Androhung von Arbeitsniederlegungen im VEB Dolomitwerk Wünschendorf
16. Juli 1956
Information Nr. 72/56 – Betrifft: Androhung von Arbeitsniederlegung
Im VEB Dolomitwerk Wünschendorf, [Bezirk] Gera, kam es am 6.7.1956 und 7.7.1956 zu erregten Auseinandersetzungen zwischen den Arbeitern der Abteilung Abraum (30 Beschäftigte) und der Werkleitung, wobei der Werkleitung Lohnforderungen vorgelegt und bei Nichterfüllung der Streik für den 9.7.1956 angedroht wurde.
Die Ursachen waren Folgende: Durch früher falsch eingeschätzte Leistungen und Ausfall von Maschinen sowie durch Schlechtwetterperioden traten Lohnminderungen bei den Baggerführern zwischen 100 bis 200 DM ein. Außer deren Ausgleich forderten die Arbeiter die Beseitigung von personengebundenen Löhnen und eine Lohnerhöhung bei den Kippern. Der Sprecher der Baggerführer trat dabei provokatorisch1 auf, beschimpfte die Intelligenz und meinte, dass man einige mit der Eisenstange aus dem Werk jagen muss. Er warnte die anderen Baggerführer vor einer allzu offenen Aussprache mit dem Hinweis, dass er bereits eingesperrt war.
Am 6.7.1956 wurde die Verhandlung abgebrochen mit der Vereinbarung, dass am 7.7.1956 zwei Delegierte der Baggerführer diese weiterführen sollten. Am 7.7.1956 erschienen wieder alle 20 Baggerführer, mit denen ihre Anliegen nochmals durchgesprochen wurden. Die Unterredung verlief anfangs ruhig und es wurden so weit wie möglich konkrete Maßnahmen festgelegt. Gegen Ende der Besprechung jedoch trat wiederum ein Baggerführer provokatorisch auf, da ihm das Festgelegte nicht genügte. Er erklärte, dass er mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld nicht auskommen könnte und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Sein Mädel müsse aus der Pionierorganisation austreten, da er das mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne. Die Bevölkerung als Ganzes denke sowieso anders als wir und warte nur auf den Tag, wo es andersrum kommt.
Ein anderer Baggerführer wurde noch provokatorischer und fragte, ob der Wunsch vorhanden sei, hier das Gleiche zu erleben, wie in Poznan.2 Durch seine Verwandten in Polen würde er auch von drüben die Wahrheit erfahren. Wenn wir ein Werk des Friedens tun wollten, so sollten wir dafür sorgen, dass diese Leute aus Polen herauskommen. Ein weiterer Baggerführer erklärte, dass in der ČSR dasselbe losgewesen sei, was aber verschwiegen wurde.3 Im weiteren Verlauf wurde noch über die wirtschaftlichen Verhältnisse in der DDR geschimpft, insbesondere darüber, dass wir noch zu Propagandazwecken westdeutsche Kinder in die DDR holen und unsere Arbeiter sich mit Margarine begnügen müssen.
Die übrigen Teilnehmer verhielten sich zu den geführten Diskussionen ruhig, doch war aufgrund der Verärgerung die Neigung vorhanden, sich irreführen zu lassen. Lediglich zwei Baggerführer nahmen eine vernünftige Haltung ein und traten in einigen Fällen den Argumentationen entgegen. Irgendwelche Auswirkungen auf andere Betriebsteile wurden nicht bekannt. Bemerkenswert ist, dass Angestellte und Mitglieder der SED der Abteilung Arbeit einige Tage vorher von den Absichten der Baggerführer wussten, ohne dies der Werkleitung zu melden.
Am 2.7.1956 war der Brigadier [Name] und der größte Teil der Brigade der MTS Kleeth, [Kreis] Altentreptow, [Bezirk] Neubrandenburg, die in Gädebehn eingesetzt ist, betrunken, sodass sie nicht arbeiten konnten. Der Brigadier [Name] wurde aufgrund dessen fristlos entlassen. Damit waren die Traktoristen nicht einverstanden und am 3.7.1956 arbeiteten sie nicht. Sie verlangten, dass der Direktor rauskommen soll, um ihnen zu erklären, warum man den Brigadier entlassen hatte. Es wurde der ehemalige Brigadier eingesetzt, der aber eine schlechte Arbeit geleistet hat.