Anonyme Schreiben mit Aufruf zum Generalstreik
4. November 1956
Information Nr. 304/56 – Betrifft: Anonyme Schreiben – Inhalt: Aufruf zum Generalstreik
Bereits in der Information 301/56 wurde mitgeteilt, dass dem Studentenrat der Karl-Marx-Universität Leipzig am 2.11.1956 per Post ein anonymes Scheiben zugesandt wurde, das in Form eines Ultimatums abgefasst war. In diesem Schreiben wurde mit der Durchführung eines Generalstreikes gedroht. Als Adresse ist in diesem Schreiben angegeben: Zentraler Lenkungsausschuss zur Errichtung der Demokratie, Berlin W 1,1 30.10.1956, Haus der Ministerien 0937.
Im Inhalt des Schreibens, wird einleitend unter Bezugnahme auf die Ereignisse in Polen2 und Ungarn davon gesprochen,3 dass sich die Regierung der DDR ihrer Schwäche bewusst und Unsicherheit innerhalb der Regierung vorhanden wäre. Für den weiteren Demokratisierungsprozess wäre notwendig, die Personen Ulbricht, Wollweber4 und Benjamin5 zu entfernen. Im Anschluss daran werden folgende Forderungen erhoben.
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»MfS mit den untergeordneten Organen aufzulösen«;
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»SPD wieder zuzulassen«;
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»Neuwahlen der Vorstände aller Parteien auf allen Ebenen«;
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»Abhaltung freier, geheimer Wahlen mit getrennten Listen nach dem Landtagswahlrecht vom 20.10.1946«.6
Diese Forderungen sollen bis zum 11.11.1956 verwirklicht werden, andernfalls würde die Bevölkerung am 12.11.1956 in den Generalstreik treten. Die Arbeitsaufnahme würde dann erst erfolgen, wenn die Regierung zurückgetreten sei. Weiterhin wird in diesem Schreiben zum Ausdruck gebracht, dass in der Übergangszeit die öffentliche Ordnung ausschließlich durch die öffentliche Gemeindeverwaltung gewährleistet würde und das die sowjetischen Truppen, angesichts der Souveränität der DDR, nicht das Recht hätten einzugreifen.
Ein im Inhalt und Form gleiches anonymes Schreiben wurde am 3.11.1956 dem VEB Chemie Karl-Marx-Stadt7 zugeschickt.