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Tagesbericht

5. Dezember 1953
Informationsdienst Nr. 2039 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Diskussion zur Note der SU1 sowie zur Erklärung der Regierung der DDR2 werden auch weiterhin verhältnismäßig wenig geführt. Dabei ist der größte Teil der bekannt gewordenen Stimmen positiv. Von einem kleineren Teil wird die Meinung vertreten, »dass der Notenwechsel sowieso keinen Erfolg bringt«. Negative Meinungsäußerungen dazu sind nur vereinzelt vorhanden.

Ein Arbeiter des VEB Werkzeugfabrik Königsee/Gera: »Ich habe die Note der SU gelesen und sofort erkannt, dass die SU dadurch wieder einen Schritt zur Einheit unseres Vaterlandes leistet. Diesem Aufruf stimme ich 100%ig zu, denn nur durch die Unterstützung der SU können wir die Einheit Deutschlands erreichen.«

Ein parteiloser Arbeiter des VEB Eisenwerk Senftenberg/Cottbus: »Die Regierungserklärung des Genossen Walter Ulbricht zeigt klar die Politik Adenauers und seiner Anhänger auf. Diese Erklärung verpflichtet jeden, seine ganze Kraft für die Erhaltung des Friedens einzusetzen.«

Ein Arbeiter des VEB Kreisbaubetrieb Cottbus: »Na seht ihr Kollegen, in Frankreich hat man nun auch den EVG-Vertrag angenommen3 und weil die SU sieht, dass sie immer mehr an die Seite gedrückt wird, hat sie eine Note verfasst, um klein beizugeben.«

Eine am 3.12.1953 in einem Wismut-Objekt in Annaberg durchgeführte Versammlung, wo ein Vertreter des SfS zur Entlarvung der Agentengruppen in der DDR sprach,4 fand bei den anwesenden Wismut-Kumpeln großen Widerhall. So sagte z. B. eine parteilose Arbeiterin: »Ich habe den Vortrag so erwartet, wie er gehalten wurde und begrüße es, dass in dieser Form an die breite Öffentlichkeit herangetreten wird. Vor einiger Zeit noch galt die Staatssicherheit als etwas Geheimnisvolles, Abgeschlossenes.«

Über die Aburteilung der Agentengruppe Linder5 wird weiterhin, besonders im Kreis Freiberg/Karl-Marx-Stadt diskutiert. Der Betriebsleiter des VEB Feinzink Freiberg sagte z. B.: »Ich halte das Urteil nicht für richtig. Die Strafe ist viel zu niedrig. Wenn es wirklich so ist, wie es in der Zeitung stand, dann stehen diese Urteile in keinem Verhältnis dazu.«

Durch Anwendung von Neuerermethoden und den Anschluss an die Frida-Hockauf-Bewegung6 konnte z. B. die Brennzeit der Ziegel in der Ziegelei Woldegk/Neubrandenburg von zwölf auf sieben Tage herabgesetzt werden. Die Ziegelei Kloster Malchow/Neubrandenburg verpflichtete sich bis 31.12.1953, zusätzlich 30 000 Ziegelsteine herzustellen.

Mängel in der Bereitstellung von Waggons und Materialmangel werden aus einzelnen Betrieben berichtet. Der VEB Glaswerk Freital/Dresden sollte im November 1953 251 Waggons erhalten. 183 Waggons wurden ihm jedoch nur gestellt. Dadurch hat der Betrieb gegenwärtig einen Lagerbestand von 1 700 000 Flaschen und Gläser.

Im VEB »Sachsenholz«7 Großröhrsdorf/Dresden lagern 3 200 fertige Wohnzimmertische, die für den Weihnachtsverkauf bestimmt waren, aufgrund von Waggonmangel jedoch nicht abtransportiert werden können. Dem gleichen Betrieb fehlen jedoch zur Erfüllung des Produktionsplanes 35 000 Holzschrauben.

Absatzschwierigkeiten hat der VEB Textilwerk Pleißengrund/Karl-Marx-Stadt. In diesem Betrieb lagern 150 000 qm Stoff, der zur Herstellung von Mänteln für die KVP bestimmt war. Dieser Auftrag wurde von der Regierung freigegeben. Aufgrund des Farbtons (Khaki) werden diese Stoffe weder von der HO noch von der DHZ abgenommen.

Zurückhaltung in der Diskussion und Missstimmung bei den Arbeitern des VEB Pumpen- und Gebläsewerkes Leipzig ist auf die Entlassung eines Arbeiters zurückzuführen, der im Betrieb hetzerische Reden führte und auf Veranlassung des Parteisekretärs der BPO verhaftet wurde, ohne die Belegschaft darüber aufzuklären.

Über die Umbildung der Wismut AG8 macht sich teilweise eine starke Unzufriedenheit und Missstimmung bemerkbar, welche durch verschiedentlich mangelhafte Aufklärungsarbeit der Partei und Massenorganisationen unter den Arbeitern noch nicht beseitigt wurde. So sagte z. B. ein Kumpel aus einem in Aue stillgelegten Schacht: »In der DDR wird ein großes Geschrei gemacht, dass die Arbeiter in Westdeutschland vor Weihnachten auf die Straße gesetzt würden. Seht doch mal bei uns, da ist es ja dasselbe.«

1 000 Arbeiter sollen noch bis Jahresende im Kreis Staßfurt aus verschiedenen Betrieben wegen Umstellung der Produktion entlassen werden. So z. B. aus dem VEB Stern-Radio 280 Arbeiter, der Bau-Union Staßfurt 300 Arbeiter u. a. Wie dazu berichtet wird, ist zzt. ein Vertreter des ZK der SED in Staßfurt, um diese Angelegenheit zu klären.

Berichtigung: Die am 4.12.1953 berichtete Arbeitsniederlegung von 32 Arbeitern der Reichsbahn-Bau-Union Waren/Neubrandenburg hielt nicht, wie irrtümlich gemeldet, bis zum 3.12.1953 an, sondern war nur am 2.12.1953.

Handel und Versorgung

Im Bezirk Cottbus müssen noch 6 % der Bevölkerung mit Einkellerungskartoffeln beliefert werden, ähnlich im Bezirk Magdeburg (6,6 %).

Schwierigkeiten in der Versorgung mit Zutaten für die Weihnachtsbäckerei werden aus den Bezirken Schwerin, Halle, Gera und Karl-Marx-Stadt berichtet. Ähnlich verhält es sich mit Waren für die Weihnachtstage wie Apfelsinen, Zitronen und dgl.

Durch die mangelnde Warenstreuung in den Kreisen der einzelnen Bezirke macht sich verschiedentlich ein Mangel von Waren aller Art bemerkbar. Im Bezirk Leipzig z. B. Margarine, in Kamenz/Dresden Frischfleisch auf Marken, im Bezirk Erfurt Fisch und Fischkonserven, in Potsdam und Neubrandenburg Winterkleidung, besonders Wintermäntel.

In der Konsumgenossenschaft Schwerin (Stadt und Land) lagern Waren, die nicht abgesetzt sind, besonders Schuhwaren und Textilien in einem Werte von 2,7 Mio. DM.

Landwirtschaft

Schwierigkeiten in der Erfassung der restlichen landwirtschaftlichen Produkte werden aus den Bezirken Schwerin, Rostock, Cottbus, Leipzig und Potsdam berichtet. Auch am heutigen Tage ist festzustellen, dass die Bauern Missstimmung über die Erfassung äußern. Wie aus Cottbus berichtet, wurden aus verschiedenen Betrieben Brigaden von Arbeitern zusammengestellt, um die nur schleppend vor sich gehende Erfassung zu beschleunigen. Bei den durchgeführten Kontrollen konnte festgestellt werden, dass besonders Großbauern, obwohl das Soll noch nicht erfüllt ist, Kartoffeln eingemietet haben und verheimlichen.

Bei einem Großbauern aus Werenzhain/Cottbus konnten z. B. vier große Mieten mit Kartoffeln festgestellt werden. Neben den für den Betrieb notwendigen Saatkartoffeln wurden 75 dz für die Versorgung der Bevölkerung erfasst. Als mangelhaft wird die Unterstützung der VEAB bei der Erfassung und dem Aufkauf von Kartoffeln bezeichnet.

Im Kreis Eilenburg/Leipzig ist unter den Großbauern eine gewisse Unruhe durch eine Veröffentlichung in der Presse (schlechte Ablieferung der Großbauern) entstanden. Es wird die Meinung vertreten: »Das ist ja wieder der alte Kurs, alles wie früher.« Unter anderem wird zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Erklärung verlangen, dass es nicht um die Großbauern, sondern um die schlechten Bauern geht.

Wie aus Frankfurt/Oder berichtet wird, ist unter den Bauern allgemein eine schlechte Stimmung über die Erfassung zu verzeichnen. Ähnlich ist die Stimmung unter den Bauern in den Bezirken Potsdam und Rostock. Ein Genosse aus Löwenberg/Potsdam äußerte dazu: »Die Stimmung in der Landwirtschaft ist verzweifelt, da in der Kartoffelversorgung eine Brigade9 die andere ablöst.«

In Schönebeck/Potsdam baten die Mitglieder einer Leipziger Brigade die Bauern um eine Gabel, die sie zu einer Zwangsverladung brauchten. Allgemein wurde ihre Bitte abgeschlagen, auch vom Gastwirt, bei dem sie einquartiert waren. Unter anderem äußerte dieser: »Euretwegen verliere ich schon die Kundschaft. Ein Großbauer sagte zu mir: ›Schmeiß doch die Leipziger raus oder gib ihnen nichts zu essen, dann müssen sie ja abhauen, andernfalls kommen wir nicht mehr zu dir.‹«

Wie aus Leipzig berichtet wird, vertritt der Klassengegner nicht offen seine Absichten in den Wahlversammlungen der VdgB (BHG), besonders lässt er diese durch werktätige Bauern aussprechen. In Beilrode, Kreis Torgau, stellten die Bauern die Forderung, einen Großbauern mit 65 ha in den Vorstand zu wählen. Wenn dies nicht geschieht, wollen alle aufgestellten Kandidaten zurücktreten. In der Gemeinde Loßwig/Leipzig äußerte sich der Schmiedemeister: »Es ist ungerecht, dass die Großbauern keine Funktion in der VdgB ausüben können. Jeder kann heute seine Funktionäre selber wählen wie er will, ob Geschäftsleute oder Handwerker, nur der Bauer nicht. Dem wird vorgeschrieben, dass er die Großbauern nicht wählen darf.«

Stimmung der übrigen Bevölkerung

Über die Note der SU an die Westmächte und die Regierungserklärung der DDR wird, wie in den Vortagen, nur in geringem Maße diskutiert. Auch am heutigen Tage sind die bekannt gewordenen Meinungsäußerungen zum überwiegenden Teil positiv. Eine Hausfrau aus Großenhain/Dresden: »Die neue Note der SU beweist wieder, dass die Möglichkeit besteht, durch Verhandlungen eine Lösung für Gesamtdeutschland herbeizuführen.«

Ein Sattler aus Stavenhagen/Neubrandenburg: »In der Note der SU und der Regierungserklärung der DDR wird den Westmächten erneut ein Weg zur friedlichen Verständigung vorgeschlagen. Es wäre zu begrüßen, wenn auch die Westmächte sich zu Verhandlungen bereit erklären würden.«

Die Missstimmung über die Weihnachtszuwendung unter den Arbeitern und Angestellten staatlicher Verwaltungen und Institutionen hält weiterhin an.10 So wurde z. B. von der Stadtverwaltung Eilenburg/Leipzig eine Resolution an die IG VBV11 gesandt, die der amtierende Bürgermeister (1. Kreissekretär der LDP) sowie die BGL (zwei Genossen) unterschrieben haben.

Wie aus Erfurt berichtet, wird in den Grenzkreisen darüber diskutiert, dass eine Öffnung der ehemaligen Übergangsstellen bei Ahrenshausen und Teistungen im Kreis Worbis sowie Ellrich im Kreis Heiligenstadt erfolgen müsste. Dadurch könnte der Umweg über Eisenach und Helmstedt erspart werden, was auch gleichzeitig eine finanzielle Verbesserung bedeuten würde.

In Jüterbog/Potsdam ist eine negative Stimmung über die Wohnraumbeschaffung für sowjetische Offiziere zu verzeichnen. Von der Bevölkerung wird unter anderem zum Ausdruck gebracht: »Sie sollen uns vergiften oder erschießen, dann haben wir Ruhe, denn das ist das dritte Mal, wo man die Räumung geplant hat.« Die Kommandantur soll zu dem Entschluss gekommen sein, die Baracken der ehemaligen KVP-Dienststelle mit sowjetischen Soldaten zu belegen. In den Kasernen sollen dann die Offiziere mit ihren Frauen einziehen.

Organisierte Feindtätigkeit

Verstärkte Verbreitung von Flugblättern wird aus den Bezirken Frankfurt/Oder, Potsdam, Cottbus berichtet, vereinzelt aus den Bezirken Rostock, Karl-Marx-Stadt, Halle und Gera. In der Mehrzahl handelt es sich um Flugblätter der KgU,12 SPD13 und NTS.14

In den Bezirken Halle, Neubrandenburg, Frankfurt/Oder und Karl-Marx-Stadt werden weiterhin Hetzschriften durch die Post an verschiedene Personen, teilweise mit der Aufforderung, nur solche Personen in die Elternbeiräte zu wählen, die mit der Regierung der DDR nicht einverstanden sind, versandt.

Am 4.12.1953, gegen 16.30 Uhr, wurden bei Kaltennordheim, [Kreis] Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, ca. 300 Ballons gezählt, die von Flugzeugen abgeworfen wurden.

Eine Verschickung von Weihnachtspäckchen an Jugendliche im Bezirk Magdeburg wurde von einer Schulklasse aus Westfalen angekündigt.

Einschätzung der Situation

Die Lage hat sich gegenüber dem Vortage nicht verändert.

  1. Zum nächsten Dokument Lage in der zweiten Novemberhälfte

    [Ohne Datum]
    Analyse vom 16. bis 30. November 1953 [Nr. 6/53]

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    4. Dezember 1953
    Informationsdienst Nr. 2038 zur Beurteilung der Situation