Arbeitsniederlegungen (01)
11. Juni 1956
Sonderinformation – Betrifft: Arbeitsniederlegungen [Information Nr. M129/56]
Am 12.5.1956 und 13.5.1956 legten die Kipperfahrer der Karriere »IV. Parteitag« der Wismut in Ronneburg, [Bezirk] Gera, insgesamt 2,5 Std. die Arbeit nieder. Die erste Arbeitsniederlegung am 12.5.1956 erfolgte, da die Meldung bekannt gegeben wurde, dass die Fahrer nochmals Nachtschicht fahren sollten. Diese Anweisung wurde zurückgezogen. Am 13.5.1956 nahmen die Fahrer erst 2 Std. später die Arbeit auf, weil die Lohnauszahlung noch nicht erfolgt war.
In der Ziegelei Sennewitz, Halle-Saalkreis,1 legten am 16. Mai 1956 von 6.30 bis 7.30 Uhr von 65 Belegschaftsmitgliedern 60 die Arbeit nieder. Die Ursache dazu waren öfter auftretende Lohnzahlungsschwierigkeiten. So haben diese Arbeiter auch am 15.5.1956 30,00 bis 40,00 DM ihres Lohnes nicht ausgezahlt erhalten. Daraufhin legten sie die Arbeit nieder. Die Arbeitsniederlegung wurde dadurch beendet, dass der Maschinenmeister des Betriebes aus Privathand 2 500 DM dem Betrieb zur Verfügung stellte, damit noch offene Lohnsummen an die Arbeiter beglichen werden konnten. Dieser Betrieb ist zu 40 % Volkseigentum, zu 30 % Privateigentum und zu 30 % Sperrkonto Westdeutschland.
Am 31.5.1956 legten in der Halle 4 im VEB Chema Rudisleben, [Bezirk] Erfurt, 24 Elektroschweißer wegen Lohndifferenzen für eine Stunde die Arbeit nieder. Der Betrieb hatte zur Auslastung der Kapazität die Anfertigung von 24 Kohlenstaubbehältern in Auftrag genommen. Da dazu die Erfahrungen in der Produktion fehlten, stellte die Kontrolle fest, dass bei 19 Nacharbeiten notwendig waren. Daraus entstanden die Lohndifferenzen.
Am 2.6.1956 legten im VEB Grau- und Temperguss Heidenau, [Kreis] Pirna, [Bezirk] Dresden, von 220 Beschäftigten 120 für eine Stunde die Arbeit nieder. Der Grund der Arbeitsniederlegung war die falsche Meinung der Arbeiter, dass dem Produktionsleiter [Name 1] vom Betrieb aus gekündigt worden sei. Die Arbeiter wollten mit dieser Arbeitsniederlegung zum Ausdruck bringen, dass sie mit der Kündigung des [Name 1] nicht einverstanden sind. Erst nachdem eine Belegschaftsversammlung einberufen wurde und die Betriebsleitung den Arbeitern erklärte, dass [Name 1] seine Kündigung eingereicht hat, wurde die Arbeit wieder aufgenommen.
Auf der Baustelle der Reichsbahn-Bauunion Seelingstädt2 – Schmirchau3 verweigerten am 8.6.1956 ca. 30 Kraftfahrer und Baggerführer der Baufirma Bagger- und Förderbetrieb Leipzig ihre Arbeit durchzuführen. Als Begründung wird von dem Oberbauleiter [Name 2] angegeben, dass die o. g. Leipziger Firma zwei Tage im Verzug mit der Lohnzahlung ist. Termin der Zahlung wäre der 6.6.1956 gewesen. Durch das Eingreifen der Reichsbahn-Bauunion wurde den Kraftfahrern und Baggerführern Vorschuss gewährt, was zur Folge hatte, dass die Arbeit von einem Teil wieder aufgenommen wurde. Warum der andere Teil seine Arbeit nicht aufgenommen hat, wird noch geklärt.
In der LPG Grabow, [Kreis] Parchim,4 [Bezirk] Schwerin, legten am 28.5.1956, gegen 12.00 Uhr, 14 Landarbeiter die Arbeit nieder. Die Ursache dafür war, dass zwei Arbeiter von diesen 14 keine Fleischzuteilung erhalten hatten. Sie vertreten die Ansicht, dass ihnen dafür Eier, im Verhältnis 200 gr. Fleisch – 4 Eier, gegeben werden sollten. Dieses wurde von der Leitung der LPG abgelehnt und die Landarbeiter, welche in der Aktion »Industriearbeiter aufs Land« sich zur Arbeit in der Landwirtschaft verpflichtet hatten,5 wurden als Faulenzer und Eierfresser beschimpft. Daraufhin legten sie die Arbeit nieder und [nahmen sie] erst nach Klärung dieser Fragen am 30.5.1956 wieder auf.
Die Maurerbrigade der LPG Groß Teetzleben,6 [Bezirk] Neubrandenburg, (3 Personen) legte am 5.6.1956 die Arbeit nieder. Die Ursache dazu war, dass die Maurer im April und Mai weniger Lohn erhielten als ihnen zustand. Als das Geld trotz Beschwerde nicht gezahlt wurde, legten sie am Vormittag des 5.6.1956 die Arbeit nieder. Am Nachmittag wurde ihnen das zustehende Geld ausgezahlt und sie nahmen die Arbeit wieder auf.
Im Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Bad Salzungen hat am 14.5.1956 eine Brigade, die zum Holzschälen eingesetzt war, nicht die Arbeit aufgenommen und Lohnforderungen gestellt. Nach Klärung der Fragen durch den Betriebsleiter und TAN-Sachbearbeiter7 nahm die Brigade am 15.5.1956 die Arbeit wieder auf.
Androhung von Arbeitsniederlegungen
Auf der Großbaustelle »Schwarze Pumpe« wurde am 4.5.1956 eine Besprechung aller BGL und Betriebsleiter durch den stellvertretenden Aufbauleiter einberufen. Zweck und Ziel dieser Besprechung war, eine einheitliche Arbeitszeit auf der gesamten Großbaustelle einzuführen. In dieser Besprechung wurde die neue Arbeitszeit einstimmig gebilligt und darauf hingewiesen, dass darüber mit den Bauarbeitern in den einzelnen Baubetrieben zu diskutieren ist. Die Baubetriebe wiederum erhielten die Anweisung, in der die neue Arbeitszeit festgelegt war. Außerdem wurde in der Anweisung darauf hingewiesen, bis zum 14.5.1956 der Aufbauleitung mitzuteilen, welche Meinung die Bauarbeiter zu der neuen Arbeitszeit haben. Diese Maßnahmen machten sich notwendig, da manche Betriebe ungesetzliche Bezahlung von Stunden vorgenommen hatten, in denen keine produktive Arbeit geleistet wurde. So bezahlte die Bauunion Kohle am Montag die Arbeitszeit ab 6.00 Uhr, obwohl erst ab 10.00 Uhr gearbeitet wurde. Hierbei handelt es sich um Bauarbeiter, die von auswärts kommen. Um diese unrechtmäßige Bezahlung zu verhindern, legte die Aufbauleitung für montags die Arbeitszeit ab 10.00 Uhr fest. Am Sonnabend, den 12.5.1956 wurde die Mitteilung bekannt, dass am Montag, den 14.5.1956 einzelne Brigaden und Bauarbeiter der Bauunion Kohle die Arbeit niederlegen wollten.
Die daraufhin erfolgten Ermittlungen ergaben, dass einige Brigaden der Bauunion Kohle tatsächlich am 14.5.1956 die Arbeit niederlegen wollten bzw. ihre Kündigung einreichen, wenn die von der Aufbauleitung geplante Arbeitszeit durchgeführt werden soll. Weiterhin wurde festgestellt, dass, obwohl Anweisung bestand, nicht mit den Bauarbeitern über die neue Arbeitszeit gesprochen wurde und dass selbst BGL und Bauleiter, die dem Beschluss zugestimmt hatten, die Arbeitszeit plötzlich ablehnten. Auch in der am 14.5.1956 erfolgten Aussprache lehnten die Arbeiter der Bauunion Kohle diese Arbeitszeit ab, machten jedoch Vorschläge, wie die Arbeitszeit günstiger gelegt werden kann.
Im RAW Berlin-Schöneweide wurden den E-Schweißern Auftragszettel mit neuen Normen ausgehändigt, die von der BGL noch nicht bestätigt waren. Dieses Vorkommnis führte zu einer Unzufriedenheit unter den Schweißern, sodass am Vormittag des 7.6.1956 bei der BGL mit dem Leiter der Abteilung Arbeit, dem TAN-Leiter, dem Meister, dem Brigadier und dem Gruppenorganisator eine Besprechung durchgeführt wurde. Als Ergebnis dieser Besprechung wurde festgestellt: 1. Alle Normen sollen überprüft werden, 2. Finanzielle Härten, die bei den Kollegen eintreten, sollen korrigiert werden. Trotz dieser Festlegungen kam wiederum ein Auftragszettel mit neuen Normen. Daraufhin wurden 15 E-Schweißer am 7.6.1956, gegen 14.20 Uhr, bei der BGL vorstellig und verlangten den TAN-Leiter zu sprechen. Weiterhin verlangten die Kollegen eine schriftliche Bestätigung der am Vortag festgelegten Abmachungen. Der BGL-Vorsitzende lehnte ab, eine schriftliche Bestätigung zu geben, versprach aber, sein Wort zu halten und die festgelegte Überprüfung durchzuführen, womit sich die Kollegen einverstanden erklärten. Zum Wortführer dieser 15 Kollegen machten sich zwei Arbeiter, die u. a. erklärten: »Wenn die Angelegenheiten mit den Normen nicht geregelt werden, werden wir nicht wieder anfangen zu arbeiten.« – »Wenn es so weiter geht, werden wir woanders hingehen und arbeiten.« – »Der TAN-Leiter hat keine Ahnung. Er wollte Einsparungen auf Kosten der Arbeiter durchführen.«
Nach dieser Aussprache mit der BGL suchten die Kollegen den TAN-Leiter auf. (Über das Ergebnis dieser Aussprache ist nichts bekannt, da der TAN-Leiter am 8.6.1956 in Urlaub ging.) Gegenüber dem technischen Leiter des RAW erklärten die Schweißer, dass sie die Arbeit nicht verweigern, sondern nur Klarheit über ihre Normen haben wollen. – Um 15.20 Uhr wurde von den 15 Schweißern die Arbeit wieder aufgenommen. Der Brigadier der E-Schweißer hat am 8.6.1956 seine Kündigung eingereicht mit der Begründung, dass er mit der Arbeit des TAN-Leiters (SED) nicht einverstanden sei, da ihn dieser als Verräter und Feind der DDR bezeichnet hat. Der technische Leiter erklärte dem Brigadier, dass der TAN-Leiter diese Äußerung getan hat, weil er als Brigadier es unterlassen hat, die Kollegen von der Richtigkeit der neuen Normen zu überzeugen. Nach einer gründlichen Aussprache zog der Brigadier seine Kündigung zurück und verpflichtete sich, die Normen, die überprüft werden müssen, zu benennen. Am 8.6.1956 wurde von der Abteilung Arbeit und dem technischen Leiter des RAW entschieden, alle neuen Normen zu überprüfen.