fünf Vorstandsmitgliedern vier Großbauern gewählt worden sind. Bei den Wahlen im Bezirk Frankfurt/Oder zeigt sich, dass der Anteil der Parteilosen bei den bis 7. Dezember gewählten Vorständen sehr stark geworden ist. So wurden folgende Vorstandsmitglieder gewählt: SED 243, DBD 175, Parteilose 664, CDU 29, LDP 21 und NDPD 13.
Neue Verpflichtungen und Wettbewerbe in den LPG zur Ertragssteigerung und in den MTS zur vorfristigen Erfüllung des Winterreparaturprogramms blieben Einzelerscheinungen.
Übrige Bevölkerung
Die Stimmung der übrigen Bevölkerung hat sich im Ganzen gesehen noch weiterhin etwas gebessert. Besonders aufgrund der Regierungsbeschlüsse und Maßnahmen im neuen Kurs wie Verbesserung der Versorgung, Verminderung der Stromabschaltungen usw. Teilweise besteht jedoch noch Unzufriedenheit aus verschiedenen Ursachen.
Die schlechte Stimmung bei einem Teil der Angestellten und Arbeiter in öffentlichen Verwaltungen und Institutionen wegen der Nichtbeteiligung an der Weihnachtszuwendung war in den ersten Dezembertagen noch stark zu verzeichnen.14 So sagte z. B. ein Angestellter des Kreisrates Meiningen: »Wir müssen genauso unsere Pflicht erfüllen, wie die Angestellten und Verkäuferinnen der HO und Konsum. Wir sind der Meinung, dass diese Zuwendungen allen werktätigen Menschen zustehen.« Gegen Ende der Berichtszeit machte sich, zum Teil aufgrund der Aufklärung, diese Unzufriedenheit weniger bemerkbar.
Teilweise herrschte Unzufriedenheit, auch wo die Versorgung mit Lebensmitteln und Industriewaren noch nicht spürbar verbessert worden ist. Wie z. B. in den Bevölkerungskreisen, welche bis Mitte Dezember noch immer nicht ihre Einkellerungskartoffeln erhalten haben, dort ist man missgestimmt. Z. B. im Kreis Calau/Cottbus erklärte der 1. Sekretär der BPO des VEB Energieverteilung Calau: »Ich habe noch nicht meine Einkellerungskartoffeln erhalten. Ich gehe schon des Öfteren welche borgen. Dies kann ich aber auch nicht mehr, denn wir sind fünf Personen. Meine Frau hat schon öfters sonntags Brötchen geholt, um diese zu Mittag zu essen. Ich als Genosse kann dies ja noch verstehen. Die maßgeblichen Stellen sollten sich endlich einmal ernsthaft über die Kartoffelversorgung der Bevölkerung Gedanken machen.«
In einzelnen Kreisen einiger Bezirke besteht auch Unzufriedenheit wegen der Räumung von Wohnungen für sowjetische Familien. Z. B. in Gotha, wo 140 und in Ohrdruf, wo 150 Wohnungen aufgebracht werden müssen, äußert man: »Im Westen werden wenigstens Wohnungen für die Besatzungstruppen gebaut, hier macht man sich’s aber einfacher, die Leute werden einfach aus den Wohnungen ausgewiesen.«
Nach Feststellungen der VP wurden im Oktober 12 691 Republikflüchtige sowie 4 984 Rückkehrer und Zuzüge gemeldet, demgegenüber ist die Zahl der gemeldeten Flüchtigen im November auf 18 133 gestiegen und die Zahl der Rückkehrer und Zuzüge auf 3 899 abgesunken. Nach vorläufig unvollständigen Informationen hat in der ersten Dezemberhälfte die Republikflucht im gleichen Umfang wie im November angehalten, während die Zahl der Rückkehrer etwas gestiegen ist.
Feindtätigkeit
Die feindliche Tätigkeit hat sich gegenüber der zweiten Novemberhälfte nicht wesentlich verändert. Die Flugblattverbreitung ist in etwas geringerem Maße fortgeführt worden. Schwerpunkte waren Frankfurt/Oder (43 000), die Bezirke Gera, Suhl, Berlin, Cottbus, Potsdam und Karl-Marx-Stadt mit je 10 000 bis 20 000 Stück. Insgesamt wurden 143 000 Flugblätter, meist mit Ballons verbreitet und zum größten Teil durch Suchkommandos sichergestellt. Der überwiegende Teil war von der KgU,15 NTS16 und dem SPD-Ostbüro.17 In einigen Bezirken, besonders in Halle und Frankfurt/Oder, versuchte der Gegner Hetzschriften verstärkt durch die Post unter die Bevölkerung zu bringen.
Die NTS forderte die Angehörigen der Sowjetarmee zur Desertion und Bildung von Partisanengruppen auf. Das SPD-Ostbüro und die KgU propagierten »langsam arbeiten« und forderten die Bevölkerung auf, keine Beiträge mehr an Massenorganisationen zu zahlen, besonders [den] FDGB. Besonders gehetzt wird weiterhin gegen den Genossen Walter Ulbricht. Die KgU hetzt verstärkt gegen das SfS, fordert die Namen von Mitarbeitern und warnt vor einer Zusammenarbeit mit dem SfS.
Durch die Westpresse wurde unter Hinweis auf das S-Bahn-Unglück am Westkreuz gefordert: »Der Senat darf nicht eher ruhen, als bis entweder die Westalliierten die Verantwortung für die S-Bahn in Westberlin selbst in die Hand nehmen oder sie geeigneten deutschen Stellen übergeben.«
Weiter wurde die Ausgabe von Ami-Paketen und Gutscheinen über 20,00 DM West an Interzonenreisende aus der DDR propagiert. Außerdem machte man Reklame für die Übersendung von Geschenkpäckchen an die Bewohner der DDR, an Häftlinge und deren Angehörige. Der RIAS forderte auf, zur Wahl der Elternbeiräte die von der SED gewünschten Kandidaten abzulehnen. Ähnlichen Inhalt hatten Hetzbriefe, welche an die Bevölkerung geschickt wurden. Der Londoner Rundfunk gab folgende Parole zu den Semesterwahlen an den Oberschulen der DDR: »Besetzt die Funktionen mit euren Leuten, drückt die 150%igen beiseite. Es ist eine Ehre, die Härten des Ostzonenregimes auszugleichen.«
Die terroristische Tätigkeit wurde in verstärktem Maße fortgesetzt. Bei 22 Fällen richteten sich die feindlichen Handlungen gegen 30 Personen. Davon sind acht Fälle gegen 14 SED-Funktionäre und Mitglieder, in drei Fällen gegen vier VP-Angehörige, in zwei Fällen gegen LPG-Mitglieder, in einem Fall gegen einen Schulleiter, ein Fall gegen eine Pionierleiterin, ein Fall gegen zwei KVP-Angehörige (Offiziere), zwei Fälle gegen Bürgermeister, je ein Fall gegen einen MTS-Leiter, einen VdgB-Vorsitzenden, einen Aktivisten und einen SfS-Angehörigen. Außerdem wurde im Bezirk Frankfurt/Oder eine Gruppe Großbauern festgenommen, die mit Terror und anderen Methoden eine LPG liquidieren wollten.
Bei einem LPG-Vorsitzenden in Dornheim/Erfurt wurde Giftweizen auf dem Hof ausgestreut und fünf Hühner vergiftet. Auf einem VEG im Bezirk Cottbus sind in vier Monaten 750 Ferkel krepiert. Im VEG Giersleben/Schwerin18 erkrankten 43 Rinder an vergiftetem Mischfutter. Durch Vergiftung verendeten im VEG Cambs/Schwerin an einem Tag 34 Schweine. Durch Brandstiftungen wurden sechs LPG, zwei BHG, ein Mittel- und ein Großbauer geschädigt. Aus der Industrie sind sieben, meist kleine Diversionsfälle bekannt geworden.
Während der Berichtszeit erhielten oft Bürger der DDR Weihnachtspakete aus Westdeutschland von unbekannten Absendern, in einigen Bezirken erhielten auch Pfarrer des Öfteren Pakete.
In Magdeburg kursierte das Gerücht, dass in Berlin vor Weihnachten oder im Januar »etwas los« sei.
Einschätzung der Situation
Die Zahl der Menschen, welche positive Ergebnisse von der Viermächtekonferenz erhoffen, nimmt zu. Das Vertrauen zur Politik der Partei und Regierung wächst. Die aktive Unterstützung des neuen Kurses nimmt in den Betrieben zu. Durch die Verbesserung der Lebenslage verbessert sich allmählich die Stimmung der Bevölkerung. Teilweise Unzufriedenheit hat ihre hauptsächliche Ursache in noch bestehenden Mängeln der Versorgung. Ein besonderer Schwerpunkt feindlichen Einflusses und feindlicher Tätigkeit ist die Landwirtschaft. Im Allgemeinen setzt der Gegner seine Tätigkeit unvermindert fort, jedoch sind die feindlichen Elemente mit ihrer Hetze (außer Landwirtschaft) etwas zurückhaltender geworden und der Einfluss des Gegners auf die Werktätigen ist etwas zurückgegangen.