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Tagesbericht

21. Oktober 1953
Informationsdienst Nr. 1099 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

a) Industrie und Verkehr

Hauptgesprächsthema in den Betrieben ist weiterhin der Beschluss über die Senkung der Lohnsteuer.1 Als Dank an die Regierung gibt es Beispiele, wie im VEB Reifenwerk Fürstenwalde, wo sich die Kollegen des Mischsaales und der Abteilung Konfektion verpflichteten, am kommenden Sonntag eine Sonderschicht von acht Stunden zu leisten.

Wenn auch nach wie vor eine positive Stellung zu diesem Beschluss von den Werktätigen in allen Bezirken bezogen wird, so sind auch Anzeichen vorhanden, besonders im Bezirk Dresden, wo negative Diskussionen verstärkt auftreten. Ein Arbeiter im Sachsenwerk Radeberg sagte: »Man spricht von einer Erleichterung durch die Steuersenkung, die es im richtigen Sinne gar nicht gibt, da man ja 1947 die Steuern erhöht hat.2 Wir wollen erst einmal abwarten, es wird sicherlich dafür etwas anderes teurer.«

Positive Beispiele zur Planerfüllung sind aus dem Eisenhüttenkombinat »J. W. Stalin« und dem VEB Wolltuch Luckenwalde bekannt. So konnte im Eisenhüttenkombinat »J. W. Stalin« in den letzten Tagen der Produktionsplan mit 100 % und teilweise darüber hinaus erfüllt werden. Die BPO im VEB Wolltuch entfaltet gegenwärtig eine breite Agitationsarbeit, um eine 500-Schuss-Bewegung zu erreichen. Jeder Weber soll nach dem Beispiel von Frida Hockauf3 über seinen täglichen Plan hinaus 500 Schuss mehr weben.

Durch Materialmangel, ungenügende technische Ausrüstung, schlechte Kohlenlieferungen und Stromsperren ist die Planerfüllung verschiedentlich gefährdet.

In der VEB Schachtanlage Niederröblingen wurde ein Massenwettbewerb organisiert. Für diesen Wettbewerb sind augenblicklich jedoch keine technischen Voraussetzungen vorhanden, da nur noch für zwei Tage Mauersteine zur Verfügung stehen. Bemühungen der örtlich verantwortlichen Stellen, diesen Zustand zu verändern, blieben bisher erfolglos.

Der VEB Kalk-, Ziegel- und Sandwerke in Geithain ist aufgrund seiner schlechten technischen Ausrüstung nicht in der Lage sein Plansoll zu erfüllen. Im Gipswerk Sperenberg, Kreis Zossen, kann aufgrund regelmäßiger Stromsperren, am Tag ca. acht Stunden, der Jahresplan nicht erfüllt werden. Vom Sägewerk Briescht, Kreis Beeskow, wird gemeldet, dass am 19.10.1953 die Arbeit wegen Holzmangel eingestellt werden musste.

Das Berliner Gaswerk Dimitroffstraße konnte wegen schlechter Qualität der Kohlenlieferungen in den letzten Monaten sein Kokssoll nicht erfüllen. Obwohl die Importkohle aus der Volksrepublik Polen qualitätsmäßig sehr gut ist, wird Kohle minderer Qualität an Berlin und Brandenburg geliefert. Verantwortlich dafür soll im Staatssekretariat für Energie, Abteilung Materialversorgung, der Kollege Große sein.

Immer noch werden Diskussionen über gemachte Fehler bei der Prämierung am 13. Oktober 1953 geführt. So äußerte sich eine parteilose Arbeiterin aus dem Sachsenring Automotorenwerk Hohenstein-Ernstthal, die eine Prämie von 4,00 DM erhielt: »Ich würde der BGL und SED-Betriebsgruppe das Geld an den Kopf schmeißen. Das ist keine Prämie, das sind Pfennige.« Ein Arbeiter aus der Schiffsbaureparaturenwerft Stralsund, der zur Auszeichnung am 13. Oktober vorgeschlagen war, aber abgelehnt wurde, äußerte, dass er keinen FDGB-Beitrag mehr zahlen will, bis er den Grund seiner Ablehnung erfährt.

Unzufriedenheit unter den Betriebsarbeitern herrscht in den Fragen der unterschiedlichen Bezahlung für gleiche Arbeit, für Nichtgewährung des Haushalttages und über die Höhe ausgegebener Quartalsprämien. So wird aus dem VEB Hartsteinwerke Hohnstädt/Leipzig berichtet. Dort kommt es vor, dass drei Arbeiter, die in diesem Betrieb beschäftigt sind, jeweils in einer anderen Außendienststelle, aber im gleichen Haus wohnen, dieselbe Arbeit verrichten und trotzdem alle verschieden bezahlt werden.

Da die Frauen mit eigenem Haushalt im VEB Mauxion in Saalfeld keinen Haushaltstag4 erhalten, weigern sie sich, FDGB-Beiträge zu zahlen. Im Gummiwerk Riesa herrscht Unzufriedenheit über die Höhe der ausgegeben Quartalsprämien an leitende Angestellte. So wird von Arbeitern dieses Betriebes geäußert: »Wenn ein Arbeiter im Leistungslohn arbeitet, so kommt er auf einen Überverdienst von 200 DM, aber die leitenden Angestellten erhalten Quartalsprämien bis 1 700 DM

Absatzschwierigkeiten hat die Schuhfabrik »Panther« Ehrenfriedersdorf, Kreis Zschopau. 15 000 Paar Damen- und Herrenschuhe werden von der DHZ nicht abgenommen. Dadurch kommt der Betrieb in Zahlungsschwierigkeiten.

Durch gute Zusammenarbeit der Partei und der Kreisdienststelle des SfS wurde bei den Belegschaftsmitgliedern im ECW Eilenburg Zustimmung zur Entlassung eines Provokateurs in einer zweiten Belegschaftsversammlung erzielt, da hier Material über diesen Provokateur von der Dienststelle des SfS der Parteiorganisation zur Verfügung gestellt wurde.

b) Handel und Versorgung

In der Kartoffelversorgung bestehen in den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Halle, Cottbus, Gera und Suhl Schwierigkeiten. Im Bezirk Suhl ist der Stand der Kartoffelversorgung am 17.10.1953 bei Einzelverbrauchern 47,8 %, bei Großverbrauchern 19 %. Der Stand der Einfuhr aus anderen Bezirken bis 19.10.1953 liegt bei 28,7 %. Im Kreis Liebenwerda/Cottbus hat bis 19.10.1953 die Konsumgenossenschaft noch keine Verbraucher mit Einkellerungskartoffeln versorgt.

Im Bezirk Neubrandenburg beklagt sich die Bevölkerung, dass zu wenige HO-Waren aufs Land kommen. In verschiedenen Kreisen des Bezirkes Potsdam werden Konsumverkaufsstellen schlecht mit Waren beliefert, so fehlte in der Konsumverkaufsstelle Gutengermendorf tagelang Butter, später war 14 Tage kein Zucker vorhanden und anschließend fehlte es acht Tage an Salz. In Privatgeschäften war jedoch diese Ware vorhanden. Im Kreis Ueckermünde/Neubrandenburg lässt der Absatz von Zigaretten für 0,16–0,24 DM merklich nach. Grund: Bessere Qualität der billigen Zigaretten.

Ungenügende Versorgung der Bevölkerung mit Arbeitskleidung ist im Kreis Altenburg/Leipzig zu verzeichnen. So mussten Bezugsscheine bereits fünfmal verlängert werden, da keine Waren vorhanden waren.

Im Schlachthof Pritzwalk/Potsdam befinden sich 200 notgeschlachtete Schweine, die trotz Mitteilung an den Rat des Bezirkes nur schleppend weitergeleitet werden. Dadurch können notwendige Schlachtungen von erkrankten Schweinen nicht durchgeführt werden (so im VEG Horst/Potsdam).

c) Landwirtschaft

Die Zurückhaltung in politischen Fragen tritt weiterhin auf. Der Stand der Kartoffelernte in den Bezirken ist im Allgemeinen gut. Dies ist zum größten Teil auf den Einsatz freiwilliger Erntehelfer zurückzuführen. Besonders freudig wird der Einsatz von VP bei der Kartoffelrodung begrüßt, so z. B. in der LPG Friedrichshof, wo die VP eine gute Arbeit leistete. Der Stand der Kartoffelrodung im Bezirk Neubrandenburg liegt bei 97,2 %. Demgegenüber bei Rüben 26,5 %.

Im Bezirk Halle ist die Kartoffelernte durch Einsatz freiwilliger Helfer gut. Am 19.10.1953 kamen im Kreis Eisleben 1 800, Aschersleben 1 200 und Bitterfeld 1 015 Personen zum Einsatz. Entgegen der letzten Mitteilung (Abschluss der Kartoffelernte im Bezirk Cottbus) wird berichtet, dass die Kartoffelernte noch nicht restlos abgeschlossen ist, da einzelne Flächen noch zu roden sind. Ein großer Teil der Bevölkerung ist mit der Mitteilung »Über Beendigung der Kartoffelernte« in der Lausitzer Rundschau nicht einverstanden. Man äußert dazu, wenn man etwas in der Presse veröffentlicht, muss dies auch der Wahrheit entsprechen.

Großbauern versuchen immer wieder die Forderung nach »freier Wirtschaft« zu propagieren sowie ihr Ablieferungssoll hinauszuschieben, wobei sie verschiedene Gründe angeben. Die wahren Ursachen sind jedoch in den meisten Fällen bewusste Verzögerung. Ein Großbauer aus Bockelwitz/Leipzig: »Man soll die freie Wirtschaft einführen. Früher ging es auch, dass jeder anbauen konnte was er wollte. Heute kommt man sich vor wie in einer Zwangsjacke.« Großbäuerin aus der Gemeinde Dessau/Magdeburg: »Für mich und meinen Mann reicht es, was wir an Kartoffeln geerntet haben. Was an Kartoffeln noch in der Erde steckt, kann verkommen, es ist uns gleich, was aus ihnen wird. Die Regierung streicht uns aufgrund des neuen Kurses sowieso das nicht aufgebrachte Soll.«

Verärgerung unter der Landbevölkerung wird durch verschiedene Ursachen (mangelhafte Qualität von Maschinen, Fehlen von Dünger, mangelnde Futtergrundlage, Stromabschaltung usw.) hervorgerufen. Von der MTS Gösen/Gera wandern Traktoristen ab, da sie infolge der vielen Ausfälle an Maschinen zu wenig verdienen.

Im Bezirk Gera beklagen sich Bauern über das Fehlen von Grunddünger.

Der Sekretär der Ortsparteiorganisation der SED in Bolschwitz/Cottbus und Bauer äußerte: »Ich weiß nicht was ich machen soll, entweder kann ich mein Vieh weiter halten und nicht abliefern oder ich muss mein Vieh verkaufen und kann liefern. Ich füttere schon jetzt Heu, weil ich keine Futtermittel mehr habe.«

Negative Diskussionen über Stromabschaltungen werden in den Bezirken Rostock, Magdeburg und Karl-Marx-Stadt geführt.

Über die Steuerermäßigung wird in den Bezirken Neubrandenburg, Schwerin, Frankfurt und Gera zum größten Teil positiv diskutiert. Einzelne negative Stimmungen treten besonders bei Bauern auf. Traktorist der MTS Altenhof/Neubrandenburg: »Es ist eine gute Tat unserer Regierung, die Steuern waren für den Arbeiter bisher zu hoch, das sind die ersten Auswirkungen des neuen Kurses. Jetzt haben wir auch Interesse bei wichtigen Aufträgen länger zu arbeiten.«

Bauern aus Thierbach/Gera:5 »Steuersenkung schön und gut, uns Bauern nützt sie aber nichts, das ist nur eine Vergünstigung für die Arbeiter. Na, wir werden schon aushalten bis Adenauer kommt und uns die goldene Zeit bringt.«

Stimmung der übrigen Bevölkerung

Eine Zurückhaltung in politischen Fragen ist unter der Bevölkerung noch weiterhin vertreten. Im Vordergrund aller Diskussionen stehen die Stromabschaltungen, die verschiedentlich stärker als bisher auftreten. Darüber wird in den Bezirken Schwerin, Neubrandenburg, Potsdam, Magdeburg, Cottbus, Karl-Marx-Stadt und Suhl diskutiert. Im Kreis Schmalkalden/Suhl erhöhten sich die Abschaltung von zwei auf vier Stunden.

Über Steuerermäßigungen wird in den Bezirken Schwerin, Neubrandenburg, Rostock, Dresden, Halle und Gera in der Mehrzahl positiv, in einzelnen Fällen negativ, diskutiert. Ein Maurer aus Grimmen/Rostock: »Durch die Steuersenkung verdiene ich jetzt 20,00 DM mehr und kann den ersehnten Radioapparat kaufen.« Ein Funktionär der LDP aus Dippoldiswalde: »Wie kann die Regierung eine Steuersenkung vornehmen, wo sie erst erklärt, wir senken nicht Steuern, sondern die Preise. Die Ärmsten der Armen (Rentner, Fürsorgeempfänger) hätten von der Preissenkung etwas gehabt, die Steuersenkung hilft nur denen, die schon einigermaßen Auskommen haben.«

In Frankfurt/Oder wurden in der 2. Grundschule 50 Kinder durch die evangelische Kirche verschickt. Im vorigen Jahr wurden bereits diese Erholungsreisen, jedoch unter dem Deckmantel der SVK, durchgeführt.

Im Kreis Beeskow/Frankfurt/Oder besteht eine starke Beunruhigung über den Anfang Oktober freigelassenen Mörder [Name], der 1947 zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt wurde. Er ist als geistig minderwertig bekannt und soll bereits früher in Rumänien zwei Morde verübt haben. Die Bevölkerung kann nicht begreifen, dass ein Mörder schon nach sechs Jahren wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Aus diesem Grunde wagt sich niemand mehr abends auf die Straße.

Im Bezirk Cottbus besteht unter der Bevölkerung, besonders des Kreises Lübben und der angrenzenden Kreise, starke Beunruhigung über das Unwesen der Banditen.6 Unter starker Beteiligung der Bevölkerung der Stadt Cottbus und zahlreichen Delegationen aus Betrieben und Kreisen fand am 20.10.1953 die Trauerkundgebung der drei ermordeten VP-Angehörigen statt.7 Beteiligt waren ca. 80 000 bis 10 000 Personen. Mitgeführt wurden ca. 200 bis 300 Kränze. Die Trauerfeier verlief ohne Vorfälle.

Am 20.10.1953 fuhr ein Angehöriger des Betriebsschutzes der SED-Bezirksleitung Cottbus von seinem Wohnsitz mit dem Motorrad zur Trauerfeier. In Merzdorf wurde er von einem Pkw überholt und von diesen Insassen gefragt, ob er zur Beerdigung fahre. Als er es bejaht, wurde er durch den Pkw so scharf an den Rand gedrückt, dass er gegen einen Baum fuhr und eine Kopfverletzung erlitt. Er wurde in das Krankenhaus Cottbus überführt.

Feindtätigkeit

a) organisierte

Flugblattverbreitung verstärkt im Bezirk Gera (NTS),8 vereinzelt in den Bezirken Rostock, Cottbus, Frankfurt/Oder, Halle, Dresden und Karl-Marx-Stadt. In Görlitz/Dresden wurden 95 Hetzzeitschriften verbreitet, die sich gegen die SU richteten.

Im Bezirk Leipzig wurden in letzter Zeit Hetzbriefe, vorwiegend an Ingenieure und Techniker, von der Reichsrundfunkgesellschaft mbH i. L., Berlin W 15, Emserstraße 40/41, versandt, worin sie aufgefordert werden, dort vorzusprechen.

Am 19.10.1953 wurden in Lübz/Schwerin zwei Funktionäre der SED überfallen und niedergeschlagen. Ein Täter wurde bereits festgestellt. Am 19.10.1953, gegen 1.00 Uhr nachts, wurde der VP-Oberwachtmeister Alfons Johns von einer unbekannten Person auf der Straße nach Treuenbrietzen mit einem Knüppel niedergeschlagen.

Von einem Pfarrer aus Bentwisch, Kreis Perleberg, wurde dem Bürgermeister des Ortes ein Schreiben mit folgendem Inhalt überreicht: Am 21. Oktober findet ein Gebetsgottesdienst statt, für die noch nicht heimgekehrten Gefangenen, Vermissten, Verschleppten und Internierten. Dieses Schreiben sollte den Einwohnern bekannt gegeben werden. Ein gleicher Bittgottesdienst soll am 21.10.1953, 20.00 Uhr, in der Kirche in Fichtenberg,9 Kreis Bischofswerda, abgehalten werden.

Aus der Westberliner Zeitung »Der Tag« vom 21.10.195310 stammt nachfolgender Auszug: Adenauer sagte in seiner Regierungserklärung zur Situation Berlins und der Sowjetzone: »Die Bundesregierung wird alles tun, um über die Kirchen und karitativen Organisationen die private Hilfe an die Bewohner der sowjetischen Besatzungszone mit Nahrung und Kleidung zu unterstützen.«

b) vermutlich organisierte

Am 18.10.1953, 8.55 Uhr, brannte die Scheune des Volksgutes Großschweidnitz,11 Kreis Löbau, ab. Der Schaden beläuft sich auf ca. 60 000–80 000 DM. Die Täter wurden bisher noch nicht gefasst.

Einschätzung der Situation

Durch die Steuersenkung verbessert sich die Stimmung der Arbeiter. Deshalb bemüht sich der Gegner krampfhaft, das sich entwickelnde Vertrauen zur Regierung zu zerstören. Zzt. ist die Unzufriedenheit am größten über Stromabschaltungen.

Anlage zum Informationsdienst Nr. 1099

Großfahndung nach zwei Banden von flüchtigen ČSR-Angehörigen im Bezirk Cottbus und Leipzig

a) Kessel Luckau–Lübben, Bezirk Cottbus

Am 10.10.1953 wurde vom Bahnhof Elsterwerda durch den Betriebsschutz dem Bahnhof Uckro mitgeteilt, dass in Elsterwerda fünf verdächtige Personen, vermutlich ČSR-Angehörige, Fahrkarten in Richtung Uckro gelöst haben. Daraufhin verständigte der Fahrdienstleiter des Bahnhofes Uckro den zuständigen Abschnittsbevollmächtigten der VP. Dieser führte gemeinsam mit dem Schnellkommando (neun VP-Angehörige) des VPKA Luckau eine Kontrolle durch. Der VPKA-Leiter und die BdVP wurden von dem Einsatz nicht verständigt. Die Bande, bestehend aus fünf Personen,12 verließ in Uckro den Zug und hier fand diese Kontrolle statt.

Bei der Kontrolle wurde der VP-Kommissar Grummini13 von einem Banditen durch Kopfschuss getötet. Als ein weiterer Bandit zur Waffe griff, wollte dies der VP-Unterkommissar Strempel14 verhindern, wurde aber von diesem durch mehrere Schüsse lebensgefährlich verwundet (Leber-, Nieren-, Lungen- und mehrere Darmschüsse). Der VP-Oberwachtmeister Wittkewitz15 erhielt einen Schulterdurchschuss. Die fünf Banditen ergriffen die Flucht und entkamen.

Daraufhin wurde erst der VPKA-Leiter, die Kommandantur und BdVP verständigt und Alarmstufe III wurde ausgelöst. In dem Raum, wo sich die Banditen aufhielten, wurde ein Kessel (Luckau–Lübben) von ca. 180 km gebildet.

Am 10.10.1953, 20.00 Uhr, wurde ein Bandit gestellt und festgenommen. Es handelt sich um den Janata, Zbyněk,16 geb. 1933. Am 16.10.1953 wurde aufgrund einer Mitteilung aus der Bevölkerung das Gebiet um Luckau nochmals einer intensiven Fahndung unterzogen. In der Nähe von Reichwalde stieß man mit den vier Banditen zusammen und es fand ein Feuergefecht statt. Hierbei wurde ein Kraftfahrer des SfS durch zwei Schüsse am rechten Arm verwundet. Die vier Banditen entkamen in Richtung Waldow.

Im Gebiet Waldow wurden sie von VP-Einheiten eingekreist und gestellt. Durch Einbrechen der Dunkelheit wurde der Kessel Waldow nicht durchkämmt. Die Banditen schlichen sich an die VP heran und eröffneten das Feuer. Dabei wurden der Abschnittsbevollmächtigte der VP aus Golßen17 durch Herzschuss und der VP-Kommissar Lehmann18 durch Kopfschuss von den Banditen getötet. Durch Verschulden der VP-Kräfte wurden der VP-Oberrat Hoffmann19 und ein Unterleutnant der KVP sowie der VP-Hauptwachtmeister Sunkel getötet.20 Den Banditen gelang es aus dem kleinen Kessel (4 km²) herauszukommen.

In den Morgenstunden des 17.10.1953 wurde in der Nähe einer Försterei (Kessel Waldow) ein graues Jackett, auf der Brustseite mit Durchschuss und Blutspuren, gefunden. Gegen 11.45 Uhr des gleichen Tages fand man den Bandit am Friedhof in Waldow und nahm ihn fest. Es handelt sich um den Švéda, Václav21 (deutscher Name: Wenzel).

Insgesamt wurden bei dieser Fahndung im Bezirk Cottbus bisher sechs Angehörige der VP und KVP getötet, dabei drei durch Verschulden der eigenen Kräfte. Sechs VP-Angehörige und drei Bauern wurden verletzt. Beim ersten Kessel kamen ca. 8 000 VP-Kräfte zum Einsatz. Beim zweiten Kessel ca. 4 000 VP-Kräfte, drei Panzerspähwagen und 117 Spürhunde. Außerdem wurden schwere Maschinenwaffen zum Einsatz gebracht. Die Auflösung des Kessels Waldow erfolgte am 19.10.1953, 22.00 Uhr, da bereits mehrmals der Kessel ohne Erfolg durchkämmt wurde. Man setzte Streifengruppen ein. Größere motorisierte VP-Einheiten wurden in den umliegenden Orten bis zum Ring um Berlin stationiert. Die Bevölkerung im Kreis Luckau sowie in den angrenzenden Kreisen ist durch diese Bande stark beunruhigt.

Janata, Zbyněk, gab in der Vernehmung an, dass er und vier weitere Personen nach Westberlin wollten. Als Grund der Flucht äußerte er, dass er nach Westberlin wollte, um dort eine Hautkrankheit ausheilen zu lassen. Diese Vermittlung sei durch eine ČSR-Organisation in Westberlin zustande gekommen. Er gab weiter an, dass sie im Besitz von 25 amerikanischen Dollars sind und drei Banditen Schusswaffen haben. Er ist der Sohn eines Direktors der Mittelschule in Bzerteniece,22 der vor 1938 Mitglied der sozialdemokratischen Partei der ČSR war. Nach 1945 ist er Mitglied der KSČ [geworden]. [Janata]23 selbst war seit 1948 im Sokol24 organisiert und anschließend Mitglied der Jugendorganisation der Sozialdemokratischen Partei – Pfadfinder – (nach eigenen Angaben des J.).

Kenntnis über die ČSR-Organisation in Westberlin will er von einem Mašín25 erhalten haben, dessen Vater General der 1. Republik gewesen sein soll.26 Dieser ist ein großer Gegner der volksdemokratischen Ordnung der ČSR. Sie besaßen ein Gut von 50 ha und ein Haus in Podiebrad.27 Beides wurde ihnen entschädigungslos enteignet, M. organisierte die Flucht und war Führer der Gruppe. Er wollte mit Freunden seines Vaters in Westdeutschland in Verbindung treten, die zum Emigrantenkreis um Zenkl28/Ripka29 gehörten. Am 3.10.1953 begann die Flucht dieser Gruppe vom Hauptbahnhof in Prag.

Švéda, Václav, gab in der Vernehmung an, da das Gut seiner Frau und die Fabrik seines Schwiegervaters enteignet wurden, wollte er über Westdeutschland nach Kanada auswandern.

b) Kessel Grimma, Bezirk Leipzig

In der Nacht vom 11. bis 12.10.1953 wurde im Moritzburger Wald/Dresden ein Pkw mit vier Insassen durch zwei bewaffnete Banditen, die ČSR-Angehörige waren, angehalten. Der Fahrer wurde von den Banditen gezwungen, sie in Richtung Leipzig zu fahren. Bei Leisnig hielt der Wagen durch Reifenpanne an und die Banditen setzten ihre Flucht zu Fuß fort. In der Umgebung Grimmas wurden die Banditen gestellt, wobei ein Bandit festgenommen werden konnte. Dem anderen gelang es zu flüchten. Ein VP-Angehöriger wurde getötet (durch eigenes Verschulden).

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