Arbeitsniederlegungen (16)
10. September 1956
Information Nr. 196/56 – Betrifft: Arbeitsniederlegung
Am 4.9.1956 wurde durch die Kreisdienststelle Demmin, [Bezirk] Neubrandenburg, berichtet, dass vor ca. 14 Tagen die Traktoristen des Stützpunktes Pensin, Kreis Demmin, Brigade 5 der MTS Kletzin,1 die Arbeit verweigerten. Nach einer einstündigen Diskussion nahm die Brigade die Arbeit wieder auf. Der Organisator ist bekannt. Er hatte zum Ausdruck gebracht, dass die Normarbeit eine Schinderei ist und zur Ausbeutung führt. In diesem Zusammenhang sagte der Betreffende, dass seine Frau stundenlang nach ein bisschen Butter anstehen muss und »wohnen würde er wie ein Schwein«.
Am 4.9.1956, in der Zeit von 7.00 Uhr bis 10.00 Uhr, legte in dem Konsumbekleidungswerk Brandenburg, Abteilung Wredowstraße, die Belegschaft von Band 2 (ca. 50 Personen) die Arbeit nieder. Dazu Folgendes: Während sich ein großer Teil der Belegschaft von Band 2 im Urlaub befand, die anderen Kollegen arbeiteten in dieser Zeit auf Band 1, wurde das gesamte Band 2 auf Variationssystem umgebaut. Als man jetzt die Arbeit auf Band 2 wieder aufnehmen wollte, wurde die Belegschaft von der Betriebsleitung in keiner Weise über den Arbeitsablauf und über die Bezahlung im neuen Arbeitssystem informiert. Da bei dem Variationssystem die Bandpausen nicht zugerechnet wurden, versuchte die Betriebsleitung nur 4 % und nicht wie sonst 9 % zuzurechnen. Nachdem ca. acht Tage nach diesem neuen Arbeitssystem gearbeitet wurde, stellte sich heraus, dass der Verdienst der Belegschaft niedriger war – bei gleicher Leistung. Die Belegschaft erklärte sich damit nicht einverstanden und legte am 4.9.1956 die Arbeit nieder. Die Untersuchungen ergaben, dass es sich um eine spontane Aktion handelte, deren Grund in der Unzufriedenheit gegenüber den administrativen Maßnahmen des Werkleiters zu sehen ist. Hetze gegen Staat- und Regierungsmitglieder wurde nicht getätigt.
Nachdem die Betriebsleitung versprach, dass man 9 % Bandpausen zurechnen wird, wurde die Arbeit gegen 10.00 Uhr wieder aufgenommen. Es ist auch jetzt noch zu verzeichnen, dass die Belegschaft von Band 2 einen niedrigeren Verdienst hat. Verdiente sie täglich vorher ca. 14,00 DM, so beläuft sich jetzt, nach Einführung des Variationssystems der Verdienst auf ca. 7,00 DM bis 9,00 DM. Die Belegschaft ist auch weiterhin über diesen Verdienst unzufrieden. In den Diskussionen erklären sie »wir wollen gar nicht 1[… ]2 DM täglich verdienen, aber ca. 11,00 DM müssten wir doch bekommen.«
Androhung von Arbeitsniederlegung
Die Abteilung örtliche Wirtschaft beim Rat des Kreises Meißen befasste sich mit dem Gedanken, ab 1.1.1957 die beiden Betriebe Likörfabrik und Felsenbräuerei3 Meißen wegen Einsparung von Verwaltungskosten zusammenzulegen. Es erfolgte eine Aussprache mit dem Werkleiter, welcher die Zusammenlegung jedoch ablehnt. Er will die Arbeit niederlegen, da man ihm seine beruflichen Fähigkeiten dadurch absprechen würde. Er führte an, dass er dann nach dem Westen gehen will, denn er hätte gute Verbindung zu einem Freund nach dort.