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Tagesbericht

19. August 1953
Information Nr. 1044

Stimmung der Bevölkerung

a) Note der Sowjetregierung

Die Diskussion über die Note der Sowjetregierung1 hat bereits breitere Ausmaße angenommen. In vielen Betrieben und Verwaltungen wurden Kurzversammlungen durchgeführt. Im Bezirk Schwerin wurden in allen Kreisstädten Kundgebungen durchgeführt, auf denen die Bevölkerung die Sowjetnote begrüßte und Dankschreiben an den Hohen Kommissar Semjonow billigte. Die Kundgebungen verliefen ohne feindliche Störungen. Eine Versammlung der Abteilung Verwaltung in der Großkokerei Lauchhammer besuchten von 450 Kollegen nur 50.

Auch aus anderen Bezirken wird gemeldet, dass große Teile der Bevölkerung die Sowjetnote begrüßen. Die fortschrittlichen Kräfte argumentieren, dass die Sowjetregierung ihre Friedensliebe und ihre freundschaftliche Hilfe gegenüber der DDR beweist. Oft wird auch der großzügige Vorschlag, die Reparationsverpflichtungen zu streichen, der provokatorischen »Päckchenhilfe« gegenübergestellt, um die ehrliche Hilfsbereitschaft der Sowjetunion zu beweisen. Die meisten positiven Stimmen kommen von Arbeitern, Jugendlichen, Genossenschaftsbauern und Intellektuellen.

Aus dem Bezirk Cottbus wird gemeldet, dass verschiedentlich Arbeiter die Note begrüßen, dabei aber die materiellen Belange (Erhöhung des Lebensstandards durch Befreiung von Reparationsverpflichtungen) überbetonen und sogar in pazifistische Stimmungen verfallen (sofortiger Abzug der Besatzungstruppen, die Sowjetunion müsse damit anfangen, dann würden auch die anderen folgen, Auflösung der KVP).

Verschiedentlich verhalten sich Teile der Bevölkerung noch reserviert und abwartend, das wird z. B. aus dem Bezirk Suhl gemeldet. Allgemein verbreitet sind die Argumente, beim Abschluss eines Friedensvertrages müsse auch die Oder-Neiße-Grenze revidiert werden und man müsse abwarten, was die Gegenseite sagt. Dabei wurde in Leipzig gefordert, westliche Zeitungen lesen zu können. In ländlichen Gebieten des Bezirkes Leipzig wurde die Repatriierung der angeblich noch von der Sowjetunion festgehaltenen Kriegsgefangenen gefordert.

Im Kombinat Böhlen hat die Betriebsparteiorganisation noch immer nichts unternommen, um den Arbeitern die Note der Sowjetregierung zu erläutern. (Siehe unsere Information Nr. 1043.)

b) Stimmung in den Betrieben

Aus Leipzig wird gemeldet, dass im Kugellagerwerk gegen die angeblich zu hohen Gehälter von Funktionären diskutiert wird. Es wird argumentiert, die Funktionäre würden sich dadurch von den Massen entfernen. Ferner wird gegen das Prämiensystem Stellung genommen; der Unterschied zwischen den Prämien der Intelligenz und denen der Arbeiter sei entschieden zu groß, das wird auch aus dem Bezirk Schwerin gemeldet.

Cottbus berichtet, im Braunkohlenwerk »Spreetal« seien starke Tendenzen von Sozialdemokratismus vorhanden, das kommt darin zum Ausdruck, dass feindliche Elemente versuchen, den Einfluss der Partei in den Gewerkschaften zu untergraben, das »Nurgewerkschaftlertum«2 zu fördern. Die Parteiorganisation verhält sich versöhnlerisch zu feindlichen, sozialdemokratischen Argumentationen. Die Leitung der Parteiorganisation hat keine Verbindung mit den Grundorganisationen in den Abteilungen. Es wird berichtet, dass die Hauptwortführer ehemalige Funktionäre der SPD sind sowie Kollegen, die bereits vor 1933 Nurgewerkschaftler waren. Zweifellos sind auch die positiven Elemente in diesem Betrieb offensiv, was darin zum Ausdruck kommt, dass Arbeiter einen angetrunkenen Kollegen, der in der Eisenbahn Angehörige der VP anpöbelte und verleumdete, kurzerhand aus dem Zug warfen.

c) Zur Versorgung der Bevölkerung

Verschiedentlich wird von der Bevölkerung die Forderung gestellt, die Rationen der Lebensmittelkarten zu erhöhen. So drücken z. B. im Karl-Marx-Werk Babelsberg die Arbeiter ihre Unzufriedenheit darin aus, dass die Fleisch- und Fettzuteilung auf Karten zu gering ist und machen den Vorschlag, die Lebensmittelkarten um je eine Stufe zu erhöhen und die Grundkarte in Wegfall zu bringen.

Die Forderung der Bevölkerung, besonders der Arbeiter, werktätigen Bauern, Rentner usw., über eine Preissenkung in der HO bei den wichtigsten Lebensmittel und gebräuchlichsten Industriewaren steht weiterhin im Vordergrund.

Besonders von den Hausfrauen wird eine große Unzufriedenheit darüber geäußert, dass jetzt während der Einkochzeit immer noch kein Zucker in der HO in ausreichendem Maße zur Verfügung steht.

Starke Empörung ist unter den Einwohnern von Caputh, Bezirk Potsdam, zu verzeichnen, weil in der ehemaligen Marmeladenfabrik von Caputh Tausende von Eiern verdarben. Die Bevölkerung verlangt, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Aus dem Bezirk Gera wird berichtet, dass die Belieferung der HO- und Wismut-Geschäfte nicht den Ansprüchen der Bevölkerung gerecht wird, dadurch kauft die Bevölkerung beim Privathändler. Über die Ursachen der Mängel wird gesagt, dass der Ein- und Verkauf mit zu wenigen Fachkräften besetzt ist und die Verkaufsstellenleiter über die Marktlage schlecht orientiert sind. Verkaufsangestellte bringen zum Ausdruck, dass durch die bessere Belieferung des Privathandels dieser »Oberwasser« erhält und alles versucht, um den staatlichen Handel auszuschalten.

d) Zu Fragen der Landwirtschaft

Unter den Bauern treten verschiedentlich Stimmen auf, dass sie das Soll in diesem Jahr kaum schaffen können, da die Ernte nicht besonders gut stehe. Auf einer Bauernversammlung in Redekin, Bezirk Magdeburg, wurde gesagt, dass bei Getreide nur 50 % einer normalen Ernte erreicht werden, bei Rüben durch Wasserschäden nur 60 %. Man beschloss einstimmig, einen Antrag an die Regierung auf Sollherabsetzung zu richten.

Aus verschiedenen Bezirken kommen Meldungen, dass sich die LPG-Bauern beklagen über die mangelhafte Unterstützung durch die MTS. So wurden von der MTS Brahmenau, Bezirk Gera, bei der LPG Hain eingesetzte Maschinen- und Druschsätze längere Zeit repariert als sie arbeiten konnten. Oft werden von der MTS ungenügend qualifizierte Maschinisten eingesetzt, wodurch Verzögerungen in der Arbeit eintreten.

In der LPG Dutzow,3 Gadebusch, versuchen feindliche Elemente die Arbeitseinteilung des Vorsitzenden zu ignorieren und dadurch die Arbeiten der LPG zu desorganisieren. Sie traten aus der LPG aus und versuchten, andere Mitglieder ebenfalls zum Austritt zu bewegen.

In der LPG Stresow,4 Bezirk Magdeburg, herrscht Mangel an Arbeitskräften, weil einige Mitglieder bei einem Großbauern arbeiten, von dem sie durch Geschenke (Kühe, Ferkel, Geld) bestochen werden.

Großbäuerliche Elemente versuchen die Versorgung der Bevölkerung zu stören, indem sie die Ablieferung verweigern, teilweise mit der Begründung, sie hätten eine Missernte. Ein Großbauer aus Neubrück,5 Bezirk Frankfurt, sagte zum Bürgermeister: »Ich denke nicht daran mein Soll zu erfüllen, es kommt sowieso bald anders und zuerst esse ich mich satt.«

e) »Paketaktion der USA«6

Die Diskussionen über die Paketverteilung der USA hält [sic!] unter der Bevölkerung noch weiter an. Es wurde festgestellt, dass sich die Zahl der »Paketabholer« trotz der Fahrkartensperre nach Berlin7 in den Kreisen Neuruppin, Nauen und Zossen – Bezirk Potsdam – in den letzten Tagen vergrößert hat. Diese »Paketabholer« laufen erst einige Kilometer zum nächsten Bahnhof, von wo sie Fahrkarten nach Berlin erhalten oder lassen sich Fahrkarten von Personen besorgen, welche aufgrund von besonderen Bescheinigungen Fahrkarten erhalten. So kaufen z. B. Teltower Einwohner fünf bis acht Fahrkarten, um diese dann an »Paketabholern« zu verkaufen. Ein anderer Teil benutzt auch das Fahrrad, um sich »Pakete« in Westberlin zu holen.

Weiterhin tritt unter den Arbeitern, z. B. des Karl-Marx-Werkes Potsdam-Babelsberg, die Diskussion auf, dass man diejenigen, welche 600 DM bis 700 DM und höheres Gehalt erhalten und sich trotzdem ein »Ami-Paket« holen, zur Verantwortung ziehen soll, aber nicht Rentner und Arbeiter mit niedrigem Einkommen (z. B. Hilfsarbeiter), denn für sie ist es eine große Hilfe. Verschiedentlich tauchen Gespräche auf, wo man die »Paketabholer« auffordert, gegen eine Beschlagnahme der Pakete Widerstand zu leisten.

Die Diskussionen über die sogenannte »USA-Hilfe« sind im Bezirk Neubrandenburg etwas im Abflauen. Jedoch wurde in der Gemeinde Löwitz/Anklam stark über den Artikel »Wer vom Ami frisst – stirbt daran« in der Ausgabe der »Freien Erde«8 von 17.8.1953 diskutiert, wo man dabei zum Ausdruck brachte, wie es sich da mit den Apfelsinen verhält, welche verkauft werden und auch aus USA kommen.

In der Schiffswerft in Fürstenberg/Oder wird das Gerücht verbreitet, dass diejenigen Personen, welche das »USA-Lebensmittelpaket« erhalten haben, nach Beendigung der Paketaktion ein Paar Schuhe erhalten sollen. Weiterhin wird noch geäußert, dass man in Westberlin ein Ersatzlebensmittelpaket erhält, wenn einem das Paket abgenommen wurde. Man müsste jedoch einen Nachweis bringen über die Beschlagnahme des Paketes durch Zeitungsartikel, Flugblätter usw.

f) Bundestagswahlen

Eine Lehrerin aus Rostock sagte nach Rückkehr von einem Besuch in Westdeutschland:

»Im Westen wird die Meinung vertreten, die DDR werde ihre Grenzen wieder schließen, wenn Adenauer die Mehrheit erhält, denn er rüstet auf. Wenn aber Ollenhauer9 die Mehrheit erhält, würde es zu einer Verständigung kommen. Es ist deshalb für unsere Regierung ratsam, die SPD im Wahlkampf propagandistisch zu unterstützen.« Auch aus anderen Bezirken werden einzelne Stimmen laut, die für einen Wahlsieg der SPD eintreten.

g) Leipziger Messe

Um die Leipziger Messe zu stören, wird in der Umgebung von Leipzig, besonders in Pegau, das Gerücht verbreitet, in Leipzig sei eine Typhusepidemie ausgebrochen, und die Krankenhäuser hätten bereits die gelbe Fahne aufgezogen.

Feindtätigkeit

In der Maxhütte Unterwellenborn wurde gestern (18.8.1953) folgende Losung angeschrieben: »Der 17. Juni wird sich wiederholen, dann gnade Gott ihr SED-Schweine.« Unterschrift: Komitee für Widerstand gegen den Kommunismus in der Maxhütte Unterwellenborn.

Unter dem Kennwort: »Deutsche Selbsthilfe« verschickt der Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen10 Briefe mit Hetzschriften an Angehörige der VP-Wacheinheiten in der Strafanstalt Cottbus.

Ein Einwohner aus Fürstenwalde, Bezirk Cottbus, lieferte einen Brief mit folgendem Inhalt ab: Informationsbrief Nr. 41 des Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen und ein vierseitiges Flugblatt.

Ein Bauer aus Klewitz, Kreis Luckau, Bezirk Cottbus, fand am 16.8.1953, gegen 9.30 Uhr, auf seinem Feld 2 500 Flugblätter der KgU11 und Teile eines Ballons.12 Die Flugblätter trugen die Überschrift: »Warum muss das Volk hungern«.

Beim VPKA Königs Wusterhausen wurden ca. 100 Hetzschriften abgeliefert, die in Bestensee und Zeuthen gefunden wurden.

In der Toilette der Kreisverwaltung Altentreptow, Bezirk Neubrandenburg, wurde ein Flugblatt des »Telegraf«13 gefunden.

Der Vorsitzende der LPG Petznick-Kreuzkrug,14 Kreis Templin, erhielt eine Hetzschrift vom Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen (Poststempel 12.8.1953, Falkensee) mit folgendem Inhalt: Aufforderung aus der LPG auszutreten, Widerstand gegen die Verwaltung zu leisten.

Beim VPKA Cottbus erscheinen in letzter Zeit viele Personen, die den Verlust ihres Personalausweises anzeigen.

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