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Lage in der ersten Novemberhälfte

[ohne Datum]
Analyse vom 1. bis 15. November 1953 [Nr. 5/53]

Die zu Beginn des Monats der deutsch-sowjetischen Freundschaft1 durchgeführten Feierstunden in den Städten und Gemeinden waren größtenteils gut besucht. Oftmals war eine bessere Beteiligung als im Vorjahre zu verzeichnen. So besuchten z. B. 700 Personen aus Neugersdorf/Dresden die Feierstunde, was als gutes Ergebnis im Verhältnis zu anderen Veranstaltungen bezeichnet wurde.

Die Ergebnisse der Neuwerbungen für die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft sind verschiedentlich sehr gut. Im Kreis Röbel/Neubrandenburg wurden in wenigen Tagen 139 Mitglieder für die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft geworben, wovon die DBD einen Anteil von 60 Neuwerbungen hat. In den VEB wurde der Freundschaftsmonat teilweise zum Anlass von Produktionsverpflichtungen, Wettbewerbsabschlüssen und freiwilligen Normenerhöhungen genommen. So wurden beispielsweise von 2 300 Arbeitern des Stahl- und Walzwerkes Brandenburg Einzel- und Kollektivverpflichtungen eingegangen, darunter sind Normenerhöhungen bis zu 10 %. Ähnliche Verpflichtungen, jedoch in wesentlich geringerem Maße, wurden von Arbeitern der MTS, VEG und LPG abgegeben.

Im Mittelpunkt des Monats der deutsch-sowjetischen Freundschaft standen die Feierlichkeiten anlässlich des 36. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. Die Beteiligung an diesen Feierlichkeiten und die damit im Zusammenhang geführten Diskussionen waren auch hier im Wesentlichen besser als bei ähnlichen Veranstaltungen vorher. Diese verbesserte Stimmung und die aktivere Beteiligung der Arbeiter und übrigen Bevölkerungsschichten an politischen Veranstaltungen hat ihre Ursache darin, dass mit der weiteren Verwirklichung des neuen Kurses in der DDR besonders auch die große Hilfe der SU auf allen Gebieten immer mehr ersichtlich wurde. Besonders guten Eindruck hinterließ es bei den Arbeitern, wo sowjetische Genossen bei den Feierlichkeiten zu ihnen sprachen. So sagten mehrere Kumpel aus Freital z. B.: »Man konnte es richtig merken, dass die Worte des sowjetischen Schachtleiters keine leeren Worte waren, sondern dass sie ihm aus dem Herzen kamen.«

Negative Diskussionen werden jedoch noch von einer verhältnismäßig geringen Anzahl Menschen geführt. Dabei handelt es sich um solche Diskussionen, wo zum Ausdruck gebracht wird, dass dieser Feiertag mit Deutschland nichts zu tun hat und deshalb auch hier nicht gefeiert werden braucht. In anderen Fällen sind es Menschen, die alle politischen Fragen von ihren persönlichen Erlebnissen, die sie einmal hatten, abhängig machen. So sagte ein Angestellter aus Hainichen/Karl-Marx-Stadt z. B.: »Ich kann niemals ein Freund der SU werden, weil mir Angehörige der roten Armee meine Uhr gestohlen haben.«

Über die Note der SU vom 3.11.19532 und das Schreiben unserer Regierung an die Westmächte3 wurde nur in geringem Maße diskutiert. Obwohl die Mehrzahl der uns bekannt gewordenen Stimmen positiven Inhalt haben, ist ein gewisser Unglaube festzustellen. Dies kommt in der sehr oft vertretenen Meinung, dass schon sehr viele Noten gewechselt wurden, ein Erfolg jedoch nicht zu verzeichnen ist, zum Ausdruck. Die geringe Diskussion zeigt, dass der Notenwechsel nur noch wenig Interesse bei der Bevölkerung erweckt.

Ein parteiloser Arbeiter aus dem RAW Malchin/Neubrandenburg: »In den Noten der SU an die Westmächte kommt immer wieder die Friedensliebe und die Hilfe für das deutsche Volk zum Ausdruck.«

Ein Holzarbeiter aus Neuruppin/Potsdam: »Was nützen uns die vielen Noten, bis jetzt wurden diese nur ausgetauscht, die SU an die USA und die USA an die SU. An der Lage hat sich aber noch nichts geändert.«

Über die Entlarvung der Spionageorganisationen4 wurde verhältnismäßig wenig diskutiert. Bis auf einzelne Ausnahmen sind [die] bekannten Meinungsäußerungen positiv und haben oft zum Inhalt, dass die Strafe für solche Verbrecher nicht hoch genug sein kann. Unzweifelhaft wurde mit der Veröffentlichung dieses Materials das Vertrauen zu den Staatsorganen gefestigt und die Notwendigkeit, die Wachsamkeit in den Betrieben zu erhöhen, erkannt. So äußerte ein Wismut-Kumpel: »Man muss die Augen offenhalten und alles, was gegen die Arbeiter und unseren Arbeiterstaat geht, rücksichtslos anzeigen. Dabei darf es kein Abwarten und kein Erbarmen geben.«

Positiv wirkten sich Versammlungen in den Betrieben aus, wo Angehörige der Staatssicherheit zur Belegschaft sprachen. Die teilweise bestehende Meinung, dass die Staatssicherheit der »schwarze Mann« in der DDR sei, wurde dort größtenteils zerschlagen. Vielfach wird der Wunsch geäußert, solche Versammlungen öfter durchzuführen. Gleichfalls mehr Beispiele der einzelnen Verbrechen und ihre Auswirkungen in der Presse zu erläutern, da dies mehr wirkt als allgemeine Mitteilungen.

Die Lage in Industrie und Verkehr

Die steigende Zunahme von Wettbewerbsabschlüssen und Produktionsverpflichtungen aufgrund der Beispiele des Kunstfaserwerkes »Wilhelm Pieck«5 und Frida Hockaufs,6 die besonders durch die letzten Maßnahmen der Partei und Regierung begünstigt wurde, hat auch in der Berichtszeit weiterhin angehalten. Dabei sind bis zu 50 % der wichtigsten Betriebe in verschiedenen Bezirken in dieser Bewegung erfasst. Die jetzt abgegebenen Verpflichtungen wurden größtenteils anlässlich des Monats der deutsch-sowjetischen Freundschaft und des 36. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und zur Vorbereitung des IV. Parteitages7 eingegangen. Im Rahmen dieser Verpflichtungen wurden auch freiwillige Normenerhöhungen von einem Teil der Arbeiter vorgenommen. Diese sind jedoch im Gegensatz zu anderen Produktionsverpflichtungen, wie Stoßschichten, Wettbewerbsabschlüsse u. a., in wesentlich geringerer Anzahl zu verzeichnen, da hierfür bei den Arbeitern teilweise noch eine Abneigung besteht. Beispielsweise schlossen 45 Brigaden (98 % sämtlicher Arbeiter) des Bauabschnittes Trünzig des Wismut-Objektes Ronneburg einen Wettbewerb zur Vorbereitung des IV. Parteitages der SED ab.

Anlässlich des Monats der deutsch-sowjetischen Freundschaft verpflichteten sich drei Braunkohlenwerke des Bezirkes Cottbus, zusätzlich 3 210 t Briketts über den Plan zu produzieren. Im VEB IKA Sonneberg/Suhl erhöhten aus dem gleichen Anlass 18 Kollegen ihre Norm um 3–20 %.

Die mangelhafte Belieferung mit Material ist bei einem Teil der Betriebe im Gegensatz zu Einzelfällen, wo in dieser Beziehung Verbesserungen erreicht wurden, wie im RAW und im IFA-Schlepperwerk Cottbus, immer noch vorhanden, wodurch die Produktion und die Planerfüllung verschiedentlich nicht gewährleistet ist. So ist z. B. im SAG Polysius Dessau ein besonderer Mangel an Walzwerkeisen, Profilstahl und Blechen zu verzeichnen.

In der Textilindustrie treten Schwierigkeiten auf, weil die Spinnereien nicht immer in der Lage sind, die erforderlichen Materialien zu liefern. Im Bezirk Cottbus ist in den dortigen Spinnereien der Plan bis zum 31.12.1953 zu erfüllen. Demgegenüber sollen die von den Spinnereien bis 31.12. hergestellten Garne schon bis zum gleichen Termin in den Tuchfabriken verarbeitet sein.

Mängel in der Waggongestellung sind ebenfalls noch vielfach vorhanden und wirken sich oftmals nicht unbeträchtlich auf die Produktion aus. So gibt es Beispiele wie die Zuckerfabrik Nauen/Potsdam, die einen täglichen Ausfall von 80 t Zucker hatte, da für den erforderlichen Antransport von Zuckerrüben nur die Hälfte der benötigten Waggons täglich zur Verfügung standen.

Der Beschluss über die Ausgabe von Weihnachtszuwendungen8 löste unter dem größten Teil der Arbeiter Freude aus und festigte weiterhin das Vertrauen zur Partei und Regierung und damit zum neuen Kurs. So sagte ein Arbeiter (parteilos) des Kraftwerkes Breitungen/Suhl: »Der neue Kurs zeigt, dass es noch keine andere Regierung fertigbrachte ihre eigenen Fehler einzusehen, um einen besseren Weg für die Werktätigen einzuschlagen. Aber unsere Regierung hat es fertiggebracht. Die Lohnsteuersenkung,9 große Preissenkung,10 die Leistungsprämien und jetzt wieder die Weihnachtszuwendungen, dass sind Beweise dafür. Ich bin überzeugt, wenn dieser Weg von der Regierung weiterhin eingehalten wird, wird die Arbeiterschaft auch treu zur Regierung und Partei stehen.«

Unzufriedenheit besteht über diesen Beschluss bei einem Teil werktätiger alleinstehender Frauen mit Kindern. Sie sind der Meinung, dass es nicht richtig ist, dass verheiratete Frauen, evtl. ohne Kinder, 40,00 DM erhalten, wogegen alleinstehende Frauen mit mehreren Kindern nur 30,00 DM erhalten.

Da die Angestellten staatlicher Verwaltungen und Einrichtungen von dieser Weihnachtszuwendung ausgenommen sind, macht sich besonders hier eine Unzufriedenheit, die sogar teilweise in Androhungen mit Streik und Ähnlichem ihren Ausdruck findet, bemerkbar. So drohten die Gemeindearbeiter und die beim Rat der Stadt Wernigerode/Magdeburg beschäftigten Angestellten offen mit einem Streik, wenn sie bei der Weihnachtszuwendung nicht mit berücksichtigt werden.

Die Lage in Handel und Versorgung

Obwohl die Versorgung mit Einkellerungskartoffeln in den letzten 14 Tagen wesentlich verbessert wurde, ist der gegenwärtige Stand mit ca. 83 % noch immer als ernst zu bezeichnen. Dabei muss besonders beachtet werden, dass es Kreise gibt, die weit unter dem Durchschnitt liegen (Oschatz z. B. mit 41 %, Dresden Stadt mit 53 %), was sich bei der vorgerückten Jahreszeit und dem bereits eintretenden Frost negativ auf die Stimmung der Bevölkerung auswirkt. Zahlreiche Familien aus Woltersdorf, die keine Kartoffeln erhalten haben und seit Wochen von Teigwaren leben, bringen zum Ausdruck, dass dies seit 1945 die schlechteste Kartoffelversorgung im Ort ist.

Die bekannten Mängel in Handel und Versorgung sind, wie in der vorhergehenden Berichtszeit, zum überwiegenden Teil auf unplanmäßige Warenstreuung, schlechte Planung und ungenügende Bedarfsermittlung zurückzuführen. Wesentliche Veränderungen in den letzten 14 Tagen sind nicht zu verzeichnen.

Die Lage in der Landwirtschaft

Während LPG und VEG ihren Verpflichtungen meistens nachkommen, machen sich bei Einzelbauern in der Erfassung der zum Soll noch fehlenden landwirtschaftlichen Produkte stärker Schwierigkeiten bemerkbar. Als Hauptargument tritt in Erscheinung, dass bei 100%iger Ablieferung die Futtergrundlage nicht gesichert sei. In diesem Zusammenhang wird oft geäußert, bei Anwendung von Druck die DDR zu verlassen. So erklärte z. B. ein Mittelbauer aus Nauen/Potsdam: »Womit soll ich mein Vieh füttern, wenn ich den Rest noch abliefere. Wenn ihr weiter Druck anwenden wollt, hau ich ab nach dem Westen.«

Durch die Erfassungsaktivs und die Überzeugungsarbeit der eingesetzten Instrukteurbrigaden in verschiedenen Kreisen konnten teilweise gute Erfolge erzielt werden. Die Ablieferung bewusst bis Jahresende hinauszuzögern bzw. ihren Verpflichtungen nicht 100%ig nachzukommen, ist besonders bei Großbauern, teilweise bei Mittelbauern festzustellen. So hat z. B. ein Großbauer aus Alt Bukow/Rostock ca. 300 Ztr. Kartoffeln eingemietet, obwohl er noch 300 Ztr. auf Soll zu liefern hat. Zum Erfasser, der ihn auf seine Ablieferungspflicht hinwies, äußerte er: »Ich liefere kein Getreide, auch keine Kartoffeln, ich werde euch was scheißen.«

Obwohl die Erfassungskontrolleure bis auf wenige Einzelbeispiele sehr vorsichtig sind, teilweise sogar vor dem Argument der Bauern (Futtergrundlage) zurückweichen, wird ihnen verschiedentlich gedroht. Ein Großbauer aus Ottenhain/Dresden: »Vielleicht schmeiße ich euch gleich die Treppe runter, das Jahr läuft bis zum 31.12. und bis dahin müssen wir erfüllt haben.« In Welsickendorf/Potsdam ging ein Großbauer auf den Erfasser mit der Mistgabel los.

Selbstverpflichtungen wurden in der Hauptsache anlässlich des Monats der deutsch-sowjetischen Freundschaft, in geringerem Maße als in der Industrie, von LPG, MTS und VEG, z. T. auch Einzelbauern übernommen. 16 LPG im Kreis Rochlitz/Karl-Marx-Stadt verpflichteten sich z. B. 7 700 kg Rind, 54 550 kg Schwein und 140 000 kg Milch dem freien Aufkauf noch 1953 zur Verfügung zu stellen.

Allgemein kann festgestellt werden, dass ein Anwachsen der Wettbewerbsbewegung und der Übernahme von Selbstverpflichtungen zu verzeichnen ist. Im Kreis Güstrow/Schwerin befinden sich z. B. alle MTS im innerbetrieblichen Wettbewerb. Ziel des Wettbewerbes ist der schnelle Abschluss der Winterfurche und der Winteraussaat.

Übrige Bevölkerung

Die Unzufriedenheit über die Stromabschaltungen in den betroffenen Gebieten, besonders auf dem Lande, hielt weiterhin an. So erklärte der Parteisekretär der Glashütter Uhrenwerke: »Ich weiß nicht mehr, wie ich diskutieren soll. Wenn ich vom Fortschritt spreche, hält man mir immer die Stromsperren entgegen und fordert, dass diese abgeschafft werden.«

In 23 Kreisen konnte bis 15. November durch Einsparmaßnahmen und Stromabgabe von Betrieben an das öffentliche Netz eine Verbesserung in der Stromversorgung erzielt werden, was sich auch positiv auf die Stimmung der Bevölkerung auswirkte. Überplanmäßige Stromabschaltungen konnten in fast allen Bezirken beseitigt werden. So z. B. wurde die Stromversorgung im Kreis Ilmenau/Suhl wesentlich verbessert, da drei Betriebe in den Spitzenzeiten Strom an das öffentliche Netz abgaben.

Oft wurde über die Rückkehr des ehemaligen Generalfeldmarschalls Paulus,11 besonders im Bezirk Dresden, diskutiert. Von der überwiegenden Mehrheit der bekannt gewordenen Stimmen aus allen Bevölkerungsschichten wird eine ablehnende Haltung gegenüber Paulus zum Ausdruck gebracht.

Diese Meinung wird beispielsweise von einigen Arbeitern des VEB Waggonbau Görlitz/Dresden vertreten. Sie sagten: »Die Kriegsverbrecher lässt man im Westen alle wieder frei. Aber wie sieht es denn bei uns aus? Der General Paulus ist auch ein Kriegsverbrecher, aber der kann sich in der DDR so ohne Weiteres niederlassen.«

Während von der VP im Monat September 14 303 Republikflüchtige und 4 965 Rückkehrer und Zuzüge gemeldet wurden, ist die Zahl der Flüchtigen im Oktober auf 12 691 abgesunken, die Zahl der Rückkehrer und Zuzüge blieb mit 4 984 Personen konstant.

Im Monat September wurden 176 Bauern, davon 36 Großbauern, republikflüchtig, im Gegensatz dazu im Monat Oktober nur 101 Bauern. Gegenüber dem Monat Oktober ist nach vorläufig unvollständigen Meldungen in der ersten Novemberhälfte in allen Bezirken außer Dresden und Neubrandenburg ein Ansteigen der Republikfluchten zu verzeichnen, während die Zahl der Rückkehrer etwas zurückgegangen ist.

Feindtätigkeit

Gegenüber der zweiten Oktoberhälfte ist die Feindtätigkeit etwa im gleichen Umfang fortgeführt worden. Die Flugblattverbreitung hat in den Bezirken Neubrandenburg, Rostock und Frankfurt zugenommen, dagegen ist sie in zehn anderen Bezirken zurückgegangen. Im Bezirk Frankfurt wurden 819 800 Flugblätter aufgefunden, davon allein 800 000 zum großen Teil noch gebündelt, unterzeichnet mit »Widerstandsbewegung der Sowjetzone«, an der Bahnlinie bei Podelzig, Kreis Seelow. Zahlreich war die Verbreitung mit Ballons noch in den Bezirken Potsdam (35 000), Suhl, Rostock und Neubrandenburg mit je 13 000 bis 14 000. Der stark überwiegende Teil wurde durch Suchkommandos sichergestellt und kam nicht in die Hände der Bevölkerung. Der größte Teil der Flugblätter, außer in Frankfurt, war von der NTS,12 SPD-Ostbüro13 und KgU.14

Durch die Flugblätter der SPD, KgU und der sogenannten »Widerstandsbewegung der Sowjetzone« wurde die Parole »Langsam arbeiten« verbreitet. Die KgU forderte außerdem auf zu Widerstand, Verweigerung der Beitragszahlung an FDGB und Massenorganisationen, die Funktionäre zu »ächten«, Angehörige der Häftlinge zu unterstützen und Sabotage zu treiben. Außerdem hetzte die KgU besonders gegen führende Funktionäre und die Staatssicherheit. Die Flugblätter der NTS sollen die Sowjetarmee zersetzen. Der Gegner versucht auch in der letzten Zeit den Vertrieb der Hetzschriften durch die Post zu verstärken. In Hetzschriften versuchte der UfJ15 die Großbauern zum Widerstand gegen die Kartoffelerfassung aufzuputschen.

Die Westpresse propagierte die Ausgabe von Butter ab 16. November an über 60 Jahre alte Leute aus dem demokratischen Sektor Berlins. Außerdem wurde von der Westpresse und dem RIAS demagogisch die einseitige Aufhebung der Interzonenpässe bekannt gegeben.16 Der RIAS versuchte weiterhin, außer der üblichen Hetze, durch lügnerische Behauptungen über eine angebliche Verhaftungswelle in der DDR unter der Bevölkerung Unruhe zu stiften.

Der Gegner setzte seine Terrorakte im gleichen Umfang wie in der zweiten Oktoberhälfte fort. Bei 17 Fällen richtete sich der Terror gegen einen sowjetischen Soldaten, sieben SED-Funktionäre, einen VPKA-Leiter, einen KVP-Angehörigen, vier freiwillige VP-Helfer und Betriebsschutzleute, einen TAN-Sachbearbeiter, einen Sekretär der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, eine Instrukteurin und einen Traktorist der MTS. Schwerpunkte sind die Bezirke Frankfurt und Leipzig. Außerdem wurden im Kreis Marienberg/Karl-Marx-Stadt in drei Fällen bewaffnete Personen aus der ČSR gesehen, im Kreis Grimma/Leipzig wurden vier Personen von Banditen teils angefallen, teils belästigt, und im Kreis Delitzsch/Leipzig wurde ein Traktorist von zwei Personen mit einer Schusswaffe bedroht. Dabei handelte es sich vermutlich im Bezirk Leipzig ebenfalls um Personen aus der ČSR.

Im Bezirk Frankfurt gab es darüber hinaus noch fünf Überfälle, deren Charakter jedoch noch nicht feststeht. Ähnlich ist es mit dem Einschlagen der Fensterscheiben bei 52 Familien verschiedener Bevölkerungsschichten in der Stadt Dessau.

Diversion und Brandstiftungen sind etwas zurückgegangen. Während der ersten Novemberhälfte wurden in der Industrie vier kleinere Diversionsfälle, mehrere Beschädigungen und eine Brandstiftung festgestellt. In vier Fällen wurden in der Landwirtschaft Brände angelegt, davon drei in LPG und einer bei einem Meisterbauern. Zwei kleinere Diversionsfälle gab es in zwei MTS.

Einschätzung der Situation

Die positive Stimmung der Bevölkerung hielt in der ersten Novemberhälfte im Wesentlichen weiter an. Dies bestätigt auch die gute Beteiligung an den Versammlungen zum Freundschaftsmonat und 36. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. Die Stimmung unter den Arbeitern verbesserte sich weiterhin durch den Beschluss der Regierung über die Auszahlung der Weihnachtszuwendungen, dadurch wuchs auch das Vertrauen zur Partei und Regierung. Dementsprechend wurde auch die aktive Unterstützung des neuen Kurses durch die Belegschaften vieler Betriebe und in geringerem Umfang durch die MTS, VEG und LPG in steigendem Maße wirksam, obwohl diese Entwicklung verschiedentlich noch durch Rohstoff-, Material-, Ersatzteil und Transportraummangel gehemmt wurde.

Dagegen führten die weiter bestehenden Mängel in Handel und Versorgung, besonders die schleppende Versorgung mit Kartoffeln, die Stromabschaltungen, die Nichtbeteiligung der Angestellten in öffentlichen Verwaltungen und Institutionen und die Benachteiligung unverheirateter Frauen mit Kindern bei den Weihnachtszuwendungen, vielfach auch die Eintreibung der Sollrückstände bei den Bauern, zu Kritik, Unzufriedenheit und Missstimmung.

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