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Tagesbericht

8. Juli 1953
Information Nr. 1008

Stimmung der Bevölkerung

Aufgrund eines missverstandenen bzw. nicht klar ausgedrückten Artikels im »Neuen Deutschland« vom 1.7.1953, der die Prämienzahlung zum »Tag des Bergmanns«1 behandelt, kam es unter den Kumpels im Gebiet der Wismut zu Missstimmungen, welche breite Kreise erfasste. In dem Artikel im »Neuen Deutschland« wird geschrieben, dass die zusätzliche Belohnung für die gesamten Belegschaften aller Bergbaubetriebe zutrifft und dass auch der Erzbergbau mit einbezogen ist.2 Kumpels, die bei der zuständigen Partei- und FDGB-Organisation über die zusätzliche Belohnung der Bergarbeiter Auskunft haben wollten, konnten diese nicht erhalten, da die Funktionäre der Partei und des FDGB selbst keine Kenntnis davon hatten. Daraufhin wurde vom Schacht XIII der Wismut AG eine Delegation von drei Kumpels gebildet, um über diese Frage mit dem Genossen Otto Grotewohl zu sprechen. Am 4.7.1953 waren die Kumpels in Zwickau und haben dort mit dem Staatssekretär Fritsch3 gesprochen der ihnen aufzeigte, dass die Bergarbeiter der W4 aufgrund der 20%igen Prämie, die laufend gezahlt wird, von diesem Ministerratsbeschluss ausgeschlossen sind. Dieser Vermerk hätte aber in diesem Artikel vom 1.7.1953 enthalten sein müssen.

Nachfolgend werden einige Beispiele von den Diskussionen der Kumpels, die beliebig erweitert werden können, aufgeführt:

Der Bergarbeiter [Name 1], beschäftigt im Objekt II als Häuer-Brigadier, bringt zum Ausdruck, dass die Kumpels in den Streik treten wollen, wenn sie das Geld nicht erhalten würden. Es wird darüber diskutiert, dass es in Johanngeorgenstadt schon rumpeln soll.

Der Radiometrist [Name 2] äußerte: »Seit drei Tagen herrscht wieder eine große Spannung unter den Kumpels in Oberschlema. Überall dreht sich das Gespräch über die Verordnung der Regierung zur Prämienzahlung.« [Name 2] schimpft auf die BGL, da diese die Kumpels im Unklaren lassen, wodurch die tollsten Parolen durch den Schacht gehen.

Der Kulturfunktionär Steinbach sagt: »Es werden schon wieder vonseiten der Partei Fehler gemacht, die schon einmal gemacht wurden. Man lässt alle unteren Funktionäre über Maßnahmen der Partei im Unklaren und gibt uns nicht rechtzeitig Informationen. Bis zum heutigen Tag wissen wir noch nicht, wie wir mit den Kumpels und Angestellten der Wismut diskutieren sollen.«

Um einen ungefähren Überblick über das Verhältnis von positiv und negativ in der Stimmung der Bevölkerung zu den Maßnahmen unserer Regierung zu erhalten, wurde in der ganzen DDR eine absolut unverdächtige und unbeeinflusste Befragung der Bevölkerung durchgeführt. Diese Befragung konnte bei keinem der Befragten den Verdacht erwecken, als ob dieselben von irgendeiner staatlichen Stelle veranlasst wären und dem Befragten wegen ganz offener Meinungsäußerung ein Nachteil entstehen könnte. Die Befragung [wurde] an zwei hintereinander folgenden Tagen, und zwar dem 6. und 7.7.1953, durchgeführt. Das Resultat der beiden Tage stimmt ziemlich überein, während am 6.7.1953 insgesamt 848 Personen befragt wurden von denen 524, das ist 61,8 %, sich positiv aussprachen, und 324, das ist 38,2 %, sich im negativen Sinne äußerten, war das Ergebnis vom 7.7.1953 in der Prozentzahl fast gleich. Am 7.7.1953 erfasste die Befragung 674 Personen, von diesen sprachen sich 392 Personen, das ist 59,0 %, im positiven Sinne aus, während sich 282, sich in zweifelndem und negativem Sinne äußerten, das sind 41 %. Es kann also festgestellt werden, dass an beiden Tagen übereinstimmend das Verhältnis der positiven zu den negativen Stimmungen bei ca. 60 % zu 40 % liegt.

Interessant ist dabei zu beobachten, dass auch bezirksweise die Meinungsäußerung der Bevölkerung prozentual an beiden Tagen etwa die gleichen Ergebnisse zeigt. Z. B. der Bezirk Halle erbrachte am 6.7.1953 als Resultat 137 positiv zu 67 negativ, während der am 7.7.1953, 107 positiv zu 55 negativ zu verzeichnen hatte.

Der Bezirk Leipzig ergab am 6.7.1953 26 positiv zu 45 negativ und am 7.7.1953 33 positiv und 48 negativ. Dasselbe Bild zeigt der Bezirk Potsdam. Hier wurde allerdings nur eine geringe Anzahl von Personen erfasst, dennoch bleibt das Bild an beiden Tagen konstant. Am 6.7.1953 waren dort von 14 Befragten vier positive gegen zehn negative Stimmen und am 7.7.1953 zwei positive zu 15 negativen Äußerungen. Diese Konstantheit in den Resultaten der Befragungen an beiden Tagen erlaubt den Schluss, dass, im Republikmaßstabe gesehen, das Prozentverhältnis zwischen negativ und positiv durch das Ergebnis der Befragung annähernd richtig ermittelt wurde. Das würde bedeuten, dass bis zum 7.7.1953 gegenüber dem Resultat früherer Befragungen bereits eine Verschiebung zugunsten der positiven Stimmen eingetreten ist, die sich zweifellos bei guter Durchführung der Ministerratsbeschlüsse besonders im Hinblick auf die Versorgung der Bevölkerung fortsetzen wird.

Es folgt je ein charakteristisches Beispiel für positiv sowohl als auch negativ:

So erklärte der Polier der Bau-Union Schwerin, Neubaustelle Neubrandenburg, Große Wollweberstraße, dass die Maßnahmen der Regierung endlich richtig wären und dass diese Maßnahmen von der ganzen Belegschaft begrüßt würden.

Wogegen der [Name 3, Vorname], Ferdinandshof, Kreis Pasewalk, sagte: »Es wäre richtig gewesen, wenn man einige Schuldige aus der Regierung entfernt hätte, dann hätte man mehr Vertrauen zu den Maßnahmen, die von der Regierung beschlossen worden sind.« »Ich«, sagte er, »vertrete die Ansicht, dass, wenn dieselben Personen in der Regierung sitzen, keine richtige Maßnahme durchgeführt werden kann.«

Stimmung von Rückkehrern in das Gebiet der DDR

Aufgrund des Ministerratsbeschlusses vom 11.6.19535 kehrten in der Zeit vom 7.7.1953 bis 8.7.1953 insgesamt 153 Personen in das Gebiet der DDR zurück. Von diesen sind zehn Personen, die erstmalig in das Gebiet der DDR einreisten und um Aufnahme baten. Demgegenüber war eine Republikflucht von 127 Personen zu verzeichnen.

22 der zurückgekehrten Personen wurden in Form einer zwangslosen Unterhaltung über die Aufnahme des Ministerratsbeschlusses bei den Flüchtlingen in Westdeutschland und Westberlin sowie über ihre Aufnahme in der DDR befragt. Aufgrund der gemachten Angaben kann Folgendes über die Stimmung und Lage der Flüchtlinge in Westberlin sowie über die Durchführung der Beschlüsse des Ministerrats berichtet werden:

1. Aufnahme des Ministerratsbeschlusses bei den Flüchtlingen in Westberlin und Westdeutschland

Hierüber wurden 15 Arbeiter, ein Bauer, drei Geschäftsleute und drei Inhaber kleinerer Betriebe befragt und es ergibt sich danach folgendes Bild:

Von den Rückkehrern wurde der Beschluss des Ministerrates allgemein gut aufgenommen. Sie brachten größtenteils zum Ausdruck, dass dieser Beschluss ihnen die Möglichkeit gab, wieder zurückzukehren und endlich wieder ein geordnetes Leben beginnen zu können. Nach ihren Angaben wurde der Beschluss auch in den Flüchtlingslagern in Westdeutschland und Westberlin im Allgemeinen freudig aufgenommen. Der größte Teil von ihnen äußerte, dass sie wieder die Absicht haben, in die DDR zurückzukehren, sie aber erst einmal sehen müssen, wie die Personen aufgenommen werden, die schon in die DDR zurückgekehrt sind. Eine große Anzahl der Flüchtlinge hegt noch starkes Misstrauen gegenüber diesem Beschluss, steht diesem aber nicht ablehnend gegenüber, sondern sie sind nur wankelmütig aufgrund der Gerüchte und Hetze, die von westlicher Seite aus über die Beschlüsse und die Rückkehr in die DDR verbreitet werden. Ablehnend zu dem Beschluss des Ministerrates verhalten sich vor allen Dingen diese Personen, die in der DDR ein Verbrechen begangen haben und es nun nicht wieder wagen, in die DDR zurückzukehren.

So brachte der Schlosserlehrling [Name 4, Vorname], geb. 1935 wohnhaft in Demmin, [Straße, Nr.], zum Ausdruck: Er ist der Meinung, dass der Vorschlag des ZK der SED und die darauffolgenden Beschlüsse von größter Bedeutung für die DDR sind. »Die Beschlüsse des Ministerrates sind richtig und waren für viele eine große Hilfe, da hierdurch die Rückkehr in die DDR erleichtert wird.«

2. Stimmung der Flüchtlinge in den Lagern und Hemmungen bei ihrer Rückkehr

Eine große Anzahl der befragten Personen brachte zum Ausdruck, dass die Stimmung in den meisten Lagern sehr schlecht sei. Dies liegt daran, dass die Flüchtlinge zum großen Teil schlecht untergebracht sind, schlechte Verpflegung bekommen und oftmals ohne Arbeit sind. Allerdings gibt es auch Personen, die genügend Geld besitzen. Diese Flüchtlinge können das Lager verlassen und sich eine Privatwohnung beschaffen. So brachte der Sägewerksbesitzer [Vorname Name 5] zum Ausdruck, dass er gut untergebracht worden wäre und auch die Verpflegung gut gewesen sei.

Hemmungen treten bei den Flüchtlingen noch oftmals auf, indem sie den Hetznachrichten sowie den Gerüchten über die Verhaftung von Rückkehrern in der DDR Glauben schenken und nun annehmen, dass sie sofort nach Überschreiten der Zonen- bzw. Sektorengrenze festgenommen und verschleppt würden. Einige Rückkehrer brachten auch zum Ausdruck, dass viele der Flüchtlinge sich in dem Glauben befinden, dass sie aufgrund ihres Aufenthaltes in Westdeutschland keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr in der DDR haben.

Der Rückkehrer [Name 6, Vorname] äußerte während einer Unterhaltung: »Die Stimmung unter den Flüchtlingen in den Lagern in Westdeutschland ist nicht gut. Der größte Teil der Flüchtlinge lebt in großer Verzweiflung und führt kein normales Leben. Im Lager selbst, wenn sie leichte Arbeit durchführen, erhalten sie pro Tag 1 DM West. Bei schwererer und schmutzigerer Arbeit gibt es im Notfall etwas mehr. Alle Personen, welche sich ohne Arbeit im Lager aufhalten, [erhalten] pro Tag 0,35 DM West. Das Essen, welches in den Lagern verabfolgt wird, ist im Durchschnitt schlecht. Alle diejenigen, die gut bemittelt sind, brauchen nicht im Lager bleiben, sondern können sich eine Privatwohnung beschaffen. Durch die ständige Propaganda der Bonner Regierung vertritt ein großer Teil der Flüchtlinge noch die Meinung, dass die Ministerratsbeschlüsse nur Taktik der Regierung sind. Man ist der Meinung, dass alle diejenigen, die die DDR illegal verlassen haben, bei ihrer Rückkehr zur Verantwortung gezogen werden.«

Der Rückkehrer [Name 7, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1924 in Meilitz, wohnhaft: Gera-Meilitz, [Straße], äußerte sich wie folgt: »Durch die starke RIAS-Hetze werden noch sehr viele Menschen, die schon monatelang in den Lagern sind, beeinflusst. Sie alle sind erfreut über den Regierungsbeschluss, der ihnen die Möglichkeit gibt, wieder zurückkehren zu können.«

3. Agitation und Maßnahmen vonseiten der westlichen Behörden, um eine Rückkehr in die DDR zu verhindern

Es wird auch weiterhin verschiedentlich berichtet, dass von westlicher Seite aus versucht wird, eine Rückkehr in die DDR zu verhindern. Dies geschieht, wie schon wiederholt angegeben, durch Hetze von Presse und Rundfunk sowie durch das Verbreiten der unmöglichsten Gerüchte über die Deutsche Demokratische Republik. Fast jedem Flüchtling wird vorher gesagt, dass er nach Überschreiten der Grenze sofort festgenommen wird. Ebenfalls werden den Flüchtlingen sämtliche Ausweise abgenommen und ihnen dann Angst eingejagt, indem man sagt, dass sie ohne Ausweise nicht wieder in die DDR zurückkehren können.

Dazu äußerte der Rückkehrer [Name 8, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1925 in Berlin, wohnhaft gewesen in Hamburg: »Als ich in Heiligenstadt über die D-Linie6 wollte, wurde ich von dem westdeutschen Grenzschutz in folgender Form angesprochen. Hier kommen sie nicht durch, die Russen schießen am Tage sofort und des nachts kommen sie auch nicht durch, denn die da drüben haben Drahtverhaue, diese sind nachts mit Starkstrom geladen und wenn sie trotzdem durchkommen, dann leuchten die Russen mit Scheinwerfern und nehmen das ganze Gelände unter MG-Kreuzfeuer und da kommt niemand weg. Der Grenzschutz äußerte noch, dass er nur noch ein paar Stunden zu warten braucht, dann könnte er gleich mit ihnen rüber, denn dann wäre es soweit und die Grenzen fallen.«

4. Durchführung der Maßnahmen des Ministerratsbeschlusses

Die befragten Personen äußerten alle übereinstimmend, dass sie keine Beschwerden vorzubringen hätten, sondern, im Gegenteil, dass sie erstaunt über die gute Behandlung in der DDR gewesen sind. Den befragten Personen wurden keine Schwierigkeiten bereitet und sie brachten auch zum Ausdruck, dass sie erkannt haben, dass die Regierung der DDR wirklich für sie sorgt und sie deshalb auch ihre ganze Kraft dem Neuaufbau zur Verfügung stellen werden.

So brachte z. B. der Gemüsehändler [Name 9, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1915, wohnhaft in Annaberg, [Straße, Nr.], zum Ausdruck: »Ich bin erstaunt über die Behandlungsweise von der VP, in den Verwaltungen und habe keine Beschwerden anzubringen. Im Gegenteil bin ich bemüht, dies dahingehend am Aufbau unserer DDR und im Kampf für die Erhaltung des Friedens zu bekunden. Als Gemüsehändler werde ich mich bemühen, der Bevölkerung durch meine Arbeit mitzuhelfen, den Lebensstandard in unserer Republik weiter zu verbessern.«

Der Inhaber der Merkur-Brauerei in Cottbus, Hermann Herdam, geb. [Tag, Monat] 1884,7 äußerte während einer Unterhaltung: »Im Lager Lichtenrade, wo ich mich befand, waren sehr viele Landwirte, die alle gerne zurückmöchten, sich jetzt aber noch nicht recht trauen. Ich werde meine Rückkehr in der Presse veröffentlichen lassen und die Zeitungsausschnitte zu meinen Bekannten nach Westberlin schicken, um auch diese zur Rückkehr zu veranlassen.«

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in der Befragung der verschiedenen Personen noch keine neuen Momente aufgetaucht sind. Auch in der Argumentation sowie [bei] den Maßnahmen von westlicher Seite aus, die eine Rückkehr verhindern sollen, wurden noch keine neuen Methoden bekannt. Es ist aber zu verzeichnen, dass sich die Zahl der Rückkehrer in den letzten drei Tagen gegenüber den Republikflüchtigen erheblich gesteigert hat. Während in den vorhergehenden Tagen die Zahl der Rückkehrer und die Zahl der Republikflüchtigen ziemlich gleich war.

Maßnahmen des Feindes

Nachfolgend wird ein Schreiben, welches von einer feindlichen Zentrale an Bewohner der Deutschen Demokratischen Republik versandt wird, abschriftlich aufgeführt. Dieses Schreiben wurde am 2.7.1953 beim Postamt Berlin 4 als portofreie Dienstsache aufgegeben. Es trägt ein Dienstsiegel der Deutschen Demokratischen Republik, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, mit der Nr. 6.

»Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Berlin O 7, Luisenstraße 56, den 1. Juli 1935, Sachbearb.: Sch/Ne, Gesch.Z.: SD-5407 A/Bl-Er

Herrn Georg Ebersbach, Beauftragter des Kreiskontrollausschusses, Saalfeld

Streng vertrauliche Dienstsache!

Die vorgesehene grundsätzliche Umstellung der Politik der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und die damit verbundene Neuausrichtung der Tendenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands in sich dem Westen anlehnender Richtung macht die Reorganisation einer Anzahl Ämter unserer Staats- und Parteifunktionäre erforderlich.

Vom Ministerium für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik erhielten wir die Anweisung, Ihnen die erforderlichen Ausreisepapiere sicherzustellen, damit Sie das Deutsche Hoheitsgebiet in östlicher Richtung verlassen können. Den erforderlichen Antrag haben Sie unverzüglich bei der zuständigen Stelle Ihres Bezirkes zu stellen.

Ihre Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit ist ab sofort einzustellen. Zuwiderhandlung zieht verschärfte Repressalien gegen Ihre Person nach sich! Weiter wird von Ihnen erwartet, dass Sie Ihre Parteifunktionen sofort niederlegen.

Du./an: (Stempel) | Min. für Staatssicherheit der DDR | Unterschrift: (Scheibe) | Referent«

Weiter liegen Exemplare von dem sogenannten Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen8 vor, die per Post an Empfänger auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik versandt werden.

a) Ein Blatt DIN A6 mit dem Aufdruck: »Fordert Recht und freie Meinungsäußerung! Freiheit für die politischen Gefangenen! Besteht auf die Beseitigung aller rechtswidrigen Gesetze und Verordnungen! Meldet alle Verbrecher, aber auch alle anständigen Funktionäre den Freiheitlichen Juristen!«

b) Eine Hetzschrift DIN A6, 8 Seiten, mit der Aufschrift: »Wege zur Selbsthilfe. Wichtige Hinweise zum neuen Kurs des Sowjetzonen-Regimes«.

Der Inhalt ist eine wüste Hetze gegen die SED und Regierung. Die Bevölkerung wird aufgefordert nicht mehr zu allem Ja zu sagen und Widerstand zu leisten. Weiter wird zum Boykott von HO, Konsum, VEB und Treuhandbetrieben sowie Polikliniken aufgefordert und angeraten, bei Privatunternehmen Kunde zu werden. Weiter wird gesagt, dass die Menschen in der DDR die Regierung aufgrund ihrer Beschlüsse beim Wort nehmen sollen und ihre Betriebe und Geschäfte zurückverlangen sollen, damit ihnen nicht nachgesagt werden kann, dass sie kein Interesse an einer Regelung gehabt haben. Es wird jedoch angeraten, sich eine schriftliche Bescheinigung geben zu lassen, dass man gegenüber der HO und dem Konsum sowie volkseigenen Betrieben nicht benachteiligt wird. Auch bei Prozessen soll dem Anwaltskollektiv der Privatanwalt vorgezogen werden. Weiter wird gefordert, dass Partei- und Staatsfunktionären kein Respekt und Achtung entgegengebracht wird [sic!] und [sie] wie asoziale Elemente behandelt werden sollen. Weiter wird der Bevölkerung geraten fest zusammenzuhalten, wenn sie weitere Zugeständnisse zu ihrer Verbesserung der Lebenslage erhalten will. Die Bevölkerung der DDR soll Überprüfung der Urteile fordern und sich ausschließlich auf die Verfassung berufen. Die Großbauern werden aufgefordert, Kredite in Anspruch zu nehmen, nachdem die Kreditrichtlinien der Bauernbank vom 6.12.1952 außer Kraft gesetzt wurden.

Als Sofortmaßnahmen soll die Bevölkerung fordern: Aufgabe der rechtswidrigen Praxis der Polizei-, Justiz-, und Verwaltungsbehörden. Freilassung aller politischen Gefangenen und Verschleppten. Einstellung der verbrecherischen Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes und der Zentralen Kontrollkommission, Demobilisierung der kasernierten Volkspolizei, Reorganisierung der Verwaltung, insbesondere Aufhebung aller Weisungsbefugnisse der SED an die Behörden sowie Einrichtung von Verwaltungsgerichten und Vorbereitung der Wiedergutmachung des begangenen Unrechts. Spitzel und Funktionäre sollen isoliert werden, damit sie sich überall als Fremdkörper fühlen und wissen, dass sie vom Volk abgelehnt werden.

Zum Schluss wird die Bevölkerung ersucht, sich mit den Festgenommenen solidarisch zu erklären und diese durch Pakete und anderes zu unterstützen. Auch in dieser Schrift wird mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass sich jeder anständige Mensch durch Mitarbeit mit den Freiheitlichen Juristen rückversichern soll.

c) Eine Hetzschrift, 6 Seiten, DIN A6 mit der Aufschrift: »Was wird später aus uns? Ein Wort an die Verwaltungsangestellten der Sowjetzone«. Diese Schrift wendet sich an alle Verwaltungsangestellten und fordert diese auf, in der Sowjetzone auszuhalten, mit den Freiheitlichen Juristen Verbindung aufzunehmen und nach ihren Weisungen zu handeln. Nur so kann er der Verurteilung für seine Mitarbeit innerhalb der DDR entgehen.

d) Ein Exemplar von 4 Seiten, DIN A6, mit der Überschrift: »Sanft entschlafen«. Diese Schrift wendet sich gegen eine Mitarbeit in der »Nationalen Front« und fordert die Bevölkerung auf sich triftige Gründe zur Ablehnung von Funktionen in der NF zurechtzulegen, um den linientreuen SED-ern nicht unangenehm aufzufallen, die mit allen Mitteln versuchen werden, diese Organisation wieder aus dem Schlaf zu wecken und sich diese dienstbar machen wollen.

Weiter liegt ein Exemplar von 20 Seiten, DIN A6, vor, das gleichfalls durch die Post versandt wird. Dieses Hetzheft ist anonym und trägt folgende Aufschrift: »SED-Opposition. Kaderbrief Nr. 9 für die Sozialisten der DDR, Sonderheft: Zum 5. Jahrestag der Kominform-Resolution: Die Wahrheit über den Bruch zwischen der sowjetischen Führung und den jugoslawischen Kommunisten«. Dieses Heft beinhaltet eine schamlose Hetze gegen die Sowjetunion und versucht die Friedenspolitik der KPdSU zu entstellen. Auf der anderen Seite wird versucht, Tito und seine Politik zu verherrlichen sowie die Verhältnisse in Jugoslawien als Mustersozialismus zu preisen.

Zur Lage der Versorgung der Bevölkerung

In Neustrelitz, Bezirk Neubrandenburg, traten in der Versorgung der Bevölkerung mit Textilien einige Mängel in Erscheinung. So fehlt es an passender Kinderbekleidung, gleichfalls ist nicht genügend Sommerbekleidung vorhanden. Es fehlt auch an bunten Sommerstoffen, einfacher Tischwäsche und Haushaltsgegenständen. Weiterhin werden Unstimmigkeiten unter der Bevölkerung dadurch hervorgerufen, dass Nahrungsmittel erst in Verderb übergehen, bevor der Preis herabgesetzt wird. So nahm z. B. eine Hausversammlung in Neustrelitz, Bernhard-Göring-Straße 16, Kritik an den bestehenden Zuständen in der Versorgung und machte dazu einige Vorschläge.

Es wurde kritisiert, dass es für Kinder keine Unterbekleidung zu kaufen gibt, ebenfalls ist nicht viel Bettwäsche zu haben. Auch fehlte es an Leinenstoffen zum Ausbessern von Bettwäsche. Ein Mangel tritt auch auf bei Essbestecken, Nähnadeln, kleinen Scheren usw. Es wurde gefordert, dass man bunte Sommerstoffe herstellen soll und diese auch für Kinder. Man soll auch dafür sorgen, dass Sommersachen auch in der Sommersaison eintreffen und nicht erst im Winter. Gleichfalls wurde gefordert, einfache Tischwäsche herzustellen und weniger Damast, da die werktätige Bevölkerung nicht in der Lage ist, dieses zu kaufen.

Zur Ernährung wurde gesagt, dass in einigen HO-Geschäften Gemüse in Verderb überging. In einer Konsumverkaufsstelle verdarben Zitronen, man ist jedoch der Meinung, dass man hier die Preise hätte herabsetzen müssen, damit sie die Bevölkerung hätte kaufen können. Weiterhin wurde kritisiert, dass während der heißen Tage in den Schaufenstern Fleischkonserven, Eier und andere Lebensmittel aufbewahrt wurden und diese zum Teil für den menschlichen Genuss dadurch unbrauchbar wurden. Schlecht ist ebenfalls, dass man Schweinefleisch und Lebensmittel für den freien Markt auf einem Kohlenwagen beförderte. Es wurde vorgeschlagen, dass man die Fahrschule der VP für solche Transporte einsetzen müsste, um den Wagenmangel zu vermindern. Weiterhin wurde vorgeschlagen, eine kommunale Müllabfuhr einzurichten, welche die Küchenabfälle für die Schweinemast erfasst.

In Lychen, Bezirk Neubrandenburg, macht sich unter der Arbeiterschaft eine Unzufriedenheit über unzureichende Arbeitskleidung bemerkbar. So beschwerte sich z. B. der BGL-Vorsitzende vom VEB Sägewerk Lychen, dass sie für ihre Arbeitsschuhe, wenn die Ledersohlen abgelaufen sind, keinen Ersatz erhalten. Weiterhin sagte er, sind die Arbeitshosen von mangelhafter Qualität, sie müssen die leichten Hosen für teureres Geld kaufen, welche aber nur kurze Zeit halten. Manchesterhosen9 aber sind sehr selten zugeteilt worden.

Im Bezirk Gera bestehen sehr große Schwierigkeiten in der Brotversorgung. So ist nur noch bis zum 9.7.1953 Roggen vorhanden. Es wurde bereits veranlasst, die noch vorhandenen 40 t Roggen auszuliefern. Dem Bezirk sollen noch 2 700 t Roggen aus dem Bezirk Potsdam zugeteilt werden. Diese sind jedoch bis jetzt noch nicht eingetroffen. Von dieser Lieferung ist die Versorgung der Bevölkerung mit Brot abhängig, sie werden benötigt, um den Anschluss an die neue Ernte zu sichern.

Anlage 1 vom 8. Juli 1953 zur Information Nr. 1008 (1. Expl.)

Information Nr. 1008a: Die Lage auf dem Gebiet der Landwirtschaft

I. Die Stimmung der Landbevölkerung nach den Ereignissen des 17.6.1953 und zu den Verordnungen der Regierung10

1. Stimmung unter den Mitgliedern der LPG

Die Mitglieder der LPG im Kreis Plauen, Bezirk Karl-Marx-Stadt, sind der Ansicht, dass der Viehaufzuchtplan revidiert werden muss.

In einer Bauernversammlung in Schönlind vertraten die LPG-Mitglieder die Meinung, dass der Viehaufzuchtplan nach der tatsächlichen Futtergrundlage und nach den bestehenden Voraussetzungen aufgestellt werden muss. Die Genossenschaftsbauern [Name 1] und [Name 2], Niederlichtenau, Bezirk Karl-Marx-Stadt, sagten: »Wir haben die Großbauern einmal bedauert, aber nachdem sie sich jetzt uns gegenüber aufspielen und sich negativ über unsere Arbeit äußern, sehen wir, dass dies ein Fehler von uns war.«

Der Genossenschaftsbauer [Vorname Name 3], Meisterbauer in der LPG Wittgensdorf, Bezirk Karl-Marx-Stadt, bezeichnet die LPG als Sauhaufen und will austreten.

Mit der Verordnung unserer Regierung, keine neuen Mitglieder in die LPG aufzunehmen,11 ist der Vorsitzende der LPG Giltbach,12 Genosse Herbert Müller, nicht einverstanden. Er ist der Meinung, dass diese Maßnahme sich hemmend auf die LPG auswirken würde. Er schlägt vor, dass die Struktur des Kreises beachtet werden soll. Es handelt sich um eine kleine LPG in einem Gebirgskreis, Bezirk Karl-Marx-Stadt.

Bei den Genossenschaftsbauern im Kreis Flöha, Bezirk Karl-Marx-Stadt, zeigte sich in den ersten Tagen nach den Ereignissen des 17.6. eine allgemeine Unsicherheit. Man vertrat den Standpunkt, dass sich die Beschlüsse unserer Regierung nachteilig für die Genossenschaftsbauern auswirken könnten. Nachdem sich die Lage wieder beruhigt hat und ein Teil des Ausnahmezustandes aufgehoben wurde, stehen die Genossenschaftsbauern wieder fest hinter den Beschlüssen unserer Regierung. Nur in einem Punkt sind sie skeptisch, und zwar, dass den Großbauern wieder zu viel Rechte eingeräumt werden. Das zeigt sich besonders in den LPG, die auf der Basis der devastierten Betriebe13 gebildet wurden.

Im Kreisgebiet Reichenbach, Bezirk Karl-Marx-Stadt, bestehen bei verschiedenen LPG Schwierigkeiten in der Bezahlung von Bindegarn, da dieses sofort in bar bezahlt werden muss.

In den Gemeinden Waldkirchen und Limbach diskutierten die Bauern sowie LPG-Mitglieder, dass das erste Getreide mit nur 40 % dem Staat geliefert wird, den Rest will man bis zum 15.12. liefern. Sie erklären, dass gleich nach der Ernte ein großer Teil anderer Arbeiten (Ackerbestellung, Gemüseeinbringung, Abgabe von Ölfrüchten und Lieferung von Frühkartoffeln) zu verrichten ist. Sie sind der Meinung, dass, wenn man jetzt gleich 100%ig ausdrischt, zuviel Zeit verloren geht, um die andere Arbeit zu erledigen, die ebenfalls vordringlich ist.

Der Genossenschaftsbauer [Name 4] der LPG »Ernst Thälmann« Seeberg, Bezirk Frankfurt/Oder, bringt Folgendes zum Ausdruck: »Ich kann mir von den Vorgängen in Berlin kein richtiges Bild machen, aber wenn es den Arbeitern dort nicht besser gegangen ist wie mir zurzeit, da kann ich es verstehen, denn ich habe wenig zu essen und habe wenig Geld, weil unsere LPG finanziell schlecht dasteht. Ich habe oft von Verbesserungen der Lebenslage gelesen, aber wenig davon gemerkt. Man hat mir Möbel versprochen, aber ich habe keine erhalten. Wir schlafen heute noch zu dritt in einem Bett. Ob Ost oder West der Stärkere ist, weiß ich nicht.«

Das Mitglied der LPG Großsteinberg, Bezirk Leipzig, Frau [Name 5], sagt Folgendes: »Ja, die Regierung hat den Bauern vor den Kopf gestoßen, sie ist zum Teil zu hart und ungerecht vorgegangen, anscheinend kennen die Bürokraten in der Regierung nicht unsere Arbeit. Sie sollen erst einmal rauskommen aus ihrem Bau, dann würden sie anders denken und handeln.«

Die Genossenschaftsbauern der LPG im Bereich Frießnitz, Bezirk Gera, fordern, dass der Wunschanbauplan berücksichtigt wird. Es wird Klage darüber geführt, dass zwar viele Instrukteure auf dem Lande erscheinen, sich alle Schwierigkeiten aufschreiben, aber dann nichts mehr von sich hören lassen. Dabei wird das Beispiel angeführt, dass man den Bauern das letzte Saatgetreide und die letzten Kartoffeln im Frühjahr herausgeholt hat, aber kein einziger dieser Instrukteure ihnen sagen konnte, wie sie ihr Vieh bis zur neuen Ernte füttern sollen.

In der LPG Zeulsdorf beklagen sich die Genossenschaftsbauern darüber, dass ihnen vonseiten der Partei und Verwaltung die gegebenen Versprechungen nicht gehalten werden, sie erhielten z. B. kein Krankengeld und kritisieren die zu hohen Arbeitseinheiten.

Der Genossenschaftsbauer [Vorname Name 6] aus Markersdorf, Bezirk Gera, Mitglied der SED, äußert zum Vorsitzenden der LPG Folgendes: »Die Lage hat sich geändert, es wird noch eine Verordnung kommen, wonach alle LPG aufgelöst werden. Ehe ich austrete, warte ich erst die politische Lage ab. Sollten aber die übrigen Bauern dieselben Vergünstigungen erhalten wie wir, dann trete ich gleich aus und arbeite als Einzelbauer, da kann ich besser wirtschaften.«

Der Genossenschaftsbauer [Name 7] von der LPG Höhnstedt, Bezirk Halle, sagt: »Es handelte sich am 17.6. um eine faschistische Provokation, das sieht man an den Provokateuren [Name 8] und [Name 9], jedoch eine große Schuld hat auch die Regierung, dass es erst soweit kam, da die Versorgung der Bevölkerung mit Gebrauchsgütern und Lebensmitteln zu ungenügend war.«

In der LPG »Vorwärts« in Holleben, Bezirk Halle, gibt es Missstimmungen, weil die Arbeit mit den zu kleinen Maschinen nicht geschafft werden kann.

Der Vorsitzende der LPG Wittgendorf, Heinisch, Bezirk Halle, erklärt: »Erst hatten wir diese heruntergewirtschafteten devastierten Betriebe übernommen, haben übermenschlich gearbeitet und jetzt wollen wir auch die Früchte unserer Arbeit ernten. Wir geben diese Betriebe einfach nicht wieder her.«

2. Stimmung unter den Angehörigen der MTS

Die Belegschaft der MTS Zschopau verhält sich sehr passiv zu den Verordnungen und Beschlüssen, was auf die mangelhafte Arbeit der Polit-Abteilung zurückzuführen ist.

Die Belegschaft der MTS Annaberg, Bezirk Karl-Marx-Stadt, hat sich am 17.6. sofort bereit erklärt, den Schutz der Maschinen und Geräte zu übernehmen und einen besonderen Wachdienst in der Nacht einzurichten.

Die Arbeiter der MTS Plauen, Bezirk Karl-Marx-Stadt, stehen positiv zu den Beschlüssen der Regierung, kritisieren aber, dass die Bevölkerung von unserer Presse über die Dinge zu spät informiert wird.

Der Traktorist [Name 10] bei der MTS im Kreis Bernau, Bezirk Frankfurt/Oder, sagt, dass er nicht an die Versprechungen der Regierung glauben kann, da ja heute immer noch keine Margarine da ist.

Der Traktorist [Name 11] von der MTS Klebe, Bezirk Schwerin, sagt, dass man nicht nur die Schuld bei der Regierung und bei unserer Partei suchen muss, sondern vor allen Dingen bei den unteren Stellen, die keine realen Berichte nach oben gegeben haben.

Der Traktorist [Name 12] von der MTS Wittenberg, Bezirk Halle, sagt, dass die durchgeführten Streiks voll berechtigt gewesen seien. Die Arbeiter haben nicht nur wegen der Normerhöhung gestreikt, sondern auch wegen der Herabsetzung der Preise in der HO, denn der Verdienst vieler Werktätiger ist noch nicht so hoch, dass sie ausreichend in der HO kaufen können. Die Regierung wäre in der Lage, die HO-Preise zu senken, wenn die Gehälter der KVP herabgesetzt würden.

Der erste Sekretär der BPO der MTS Wallwitz, Bezirk Halle, weigert sich, seine Funktion weiter auszuüben. Daher ist die Mitarbeit der übrigen Belegschaft in der Partei und in den Massenorganisationen sehr schlecht. In der gleichen MTS gibt die Leitung den Brigaden ungenügende Anleitung.

Der Techniker der MTS Martinskirchen, Bezirk Cottbus, kritisiert die Instrukteure vom Ministerium Land und Forst,14 dass diese zu oft kommen und Stimmungsberichte verlangen und Fragen stellen. Dabei komme nichts heraus und die Traktoristen würden nur von der Arbeit abgehalten.

3. Stimmungen unter den Belegschaften der VEG

Auf dem VEG Christgrün, Bezirk Karl-Marx-Stadt, verurteilt die Belegschaft sehr scharf die Ausschreitungen am 17.6.1953. Sie ist aber der Meinung, dass endlich die schon im Jahre 1952 versprochene Lohnerhöhung der Landarbeiter bewilligt werden soll.

Die Landarbeiter des VEG Trebatsch, Bezirk Frankfurt/Oder, stehen zwar positiv zur Regierung, wollen aber Taten sehen. Insbesondere wünschen sie eine schnellere Veränderung der Wohnraumfrage sowie eine bessere Entlohnung. Ebensolche Stimmungen sind im VEG Wochowsee, Bezirk Frankfurt/Oder, zu verzeichnen. Im VEG Lindenberg, Bezirk Frankfurt/Oder, kritisieren die Landarbeiter die schlechte Versorgung mit Lebensmitteln. Weiter sind sie der Ansicht, dass die Abteilung Landwirtschaft beim Rat des Kreises Beeskow die Beschlüsse der Regierung nicht richtig durchführt, weil sie von dort selten eine Hilfe oder eine vernünftige Antwort auf ihre Fragen erhalten haben. Die gleiche Kritik üben sie an der Verwaltung [der] VEG Frankfurt/Oder.15

Die vom Dienst für Deutschland,16 Stalinstadt, auf dem VEG Lindenberg eingesetzten 38 Jugendlichen hatten eine schlechte Disziplin und Arbeitsmoral, ließen sich vom Betriebsleiter nichts sagen und boten ihm am 25.6.1953 Prügel an.

Auf dem VEG Polzen, Bezirk Frankfurt/Oder, sind die Landarbeiter nicht einverstanden mit dem unmoralischen Verhalten des Betriebsleiters [Name 13]. Es herrscht eine schlechte Organisation, viele Felder sind unbestellt.

Auf dem VEG Plausig,17 Bezirk Leipzig, sind die Landarbeiter sehr misstrauisch zu den Regierungsverordnungen. Sie sagen, die Bauern bekommen alles und die Landarbeiter gehen mit Pfennigen nach Hause.

Die Belegschaft des VEG Hartmannsdorf, Bezirk Gera, hatte am 18.6.1953 drei Stunden gestreikt, heute ist die Belegschaft folgender Ansicht: »Wenn die Beschlüsse von unserer Regierung schon eher gefasst worden wären, hätten wir uns nicht zum Streik hinreißen lassen. Aber jetzt wollen wir mithelfen, die Beschlüsse unserer Regierung zu realisieren.«

Die Landarbeiter der beiden VEG im Kreis Rudolstadt, Bezirk Gera, sind mit den Regierungsverordnungen einverstanden und haben die Meinung, dass unsere Staatsorgane mit den Provokateuren und Rädelsführern viel zu human verfahren würden.

Die Arbeiterin [Name 14] im VEG Cambs, Bezirk Schwerin, sagt Folgendes: »Die Regierung erlässt wohl Bestimmungen und Gesetze, aber die unteren Stellen führen diese nicht aus. Dadurch wird die Bevölkerung auf dem Lande verärgert.«

Die Landarbeiter der VEG im Kreis Schwerin begrüßen die Beschlüsse der Regierung und haben nach dem 17.6. ihre Arbeitsmoral verbessert.

Im VEG Ohrdruf,18 Bezirk Erfurt, erklärte die Frauenbrigade am 29.6., dass es Zeit wurde, neue Maßnahmen zu treffen, da es besonders schlecht mit der Arbeitsbekleidung und Wäsche bei den Frauen steht. Sie haben seit 1951, außer ein Paar Schuhen, nichts bekommen.

Der Traktorist [Name 15] aus dem VEG Leutewitz, Bezirk Dresden, versteht die Regierung nicht, dass sie jetzt den Großbauern so entgegengekommen ist, da sie uns sowieso wieder schädigen, wo sie nur können.

4. Stimmung unter der übrigen Landbevölkerung

Ein Kleinbauer aus dem Kreis Jessen, Bezirk Cottbus, der am 17.6. an der Demonstration teilgenommen hat, sagt jetzt: »Nachdem ich mir die ganze Angelegenheit überlegt habe, weiß ich nicht, warum ich an der Demonstration teilnahm. Unsere aufgestellten Forderungen waren ja bereits überholt, da seitens der Regierung entsprechende Beschlüsse gefasst waren. Ich habe mich einfach überrumpeln lassen von den Ereignissen und sehe meine Fehler heute ein.«

Die werktätigen Mittelbauern [Name 16], [Name 17], [Name 18] und [Name 19], Bezirk Schwerin, begrüßen die Beschlüsse der Regierung. Sie kritisieren aber den Bürokratismus in der VEAB Rastow. Im Herbst 1952 haben sie Kartoffeln an diese VEAB geliefert, haben aber bis heute noch kein Geld erhalten und werden nur von einer Stelle zur anderen geschickt.

Drei Mittelbauern aus Großjena, Bezirk Halle, sind folgender Ansicht: »Uns soll man mit der LPG in Ruhe lassen, wir erfüllen unser Soll und machen unsere Arbeit. Was die LPG anbetrifft, so sind wir von den Vorteilen noch nicht überzeugt. Die sollen uns erst einmal zeigen, dass sie es besser machen können. Sie müssen erst einmal ihre Felder saubermachen vom Unkraut, so verwahrlost sehen unsere Felder nicht aus.«

Zur Verordnung der Regierung sagt der parteilose Bauer [Vorname Name 20], Bezirk Cottbus, Folgendes: »Unsere Regierung will unser Bestes, nur die unteren Stellen der Verwaltung halten sich nicht daran. Es wäre angebracht, wenn man weniger Verwaltungsangestellte beschäftigt und dann nur solche, die etwas davon verstehen und die Anordnungen der Regierung durchführen.«

Die Klein- und Mittelbauern im Kreis Hoyerswerda, Bezirk Cottbus, klagen darüber, dass der Viehhalteplan zu hoch ist. Die Futtergrundlage ist nicht gewährleistet, weil die vorhandenen Gruben den Wiesen das Grundwasser entziehen.

Die Groß- und Mittelbauern im Kreis Frießnitz, Bezirk Gera, stehen den Beschlüssen der Regierung abwartend gegenüber, weil sich die Futtermittelversorgung noch nicht gebessert hat und das Vieh im Stall vor Hunger bald umfällt.

Großbauern im Kreise Eisenberg, Bezirk Gera, werden in ihrem Auftreten jetzt wieder sicherer. Z. B. sagt der Großbauer [Name 21] aus Gösen: »Ich war doch immer der Meinung, dass sie ohne uns nicht auskommen. Wenn man aber solche Leute in die Regierung setzt, die keine Ahnung von der Landwirtschaft haben, dann kann man das verstehen. Wir Großbauern haben doch immer die Ernährung gesichert.«

Von den Einzel-, Mittel- und Großbauern im Kreis Grimma, Bezirk Leipzig, wird darüber Kritik geübt, dass die Düngemittelzuteilung in diesem Jahr sehr spät erfolgte, auch das Saatgut kam sehr spät. Um die Erträge an Kartoffeln zu erhöhen, fordern sie, dass neue Sorten geliefert werden. Ferner kritisieren sie die hohen Preise und schlechte Qualität des Saatgutes. Weiterhin wurde Kritik daran geübt, dass auf die Einkellerungsscheine für Kartoffeln von der Bevölkerung zu hohe Mengen bestellt werden. Es gibt eine Reihe von Beispielen, wo Haushalte mit zwei Personen 20 Ztr. und mehr Kartoffeln beantragen.

Einige Kleinbauern in Rossau, Bezirk Karl-Marx-Stadt, sagen, dass die Beschlüsse wohl gut sind, sind aber skeptisch, weil sie nicht die nötigen Futtermittel bekamen, um die vorschriftsmäßige Sollablieferung durchführen zu können.

Der Mittelbauer [Name 22] in Hainichen, Bezirk Karl-Marx-Stadt, vertritt folgende Ansicht: »Ich begrüße die neuen Maßnahmen der Regierung, sie bringen uns eine gewaltige Erleichterung, aber ich kann nicht verstehen, dass diejenigen Bauern, die bis jetzt ihren Sollablieferungen pünktlich nachgekommen sind, auf die gleiche Stufe gestellt werden, wie jene Bauern, die mit ihrem Soll immer im Rückstand waren.«

Der Schmied und Mittelbauer [Vorname Name 23], Bezirk Suhl, sagt Folgendes: »Die Regierung kann noch so schöne Beschlüsse fassen, uns täuscht sie nicht. Aber einmal werden wir unsere Freiheit erhalten.« Er ist Hörer von westdeutschen Sendern und zweifelt die von unserer Presse gegebenen Nachrichten über die Ereignisse des 17.6. an.

Der Mittelbauer [Vorname Name 24], Bauerbach, Bezirk Suhl, sagt: »Wenn das mit dem Schweinefutter so weitergeht, werde ich die Schweine fotografieren lassen und die Bilder nach Westdeutschland schicken.«

Der Großbauer [Name 25], Tiefenort, Bezirk Suhl, äußert: »Es ist höchste Zeit gewesen, dass eine Wendung eintrat, denn wir Großbauern hatten kein Recht zu Leben mehr.«

II. Auflösungserscheinungen bei den LPG und Schwierigkeiten bei der Rückgabe von Betrieben an zurückgekehrte Bauern

1. Auflösungserscheinungen der LPG

In der Deutschen Demokratischen Republik bestanden am 15.6.1953 5 082 LPG, die Gesamtzahl der Mitglieder war 140 634, Gesamtzahl der Betriebe 65 025, [die] gesamte Nutzfläche war 760 569 ha. Davon lösten sich nach Bekanntgabe der Regierungsbeschlüsse vom 11. Juni 1953 bis zum 1. Juli 1953 58 LPG vollkommen auf, bei 113 LPG besteht die Absicht der Auflösung, aus 202 LPG sind 2 197 Genossenschaftsbauern ausgetreten.

Einige hauptsächliche Ursachen der Auflösung und Austritte:

Der Vorsitzende und Parteisekretär der LPG »Ernst Thälmann« sowie der Vorsitzende der LPG »Neues Leben« im Bezirk Karl-Marx-Stadt sind der Ansicht, dass sie in der LPG nicht vorwärtskommen und wollen nach der Ernte ausscheiden. Als Grund geben sie an, dass wohl 20 Mitglieder der LPG angehören, jedoch nur sieben voll einsatzfähig sind. Die übrigen sind zu alt oder krank und können ihre Arbeit nicht verrichten.

Bei den 15 im Kreis Annaberg, Bezirk Karl-Marx-Stadt, bestehenden LPG traten sieben Genossenschaftsbauern aus, die größtenteils Mitglieder der SED sind. Die Gründe sind organisatorische Mängel und Schwächen in der LPG.

Die im Mai 1953 gebildete LPG »Fortschritt«, Kreis Auerbach, Bezirk Karl-Marx-Stadt, hat sich aufgelöst, weil zwei zurückgekehrte Großbauern ihren Hof zurückerhalten sollen.

Im MTS-Bereich Oederan wurde eine LPG aufgelöst, weil sie sich aus Großbetrieben zusammensetzte, die weit auseinander lagen. Die LPG war die schlechteste im ganzen Kreis.

Die LPG Schlechtsart, Bezirk Suhl, hat sich aufgelöst, weil einerseits eine schlechte Vorbereitung zur Bildung getroffen wurde und andererseits negative Elemente von außen die Auflösung durchführten.

Die LPG Adelhausen, Bezirk Suhl, hat sich aufgelöst, weil ein Teil der Mitglieder unter Druck in die LPG gegangen ist.

In der LPG Bibra, Bezirk Suhl, erklärten von 64 Mitgliedern 60 ihren Austritt. Die LPG bestand nur auf dem Papier. Die Partei- und Verwaltungsfunktionäre von Bibra haben es nicht verstanden, die LPG organisatorisch zu festigen und die Feinde der LPG im Dorf zu entlarven. Sie begnügten sich einfach mit der formalen Bildung der LPG.

Der ehemalige Genossenschaftsbauer [Name 26] von der LPG Henneberg, Bezirk Suhl, sagt, dass sämtliche LPG aufgelöst werden, da sie ihre Schulden nicht bezahlen könnten. Im Ort Henneberg hat die Bevölkerung eine feindliche Einstellung zu unserer Entwicklung. Diese feindliche Einstellung zeigt sich besonders bei Mitgliedern der SED.

Im Kreis Hildburghausen, Bezirk Suhl, löste sich die LPG Lengfeld mit der Begründung auf, dass die Kreisverwaltung von Hildburghausen sich überhaupt nicht um die LPG nach ihrer Gründung gekümmert hat.

Im Kreis Stadtroda, Bezirk Gera, löste sich eine LPG auf. Diese Genossenschaftsbauern hatten sich seinerzeit zusammengeschlossen, um den überspitzten Maßnahmen bei der Ablieferung zu entgehen.

Die Genossenschaftsbauern der LPG Paitzdorf, Korbußen, Rußdorf,19 Mosen wollen wieder Einzelbauern werden, weil sie unter Druck in die LPG eingetreten sind.

Von 47 Mitgliedern der LPG Allendorf, Bezirk Gera, traten zehn aus und erklärten, dass sie in der LPG viel mehr arbeiten müssten, als die Einzelbauern.

Die LPG Rothen, Bezirk Schwerin, beabsichtigt aus folgendem Grund die Auflösung: Im Frühjahr 1953 erhielten sie vom Handelskontor für Zucht- und Nutzvieh zwei Kühe auf Kredit. Der Kredit wurde bis heute noch nicht bewilligt. Am 26.6.1953 kamen zwei Angestellte des Handelskontors und nahmen diese beiden Kühe von der Weide mit, ohne mit den Mitgliedern der LPG gesprochen zu haben. Die Genossenschaftsbauern sind darüber sehr empört und wollen, wenn hier nichts geschieht, ihre Sachen packen und nach dem Westen gehen.

In der LPG Turow, Bezirk Schwerin, traten fünf Mitglieder aus, die aus großbürgerlichen Verhältnissen stammen. Der erste Vorsitzende Damaschke ist ein Diktator und hat kein Vertrauen bei den Mitgliedern der LPG.

Der zweite Vorsitzende der LPG Ehrenhain, Bezirk Leipzig, Genosse Fieder, trat aus der LPG aus und sagte, dass er allein besser gelebt hat und damals in der Woche nur vier Tage zu arbeiten brauchte. Er beeinflusste andere Mitglieder auch zum Austritt. Fieder ist ein gewähltes Mitglied der SED-Kreisleitung Altenburg.

Die LPG Werdershausen, bestehend aus drei Neubauern, will sich auflösen. Sie gründeten die LPG seinerzeit, um in den Besitz von Mangelware und der 10%igen Sollsenkung zu kommen.

Die LPG Schönfeld, Bezirk Halle, steht kurz vor der Auflösung, weil sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist, keine Kredite bekommt und nicht genügend Arbeitskräfte hat, um alle Flächen zu bearbeiten. Die LPG wurde aus spekulativen Gründen gebildet.

Eine LPG im MTS-Bereich Radegast, Bezirk Rostock, hat sich mit acht Mitgliedern aufgelöst. Die LPG war nicht lebensfähig, da sie sich aus den schlechtesten Neubauern zusammensetzte, die vorher mit ihren Siedlungen nicht weiterkamen. Vom Rat des Bezirkes gab es keine Unterstützung.

In der LPG Hermsdorf, Bezirk Dresden, taucht unter den Bauern das Gerücht auf, dass sich der 17.6. wiederholen kann und dass es dann gelingt, unsere Regierung zu stürzen. Die Genossenschaftsbauern haben jetzt Angst und wollen austreten. Die LPG wurde unter Druck gegründet.

In der LPG Rothschönberg, Bezirk Dresden, gibt es Auflösungserscheinungen. Diese LPG besteht nur aus werktätigen Bauern und hat auch keinen devastierten Betrieb übernommen. Die Ursachen für die Auflösungserscheinung sind darin zu suchen, dass die Mitglieder vorzeitig zum Typ III übergegangen sind, ohne dass ausreichende Voraussetzungen für die zentrale Unterbringung des Viehs und des Getreides vorhanden waren.

Von 96 Mitgliedern der LPG Plänitz, Bezirk Potsdam, traten 62 aus. Bei den Ausgetretenen handelt es sich um Groß- und Mittelbauern.

In der LPG Laaske, Bezirk Potsdam, wollen 27 Mitglieder aus der LPG wegen schlechter Arbeitsdisziplin und -organisation austreten.

Besonders negativ wirkte sich das Auftreten des ersten Sekretärs der BPO, Genossen Scholl, aus, der immer gleich mit der Kommandantur und anderen Dienststellen drohte. Er wurde als Sekretär abgelöst.

14 Mitglieder der LPG Streckenthin, Bezirk Potsdam, haben ihren Austritt erklärt. Sie bewirtschafteten in der LPG ihre Felder individuell und sind unter Zwang in die LPG eingetreten.

2. Schwierigkeiten bei der Rückgabe von Betrieben an zurückkehrende Bauern

Bisher sind noch keine wesentlichen Schwierigkeiten bei der Rückgabe von Betrieben an zurückkehrende Bauern oder Mitglieder, die aus der LPG ausgetreten sind, aufgetreten. Auch bei der Rückgabe von Flächen sind keine ernsten Schwierigkeiten entstanden.

3. Der Stand der Erntevorbereitungen

Bei den Erntevorbereitungen treten nachfolgende Schwierigkeiten auf:

Im Kreis Oschersleben, Bezirk Magdeburg, fiel ein Binder nach dem Mähen von 15 Morgen aus, da ein Kegelradpaar völlig abgenutzt war. Der Binder wurde von der Leitwerkstatt Oschersleben generalüberholt, jedoch hat man das Kegelradpaar nicht erneuert. Des Weiteren fiel ein Pferdebinder aus, der von Lehrlingen ohne Aufsicht und Anleitung repariert worden war.

Aufgrund der schlechten Witterungsverhältnisse und Mangel an Arbeitskräften sind ein Teil der LPG im Bezirk Magdeburg nicht in der Lage, die Pflegearbeiten richtig durchzuführen. In der LPG Cantnitz, Bezirk Neubrandenburg, bestehen Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Arbeitskräften, sodass die Ernteeinbringung nicht gewährleistet ist, ebenfalls fehlen die Arbeitskräfte bei den Pflegearbeiten von Rüben.

Die Erntevorbereitungen sind in einigen LPG des Kreises Seelow, Bezirk Frankfurt/Oder, zurückgeblieben. Die Gründe hierfür sind übermäßige Annahme von devastierten und herrenlosen Flächen.

Die LPG Genschmar, Bezirk Frankfurt/Oder, die nur aus devastierten Betrieben besteht, kann 800 ha wegen Mangel an Arbeitskräften nicht bearbeiten.

Auf der MTS Nöbdenitz, Bezirk Leipzig, fehlen die vertraglich zu liefernden sieben Mähbinder. Ein planmäßiger Einsatz der Erntemaschinen zur reibungslosen und verlustlosen Einbringung der Ernte ist nicht gewährleistet.

Die MTS Narsdorf, Bezirk Leipzig, erhielt mehrere fabrikneue Mähbinder. Beim ersten Einsatz arbeitete die Bindung nicht, sodass eine Maschine sofort außer Betrieb gesetzt werden musste. Im MTS-Bereich Hoym, Bezirk Halle, besteht ein Mangel an Schichtmaschinisten.

III. Die Lage auf den MTS

1. Festnahmen und die Stellungnahmen der Landbevölkerung dazu20

In Verbindung mit den Ereignissen am 17.6. wurden in der Deutschen Demokratischen Republik auf dem Gebiet der Landwirtschaft 401 Personen festgenommen. Davon wurde 139 wieder entlassen. Die meisten Festnahmen lagen in den Bezirken Halle (153), Erfurt (62), Leipzig (36), Dresden (34), während die Bezirke Karl-Marx-Stadt (0), Gera (1), Rostock (3), Suhl (4) und Neubrandenburg (8) die wenigsten Festnahmen durchführten. Bei den Festgenommenen handelt es sich zum größten Teil um Einzelhändler, ambulante Gewerbetreibende, Schmiede, Gastwirte, Versicherungsangestellte und um einige Traktoristen, also nicht um ausgesprochene Landarbeiter.

Einige Stimmen der Landbevölkerung zu den durchgeführten Festnahmen:

Im MTS-Bereich Mönchenholzhausen wurde eine Festnahme durchgeführt, worüber die Bevölkerung sich empörte. Als der Bürgermeister bekannt gab, dass der Festgenommene ein Provokateur und Mitglied der Streikleitung war, beruhigte sich die Bevölkerung und erkannte ihn als Radaubruder.

Mit den vier Festnahmen im MTS-Bereich Klettstedt, Bezirk Erfurt, ist ein Teil der Landarbeiter einverstanden und ist der Meinung, dass sie es verdient haben.

Im Bereich der MTS Görmar wurden sieben Personen als Provokateure und Rädelsführer festgenommen. Die Landarbeiter der MTS, LPG und VEG forderten die härteste Bestrafung dieser Banditen. Die übrige Landbevölkerung ist zu keiner Diskussion über diese Festnahmen zu bewegen.

Im MTS-Bereich Obermehler, Bezirk Erfurt, wurden zwei Bauern festgenommen. Der Mittelbauer [Vorname Name 27] forderte beim Bürgermeister die Freilassung, da diese beiden Bauern nur ihre Rechte verlangt hätten.

Im MTS-Bereich Murchin, Bezirk Neubrandenburg, wurde ein Brigadier wegen provokatorischer Hetzreden festgenommen. Die Stellungnahme der Landbevölkerung ist geteilt. Die Rentnerin Frau [Name 28] sagt, dass es nichts schadet, wenn man den festgenommen hat, denn vor diesen Menschen muss man ja Angst bekommen.

Im MTS-Bereich Chemnitz, Bezirk Neubrandenburg, wurde eine Festnahme eines Provokateurs durchgeführt. Der Bürgermeister der Gemeinde Zirzow erklärte dazu, dass es höchste Zeit war, ihn festzunehmen, da er der Gemeinde nur Ärger bereitete und die LPG auflösen wollte. Die gleiche Meinung vertreten die Genossenschaftsbauern.

Im MTS-Bereich Wismar, Bezirk Rostock, wurde eine Festnahme durchgeführt. Der Inhaftierte, ein Angestellter der VEAB, wollte die Genossenschaftsbauern von der Viehablieferung abhalten. Die Genossenschaftsbauern dieser LPG waren empört und verlangten die Bestrafung solcher Elemente.

Im MTS-Bereich Langenbogen, Bezirk Halle, wurden zwei Provokateure festgenommen, die offen zum Sturz der Regierung aufriefen und auf VP-Helfer schossen. Beide wurden zu Zuchthaus und Gefängnis verurteilt. Die Bevölkerung der Gemeinde Höhnstedt verurteilt das Verhalten der Provokateure. Verschiedene sind der Meinung, dass die Genannten noch strenger bestraft werden sollten. Der parteilose Bäckermeister Reiche diskutiert am 18.6. wie folgt: »Die Provokateure durften nicht auf Mitglieder der SED schießen, ich verurteile diese Handlungsweise. Da die Regierung ihre Fehler erkannt hat, durfte es nicht zu solchen Provokationen kommen.«

Im MTS-Bereich Schafstädt, Bezirk Halle, wurden sechs Festnahmen durchgeführt. Die Arbeiter der LPG, MTS und VEG sowie die breite Masse der Landbevölkerung ist der Meinung, dass diese Personen streng bestraft werden müssen, wenn der Nachweis erbracht wird, dass sie Provokateure sind und Verbrechen begangen haben.

Die durchgeführte Festnahme im MTS-Bereich Mücheln, Bezirk Halle, wurde von den Angehörigen der LPG begrüßt. Sie sind der Meinung, dass man doch mehr solche Verbrecher einsperren müsste.

Im Bereich der MTS Gerbstedt, Bezirk Halle, wurden von 27 Festgenommenen 20 wieder entlassen. Der Bevölkerung auf dem Lande erscheint es unverständlich, dass man die 20 nicht zur Rechenschaft gezogen hat.

Im MTS-Bereich Droyßig,21 Bezirk Halle, wurde eine Festnahme durchgeführt. Die Bauern in der LPG und MTS und auch die übrige Landbevölkerung sind der Ansicht, dass es gut ist, dass der Verbrecher festgenommen ist und sagen, hoffentlich kommt er nicht wieder raus.

Im MTS-Bereich Schmölln, Bezirk Leipzig, wurden Angehörige der Maschinenfabrik PWS festgenommen. In den durchgeführten Belegschaftsversammlungen forderte die Belegschaft, die auf dem Lande wohnt, die Freilassung der Inhaftierten. Diese Forderung wurde durch Beifall von der Belegschaft unterstützt.

Im MTS-Bereich Sternberg, Bezirk Schwerin, wurde der 1. Vorsitzende der CDU festgenommen.22 Die Landbevölkerung ist der Ansicht, dass die Festnahme richtig war, denn ein Vorsitzender der CDU hätte wissen müssen, dass man derartige provokatorische Reden nicht führen darf.

Auf dem VEG Vogelsang, Bezirk Schwerin, wurde der Schweinemeister wegen Boykotthetze festgenommen. Die Arbeiter sind der Ansicht, dass er zu Recht festgenommen wurde und fordern eine strenge Bestrafung.

Im MTS-Bereich Kalbe, Bezirk Magdeburg, diskutiert die Belegschaft der MTS positiv zu den stattgefundenen Festnahmen. Hierbei kam zum Ausdruck, dass die Festnahmen berechtigt waren und dass die Mitglieder der MTS sich in Zukunft vor Provokateuren und Feinden unseres Aufbaus mehr vorsehen müssen.

IV. Die Lage auf den volkseigenen Gütern

1. Die Arbeitsmoral

Ausschreitungen gegen die Leitungen der VEG haben nicht stattgefunden. Im Großen und Ganzen ist die Arbeitsmoral auf den VEG konstant geblieben.

2. Störungen der Futtermittelversorgung

In allen Bezirken treten zum Teil ernste Schwierigkeiten in der Futtermittelversorgung auf, deren Ursachen oft an der bürokratischen Arbeitsweise der Abteilung Landwirtschaft der Kreise und Bezirke und der Leitung der BHG liegen. Hierzu einige Beispiele:

In einigen Kreisen des Bezirkes Suhl stehen den landwirtschaftlichen Betrieben nicht genügend Kartoffeln, Heu und Stroh zur Verfügung, um die Aufrechterhaltung der Betriebe zu gewährleisten. Die Futtermittelversorgung wird dadurch erschwert, dass keine Freigabescheine vorhanden sind, obwohl z. B. in der Gemeinde Kaltensundheim 5 t Kleie und in der Gemeinde Gerthausen 2 t Kleie liegen und nicht ausgeliefert werden. Den Bauern wurden für die in den Monaten März und April 1953 gedeckten Muttersauen je Tier 50 kg Futtergetreide versprochen. Bis heute erfolgte noch keine Freigabe, obwohl die Lager der BHG im Kreis Salzungen voll mit Futtergetreide sind.

Bei den Genossenschafts- und Einzelbauern im Bezirk Gera gibt es erhebliche Knappheit an Futtermitteln. Diese Bauern fordern, dass die noch lagernden Futtermittel des III. Quartals sofort verteilt werden.

Im Kreis Zeulenroda gibt es zwar keine Störungen der Futtermittelversorgung, aber die Bauern beschweren sich darüber, dass in den Lagern der BHG große Mengen Futtermittel angesammelt sind.

Im Kreis Rochlitz, Bezirk Karl-Marx-Stadt, bestehen erhebliche Schwierigkeiten in der Belieferung von Futtermitteln. Die Bauern haben noch nicht einmal die Futtermittel für das bereits abgelieferte Vieh und für das Zuchtvieh erhalten. Es wurde festgestellt, dass genug Gerste und Hafer zur Auslieferung vorhanden ist, jedoch von der Bezirksverwaltung nicht freigegeben wurde.

Im Kreis Zschopau wurde ein Rückstand in Futtermitteln von 80 t festgestellt. In den BHG liegen unzählige Tonnen von Futtermitteln. Von dem Vorsitzenden des Kreises wurde erklärt, dass er die Anweisung erhielt, 50 t Futtermittel wieder abzutransportieren, weil sie angeblich falsch eingeplant seien. Wenn das eintritt, gibt es unter den Bauern eine große Missstimmung.

Der Kreis Freiberg, Bezirk Karl-Marx-Stadt, hat die seit April 1953 angekündigte Gerste aus der Sowjet-Union noch nicht erhalten, die in Dresden lagert. Der Leiter des VEG Syrau weiß nicht mehr, was er den Tieren zu fressen geben soll.

Im Bezirk Schwerin ist die Futtermittelversorgung sehr schlecht. Während in einigen Kreisen die VEAB ihren vertraglich gebundenen Verpflichtungen nicht nachkommt, weil sie keine Vorräte hat, werden in anderen Lagern der BHG, z. B. in Techentin, beträchtliche Mengen an Kleie nicht ausgeliefert, da sie für freie Spitzen23 vorgesehen sind.

Im Bezirk Rostock ist die Ursache der Futtermittelknappheit darin zu suchen, dass der Rat des Bezirkes zu wenig Freigaben bewilligt, obgleich die Futtermittel vorhanden sind.

Um die Futtermittelversorgung im Bezirk Dresden zu gewährleisten, ist der Anbau von Zwischenfrucht unbedingt erforderlich, jedoch ist kein Saatgut für den Zwischenfruchtanbau vorhanden.

Im MTS-Bereich Nostitz muss das VEG Pommritz für ca. 6 000 Schweine das Wasser aus dem Dorfteich holen. Obwohl der Zustand schon sechs Monate bekannt ist, haben die verantwortlichen Verwaltungsstellen nichts unternommen.

Auf dem VEG Kammermark, Bezirk Potsdam, ist die Wasserversorgung sehr schlecht, die Anlegung eines neuen Brunnens geht zu langsam vor sich. Zurzeit muss das Wasser für die Schweine von der Brauerei aus Pritzwalk geholt werden.

Im Bezirk Frankfurt/Oder gibt es erhebliche Futtermittelschwierigkeiten, weil im Frühjahr alle Kartoffeln, die zur Saat geeignet waren, erfasst wurden. Die Futtermittelzuteilung ist zu gering, sodass nur eine kleine Anzahl von Bauern etwas erhalten kann. Das VEG Blumberg musste im April Futterkartoffeln nach Mecklenburg liefern, jetzt sind sie ohne Futterkartoffeln. Die Bauern sagen, dass die Planung der Bezirksverwaltung Frankfurt/Oder nicht richtig gearbeitet hat.

Während im Kreis Luckau, Bezirk Cottbus, ein Mangel an Kleie besteht, gibt es im Kreis Lübben übermäßig viel Kleie.

In den VEG Werchau und Kemlitz gibt es für 2 500 Schweine nur eine Zapfstelle mit einem Schlauch für die Versorgung mit Wasser. Alle Verhandlungen mit der DHZ, um Leitungsrohr und Wasserhähne zu beschaffen, sind gescheitert.

Im Bezirk Magdeburg fehlt das notwendige Saatgut für den Zwischenfruchtanbau.

Im MTS-Bereich Elxleben, Bezirk Erfurt, fehlt es hauptsächlich an Kraftfutter, während in der BHG Gamstädt24 und in der Gemeinde Zimmernsupra insgesamt 400 Ztr. Maisschrot lagern und nicht freigegeben werden.

Im Kreis Arnstadt, Bezirk Erfurt, gibt es Schwierigkeiten in der Futtermittelversorgung, obwohl 750 t Futterstroh und Sojabohnen in den BHG lagern und auch nicht verteilt werden.

Der Viehhalte- und Produktionsplan im VEG Güterkombinat Friedrichswerth, Bezirk Erfurt, ist dadurch gefährdet, dass für drei Ställe keine Futtertröge für Schweine vorhanden sind.

Im MTS-Bereich Bornhagen, Bezirk Erfurt, gibt es Störungen in der Futtermittelversorgung in allen LPG, während in den BHG des Kreises 1 500 Ztr. Futtermittel lagern, für die keine Auslieferungsgenehmigung erteilt wird. Diese Futtermittel sind in Säcken gelagert und für die Säcke muss laufend Miete bezahlt werden.

Auch im MTS-Bereich Heringen ist die Futtermittelversorgung äußerst mangelhaft, obwohl in den einzelnen Gemeinden 46 t Futtermittel lagern. Von 55 Anträgen auf Auslieferung von Futtermitteln wurden erst vier genehmigt.

Obwohl im Kreis Wurzen, Bezirk Leipzig, ein erheblicher Mangel an Futtermitteln herrscht, lagern große Mengen Futtermittel in den BHG, wobei die Gefahr besteht, dass die Futtermittel verderben. Die BHG haben keinen Platz, um das anzuliefernde Getreide der neuen Ernte aufzunehmen. Eine Verteilung der Futtermittel durch den Rat des Kreises findet nicht statt.

Im MTS-Bereich Taucha, Bezirk Leipzig, wurde bei vielen Bauern die Futtermittelrücklieferung für abgelieferte Schweine vom Anfang des Jahres 1953 bis heute noch nicht durchgeführt. Im Kreis Grimma besteht dieselbe Schwierigkeit.

Im Bereich der MTS Zschackwitz traten erhebliche Störungen in der Futtermittelversorgung dadurch auf, dass Getreide und Kartoffeln restlos im Frühjahr erfasst wurden. Die Schweine werden zum größten Teil nur mit Grünfutter gefüttert.

In Geithain, Bezirk Leipzig, besteht seit längerer Zeit ein Mangel an Futterkleie. Vonseiten des Bezirksrates konnte bisher keine Abhilfe geschaffen werden. Es wurde festgestellt, dass, aufgrund einer Anweisung vom Kreisrat Geithain ab 1.7.1953 keine zusätzlichen Futtermittellieferungen vorzunehmen, sehr heftige Diskussion unter den Bauern entstanden ist.

Im MTS-Bereich Altenburg besteht ebenfalls erhebliche Störung in der Futtermittelversorgung. Dem VEG Priefel wurden im III. Quartal 58 t Futtermittel zugeteilt, die aber noch nicht ausgeliefert wurden. Um das Vieh vor dem Verhungern zu retten, wurden von VEG Dobitschen und Nobitz 180 Ztr. Futtermittel geborgt.

Die VEAB hat es bis jetzt noch nicht fertiggebracht, diese Futtermittel für das VEG Priefel bereitzustellen.

Im Bereich Teuchern, Bezirk Halle, ist die Futtermittelzuteilung für die LPG ausreichend, während für die werktätigen Bauern keine Futtermittel bereitgestellt werden. Es wurde festgestellt, dass das vorhandene Vieh, vor allem Schweine, im Wachstum gehemmt wird und zurückgeht. Bei einer Prüfung des Futtermittelbestandes im Kreise Hohenmölsen wurde festgestellt, dass dort zzt. noch 416 t Futtermittel lagern.

Das Versuchsgut Etzdorf ist seit längerer Zeit im Besitz von Berechtigungs- und Dringlichkeitsscheinen für Eiweißkonzentrat und Sojaschrot. Eine Belieferung fand noch nicht statt.

Im MTS-Bereich Schafstädt ist die Futtermittelversorgung für die LPG sehr schlecht. Der vorhandene Schweinebestand auf der LPG »Jonny Scheer« ist in einem vollkommen unterernährten Zustand. Trotz schriftlicher Anträge wurde vom Rat des Kreises Merseburg keine Hilfe gegeben. Der Rat des Kreises erklärt, dass keine Futtermittel vorhanden seien. Jedoch wurde festgestellt, dass in der VEAB Schafstädt 3 000 dz Futterhafer, 3 000 dz Futtergerste, bei der VEAB in Klobikau mehrere Hundert dz Futtergetreide, bei der VEAB in Bündorf 200 dz Futterhafer und bei der VEAB in Bad Lauchstädt 100 dz Futterhafer lagern.

Im Bereich Gerbstedt ist ein erheblicher Mangel in der Kraftfutterversorgung festzustellen. Trotz Freigabe der Futtermittel ist die BHG nicht in der Lage, das Kraftfutter zu liefern. Diese augenblickliche Futterknappheit wirkt sich sehr stark auf die Milchleistung aus.

Im VEG im MTS-Bereich Schwerinsburg ist die Futtermittelversorgung sehr schlecht, während in der BHG Remplin eine größere Menge von Kleie lagert, die stark von Mäusen befallen ist und nicht ausgeliefert wurde.

V. Auswirkung zum Beschluss des Ministerrats in Bezug auf Rückkehr der Bauern

1. Wie viele Bauern kehrten in die DDR zurück?

Seit dem 11. Juni 1953 kehrten ins Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik 60 Bauern aus Westdeutschland zurück. Aus der Haft wurden 220 Bauern entlassen, die auf ihren Hof zurückkehrten. Ebenfalls kamen 150 Bauern auf ihre verlassenen Gehöfte zurück, die sie aufgrund der Verordnung vom 26. Februar 1953 zur Weiterbenutzung an den Staat abgetreten haben. Bei diesen 150 Betrieben handelte es sich größtenteils um Betriebe mit Steuerrückständen, Ablieferungsschwierigkeiten, krankheitshalber oder [aus] Mangel an Arbeitskräften.

2. Bestehen Schwierigkeiten bei der Rückgabe der Betriebe, wo und warum?

Bei der Rückgabe der Betriebe gab es keine besonderen Schwierigkeiten. Einige Ausnahmen bildeten die Betriebe, deren Felder mitten in den Feldern der LPG lagen. Diese Bauern erhielten im Austausch gleichwertiges Land.

3. Wie verhalten sich die Zurückkehrenden und wie ist das Verhalten der übrigen Bevölkerung zu denselben?

Das Verhalten der Zurückgekehrten zur Bevölkerung und umgekehrt ist gut. Hierzu einige Beispiele:

In der Gemeinde Kampehl, Bezirk Potsdam, begrüßen drei zurückgekehrte Großbauern die Verordnung der Regierung und sind gewillt, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Sie gaben nach Erhalt ihrer Wirtschaft eine schriftliche Erklärung ab, dass sie keine Ansprüche an den Rat der Gemeinde haben. Der Kontakt mit der übrigen Bevölkerung der Gemeinde ist gut. Die drei zurückgekehrten Bauern bemühen sich, zwei weitere republikflüchtige Bauern in die DDR zurückzuholen, indem sie ihnen Briefe schreiben.

Im MTS-Bereich Krien, Bezirk Neubrandenburg, kehrte der Großbauer [Name 29] aus Westdeutschland zurück. Er erhielt seinen Betrieb und will sofort seine Frau und seine Kinder aus Westdeutschland zurückholen.

Im Kreis Demmin, Bezirk Neubrandenburg, hat der zurückgekehrte Bauer noch eine gewisse Arbeitsunlust, da ihm während seiner Abwesenheit das Milchsoll erhöht wurde. Zu den Regierungsverordnungen sagte er, dass es höchste Zeit wurde, solche Gesetze zu erlassen. Denn die bisherigen Gesetze waren nur darauf gerichtet, den Bauern zu vernichten.

Im MTS-Bereich Perleberg, Bezirk Schwerin, sind noch keine Bauern zurückgekehrt. Der Bauer [Name 30], der zzt. in Westdeutschland flüchtig ist, ist noch misstrauisch zu den Regierungsverordnungen und hat schriftlich bei dem Gemeinderat angefragt, ob er seinen Acker und seine Gebäude zurückerhält.

Im MTS Waschow, Bezirk Schwerin, sagte ein aus der Haft entlassener Bauer, dass er in diesem Jahr keine Steuern mehr bezahle. Er sei unzufrieden wegen des schlechten Zustandes seines Betriebes (nachdem er ihn wieder übernommen hat).

Im MTS-Bereich Sternberg, Bezirk Schwerin, ist der Großbauer [Name 31] aus Westberlin zurückgekehrt und sagte jetzt, dass er einen großen Fehler gemacht habe, dass er fortgegangen war. Er will alle Kraft einsetzen, um seine Wirtschaft wieder zu festigen und den Verpflichtungen dem Staat gegenüber pünktlich nachkommen. Er wird von der Landbevölkerung gut unterstützt.

Im MTS-Bereich Lübz, Bezirk Schwerin, kehrte der Großbauer [Name 32] mit Familie aus Westdeutschland zurück, übernahm gleich seinen Betrieb und erklärte, dass ihm die Arbeit jetzt mehr Spaß machen würde, da die Regierung ihre Fehler eingesehen hat.

Im MTS-Bereich Bruchhagen, Bezirk Frankfurt/Oder, ist ein Bauer zurückgekehrt, der vor seiner Flucht nebenbei eine kleine Schuhmacherei betrieb (in Welzow). Der Bauer wollte nicht nach Welzow zurück, weil er dort bei vielen Werktätigen Schulden hatte. Er erhielt eine Siedlung in Görlsdorf. Die Bevölkerung von Welzow und Görlsdorf stehen dem zurückgekehrten Bauern ablehnend gegenüber und sind nicht einverstanden, dass er eine Siedlung erhalten hat.

Von neun aus Westdeutschland zurückgekehrten Bauern im Kreis Greiz, Bezirk Gera, ist einer der LPG beigetreten. Die anderen äußern sich dahingehend, dass sie nie ihre Sollablieferungspflichten hätten erfüllen können und begrüßen besonders die Verordnung der Regierung über die Sollherabsetzung. Von den übrigen Schichten der Landbevölkerung werden die Rückkehrer begrüßt.

Der Bauer Neumeister im Bezirk Gera ist mit seiner Ehefrau aus Westdeutschland zurückgekehrt. Er begrüßt die Maßnahmen der Regierung und sagte, er hätte nie daran gedacht, dass er seinen Hof wiederbekommen würde.

Im MTS-Bereich Kauern, Bezirk Gera, sind bis jetzt drei Großbauern aus der Haft zurückgekehrt. Der Großbauer [Name 33] aus Ronneburg, der ebenfalls aus der Haft zurückkam, will in die LPG eintreten. Wenn das nicht möglich ist, will er seinen Betrieb nicht wieder zurückhaben. Das Verhalten des Zurückgekehrten ist abwartend.

Fünf aus der Haft zurückgekehrte Großbauern im MTS-Bereich Tessin, Bezirk Rostock, fordern, dass ihre Sollrückstände und Schulden gestrichen werden. Weiterhin fordern sie die Freilassung von noch zwei inhaftierten Großbauern. Im Übrigen verhalten sie sich zurückhaltend.

Im MTS-Bereich Nostitz, Bezirk Dresden, kehrte aus der Haft der Großbauer [Name 34] zurück. Zum schnellen Abschluss seiner Pflegearbeiten unterstützten ihn 55 Personen aus dem Orte.

Der Großbauer [Name 35] aus Breitendorf erklärte, dass er die Sollermäßigung begrüße und könne mit einer größeren Freude an die Arbeit gehen, um dem Staat gegenüber seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Der republikflüchtige Großbauer [Name 36] aus der Gemeinde Bischofswerda, Bezirk Dresden, schreibt aus Ulm bei Stuttgart an den Gemeinderat und bittet um folgende Aufklärung, da er beabsichtigt zurückzukommen, und er sei sich über die Verordnungen noch nicht im Klaren, weil in Westdeutschland gegen die Verordnungen gehetzt wird. Er fragt an, ob er seinen verlassenen Betrieb wieder zurückbekommt, auch dann, wenn er in die LPG eingeschlossen ist. Im Westen erzählt man, die Zurückgabe des Betriebes kann nur von der LPG geschehen. Weiterhin ist er nicht klar darüber, ob er die Maschinen, die von der MTS abgeholt worden sind, zurückbekommt und wie es mit den bereits schon verkauften Einrichtungsgegenständen wird. Weiterhin fragt er an, wie die Wohnraumfrage geklärt wird, da doch in seinem Haus einige Familien untergebracht sind.

Der zurückgekehrte Bauer [Name 37] aus Großzschepa, Bezirk Leipzig, erhielt seinen Betrieb zurück und schilderte der Landbevölkerung offen und ehrlich die Notlage der Westberliner Bevölkerung. Die Genossenschaftsbauern sind gegen ihn eingestellt, weil sie bisher nur vorwiegend auf seinen Feldern gearbeitet haben.

Der zurückgekehrte Brütereibesitzer in Siebleben, Bezirk Erfurt, begrüßt die Regierungsmaßnahmen und ist erfreut, dass er ohne Schwierigkeiten wieder in die DDR zurückkommen konnte und seinen Betrieb, der von der LPG verwaltet wurde, zurückerhielt. Er bringt weiter zum Ausdruck, dass er im Westen mit republikflüchtigen Bauern gesprochen habe und dass diese ihm erklärten, sie wollen erst nach der Ernte zurückkehren.

Im Bezirk Karl-Marx-Stadt wurde der Großbauernhof mit 30 ha an den Bauern [Name 38] aus Schönfeld zurückgegeben. Der Betrieb war aufgrund von Verfehlungen nach dem Gesetz zum Schutze des Volkseigentums, verursacht durch die Bäuerin, die vor dem 11.6.1953 festgenommen wurde, und dem Bauern, [der] sich nach dem Westen absetzte, in Staatsverwaltung übergegangen. Die Frau kehrte aus der Haft zurück und übernahm ihren alten Betrieb, der ihr von dem Vorsitzenden des Kreisrates zugesprochen wurde. Nach einigen Tagen stellten einige fest, dass die Frau nicht Eigentümerin des Hofes ist, sondern der Ehemann, der zzt. noch in Westdeutschland weilt. Darauf beschloss das Kreissekretariat Annaberg zusammen mit dem Vorsitzenden des Rates des Kreises Annaberg, der Frau [Name 38] die Weiterführung der Wirtschaft zu entziehen. Frau [Name 38] setzte sich danach mit dem Leiter der Abteilung Land- und Forstwirtschaft, Genossen Pollmer, im Bezirksrat in Verbindung und dieser entschied, dass Frau [Name 38] ihren Betrieb weiter bewirtschaften soll und ihren Ehemann zur Rückkehr in die DDR bewegen soll.

4. Gibt es nach dem 11.6.1953 noch republikflüchtige Bauern? Was sind die Ursachen der Flucht?

Nach dem 11.6.1953 verließen das Gebiet der DDR 70 Bauern. Ein Teil der Ursachen liegt darin, dass die Bauern sich an den Provokationen am 17. Juni mit beteiligt haben und aus Angst vor der Strafe flüchtig wurden. Ein anderer Teil setzte sich kurz nach dem 11.6. ab. Diese glaubten wegen ihrer schlechten Wirtschaftsführung zur Rechenschaft gezogen zu werden. Der restliche Teil verließ die DDR wegen betrieblichen Schwierigkeiten. Nachfolgend werden einige Ursachen als Beispiel aufgeführt.

Der Genossenschaftsbauer [Name 39, Vorname] aus25 Nauen, Bezirk Potsdam, verbreitete am 17.6. Gerüchte, dass die Regierung gestürzt sei, versuchte weiterhin Missstimmung unter der Bevölkerung zu verursachen. Einige Bauern stellten sich ihm entgegen und belehrten ihn eines anderen. Darauf bekam [Name 39] es mit der Angst zu tun und verließ am 18.6. ohne Familie das Gebiet der DDR.

Am 13.6.1953 flüchtete der Kleinbauer [Name 40] aus Rothberg,26 Bezirk Potsdam, Mitglied der LPG, nach dem Westen. [Name 40] hatte keinen Grund zur Flucht. Vermutlich folgte er seinen Eltern nach Westberlin, die sich Anfang dieses Jahres wegen Unterschlagung von Saatgetreide und Saatkartoffeln abgesetzt haben.

Im MTS-Bereich Kyritz27, Bezirk Potsdam, flüchteten der Bauer [Name 41] (23 ha) sowie der Gewerbetreibende [Name 42] nach Westberlin. Grund: Beide hatten sich an den Provokationen am 17.6.1953 in Wusterhausen beteiligt. Nach der Festnahme der Rädelsführer bekamen die beiden es mit der Angst zu tun, in Haft genommen zu werden.

Aus dem MTS-Bereich Putbus, Bezirk Rostock, flüchtete am 23.6.1953 der Werktätige [Name 43], Mitglied der LPG Renz, wegen Sollablieferungsschwierigkeiten und Streitigkeiten mit anderen Bauern.

Am 12.6.1953 setzte sich der Neusiedler [Name 44], Bezirk Rostock, MTS-Bereich Neu Boltenhagen, mit seiner Familie nach Westberlin ab, weil sein Betrieb vollkommen heruntergewirtschaftet war und er kein Fortkommen mehr sah.

Am 11.6.1953 flüchtete der Bauer [Name 45] aus Dietrichsdorf, Bezirk Schwerin, weil er wegen schlechter Wirtschaftsführung und Ablieferung zur Verantwortung gezogen werden sollte, aus Angst vor der Strafe nach dem Westen.

Am 11.6.1953 flüchtete der Kleinbauer [Name 46] aus dem MTS-Bereich Rodenwalde,28 Bezirk Schwerin, er hatte ohne Genehmigung geschlachtet und daher Angst vor Strafe.

Nach dem 11.6.1953 flüchteten der Neubauer [Name 47] und sein Sohn aus dem MTS-Bereich Ermsleben, Bezirk Halle, die getrennte Wirtschaften führen, nach dem Westen, weil die Zwillingswirtschaft zu hoch veranlagt war und der Kreisrat sich weigerte, ihm Acker abzunehmen. Er war aus diesem Grunde nicht in der Lage, mit seinem Sohn allein die Zwillingswirtschaft zu führen.

VI. Wie wirken sich die Regierungsverordnungen auf die Sollablieferungen aus?

1. Wo wird die Ablieferung ungenügend durchgeführt?

Im MTS-Bereich Wandersleben ist bei 14 Mittelbauern ein Rückgang in der Ablieferung zu verzeichnen. Es sind Anzeichen vorhanden, dass diese schlechte Ablieferung organisierten Charakter trägt und zwar durch Beeinflussung eines Großbauern, welcher mit einigen dieser Mittelbauern verkehrt.

Im Einzugsgebiet der Genossenschaftsmolkerei Görmar wurde ein Rückgang in der Milchablieferung festgestellt, da die Bauern mehrere Wochen kein Milchgeld erhielten.

Auch im Bezirk Rostock ist in einigen Fällen eine ungenügende Ablieferung infolge einer schlechten Futtergrundlage zu verzeichnen. Dies ist zum Beispiel im MTS-Bereich Mölschow und im Kreis Grevesmühlen der Fall.

In der Gemeinde Kenz wurde einem Großbauern, dessen Hühnerbestand infolge Hühnerpest zurückgegangen ist, bisher keine Sollermäßigung gegeben, sodass er mit seiner Eierlieferung in Rückstand kam.

In einigen Gemeinden des MTS-Bereiches Panschwitz und bei der Molkerei Großenhain machte sich in den letzten Tagen ein Rückgang in der Milchablieferung bemerkbar. Dies ist zum Teil auf das Gerücht, das in Kürze eine Währungsreform29 kommt, zurückzuführen.

In der Gemeinde Steinbach, Bezirk Dresden, ist die schlechte Ablieferung auf große Wildschweinschäden sowie schlechte Anleitung vonseiten der Partei und des Kreisrates zurückzuführen.

Im Kreis Freital brachten einzelne Bauern ihr Vieh nicht zur Sammelstelle, da auch hier das Gerücht, das mit einer Währungsreform zu rechnen sei, verbreitet wurde.

Ein Rückgang in der Ablieferung von Schlachtvieh ist im MTS-Bereich Grimma eingetreten. Der Rückgang ist auf die mangelnde und späte Zuteilung des Mastfutters zurückzuführen.

In der LPG Volksrade fehlen Arbeitskräfte. Durch den vielen Regen kann die Rübenreinigung von den Genossenschaftsbauern nicht bewältigt werden. Dies wirkt sich auf die spätere Ablieferung aus.

In der LPG Golchen im MTS-Bereich Thurow30 ist die Sollablieferung schlecht, da im vergangenen Jahr verschiedene Tiere verendet sind. Eine ungenügende Ablieferung infolge schlechter Futtergrundlage ist bei den LPG Neuhof, MTS-Bereich Klein Labenz, zu verzeichnen.

Im Kreis Hoyerswerda, Bezirk Cottbus, ging die Ablieferung an Fleischprodukten im gesamten Kreisgebiet nach dem 17.6. um 50 % zurück. Der Grund hierfür ist das Gerücht, dass innerhalb der DDR eine Geldentwertung stattfinden würde.

Im Bezirk Magdeburg ist in einigen MTS-Bereichen das Gerücht verbreitet, dass der Ami bald komme. Aus diesem Grunde haben verschiedene Bauern ihr Ablieferungssoll zurückgehalten. Meldungen darüber liegen von den MTS Osterburg, Jarchau und Schönberg vor.

Im MTS-Bereich Schackensleben ist ein Rückgang in der Ablieferung von Schlachtvieh aufgrund von Futterknappheit zu verzeichnen.

In der Gemeinde Wahrenberg, MTS-Bereich Krüden, ist die Ablieferung sehr schlecht. In dieser Gemeinde gibt es vorwiegend Großbauern. Im gleichen MTS-Bereich vertreten die Bauern die Meinung, dass bei den größten Gruppen von 5 bis 10 ha und 10 bis 15 ha die Ermäßigung zu gering sei.

Im Bereich der MTS Fürstenau führt man die Nichterfüllung des Ablieferungssolls zum Teil darauf zurück, dass die Bauern im Herbst 1952 mit ihren Erzeugnissen einen spekulativen Handel führten.

Im Bereich der MTS Grüntal ist ein Rückgang in der Erfassung von tierischen Produkten zu verzeichnen. Grund ist die abwartende Haltung der Bauern.

Die bürokratische Arbeit des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft und die damit verbundene falsche Veranlagung des VEG Leuthen, MTS-Bereich Peitz, Bezirk Cottbus, rief eine Verärgerung unter den Landarbeitern hervor. Das VEG ist nicht in der Lage, das Soll zu erfüllen und überzuerfüllen. Dadurch erhalten auch die Brigaden keine Leistungsprämien.

Im Bezirk Potsdam, in der Gemeinde Krumbeck, erklärten mehrere Bauern, dass sie nach der zu erwartenden Währungsreform abliefern werden.

Im Kreis Weißenfels, Bezirk Halle, wurde festgestellt, dass nach dem Beschluss der Regierung die Erfassung von tierischen Produkten erheblich zurückgegangen ist. Eine schlechte Erfüllung des Schweinesolls ist im MTS Geußnitz zu verzeichnen. So fehlen zum Beispiel im Großgut Zeitz 1 800 dz Schweinefleisch, hervorgerufen durch das Fehlen von 1 800 Schweinen, welche eingeplant waren, aber nicht geliefert wurden.

Ebenfalls sind in der LPG Großwirschleben Schwierigkeiten in der Sollablieferung von Schweinefleisch aufgetreten. Es bestanden Futterschwierigkeiten. In der LPG Quenstedt, MTS-Bereich Sandersleben, bestehen Schwierigkeiten in der Erfüllung des Ablieferungssolls tierischer Produkte. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Genossenschaftsbauern sich nicht um die Realisierung des Viehhalteplanes kümmern.

2. Wie ist das Verhalten der Erfasser,31 welche Erfasser beachten die Sollermäßigung nicht, gibt es Fälle, wo Erfasser von den Höfen verjagt wurden?

Im MTS-Bereich Stremlow wurde ein Erfasser von einem Altbauern vom Hof vertrieben. Aus einigen MTS-Bereichen im Bezirk Leipzig wurde ebenfalls eine schlechte Arbeit der Erfasser bekannt. Das Verhalten der Erfasser in den MTS-Bereichen Nöthnitz, Steinbach, ist oft sehr negativ.

In dem Ort Klein-Struknitz32 hat ein Erfasser eine größere Menge Blumenkohl und Weißkraut nicht rechtzeitig der Erfassungsstelle zugeleitet, sodass der größte Teil verkommen ist. Weiterhin ist es vorgekommen, dass die Erfasser die Klein- und Mittelbauern bei der Ablieferung gegenüber den Großbauern benachteiligt haben. Im Bereich der MTS Cröbern hat ein Vertreter der VEAB Hetzreden gegen Walter Ulbricht geführt.

Im Bezirk Karl-Marx-Stadt, Kreis Marienberg, tritt unter den Erfassern die Meinung auf, dass sie sich aufgrund des Ministerratsbeschlusses vom 25.6.195333 nicht gut auswirken wird, wenn man den bäuerlichen Wirtschaften Schlachtgenehmigungen unabhängig vom Stand der Erfüllung ihrer Ablieferungsverpflichtungen erteilt.

Im Bezirk Schwerin, Gemeinde Kleefeld, erklärte die Erfasserin [Name 48] den Bauern, wenn er kein Rind abliefert, so nehme ich euch die beste Kuh aus dem Stall. Durch die falsche Maßnahme eines Erfassers wurde in der LPG Martinskirchen, MTS-Bereich Martinskirchen, Bezirk Cottbus, Unzufriedenheit unter den Genossenschaftsbauern hervorgerufen. Der Erfasser hatte Obst beschlagnahmt, welches nach der Sollerfüllung der LPG für geleistete Überstunden an die Genossenschaftsbauern ausgegeben wurde.

Im Bereich der MTS Schermen, Bezirk Magdeburg, wurde den Erfassern in einigen Fällen das Betreten des Stalles verboten. Aus dem Bezirk Neubrandenburg sind einige Fälle schlechten Verhaltens von Erfassern bekannt. Im MTS-Bereich Cölpin, Gemeinde Pragsdorf, verlangte ein Erfasser, dass eine Bäuerin die Milch von ihren Kühen restlos abliefern sollte. Da noch ähnliche Fälle auftraten, wurde dieser Erfasser bereits abgelöst. In Duckwitz, MTS-Bereich Teterow, wurde der Milcherfasser von zwei Bauern aus dem Dorf verwiesen.

Im Bereich der MTS Milmersdorf finden zu wenig Aussprachen zwischen den werktätigen Bauern und den Erfassern statt. Das Vieh wird erfasst und zur gleichen Zeit auch der Ablieferungstag bestimmt, ohne darauf zu achten, ob das Gewicht auch stimmt. So kommt es oft vor, dass die Bauern ihr Vieh wieder mit nach Hause nehmen müssen, da das Ablieferungsgewicht noch nicht erreicht war.

Auch im Bezirk Frankfurt/Oder wurde verschiedentlich eine schlechte Arbeit der Erfassungsorgane festgestellt. Der Erfasser des Stadtkreises Frankfurt/Oder trat den Bauern gegenüber zu aggressiv auf, sodass einzelne ihn nicht wieder auf ihren Hof lassen wollen.

Am 30.6.1953 mussten in Tantow 20 Bauern von morgens 8.00 Uhr bis 13.30 Uhr mit ca. 120 Schweinen auf das Eintreffen eines Waggons warten. Die Bauern waren darüber sehr erbost. Sie sagten: »Wenn wir nicht rechtzeitig kommen, müssen wir Standgeld bezahlen. Wer bezahlt uns jetzt unsere ausgefallene Arbeitszeit?«

In der Eiersammelstelle in Sachsendorf lagerten 14 Tage lang 11 000 Stück Eier, ehe sie von den Erfassern abgeholt wurden.

3. Gibt es Bauern, die sich weigern, das Soll abzuliefern?

In der Gemeinde Groß Labenz, Bezirk Schwerin, gibt es einen Neubauern, der es fertiggebracht hat, drei Jahre nicht abzuliefern. Sonst sind keine Vorkommnisse bekannt.

VII. Austritte aus der Partei innerhalb der Landwirtschaft34

Im gesamten DDR-Maßstab sind nach den Ereignissen vom 17.6.1953 147 Genossen aus der Partei ausgetreten. Die Ursachen und Gründe werden in einigen markanten Beispielen aufgeführt.

Im Bezirk Halle gibt es 33 Austritte. Der Bauer [Name 49] und sein Sohn gaben das Parteibuch mit der Begründung ab, dass sie unter der Pein, wie sie bis jetzt gelebt haben, kein Interesse mehr an der Partei hätten. Sie hätten nie etwas sagen können, ohne Gefahr zu laufen, eingesperrt zu werden. Es habe sich auch niemand um sie gekümmert. Zu bemerken ist, dass der Bauer [Name 49] stets vorbildlich seinen Ablieferungspflichten nachgekommen ist.

Der Bauer [Name 50] aus Saaleck gab sein Parteibuch mit der Begründung ab, nicht mehr in der [sich] zersetzenden LPG zu arbeiten, sondern seinen Betrieb allein zu bewirtschaften.

Der Genosse [Name 51] von der MTS Peißen gab sein Parteidokument mit folgender Bemerkung ab: »Das ZK der SED hat Fehler gemacht, hat diese eingesehen und geändert. Ich habe auch einen Fehler gemacht (gemeint ist damit sein Eintritt in die SED). Ich sehe diesen Fehler ein und ändere ihn.«

In Gatersleben sind zwölf Genossen vom Institut für Kulturpflanzenforschung aus der Partei ausgetreten, weil sie die begangenen Fehler der Regierung so betrachten, dass die Regierung das Vertrauen des Volkes nicht mehr besitzt. Den Anstoß zum Austritt gab der BGL-Vorsitzende Schnelle. Zwei weitere Genossen traten aufgrund der Unruhen vom 17.6.1953 aus der Partei aus.

Bei der MTS Söllichau hat der Genosse [Name 52] dem Politleiter sein Dokument auf den Tisch geworfen mit dem Ausspruch, dass er mit den Beschlüssen des ZK und den Maßnahmen der Regierung nicht einverstanden ist. [Name 52] zeigte schon des Öfteren feindliche Tendenzen gegenüber der Sowjetunion.

In Sandersleben gaben sechs ältere Genossen, ehemalige SPD-Mitglieder, ihr Parteibuch mit dem Bemerken zurück, dass sie mit den Beschlüssen des Politbüros und dem Kommuniqué der Regierung nicht einverstanden sind. Sie hätten das Vertrauen zur Partei verloren.

In Pretzsch begründete ein Bauer seinen Austritt damit, dass er nicht mit der Linie unserer Partei einverstanden sei. Er sei für einen deutschen Sozialismus.

Im Bezirk Cottbus traten insgesamt sechs Mitglieder aus.

Am 19.6.1953 gab der werktätige Bauer [Name 53] in Ogrosen sein Parteidokument ab mit dem Bemerken: »Den Mist mache ich nicht mehr mit.«

Der Genosse [Name 54] aus Seyda gab sein Parteidokument ab, da er der Annahme [war], dass die Partei in dieser Situation zerfallen müsste, und glaubte an das Ende unserer Regierung und darum wollte er so schnell wie möglich sein Dokument los sein.

Im Kreis Jessen begründeten zwei Bauern ihren Austritt aus der Partei damit, dass die Demokratische Bauernpartei die Interessen des werktätigen Bauern besser vertreten würde als die SED.

Ein Genosse der MTS Peitz erklärte seinen Austritt aus der Partei, weil er mit den Maßnahmen der Partei nicht einverstanden ist. Auch war er der Meinung, dass es falsch war, dass die Rote Armee am 17.6. eingegriffen habe. Nach seiner Ansicht hätte das die VP klären müssen.

Im Bezirk Schwerin traten sechs Mitglieder aus der Partei aus. Die Bäuerin Hardekopf aus Tacken, Kreis Perleberg, vollzog ihren Austritt mit folgender Begründung: »Im Sekretariat der Kreisleitung sei man zu bequem, sich gründlich um die Missstände zu kümmern, um diese an der Wurzel zu beseitigen. Weil man dieses nicht macht, hackt man schon jahrelang auf den kleinen Funktionären herum. Sie denke nicht im Mindesten daran für die Unfähigkeit und Bequemlichkeit einiger Funktionäre weiterhin Prellbock zu sein.« Obengenannte war ebenfalls noch Mitglied der Kreisleitung und Sekretär der Betriebsparteiorganisation der LPG Tacken. In Mödlich ist der Bürgermeister aus der Partei ausgetreten mit der Begründung, dass er bei der Waffen-SS war und deshalb nicht mehr in seiner Funktion und in der Partei bleiben kann. Der Genosse [Name 55] aus Dreenkrögen gab sein Parteidokument ab mit der Bemerkung: »Walter Ulbricht hat an allem Schuld.« Er habe kein Vertrauen mehr zur Partei. Im Kreis Parchim trat ein Genosse mit folgender Begründung aus der Partei aus: »Wir brauchen keine Kampfziele mehr. Sie sollen uns in Ruhe lassen. Wir sehen ja selbst, was in Berlin los war.«

Im Bezirk Karl-Marx-Stadt traten fünf Genossen aus der Partei aus. Der Parteisekretär der LPG Neukirchen begründete seinen Austritt aus der Partei damit: »Bei der SPD ist es besser gewesen.« In der MTS Weischlitz begründete ein Genosse seinen Austritt damit, dass er mit den neuen Beschlüssen der SED nicht mehr einverstanden ist. Er war auch damit nicht einverstanden, dass man seiner Schwiegermutter, die einen kleinen Laden besitzt, keine Lebensmittelkarten mehr gab. In Schlaisdorf35 trat ein Genosse und Mitglied der LPG mit folgender Begründung aus der Partei aus: »Ich glaubte bei dem Zusammenschluss der KPD und SPD, dass es zu einer wirklichen Arbeiterpartei kommen würde. Ich musste aber feststellen, dass die SED eine kommunistische Partei geworden ist.« Des Weiteren behauptete [er], dass die »Russen« die Arbeiter am 17.6. niedergeknüppelt hätten und aus diesem Grunde für die Arbeiter nichts übrig haben.

Im Bezirk Rostock trat ein Mitglied aus der Partei aus, und zwar die Lehrerin [Name 56] aus der Gemeinde Peenemünde. Die Begründung zum Austritt verweigerte sie.

Im Bezirk Gera trat ein Traktorist aus der MTS Frießnitz aus der Partei aus mit der Begründung, dass er mit der Politik unserer Partei in der Vergangenheit nicht einverstanden war.

Im Bezirk Dresden sind insgesamt 29 Austritte zu verzeichnen. Vier Angestellte der Straßenmeisterei Dippoldiswalde traten aus der Partei aus, weil sie mit der Umbesetzung aus dem Angestelltenverhältnis in ein Lohnarbeiterverhältnis nicht einverstanden waren. Der Parteisekretär aus Streumen der Ortsgruppe trat am 19.6.1953 aus der Partei aus mit dem Bemerken, dass er diesen Schwindel nicht mehr mitmache. Für seine Beiträge würde er sich wieder Bockwurst kaufen. Ein Neubauer aus Niederkaina hat in einer Leitungssitzung der SED-Grundorganisation seinen Austritt erklärt mit der Begründung, dass er mit den Maßnahmen der Regierung und des ZK nicht einverstanden ist und gegen diese ständig monierte. Der Parteisekretär der Ortsparteiorganisation in Förstgen trat aus der Partei aus und gab an, er lässt sich nicht den Schädel einschlagen. Ebenfalls sei er mit der Oder-Neiße-Grenze nicht einverstanden. In der Gemeinde Scharfenberg, Weistropp und Hühndorf haben [sic!] je ein Genosse das Parteidokument bei dem Kassierer in den Briefkasten gesteckt. Auf einem beigefügten Zettel gaben sie an, das Parteigeld für sich selber zu brauchen und dass sie nicht mehr Mitglied der Partei sein wollen, wenn die Regierung solche Fehler gemacht hat.

Im Bezirk Potsdam sind elf Genossen aus der Partei ausgetreten: In der Gemeinde Ferchesar traten zwei Genossen aus der Partei aus. Einer der beiden, und zwar Genosse [Name 57], gab an, dass er über die Maßnahmen der Partei betreffs Verfassung enttäuscht sei und lehnt entschieden diese Art ab. Der andere, Genosse [Name 58], hat seinen Austritt erklärt mit der Bemerkung, dass er mit der Partei nicht mehr zusammenarbeiten will. Auch will er mit der Partei nichts mehr zu tun haben.

Im Bezirk Erfurt sind insgesamt acht Austritte zu verzeichnen: In Bienstädt gab der ehemalige Bürgermeister sein Parteidokument mit folgender Begründung ab: »Ich bin wegen einer Kleinigkeit meines Amtes enthoben worden und bin somit auch nicht mehr tragbar in der Partei.« In der Gemeinde Henschleben trat der Kassierer mit folgender Begründung aus: »Wenn wir Fehler machen, werden wir zur Verantwortung gezogen. Bei der Regierung wird nichts unternommnen. Die Regierung müsste auch zur Rechenschaft gezogen werden.« Aufgrund von Unstimmigkeiten in der Partei trat in Greußen ein Genosse aus der Partei aus. In Tannroda begründete ein Genosse seinen Austritt damit, dass er zur Partei und Regierung kein Vertrauen mehr habe.

Im Bezirk Magdeburg gab es zehn Austritte aus der Partei: Der erste Sekretär der Grundeinheit der SED Lohne, Kreis Osterburg, hat sein Parteidokument beiseite gelegt. Er will nach seinen Äußerungen mit der Partei nichts mehr zu tun haben. Seine Handlungsweise begründet er damit, indem er die Fehler der Partei und die Zugeständnisse der Regierung anführte. Ein Neubauer in Badingen erklärte am 26.6.1953 seinen Austritt aus der Partei mit folgender Begründung: »Eine Regierung, die sich hinter Sowjetpanzer versteckt, kann ich nicht vertreten.« Als er sein Mitgliedsbuch abgab, befand sich dasselbe in einem schauderhaften Zustand. Die Lichtbildseite war vollkommen herausgerissen. Alle anderen Aufzeichnungen und Eintragungen waren mit Tinte unkenntlich gemacht. Es wird angenommen, dass der Neubauer es am 16.6.1953 mit der Angst zu tun bekommen hatte und deshalb sein Mitgliedsbuch unkenntlich machte. Am 11.6.1953 traten zwei Genossen in Aulosen unmittelbar nach der Verkündung des Kommuniqués des Politbüros der SED36 aus der Partei aus. Der Brigadier von der LPG Osterweddingen trat aus der Partei aus, »um wieder ein freier Bürger zu sein«.

In Bezirk Frankfurt/Oder gibt es einen Austritt aus der Partei: Der Genosse [Name 59] aus Bomsdorf warf dem Parteisekretär in Fürstenberg/Oder sein Parteidokument auf den Tisch und erklärte: »Mit solch einer Politik unserer Partei bin ich nicht einverstanden.« Zu bemerken ist, dass [Name 59] damit nicht einverstanden war, dass die Rote Armee sowie die Volkspolizei und das MfS den Putschversuch in Fürstenberg im Keime erstickt haben.

Im Bezirk Neubrandenburg gibt es drei Austritte aus der Partei: Ein Genosse in Malchin trat aus der Partei aus, weil er nicht damit einverstanden ist, dass die geflüchteten Großbauern wieder zurückkehren und ihr Haus und Hof übernehmen können. In Golm hat der dort eingesetzte Schulleiter den Austritt aus der Partei ohne Angabe der Gründe erklärt. In Ramitzow trat ein Genosse aus der Partei aus und erklärte, er könne es mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren, noch Mitglied der Partei zu sein, auch dann nicht, wenn die Partei ihre Fehler zugegeben hat.

Im Bezirk Leipzig gab es 31 Austritte aus der Partei: In Sachsendorf erklärten zwei Neubauern ihren Austritt aus der Partei und brachten zum Ausdruck, dass sie mit den Maßnahmen der Regierung nicht einverstanden sind und dass sowieso bald eine andere Regierung gebildet würde. Eine Bäuerin aus Knautnaundorf begründete ihren Austritt aus der Partei damit, dass sie mit den Maßnahmen nicht mitkommt und dass sie mit einer Regierung, die solche Fehler machte, nichts mehr zu tun haben will. Der Genosse Cursdorf erklärte: »Ich bin kein Genosse, ich habe schon ein dreiviertel Jahr keinen Beitrag mehr bezahlt und mich dadurch selbst ausgeschlossen.« Der Genosse Große aus Schmölln vollzog seinen Austritt aus der Partei, indem er angab, durch die jüngsten Ereignisse in der DDR habe er kein Vertrauen mehr zur Partei. (Große war in der PWS in Schmölln Arbeitsdirektor und wurde im August/September 1952 entlassen.) In Hopfgarten vollzogen drei Genossen ihren Austritt aus der Partei mit der Begründung, dass sie von der Partei noch nie Hilfe erhalten haben.

Anlage 2 vom 8. Juli 1953 zur Information Nr. 1008 (1. Expl.)

Information Nr. 1008b: Zur Lage in der CDU37

Der in der CDU seit Monaten vorhandene Zwiespalt zwischen der Masse der Mitglieder und dem Parteivorstand, den mittleren und leitenden Funktionären sowie die Zwiespältigkeit innerhalb des politischen Ausschusses trat während und nach den Ereignissen vom 17. und 18.6.1953 besonders hervor. Der Parteivorstand zeigt Unstimmigkeiten in seiner politischen Einstellung und Führung der Partei. Eine große Anzahl der Mitglieder, unterer und mittlerer Funktionäre standen schon seit Langem nicht geschlossen hinter ihrem Parteivorstand. Besonders waren sie gegen die Politik ihres Generalsekretärs Götting.38 Warum ein großer Teil der Mitgliedschaft der CDU sowie ihrer Funktionäre kein Vertrauen zu ihrem Vorstand haben, liegt u. a. darin begründet, dass große Teile der CDU-Mitglieder die vor dem 9.6.1953 erlassenen fehlerhaften Anordnungen und Verordnungen der Regierung besonders zu spüren bekamen. (50 % der Mitgliedschaft setzt sich aus den mittleren Schichten, die anderen 50 % aus Angestellten und Arbeitern aus den Teilen der christlich eingestellten Bevölkerung zusammen. Darunter befinden sich Großhändler, Groß- und Mittelbauern, Geschäftsleute sowie weite Teile indifferenter Arbeiter, auf die die Verordnung des Ministerrates vor dem 9.6. zutraf, z. B. Eintreibung von rückliegenden Steuern, Lebensmittelkartenentzug, Bestrafung bei Sollrückständen und objektive Verschlechterung der Lebenshaltung der Werktätigen. Viele Republikflüchtige waren Mitglieder der CDU. Andere Teile wurden durch verschärfte Maßnahmen der Justiz durch die Gerichte belangt.)

Diese unzufriedenen Teile der CDU, bestärkt durch die bereits aus der CDU ausgeschlossenen reaktionären Mitglieder, bezeichneten die Leitung ihres Parteivorstandes als »Ja-Sager« und ihre Parteiführung als ein Anhängsel der SED. Durch den am 9.6.1953 begonnenen neuen Kurs der Regierung der DDR und den forcierten Ereignissen vom 17. und 18.6.1953 wurden sie in ihrer Meinung erheblich bestärkt und sogar erbost, dass der Parteivorstand der CDU vorher nichts Entscheidendes getan hat, um die Interessen weiterer Kreise des Mittelstandes und der christlichen Menschen bei der Regierung durch entsprechende Vorschläge wahrzunehmen. Durch die Ereignisse bestärkt, waren sie der Meinung, dass durch eine Änderung der Politik in der DDR diese ausgenützt werden müsse, um einige Mitglieder aus dem Parteivorstand zu entfernen und eine Neuwahl desselben durchzuführen. Bezeichnend zu dieser Haltung der Masse der Mitglieder und den sich drängenden politischen Ereignissen ist das Verhalten zahlreicher Mitglieder des Parteivorstandes.

Zu bemerken wäre hierzu, dass verschiedene Kräfte des Imperialismus von Kaiser39 in Westdeutschland angefangen bis zum Ostbüro der CDU40 und den einzelnen Landsmannschaften die Tendenz verbreitet wurde, dass es jetzt an der Zeit wäre, etwaige regierungstreue CDU-Mitglieder von ihren Posten zu entfernen.

Nach den Ereignissen am 17. Juni 1953 fand eine Besprechung der Bezirksvorsitzenden der CDU statt, wo durchweg von diesen zum Ausdruck gebracht wurde, dass eine Regierungsumbildung notwendig ist und die CDU nunmehr in den Staatsapparat eingebaut werden müsste. Fast alle aus den Kreisen und Bezirken eingesandten Berichte zum Parteivorstand der CDU lassen erkennen, dass ein Regierungsrücktritt von verschiedenen CDU-Mitgliedern und Funktionären gefordert wird.

Am 26.6.1953 fand in der Jägerstraße eine Hauptvorstandssitzung der CDU statt: Gegenüber sonstigen Hauptvorstandssitzungen fehlten nur sehr wenige. Die gesamte Atmosphäre zeigte, dass etwas Besonderes erwartet wurde. Als der Vorsitzende der CDU, Nuschke,41 während seiner Rede zu den neuen landwirtschaftlichen Verordnungen sprach und sagte, dass die Regierung Fehler gemacht hätte, aber auch bei den Kreisen und Bezirken sehr viel falsch gemacht worden sei und dass die Regierungsverordnungen in den Bezirken zu hart oder in das Gegenteil ausgelegt worden sind, erhob sich ein Tumult unter den Teilnehmern und es wurden Zwischenrufe laut, wie: »Stimmt nicht!« – »Nee, nee, in Berlin liegen die Fehler« usw.

Auch als Götting in seinen Ausführungen zu folgenden Formulierungen kam: »Wir müssen unsere ganze Kraft einsetzen, um die neuen Regierungsverordnungen in die Tat umzusetzen und aufgrund dieser Verordnung auch die Wünsche des Handwerks und der Kaufleute erkennen« usw., und in diesem Zusammenhang von einer Partei des Mittelstandes sprach, erhob sich wiederum ein Tumult und es ertönte lautes Lachen. Während der Mittagspause, in der die Ausführungen lebhaft negativ diskutiert wurden, war überall eine Unzufriedenheit spürbar. Nach der Pause gab Götting gleich eine Erklärung ab, in der er seine Ausführungen näher begründete, um die Missstimmung zu beseitigen. Diese Ausführungen wurden ohne Beifall aufgenommen. Daraus ist zu erkennen, dass fast alle einberufenen Funktionäre der CDU mit der Stellungnahme ihres Vorsitzenden und ihres Generalsekretärs nicht einverstanden waren. Bis zu diesem Zeitpunkt hat Götting, wie aus seinen Ausführungen zu ersehen, seine bisherige positive Linie zur Regierung bewahrt und die Interessen der Deutschen Demokratischen Republik vor die seiner Partei vorangestellt.

Weiter aufschlussreich ist die am 27.6.1953 außerplanmäßig angesetzte Sekretariatssitzung des Parteivorstandes der CDU: In dieser Sitzung rügte Götting sehr scharf das negative Verhalten und Diskutieren einiger Mitglieder des Sekretariats. Darunter befand sich auch eine Person, die zwei Jahre Forst Zinna42 besucht hat (gemeint damit ist ein gewisser Pfau, der früher der SED angehörte43). In dieser Sitzung wurde festgestellt, dass der größte Teil der Teilnehmer an der vorangegangenen Hauptvorstandssitzung am 26.6.1953 damit gerechnet hat, dass über den »Rücktritt gewisser Personen in der Regierung« gesprochen wurde.

Diese allgemeine Haltung war aber nur äußerlich. Führende Funktionäre und Mitglieder des Parteivorstandes der CDU hielten nun die Zeit für gekommen, eine Änderung in der Zusammensetzung der Leitung der CDU sowie in ihrer Politik vorzunehmen. Vor allen Dingen trachteten sie danach, den Generalsekretär Götting zu entfernen. Sie waren sich zwar noch nicht schlüssig, wen sie stattdessen einsetzen wollten. Es steht jedoch fest, dass sie durch eine neue Leitung mehr Einfluss auf die Regierung und auf die von der CDU besetzten Regierungsstellen bekommen wollten. Bei einem stark abweichenden Kurs der CDU von der Politik der Regierung der DDR konnte man sogar erwarten, dass viele in den letzten Jahren ausgeschlossene Mitglieder der CDU dieser wieder beitreten und dass somit die CDU [in] eine unserer Politik in der Mehrzahl feindlich gesinnten Partei verwandelt würde.

Ein unmittelbar im Parteivorstand der CDU verankertes Vorstandsmitglied (der Staatssekretär Ganter-Gilmans)44 ist besonders bestrebt, den bisherigen Generalsekretär Götting von seinem Posten abzudrängen und ihn evtl. in der Partei unmöglich zu machen. Auf einer Besprechung am 17.6.1953 erklärte er u. a., dass er es für unbedingt erforderlich hält, eine sofortige Stellungnahme zu den »falschen« Entscheidungen über die »Junge Gemeinde« (Rede Göttings und Beschlüsse des politischen Ausschusses der CDU)45 abzugeben. Dabei berief er sich auf vertraulich gehaltene Informationen, die ihm von kirchlicher Seite mitgeteilt worden seien, denn die Kirche sei sehr interessiert an einer Rücknahme bzw. Verbesserung der bisher geführten Reden verantwortlicher CDU-Mitarbeiter oder der vom Politischen Ausschuss gefassten Beschlüsse.

Diesen kirchlichen Vorwand schob Ganter-Gilmans vor, um persönlich gegen Götting vorzugehen. Weiter stützt er sich auf die durch die Ereignisse erforderliche Unterhaltung mit dem sowjetischen Hohen Kommissar, Genosse Semjonow,46 um gegen Götting eine Kampagne zu führen, die Masse der Funktionäre gegen ihn aufzubringen und ihn damit als Generalsekretär der CDU auszubooten. Zur Hilfe kommt ihm hierbei die Stimmung der Sekretäre der Bezirksleitungen in der Republik, welche ebenfalls von Götting verlangen, dass er seine Haltung in der Frage der »Jungen Gemeinde« öffentlich revidiert.

Ganter-Gilmans ist ein typischer Vertreter der Privatinteressen des Klein- und mittleren Bürgertums, welche seine Haltung in allen Fragen bestimmen. Es wäre daher wahrscheinlich eine Erschwerung der Zusammenarbeit im Block der demokratischen Parteien, falls Ganter-Gilmans sein Ziel erreichen würde. Das Bestreben der CDU-Leitung und Funktionäre, die Situation entsprechend auszunutzen und sich jetzt mehr an der Regierung zu beteiligen, sind nicht bloß leere Worte, sondern der Ganter-Gilmans brachte bereits am 18.6.1953 derartige Vorschläge vor, bestärkt durch die Aussprache mit dem Hohen Kommissar der SU, der ihm vorschlug, entsprechende Vorschläge zur Verbesserung der Lebenshaltung der Bevölkerung auszuarbeiten und dem Ministerrat vorzulegen. Darin hieß es u. a.: Die CDU macht den Vorschlag über die Neueinrichtung der Industrie- und Handelskammern, die auf Initiative der CDU unbedingt wieder von der Regierung zuzulassen sind, damit der private Handel und die Privatindustrie sehr schnell auch ihre alte »Organisationsform« wieder zurückbekommt. Gleichzeitig erwähnte er, dass der Politische Ausschuss auch wieder den privaten Export beantragen müsste, damit die Regierung neben dem DIA (Deutscher Innen- und Außenhandel) auch privaten Exporteuren ihre Lizenz erteilt.

Bemerkenswert bei diesen Vorschlägen ist, dass kurz danach auch der Vorstand der LDPD gleichartige Vorschläge unterbreitete, aber dabei klar zu erkennen ist, dass dies auf Initiative der CDU und besonders Ganter-Gilmans geschehen ist. Zu dieser anfänglichen großen Aktivität Ganter-Gilmans in Bezug auf die Wiederbelebung des kleineren und mittleren Privatkapitals und seinem Bestreben, Götting aus seinen Funktionen auszubooten, ist in den letzten acht Tagen zu verzeichnen, dass sich jetzt Ganter-Gilmans völlig inaktiv verhält und eine äußerst abwartende Haltung eingenommen hat. Irgendwelche aktiven Bestrebungen in Bezug auf die Beseitigung Göttings sind nicht mehr zu verzeichnen.

Eine ziemlich schnelle Wendung in seiner Einstellung und Handlungsweise vollzog indessen Götting. Aufgrund der Ereignisse in der letzten Hälfte des Monats Juni und besonders aufgrund der Hauptvorstands- und Sekretariatssitzung sah Götting sein Vertrauen schwinden und beschloss, in sämtliche Bezirke zu fahren, um den neuen Kurs der Regierung und der Partei vor allen Kreissekretären klarzulegen.

Der Schatzmeister des Bezirksverbandes der CDU Dresden, Breunert, führte dazu Folgendes aus: »Die gestrige Vorstandssitzung mit Götting war sehr stürmisch, da wir keineswegs die von der Partei vertretene Politik anerkennen konnten. Die Kreissekretäre forderten den Rücktritt Göttings und der Parteileitung.« Er führte weiter aus, dass über sieben Stunden sehr scharf diskutiert wurde und dass Götting Mühe hatte, sich durchzusetzen.

Nachdem besuchte er noch Schwerin, Halle, Leipzig und Dresden. Nach seiner Rückkehr nach Berlin fand am 6. Juli 1953 eine Sekretariatssitzung statt, die die politische Zwiespältigkeit und Inkonsequenz Göttings besonders zum Ausdruck brachte. Während Götting in der Hauptvorstandssitzung am 26.6.1953 den neuen Kurs der Regierung vertrat und verteidigte, hat er auf dieser Sitzung eine völlig andere, zum Teil die Blockpolitik gefährdende Haltung eingenommen. Es steht wohl fest, dass Götting durch die Sitzung am 26.6.1953 und durch seine nachherige Fahrt durch einige Bezirke in der DDR zu der Meinung gekommen ist, dass der mit dem Vertreten des Kurses der Regierung nicht die Funktionäre hinter sich hat und seine Position wanken sah. Hier folgender Auszug aus der letzten Sekretariatssitzung vom 6.7.1953:

Den ersten Teil seiner Ausführungen bezeichnete er als politische Information. In der bekannten unsystematischen und impulsiven Weise berichtete er, dass künftig viel mehr warnende Mitteilungen an das ZK zu geben sind, da außer den paar bezahlten Funktionären kein Mensch hinter der Regierung stünde und vor allem das Vertrauen zu der Regierung weiter sinken würde.

Weiter stellte er fest beim Besuch der Ostseeküste: Obwohl große Einheiten der Roten Armee und der KVP abgezogen seien, sei die Insel Rügen nach wie vor gesperrt. Die KVP solle man endlich nutzbringend einsetzen und sie zuerst einmal beim Bauern zur Hilfe verwenden.

Aus Dresden: Keine Belieferung der Bevölkerung mit Kohle. Keine Senkung der Obstpreise.

Aus Leipzig: Schärfste Kritik am Nationalrat, der die Auflage erteilt habe, in acht Tagen 60 000 Haus- und Hofgemeinschaften auf die Beine zu stellen, obwohl dafür nicht ein Drittel an einsatzfähigen Funktionären zur Verfügung stehen.

Aus Halle: Im Mansfelder Gebiet wurde nach wie vor gestreikt bzw. bestünde im Bezirk Halle allenthalben eine Streikstimmung, die sich nur mit Mühe und Not unterdrücken lässt. Unsinnige Anweisungen führen außerdem im ganzen Bezirk zur Unzufriedenheit, weil beispielsweise in Bitterfeld die Kirchenglocken [nicht] läuten dürfen und strengste Maßnahmen gegen kleine Funktionäre (der CDU) durch die »Dorfpaschas« (SED-Funktionäre wie Bürgermeister usw.) ergriffen wurden.

Weiter ereiferte er sich noch mehr und fing an, polemisch gegen die Staatssicherheitsorgane zu reden. So würde er sich ein für alle Mal verbitten, dass mit ihm nicht abgesprochene Eingriffe in den Parteiapparat erfolgen. Außerdem müsste seitens der CDU eine umfassende Justizreform der Regierung vorgeschlagen werden, damit künftig die vielen Verhaftungen wegen eines politischen Witzes unterbleiben und die Rechtssicherheit in der DDR wieder hergestellt wird. (Hier erhielt er den Zuruf, dass Wachsamkeit zur Erhaltung des Staates notwendig ist.) Er dazu: »Kampf gegen Feinde ja, aber erst wenn man nachweisen kann, dass es Feinde sind.« Weiter forderte er die Presse auf, mehr die Fehler der »Dorfpaschas« zu veröffentlichen und alle Bonzen anzuprangern.

In einer derartigen Fülle von schärfsten Formulierungen hielt Götting seine ganze Rede. In der Mittagspause lächelte man sehr über diese Ausführungen und im weiteren Verlauf der Sitzung, die dann sehr oberflächlich war, konnten die meisten Teilnehmer es noch nicht »verdauen«, dass wir in einem Staat ohne »Rechtssicherheit« (nach Ausführung Göttings) leben. Gelächter entstand schließlich auch, als Götting anordnete, dass sämtliche Empfehlungen und Vorschläge für die Regierung zusammengestellt und für eine Veröffentlichung für die Bevölkerung vorbereitet werden sollen. Es wurde dann lediglich beschlossen, die Veröffentlichung der Vorschläge für eine Justizreform durch den Staatssekretär Toeplitz47 in der »Neuen Zeit«.

Zu bemerken ist, dass Götting seit der Rückkehr von seiner Reise dem Vorsitzenden Otto Nuschke sofort Bericht erstattete und sich jetzt mit diesem ausgesöhnt hat. Vorher war zu verzeichnen, dass ein besonderes Einverständnis zwischen Nuschke und Götting aufgrund des aggressiven Verhaltens von Götting nicht zu verzeichnen war.

Zu erwähnen ist noch, dass Nuschke am 6.7.1953 noch den Plan erläuterte über die Herausgabe eines »Blaubuches«, welches die Hintergründe des 17. Juni dokumentarisch festhalten soll. Dieses »Blaubuch« soll den Arbeitern bescheinigen, dass sie mit den Hintergründen des »Tages X«48 nichts gemeinsam haben. Mit der redaktionellen Ausarbeitung wurden zwei Mitglieder des Politischen Ausschusses beauftragt, nachdem die Gedanken dieses Buches vom Politischen Ausschuss gebilligt worden sind.49

Bemerkenswert zur Einschätzung der Parteileitung der CDU ist das Verhalten des Ministers Steidle:50 Er hat sich vom Politischen Ausschuss der CDU distanziert und sich für eine mittlere Linie (abwartende Haltung) eingesetzt. Steidle soll die Lage der CDU als sehr ungünstig ansehen und sich geäußert haben, dass wegen ihrer Unfähigkeit und Zwiespältigkeit ihr Ende kurz bevorsteht.

Wie schon gesagt, ist auch so die Meinung vieler Mitglieder. So heißt es z. B. aus einem Bericht der CDU-Kreisleitung Klötze, Bezirk Magdeburg: Die Mitglieder des Kreisverbandes Klötze bringen zum Ausdruck, sie können sich aufkommenden Zweifeln nicht erwehren, dass die CDU vielleicht nicht den richtigen Mut aufgebracht hat, um die gemachten Fehler rechtzeitig zu erkennen.

Aus dem Kreis Meiningen wird Folgendes bekannt: Aus den letzten Berichten des Kreisverbandes Meiningen geht hervor, dass Mitglieder der Ansicht seien, die führenden Gremien der Partei hätten sich in das Schlepptau der SED begeben und einige Übereifrige in der Parteileitung seien besonders in Kirchenfragen sogar noch radikaler gewesen wie die SED (gemeint ist Götting).

Es ist auch nicht zu verkennen, dass die Vertreter der CDU aus Westdeutschland sowie die Exil-CDU in Westberlin (Ostbüro der CDU und die entsprechenden Landsmannschaften)51 versuchen, Einfluss auf die Entwicklung der CDU in der DDR zu bekommen.

Hierzu ist Folgendes bekannt geworden: Nach einer Mitteilung Pfarrer Mehnerts erhielt dieser am Mittwoch einen telefonischen Anruf von dem ehemaligen Landtagsabgeordneten Körring52 (Dieser ist Katholik und ist befreundet mit dem Bischof Wienken von der Erzdiözese Meißen, die unmittelbar dem Papst Pius XII. untersteht und damit den Verdacht bestärkt, dass diese Meinung auch die Meinung der katholischen Kirche ist.) zur Teilnahme an einer Sitzung am Donnerstag, dem 18.6.1953. Teilnehmer sollten Oppositionelle der CDU sein (vor allem ausgeschlossene Mitglieder). Gegenstand der Beratung sollte das Aufstellen von bestimmten Forderungen an die Zentrale der CDU in Berlin sowie der Bezirksleitung der CDU in Dresden sein. Der eigentliche Organisator dieser Zusammenkunft war ein gewisser Weise53 aus Dresden, der dort folgende Forderungen erhob: Ablösung einer Reihe von Funktionären der Bezirksleitung von Dresden und Leipzig, Veränderung der Gesamtleitung der CDU, Entfernung von Götting, u. a. Beseitigung Ganter-Gilmanns, Aufbau einer linken CDU.

Weise hätte am Mittwoch, dem 17.6.1953, in Westberlin mit dem Propagandaminister Kaiser gesprochen. Dort wäre darauf hingewiesen worden, dass sich gesamtdeutsche Wahlen nicht verhindern lassen. Die SPD wird bei diesen Wahlen nicht nur einen großen Einbruch in die SED, sondern auch in der CDU herbeiführen. Dieser Entwicklung müsste man die Spitze abbrechen. Deshalb eine starke und in Ostdeutschland eine an die Kommunisten anlehnende CDU, um linke Stimmen aufzufangen.

Weitere Stimmen von Vertretern der CDU aus Westberlin und Westdeutschland: Das Mitglied der Exil-Landsmannschaft Sachsen-Anhalt und Agent des »Ostbüros der CDU«, [Name 1], hat vor den Ereignissen am 17. und 18. Juni 1953 einem Bekannten gegenüber durchblicken lassen, dass man sich in Kürze darauf vorbereiten kann, in die »Zone« zurückzukehren. [Name 1] sagte sinngemäß, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, wo alle politischen Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren können und wo die »Gewaltherrschaft in der Ostzone« zusammenbricht.

In ähnlicher Weise äußerte sich der Agent Dannemann, politischer Flüchtling und ehemaliger Oberbürgermeister aus Stendal.54 Diese Äußerungen wurden unmittelbar nach den neuen Beschlüssen der Regierung am 11.6.1953 gemacht.

Der stellvertretende Oberbürgermeister Westberlins Friedensburg (CDU)55 befand sich erst kürzlich zusammen mit seiner Frau in Amerika. Nach den Ereignissen am 17. und 18.6.1953 hat er einem Bekannten gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass bald andere Zeiten in der »Ostzone« zu erwarten seien. Friedensburg, der in seinem Gespräch zurückhaltend war, hat nach Meinung seines Bekannten, mit dem er das Gespräch führte, einen besonderen Auftrag durchzuführen gehabt, der unmittelbar mit den faschistischen Provokationen zusammenhängt.

Wenn auch aus dem ersten Teil die Haltung der Leitungen der Bezirks- und Kreisverbände im Wesentlichen schon zu ersehen ist, so ist jedoch aufgrund der Ereignisse vom 17. und 18. Juni 1953 zu bemerken, dass sich der überwiegende Teil abwartend, inaktiv und zurückhaltend verhält. Beachtenswert ist dabei, dass nicht unbedeutende aktive Teile eine äußerst negative Haltung einnehmen:

Stadtrat Naumann aus Raguhn, Kreis Bitterfeld, stellte sich an die Spitze der Demonstration seiner Gemeinde und wurde von dieser als Bürgermeister gewählt.

Der Vorsitzende der Ortsgruppe Kollm, Kreis Niesky, Diener,56 stellte sich mit der CDU-Fahne der Ortsgruppe an die Spitze der Demonstration und verleitete weitere Mitglieder der Ortsgruppe, sich an den faschistischen Provokationen zu beteiligen.

Der 1. Vorsitzende der CDU aus Gera, Neumann,57 soll nach Angabe eines CDU-Mitgliedes gesagt haben, dass der Block der Parteien und Organisationen in 14 Tagen aufgelöst würde. Die sogenannten bürgerlichen Parteien würden dann einen großen Teil der jetzt von der SED besetzten Stellen einnehmen. Auch gab er seine Zustimmung dazu, für die Verwandten der Verhafteten Geld zu sammeln.

In der Gemeinde Meschwitz, Kreis Bautzen, riss der Ortsgruppenvorsitzende der CDU sämtliche Losungen und Bilder vom Gebäude des Gemeinderates ab.

Der Pastor Meyer aus Neukloster hat in einer Hausversammlung dem Kreisvorsitzenden der CDU den Vorwurf gemacht, dass die Presse der CDU gegen die »Junge Gemeinde« gehetzt hat. Unsere Partei, die CDU, bezeichnete er als Handlanger der SED, und wirft der CDU weiter vor, sich für die Zweckdienlichmachung des Christentums für die Ziele der SED hinzugeben.

Dem gegenüber stehen in diesen Funktionärskreisen weniger aktive positive Handlungen oder Äußerungen:

Der Vorsitzende des Bezirksverbandes der CDU Potsdam, Kind,58 äußerte: »Ich verurteile die Vorkommnisse in Brandenburg und bin der Meinung, dass trotz des Entgegenkommens unserer Regierung keine Ausnahme oder mildere Beurteilung von Provokateuren aus kirchlichen Kreisen stattfinden darf.«59

Ein Schulleiter aus Erfurt, Mitglied der CDU: Er diskutierte sehr positiv über die neuen Beschlüsse und ist erfreut, dass die Regierung die Überspitzung in der letzten Zeit eingesehen hat. Er ist der Meinung, dass nun eine Beruhigung in der Bevölkerung eintreten wird. Er sagt, dass es soweit nicht hätte kommen dürfen, man müsste doch mehr die Stimmen der Massen hören.

Etwas mehr positive Stellungnahmen sind von Geistlichen zu verzeichnen, die Mitglieder der CDU sind:

Pfarrer Wolfgang Langloff aus Apolda/Thüringen: Auf dem Konvent der Reformisten60 am 15. und 16.6.1953 ist sehr eingehend zu den Beschlüssen der Regierung Stellung genommen worden und dieselben [wurden] für gut befunden. Hoffentlich haben die zuständigen Stellen gemerkt, dass ich kein Staatsfeind bin. Die Junge Gemeinde hat sich nicht mit an den Unruhen beteiligt. Hoffentlich haben die Regierung und die Partei die Lehren daraus gezogen und weiß [sic!] nun, wo die Krakeeler sitzen. Ich war auch mit vielen Maßnahmen der Regierung nicht einverstanden, denn deshalb habe ich dazu von der Kanzel Stellung genommen, aber nun ist dies ja nicht mehr nötig, denn alles Trennende zwischen Staat und Kirche ist nun beseitigt. Meiner Ansicht ist der Pfarrer Mitzenheim nicht ganz normal gewesen, dass er die aus dem Gefängnis entlassenen Großbauern mit Blumen und Glockengeläut empfangen hat.61 Das durfte er auf keinen Fall tun und mit so etwas will ich nichts zu tun haben.

Der Pfarrer der kath. Kirche aus Damgarten (CDU): Er brachte zum Ausdruck, dass er die gewaltsame Entführung Otto Nuschkes62 verurteilt und seine sofortige Freilassung verlangt. Dies sind Gangstermethoden, die man wohl in Amerika anwenden kann, von denen wir aber nichts wissen wollen.

Ähnlich sieht es in der Haltung und Einstellung der übrigen Mitgliedschaft der CDU aus. Bei großen Teilen muss man feststellen, dass diese eine abwartende Haltung eingenommen haben und eine klare Stellungnahme noch nicht ersichtlich ist. Die meisten Stimmungen der Mitgliedschaft gehen dahingehend hinaus [sic!], dass sie jetzt die Interessen des Mittelstandes in den Vordergrund stellen. Aus den nachfolgenden Beispielen sind einige Äußerungen aus den Reihen der CDU Mitglieder zu erkennen, mit dem Vermerk, dass die Positiven in der Minderheit sind.63

Kollege [Name 2], CDU Rostock: »Bin für eine gute Blockpolitik, aber ich lehne die Vormundschaft der SED ab und werde die Beschlüsse so diskutieren, dass sie unsere Mitglieder verstehen.«

CDU-Mitglied [Name 3], Kranfahrer im ABUS-Kranbau Eberswalde sagte: »Die gestrige Rede von Walter Ulbricht gibt mir die Überzeugung, dass es besser wird. Wenn aber alles nur schönes Gerede ist, sollen sie einbrechen. Mit meinem Verdienst bin ich einverstanden, möchte mir aber mehr für mein Geld kaufen können.«

Kollegin [Name 4], Sachbearbeiterin CDU: »Unsere Zeitung und unser Rundfunk übertreiben alles gewaltig. Im Fall Nuschke z. B. hat man eine vollkommen falsche Meldung gebracht. Er ist nicht aus seinem Wagen gerissen und unter Misshandlung verschleppt worden (und sein Wagen nicht zerstört), sondern man hat ihn nur samt dem Wagen in den Westsektor verschoben.«

CDU-Mitglied [Name 5] aus Worbis, Eisenwahrenhändler. »Zum Glück denkt man an uns auch mal wieder, bis jetzt hatten die für uns nichts übrig, weder Kredite noch Lebensmittelkarten. Nun bekommen wir alles wieder, nachdem genug gemeutert wurde.«

Bemerkenswert ist noch, dass ein großer Teil von alten Mitgliedern, also solchen, die bereits 1945/46 in die Partei eingetreten sind und lange Zeit absolut passiv waren,64 jetzt plötzlich eine große Aktivität entwickeln und ihre Stunde für gekommen halten. Sie sind es, welche jetzt die vermeidlichen Chancen wahrnehmen wollen und stärkere Beteiligung im Regierungs- und Staatsapparat fordern. Im Übrigen lässt sich auch von der Mitgliedschaft der CDU die Feststellung treffen, dass unter dem Einfluss der Ereignisse viele aus ihrer Reserve herausgegangen sind und ihr wahres Gesicht gezeigt haben, wie folgende Beispiele beweisen:

In Fürstenwalde trat das bisher passive Mitglied der CDU Heinze als Hauptsprecher bei der Demonstration auf. Das Mitglied [Name 6] in der Gemeinde Marschwitz, Kreis Niesky, beteiligte sich maßgeblich daran, im Gemeindebüro die Bilder der führenden Staatsmänner unserer Republik abzunehmen und zu zerstören.

[Name 7], Mitglied der CDU Sondershausen: »Es kommt noch mehr, niemand wird zurückkommen. Die Einheit Deutschlands kommt. Man wird den Russen Bedingungen stellen. In der Türkei befindet sich eine Basis für Flugzeuge, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Überall gärt es. In der ČSR haben sie auf die Stadt Pilsen mit Artillerie geschossen. Die Zonenflucht der Tschechen nach Bayern hält weiter an.« Als die Frage auf den Vorsitzenden der CDU Nuschke zu sprechen kam, sagte er weiter: Sie hätten ihn lieber dort behalten sollen, der tauge sowieso nichts.

Kollege [Name 8], CDU-Rentner, Ruppersdorf: »Sei bloß froh, dass du kein großer Funktionär bist (gemeint ist ein SED-Mitglied), sonst kommst du hinter Gitter. Die Russen haben schon die Wohnung von Grotewohl besetzt und Walter Ulbricht soll auch schon abgehauen sein. Im August wirst du was erleben, da sprechen wir uns wieder.«

[Da] die Belegschaft des Verlages der »Neuen Zeit« zum weitaus überwiegenden Teil aus Mitgliedern der CDU besteht, ist auch die folgende Mitteilung charakteristisch: Aus der Redaktion der »Neuen Zeit« (CDU-Zeitung) wird erst jetzt bekannt, dass die Mitarbeiter dieses Verlages unter Führung ihres BGL-Vorsitzenden Hadamczick geschlossen gestreikt haben.

Der Elektriker [Name 9] sagte wörtlich: »Jetzt kommt die große Abrechnung, jahrelang haben uns die Schweine unterdrückt und geknechtet, jetzt geht es ihnen an den Kragen! Als das AKW-Kontrollhaus in der Friedrichstraße von Banditen angezündet wurde, waren sie begeistert.«

Schlussfolgerungen: Über die Lage in der Partei der CDU wäre zu sagen:

1. Eine besonders breite feindliche Einstellung gegen die jetzigen Maßnahmen unserer Regierung ist nicht vorhanden. Da durch den neuen Kurs gerade weite Teile der Mitgliedschaft der CDU bessere materielle Grundlagen bekommen, kann die jetzt zum großen Teil noch abwartende Haltung durch die Realisierung dieser Beschlüsse zu einem Vertrauensbeweis dieser Teile der Mitgliedschaft zu unserer Regierung umgewandelt werden.

2. Die Forderung einiger Kreise der Mitgliedschaft und Leitung über den Rücktritt der Regierung oder [das] Zurücktreten einiger Personen unserer Regierung läuft nicht auf den Sturz unserer Ordnung in der DDR hinaus, sondern [hierbei geht es] um das Bestreben breiter Kreise, mehr Einfluss in der Politik und in den Regierungsstellen zu haben. Darum erscheint es sehr notwendig, die CDU enger an den Block der demokratischen Parteien zu festigen und in diesem ihr unmittelbar konkrete, ihrer Mitgliedschaft entsprechende Aufgaben zu geben.

3. Die politische Inkonsequentheit einiger Funktionäre im Parteivorstand lässt aber noch nicht auf eine Politik gegen die Regierung schließen. Da die Mehrzahl der Mitglieder des Parteivorstandes den neuen Kurs der Regierung billigt und versteht. Von dem Parteivorstand der CDU abgegebene Vorschläge an etwaige Regierungsstellen sind entsprechend zu behandeln und an den vorherigen Einfluss des Blockes der demokratischen Parteien würde es liegen, inwieweit diese unserer Entwicklung dienen.

Anlage 3 vom 8. Juli 1953 zur Information Nr. 1008 (1. Expl.)

Information Nr. 1008c: Besondere Vorkommnisse

Schwerer Gasausbruch in Menzengraben, Kreis Bad Salzungen

Am 7.7.1953, gegen 23.30 Uhr, war ein starker Gasausbruch in der Grube Menzengraben, Kali-Kombinat Heiligenroda, zu verzeichnen. Um 23.00 Uhr fuhr die Schicht aus und nachdem der letzte Mann den Schacht verlassen hatte, wurde geschossen. Die Sprengung wurde elektrisch von Übertage ausgelöst. Während dieser Sprengung kam dann der Gasausbruch. Nach Aussagen von einigen Werksangehörigen war dies der stärkste Gasausbruch seit vielen Jahren.

Tote sind bis jetzt zwei Personen zu verzeichnen und zwar: Paul Broske, geb. am 26.5.1906, Sekretär der Betriebsparteiorganisation [und] Ludwig Schrumpf, geb. am 11.5.1893, Meister der Grube. In das Krankenhaus wurden acht Personen eingeliefert, über deren Gesundheitszustand noch nichts Näheres bekannt ist. Der Produktionsausfall wird voraussichtlich drei Monate dauern.65

Anlage 4 vom 8. Juli 1953 zur Information Nr. 1008 (1. Expl.)

Information Nr. 1008d: Forderung der Kraftfahrer der Magdeburger Betriebe

Am 4.7.1953 fanden sich im AMO66-Kulturhaus Magdeburg die AGL-Vorsitzenden der Transportabteilungen der AMO67-Betriebe zusammen. Die Initiative zu dieser Aussprache ging von dem AGL-Vorsitzenden des Ernst-Thälmann-Werkes aus. Dort wurden Forderungen laut wegen der Bezahlung der Kraftfahrer.

Am 6.7.1953 wurde im Kraftvertrieb des Ernst-Thälmann-Werkes ein Schreiben an den Ministerpräsidenten Otto Grotewohl verfasst, in diesem Schreiben wird gefordert:

1. Die Entlohnung der Kraftfahrer nach der Verordnung über Lohnerhöhung vom 1.7.195268 nach den Lohngruppen V bis VIII für Schwermaschinenbau.

2. Nachzahlung des hierdurch entstandenen Lohnausfalles vom 1.7.1953.

3. Zahlung der Reisekostenvergütung pro Tag bei Fahrten außerhalb des Stadtgebietes über fünf Stunden: 4 DM, über acht Stunden: 6 DM.

4. Die Zeit der Gewährung der Spesen rechnet ab Beginn der Arbeitszeit (Kontrolle –Stempelkarte).

5. Pro Übernachtung ist zu zahlen in Berlin: 8 DM, Leipzig und Dresden: 7 DM, in allen anderen Orten: 6 DM.

Dieses Schreiben wurde unterzeichnet im Ernst-Thälmann-Werk von dem stellvertretenden Betriebsleiter des Kraftwerkes und gleichzeitig AGL-Vorsitzenden Werner Schulz sowie von dem Kraftfahrer [Name 1] und einem gewissen [Name 2]. Die beiden Erstgenannten fuhren dann mit diesem Schreiben am 7.7.1953 nachmittags zum Schwermaschinenbau »7. Oktober«, wo das Schreiben ebenfalls von einem [sic!] gewissen [Name 3], [Name 4] und [Name 5] unterzeichnet wurde. Diese drei Personen sind Angehörige des Fuhrparkes im Schwermaschinenbau »7. Oktober«. Im Karl-Marx-Werk Magdeburg wurde dasselbe Schreiben abgezeichnet von den Angehörigen des Fuhrparkes [Name 6], [Name 7], eine Unterschrift noch unleserlich. Im Georgi-Dimitroff-Werk Magdeburg wurde dasselbe Schreiben abgezeichnet von [Vorname Name 8], [Vorname Name 9], [Name 10], und eine unleserliche Unterschrift. Im Karl-Liebknecht-Werk wurden Schreiben abgezeichnet von den Kraftfahrern [Name 11], [Name 12] und [Name 13]. Weitere Unterschriften sind auf dem Schreiben nicht vorhanden, und es steht nicht fest, ob weitere Werke aufgesucht wurden.

Am 8.7.1953, gegen 10.00 Uhr, kam im Karl-Liebknecht-Werk ein Lkw aus Berlin von der Firma Apparatebau Treptow; dieser brachte Material zum Liebknecht-Werk. Die beiden Fahrer erzählten im Werk, dass in der Stalinallee und im demokratischen Sektor von Berlin der Sitzstreik von den Werktätigen durchgeführt wird. Auch soll es schon zu Schlägereien gekommen sein. Beide Personen sagten übereinstimmend aus.

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    9. Juli 1953
    Information Nr. 1009

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    Information Nr. 1007