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Tagesbericht

6. November 1953
Informationsdienst Nr. 2013 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Die Verpflichtungsbewegung zur Unterstützung des neuen Kurses hält unvermindert an. Anlass sind nicht mehr nur die Steuer- und Preissenkung; oft sind der Monat der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft, der 36. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution oder auch die Vorbereitungen zum IV. Parteitag1 Anlass zu neuen Produktionsverpflichtungen.

Im VEB Mühlenwerke Parchim/Schwerin stehen alle Arbeiter und Angestellten im Wettbewerb, um Energie einzusparen. In einem Bauabschnitt des Wismut-Objektes Ronneburg/Gera haben sämtliche Brigaden Wettbewerbe zu Ehren des IV. Parteitages begonnen.

Über den Freundschaftsmonat2 liegen aus den Betrieben noch wenige, dafür aber positive Meldungen vor. Im Kreis Ilmenau/Suhl haben nahezu alle Betriebe eine gute Sichtwerbung angelegt. In den volkseigenen Ilmenauer Porzellanwerken wurden Wettbewerbe von Mann zu Mann um eine gute Sichtwerbung sehr erfolgreich durchgeführt.

In der Normenfrage werden immer mehr Beispiele unberechtigter administrativer Maßnahmen von Wirtschaftsfunktionären bekannt, mit denen die Arbeiter zu Recht nicht einverstanden sind. In einem Objekt der Wismut AG erklärte ein Schichtmeister seinen Kumpels, die anderen beiden Schichten hätten ihre Normen um 20 % erhöht und sie könnten sich doch nicht beschämen lassen. Später stellte sich heraus, dass die anderen Schichten ihre Normen gar nicht erhöht hatten. Die Betriebsleitung des RFT-Röhrenwerkes Mühlhausen/Erfurt vertritt die Meinung, falls die Arbeiter ihre Normen nicht freiwillig erhöhen, müsse man eine administrative generelle Normenerhöhung vornehmen. Außerdem hat die Betriebsleitung im Namen des Betriebes eine Verpflichtung abgegeben, 75 000 Röhren über das Jahressoll hinaus zu produzieren. Die Arbeiter sind mit Recht darüber empört, dass mit ihnen nicht über die Verpflichtung gesprochen wurde, nach ihrer Meinung ist sie in dieser Höhe gar nicht realisierbar. Was wundert, wenn in solchen Betrieben negative Stimmung herrscht.

Materialmangel wird aus nicht wenigen Betrieben gemeldet. Neben ständig neuen Erscheinungen muss festgestellt werden, dass in einigen Betrieben Materialmangel seit längerer Zeit besteht, dass sich aber trotz größter Bemühungen der Betriebsleitungen bei allen zuständigen Stellen nichts geändert hat. In diesen Betrieben ist die Planerfüllung ernsthaft gefährdet. So ist es z. B. in den Stahlgießereien in Torgelow und Ueckermünde/Neubrandenburg. Die Betriebe werden seit Langem mit Schmelzkoks schlecht beliefert. Wenn keine Besserung eintritt, kann der Jahresproduktionsplan nicht erfüllt werden.

Die Plauener Gardinenfabrik (Bezirk Karl-Marx-Stadt) meldet Engpass in Garn. DIA Karl-Marx-Stadt behauptet, der Betrieb habe noch größere Vorräte und lehnt Belieferung ab. Der Vorrat reicht jedoch nur bis Ende dieser Woche, dann sind 300 Arbeiter des Betriebes ohne Beschäftigung.

Über die Entlarvung feindlicher Spionagegruppen3 werden wieder Stimmen laut, aber noch nicht in breiterem Ausmaße. Folgende Beispiele sind für diese Diskussionen charakteristisch:

Ein Eisenbahner aus Jüterbog: »Agenten und Saboteure soll man aufhängen, denn sie haben es nicht anders verdient. Wir sehen doch, wie es bei uns aufwärts geht. Da lassen wir uns nicht von solchen Elementen unseren Aufbau stören.«

Ein Arbeiter aus dem VEB Streichgarnspinnerei Rodewisch, [Kreis] Auerbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Es ist natürlich zu begrüßen, dass diese Verbrecher und Feinde der Arbeiterklasse entlarvt wurden. Ich kann nur eines nicht verstehen, dass diese Lumpen sich so lange halten konnten und nicht schon früher von unseren Sicherheitsorganen zur Strecke gebracht wurden.«

In den Betrieben Kesselschmiede und Apparatebau, beide Rathenow/Potsdam, unterschrieben alle Belegschaftsmitglieder eine Resolution, in der sie strengste Bestrafung der Verbrecher forderten und sich selbst verpflichteten ihren Betrieb zu schützen und Agenten rücksichtslos den Sicherheitsorganen unseres Staats zu übergeben.

Handel und Versorgung

Mängel in der Kartoffelversorgung treten in verschiedenen Kreisen der Bezirke Potsdam, Halle, Leipzig und Suhl auf. Im Bezirk Suhl beträgt der Belieferungsstand vom 2.11.1953 78 %, bei Einzelverbrauchern 85,1 %, bei Großverbrauchern 43,3 %.

Engpässe an verschiedenen Lebensmitteln treten im Bezirk Potsdam, besonders bei Hülsenfrüchten, Margarine und Fischkonserven, im Bezirk Erfurt bei Eiern auf.

Mangel an Arbeitskleidung wird aus einigen Kreisen des Bezirkes Suhl gemeldet. So sollen in der Konsumtextilverkaufsstelle Mellenbach-Glasbach, Kreis Neuhaus, von der Bevölkerung 300 ausgegebene Bezugsscheine für Arbeitskleidung hinterlegt worden sein, weil diese nicht beliefert werden konnten.

Landwirtschaft

Zur Preissenkung werden weiterhin Diskussionen geführt, jedoch sind diese im Abflauen. Die positiven Meinungen sind vorherrschend. Die Argumente der positiven und negativen Stimmen sind die gleichen wie bisher.

Genossenschaftsbäuerin aus Welzow/Frankfurt/Oder: »Ich begrüße die Preissenkung besonders und wir werden langersehnte Wünsche erfüllen können. Das ist der Lohn für unsere schwere Arbeit. Wir werden unsere Produktion weiter steigern, damit den Arbeitern der Tisch noch reicher gedeckt werden kann. Ich werde bis zum Ende dieses Jahres noch 7 dz Schweinefleisch für den freien Aufkauf abliefern.«

Traktorist der MTS Putbus/Rostock: »Trotz der Preissenkung bin ich nicht in der Lage in der HO zu kaufen. Meine Familie ist zu groß und die Preise sind immer noch zu hoch. Man hätte lieber die Preise bei Butter senken müssen.«

Zum Monat der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft wurden von den werktätigen Bauern des Bezirkes Cottbus verschiedene Verpflichtungen übernommen. So wurden aus diesem Anlass im Kreis Lübben bereits über 3 700 kg Milch, 46 Schweine und vier Rinder für den freien Aufkauf abgeliefert. In der LPG »Philipp Müller« in Koßdorf erklärten 17 Mitglieder ihren Eintritt in die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Auch die Veranstaltungen auf dem Lande im Bezirk Dresden waren im Allgemeinen gut besucht.

Zur Entlarvung der Agentengruppen wird im Allgemeinen positiv Stellung genommen und man fordert die strengste Bestrafung dieser Agenten. Brigadier der MTS Bannewitz/Dresden: »Das Staatssekretariat für Staatssicherheit macht es richtig, dass es gegen feindliche Agentengruppen so harte Schläge austeilt. Die Verhaftung der Agentengruppe in Helbigsdorf zeigt, dass eine Beruhigung unter der Bevölkerung eingetreten ist. Wir fordern strengste Bestrafung dieser Agenten, denn nur so können wir unsere Arbeit in Ruhe ausführen und die Erfolge werden nicht ausbleiben.«

Schwierigkeiten in der Ablieferung und Erfassung treten in den Bezirken Potsdam und Neubrandenburg dadurch auf, dass einige landwirtschaftliche Betriebe und eine Anzahl Bauern die Ablieferung verweigern mit der Begründung, da sonst ihre Futtergrundlage nicht gesichert sei. Das Ablieferungssoll bei Kartoffeln wurde im Bezirk Neubrandenburg zu 72 % erfüllt. Das Soll dieses Bezirkes für den freien Aufkauf (34 000 t Kartoffeln) wurde erst mit 661 t erfüllt. Der Kreislandwirtschaftsbetrieb Brunn mietet 1 000 dz und der Kreislandwirtschaftsbetrieb Sandhagen (beide Neubrandenburg) 2 000 dz Kartoffeln ein, um ihre Futtergrundlage zu sichern. Das Soll haben beide Betriebe nicht erfüllt.

Schlechte Organisation von Ernteeinsätzen zeigt sich in Heckelberg4/Frankfurt/Oder, wo zwölf Jungen und 13 Mädchen aus verschiedenen Leipziger Betrieben zum freiwilligen Ernteeinsatz waren. Diesen 25 Personen wurde als Unterkunft ein verlassenes Haus, welches ohne Fenster, ohne Licht war zugewiesen. Ebenfalls erhielten sie keine Decken. In den ersten Tagen war der Wohnraum so beengt, dass einige im Sitzen schlafen mussten. Während des ca. dreiwöchigen Einsatzes waren 13 Kommissionen da, jedoch an den Zuständen wurde nichts geändert.

Stimmung der übrigen Bevölkerung

Über die Preissenkung5 wird weiterhin diskutiert, jedoch nehmen die Diskussionen ab. Die Mehrzahl ist weiterhin positiv. Die positiven wie negativen Argumente sind die gleichen wie bisher.

Ein Arbeiter eines Handwerksbetriebes aus Grevesmühlen: »Durch die letzte Steuer-6 und Preissenkung habe ich auch mehr Einkommen. Vor der Preissenkung konnte ich mir immer nur 3 Pfd. Margarine kaufen, wogegen ich jetzt 4 Pfd. kaufen kann.«

Zum Monat der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft wurden im Bezirk Neubrandenburg die Veranstaltungen im Durchschnitt gut besucht. So nahmen im Agrarkreis Röbel an 25 Veranstaltungen insgesamt 2 548 Personen teil. Im gleichen Kreis wurden 139 Freunde für die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft geworben, davon hat allein die DBD 60 Freunde geworben. Die LDP, CDU und NDPD beteiligten sich bisher im Bezirk sehr wenig an der Durchführung des Monats für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Die Eröffnungsveranstaltung in Teterow, die von der VP kulturell ausgestaltet worden ist, wurde von ca. 600 Personen besucht, die Stimmung war gut.

Zur Entlarvung der Agentengruppen sind noch wenige Stimmen vorhanden, die sich aber in der Mehrzahl positiv äußern. In einigen Fällen äußert man, dass noch zu wenig in Rundfunk und Zeitung über die Erfolge der Staatsorgane bei der Zerschlagung der feindlichen Zentralen berichtet wird. Einzelne negative Stimmen besagen, dass man jetzt überhaupt nichts mehr sagen darf, da man sonst »abgeholt wird und auf Nimmerwiedersehen verschwindet«.

Hausfrau aus Domsdorf/Cottbus: »Es ist richtig, dass diese Agenten strengstens bestraft werden, denn sie stören unseren Aufbau und unser eigenes Familienleben.«

Hausfrau aus Zittau/Dresden: »Es müsste in unserer Presse und Rundfunk mehr über die Erfolge der Staatsorgane berichtet werden.«

Geschäftsinhaber aus Roßwein/Leipzig: »Heute ist es schlimmer als unter Hitler, es darf kein Mensch mehr den Mund aufmachen, sonst verschwindet er auf Nimmerwiedersehen.«

Über die Rückkehr des ehemaligen Generalfeldmarschalls Paulus7 wird in der gesamten Bevölkerung (auch Industrie und Landwirtschaft) rege diskutiert. Die Mehrzahl lehnt seine Rückkehr in die DDR ab.

Arbeiter VEB Wachsblumenfabrik Olbernhau/Karl-Marx-Stadt: »Ich kann nicht verstehen, dass man Paulus entlassen hat. Andere Soldaten wurden wegen geringer Vergehen zu 10 bis 25 Jahren verurteilt.«

Intelligenzler von Konstruktions- und Entwicklungsbüro Roßlau/Halle: »Paulus ist ein alter Militarist und hat sich bestimmt nicht umgestellt. Er hat bis zur letzten Stunde Soldaten und Offiziere in den Tod gehetzt und jetzt soll er bei der KVP wieder eine hohe Funktion erhalten.«

Über die Hamburger Wahlen äußert man sich im Bezirk Karl-Marx-Stadt, dass unsere Presse nicht ausführlich Stellung dazu genommen habe. Kunstmaler [aus] Karl-Marx-Stadt: »Die Hamburger Wahlen haben gezeigt, dass die KPD keinen Einfluss mehr hat. Bei uns heißt es immer, die Menschen wollen von Adenauer und Ollenhauer nichts wissen und doch bekommen sie bei den Wahlen die meisten Stimmen, hier stimmt doch etwas nicht, man sagt uns nicht die Wahrheit.«

Zur Abgabe der Lebensmittelkarten bei Interzonenreisenden,8 die von der DDR nach Westdeutschland fahren, werden von diesen heftige Diskussionen geführt. Von vielen Interzonenreisenden wird in Westdeutschland diese Maßnahme als Argument benutzt, dass es in der DDR nicht genügend Nahrungsmittel gebe.

Ereignisse von besonderer Bedeutung

Unter den 300 Umsiedlern, die am 2.11.1953 aus Volkspolen in Frankfurt/Oder eintrafen und sich zzt. im Auffanglager Fürstenwalde befinden, herrscht eine positive Stimmung. Sie konnten sämtliches Inventar mitnehmen und wurden mit bester Unterstützung der polnischen Behörden ausgesiedelt. Die negativen Elemente in der Einwohnerschaft von Fürstenwalde, denen es noch gelang, einige der zurückgekehrten Kriegsverurteilten zu verhetzen, fanden bei den Umsiedlern keinen Boden mehr für ihre Hetze.

Organisierte Feindtätigkeit

Flugblatttätigkeit in geringem Maße in den Bezirken Rostock, Frankfurt/Oder, Halle, Erfurt, Dresden, Berlin, stärker in Schwerin, Potsdam, Gera.

Auf dem Schacht in Schwarzenberg (Wismut) wird das Gerücht verbreitet, dass die Treueprämien bis zum Dezember 1953 abgerechnet und ausgezahlt werden müssten und dass ab 20.12.1953 in den Schächten der Wismut nicht mehr gearbeitet werde.

Vermutlich organisierte Feindtätigkeit

In Dermbach, [Kreis] Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, behindert die Kirche Kinder und Jugendliche an der Arbeit in der FDJ und im Pionierverband. Ein Junge sagte: »Ich würde schon gern Pionier werden, aber ich habe Angst vor dem Pfarrer, denn er droht uns mit Hieben und sagt, wir kämen nicht in den Himmel.«

In Kaltenlengsfeld9 im gleichen Kreis hat sich eine religiöse Sekte »Christen mit Sonderbekenntnis« gebildet, die unter der Losung wirbt: »Bereitet euch auf den Tag der Rechenschaft vor, den Bruder Licht (das ist der Prediger dieser Sekte, ehemaliger Unternehmer) demnächst abhalten will.« Vermutlich wird diese Sekte durch die USA geleitet, da viele Einwohner des Ortes Briefe aus den USA erhalten.

Einschätzung der Situation

Immer mehr Werktätige in den Betrieben zeigen ihre Bereitwilligkeit zur Unterstützung des neuen Kurses durch Verbesserung der Produktion. Unter den Werktätigen zeigt sich auch eine fortschrittliche Einstellung in der Beteiligung am Freundschaftsmonat. Hemmend wirkt weiterhin Materialmangel, Stromabschaltungen, ungenügende Kartoffelversorgung und die unplanmäßige Warenverteilung. Einfluss der Feindpropaganda ist verhältnismäßig gering.

Anlage vom 6.11.1953 zum Informationsdienst Nr. 2013

Äußerungen von Republikflüchtigen über ihre Rückkehr in die DDR und über die Verhältnisse in Westdeutschland und Westberlin

Eine Jugendliche aus Berlin-Schöneberg: »Ich habe einen großen Fehler gemacht als ich meine Heimat verlassen habe. Als ich mit meinem Freund in Berlin ankam, wurde jeder in einem anderem Lager untergebracht. Mein Freund wurde als politischer Flüchtling anerkannt und kam nach Westdeutschland. Da ich keinen politischen Grund zur Flucht hatte, kam ich in ein Stammlager. Ich komme wieder zurück, auch dann, wenn ich eingesperrt werde.«

Ein Jugendlicher aus Stadthagen: »1949 war ich im Erzbergbau in Annaberg. Mit 18 Jahren ließ ich mich verleiten, mit nach Westberlin zu gehen. 1951 zog es mich wieder in die DDR, ich meldete mich damals in Bergen beim KPA,10 verschwieg aber, dass ich schon einmal einen DPA besessen habe. Ich arbeitete in der Ostseefischerei in Saßnitz, wo es mir sehr gut gefiel. Jedoch nach sechs Wochen war es heraus mit dem Ausweis und Annaberg. Da ich eine Strafe fürchtete, ging ich wieder in die Westzone. Ich habe jetzt nur noch einen Wunsch, ich möchte zurück, da ich bei der jetzigen Regierung nur als Knecht beim Bauern arbeiten darf.«

Eine Angestellte aus Bad Homburg: »Aus meinem Urlaub bin ich nicht wieder in die DDR zurückgekehrt, womit ich mir eine schöne Suppe eingebrockt habe. Ich kann nur sagen, es ist nicht alles Gold was glänzt, so ist es im goldenen Westen auch. Den ganzen Tag quält mich der Gedanke, wie komme ich wieder zurück. Ich weiß nicht, ob ich noch einmal in die DDR zurückkehren darf.«

Ein Lehrer aus Wilhelmsdorf: »Ich habe mir das Leben in Westdeutschland etwas billiger vorgestellt. In den letzten Tagen wurde mir der Vorschlag gemacht, ich soll mich verpflichten, für immer hier zu bleiben. Indirekt habe ich abgelehnt, denn ich möchte wieder zurück in die DDR. Mir tun die Kinder hier leid, das Essen ist z. B. katastrophal, man kann es getrost als Schweinefraß bezeichnen. Wie schön hatten es dagegen die Schüler in meiner alten Klasse.«

Eine Bäuerin aus Ehrentrup:11 »Laut einer Durchsage im Rundfunk sollen sich alle Bauern, die aus der Ostzone abgewandert sind, melden. Ich bin mit meinen Angehörigen sehr schweren Herzens von Haus und Hof gegangen, es blieb uns leider nur diese Wahl übrig. Ein gewisser Nachbar hat verlauten lassen, dass mein Sohn bald woanders hinkäme. Von vier Söhnen ist mir der eine nur geblieben und somit sahen wir keinen anderen Ausweg. Wenn ich wüsste, dass man uns nicht einsperrt, würden wir sofort zurückkommen.«

Ein Jugendlicher aus Westberlin: »Nach vielen Formalitäten wurde ich in ein Jugendlager eingewiesen. Es ist nicht zu beschreiben, mit welchen Banditen ich zusammen schlafen muss. Wie im Zuchthaus geht es hier zu, geklaut wird Tag und Nacht, das Essen ist auch nicht besser als im Zuchthaus. Von der Lagerleitung wird man nur als Gangster und Mensch zweiten Ranges angesehen. Man kann es den Leuten auch nicht verdenken, denn 90 % der dortigen Jugend sind im wahrsten Sinne des Wortes Verbrecher. Ich muss mich mächtig zusammennehmen, wenn ich dieses Leben noch länger aushalten will.«

Eine Bäuerin aus Ulm: »Wie gerne würden wir zurückkommen, wir lieben unsere Heimat. Aber wie sieht es aus, wenn wir kommen? Das Soll, das auf unserer Wirtschaft ruht, können wir nie erfüllen, wenn mehr verlangt wird, als dort wächst und dann noch das Pech im Kuhstall. Mir schallt es noch in den Ohren, wie sich der Prüfer vor mich hinstellt, ›sie lügen, sie lügen‹.«

Ein Bauer aus Neustadt/Schwarzwald: »Wir sind heilfroh, dass wir von diesem Ort weg sind. Wir kommen wieder, wenn der letzte Russe weg ist und die jetzigen Machthaber beseitigt sind. Was augenblicklich in unserer Wirtschaft vor sich geht, ist uns zurzeit egal. Wenn es soweit ist, werden wir unser Recht suchen. Wir sind ja anerkannte Ostzonenflüchtlinge.«

Ein Angestellter aus Reuß/Rh.:12 »Wir werden in wenigen Tagen all das wieder haben, was wir zurückgelassen haben. Vor allem aber haben wir hier keine Schnüffelbehörden und keine Angst vor Kontrollkommissionen, keine Angst vor einer politischen Polizei und keine Angst vor Tausend verbotenen Dingen, die uns dort so schwer belastet haben und wohl unser Volk immer belasten werden, solange es russisch regiert wird. An ein Zurück denken wir nicht, solange noch eine SED zu bestimmen hat.«

Ein Arbeiter aus Hammelburg: »Wenn es keine Denunzianten mehr gibt bzw. denen das Handwerk gelegt wird, kehren wir gern in die Heimat zurück, denn wir haben ja keinem Menschen etwas getan.«

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