500-Jahr-Feier der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
13. Oktober 1956
Information Nr. 252/56 – Betrifft: 500-Jahr-Feier der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald vom 14. Oktober bis 21. Oktober 1956
Für die 500-Jahr-Feier fehlen noch verschiedene Nahrungs- und Genussmittel für die Teilnehmer und Gäste.
Zur Versorgungslage äußerte sich der Produktionsleiter der HO Lebensmittel, [Name 1]: »Wir sind gar nicht in der Lage, die Menschen während der 500-Jahr-Feier zu verpflegen, geschweige die Dekorationen durchzuführen. Bis zum heutigen Tage habe ich noch keine Vorräte, um besondere Wurstsorten herzustellen und an Pasteten ist dabei noch gar nicht gedacht worden.« Der Angestellte [Name 2] vom Konsum Greifswald bestätigte, dass noch keine Konserven im Konsum vorhanden sind.
Es fehlen Zigarren (Original), Importweine und Importbiere. Hinsichtlich der Dekoration von Schaufenstern wurde folgendes Gespräch zwischen den Geschäftsinhabern [Name 3] und [Name 4] geführt. »Haben Sie schon hr Fenster für den Tag der Republik ausgestattet?«1 Antwort von [Name 4]: »Für den Tag der Republik werde ich mein Schaufenster nicht besonders ausgestalten, dafür aber während der 500-Jahr-Feier und zwar in der Form, dass ich Marmelade in Gläsern und Eimern ausstellen werde. Bei der Marmelade in Eimern werde ich ein Schild anbringen, mit der Aufschrift ›Tüten sind mitzubringen‹.«
Die Teilnahme der Landbevölkerung an der 500-Jahr-Feier wird dadurch behindert, da der Transport mit Autobussen nicht gewährleistet ist und nur wenige Eintrittskarten für Veranstaltungen an die Landbevölkerung gelangen (z. B. im MTS-Bereich Bandelin2 und MTS-Bereich Greifswald). Dies gibt Anlass zu negativen Diskussionen. Die Zusammenarbeit zwischen Universität und Nationaler Front ist nicht zufriedenstellend.3 Ebenso unterstützt die FDJ die Vorbereitung der 500-Jahr-Feier nicht intensiv genug.
Die Bevölkerung freut sich zwar im Allgemeinen auf das Fest, ist aber der Meinung, dass das Warenangebot auch hinterher bleiben muss. Es gibt vereinzelt negative Erscheinungen. So hat z. B. der VEB (K) Bau – Patentbetrieb der Oberschule – noch nicht die Aula der Oberschule renoviert. Dadurch wird die Durchführung von Vorträgen infrage gestellt. Ein Teil der Schüler der Oberschule Greifswald lehnt die Mitwirkung im Festumzug (Gestaltung des Bildes »Jugend«) ab.
Ernste Beobachtung muss dem Lehrkörper der ABF Greifswald wegen folgender Ereignisse geschenkt werden. Der Parteisekretär der ABF, Genosse Jühlke,4 der Studiendirektor Loheit5 und der Direktor Bittner6 der ABF hatten Anfang Oktober 1956 mit dem Genossen Schubert, ZK der SED, Abteilung Wissenschaft und dem Genossen Zeiske vom Staatssekretariat für Hochschulwesen in Berlin eine Aussprache, wo erklärt wurde, dass die ABF Greifswald aufgelöst werden soll. Von dieser Aussprache sollte der Lehrkörper der ABF Greifswald nicht unterrichtet werden. Der Direktor der ABF, Genosse Bittner, äußerte dazu: »Die Lehrkräfte der ABF werden von uns bewusst hinausgehalten, trotzdem vermuten die Dozenten Diedrich7 und Dr. Engel8 bereits den Sachverhalt, wie es sich aus verschiedenen Hinweisen entnehmen lässt. Im Kollegium der Dozenten werden ebenfalls Vermutungen angestellt, da bekannt ist, dass wir mit den Kaderunterlagen in Berlin waren. Aufgrund dieser Tatsachen und besonders, weil man uns als Direktion, die das Vertrauen des Kollegiums besitzen soll, bewusst zum Lügen angehalten hat, kann ich für nichts mehr garantieren. Es handelt sich um die Existenzfrage von über 50 Dozenten. Ich befürchte in diesem Zusammenhang einen Dozentenstreik während der 500-Jahr-Feier, falls ein Kollege aus Dresden oder Leipzig ein Wort über die bevorstehende Auflösung der ABF fallen lässt.«
Im Kreis der Dozenten und Professoren der Univ. Greifswald ist folgende Situation zu verzeichnen: Der Rektor der Universität Professor Katsch9 gab bekannt, dass das Klubhaus der Universität nur von Habilitierten besucht werden darf. Es werden nunmehr Diskussionen laut, dass es viel mehr Dozenten und Assistenten gäbe, die nicht habilitiert sind. Prof. Katsch äußerte zu der Benutzung des Klubhauses während der 500-Jahr-Feier: »Ich habe niemals meine Zustimmung für die Benutzung der vorderen Räume des Klubhauses durch die Bevölkerung gegeben. Im Gegenteil, das Haus sollte nur für die Talarträger (etwa 50) zur Verfügung stehen.« Von den eingeladenen Gästen haben die Teilnehmer aus Westdeutschland und der Schweiz ihre Zusage mit der Bemerkung »Leider nicht teilnehmen zu können« wieder rückgängig gemacht. Es erfolgen jedoch Einladungen von westdeutschen Studenten durch Studenten der Universität Greifswald. Besonderes Interesse für die Teilnahme an der 500-Jahr-Feier ist bei den französischen Professoren, Assistenten und Studenten vorhanden.
In den einzelnen Objekten der Eisenbahn in Greifswald treten Diskussionen in Erscheinung, dass die ausländischen Gäste 30,00 bis 40,00 DM Spesen pro Tag erhalten sollen. Der Schlosser [Name 5], SED, vom RAW Greifswald äußerte Folgendes: »Wenn es wahr ist, dass die ausländischen Gäste 40,00 DM Spesen pro Tag erhalten, so ist das ungerecht, denn ein Rentner in der DDR bekommt 75,00 DM und muss den ganzen Monat davon leben.« Großes Interesse bringt die Bevölkerung den einzelnen Bildern des Festumzuges entgegen. Vereinzelt wendet man sich gegen das Bild »Tag der Befreiung«.