Arbeitsniederlegungen (5)
14. Juli 1956
Information Nr. 69/56 – Betrifft: Arbeitsniederlegungen
Am 11.7.1956, zwischen 2.00 und 6.00 Uhr, haben sich acht jugendliche Eisenbahner, welche in der Güterabfertigung des Bahnhofes Wustermark, [Bezirk] Potsdam, beschäftigt sind, geweigert, Stückgut zu entladen. Als Vorwand gaben sie gegenüber dem Dienststellenvorsteher an, dass sie bei der Entladung dieser Stückgutwagen nicht genügend Geld verdienen würden. Trotz Aufforderung durch den Dienststellenvorsteher weigerten sich die Jugendlichen weiter, die Waggons zu entladen. Sie verblieben aber auf der Dienststelle. Die näheren Umstände werden zurzeit überprüft. Die Politabteilung der Reichsbahndirektion Berlin hat von diesem Vorgang Kenntnis und wird am 12.7.1956 sich mit diesem Vorfall in Wustermark in einer Aussprache mit den Jugendlichen beschäftigen. Ergänzungsmeldung, nachdem der Sachverhalt weiter geklärt wurde, wird nachgereicht.1
Am 5.7.1956 in den Nachmittagsstunden legte eine Feldbaubrigade in der LPG in Tempelfelde, [Kreis] Bernau, [Bezirk] Frankfurt/O., für kurze Zeit die Arbeit nieder. Von der Leitung der LPG war der Brigade mitgeteilt worden, dass man nicht in der Lage sei, die zustehenden Arbeitseinheiten auszuzahlen. Nach Rücksprache mit der SED-Kreisleitung und dem Rat des Kreises erfolgte jedoch die Auszahlung und die Brigade nahm die Arbeit wieder auf.
Im VEG Köllitzsch, [Bezirk] Leipzig, wird berichtet, dass es Unzufriedenheiten über die Auszahlung der Prämien anlässlich des 10. Jahrestages der VEB gab. Insbesondere sind einige Arbeiter nicht damit einverstanden, dass der Betriebsleiter eine Prämie von 7 000 DM erhalten hat. Der Betriebsleiter habe wenig Verbindung zur Belegschaft und wird in Unterhaltungen oft als »Kaiser von Köllitzsch« bezeichnet. Aus Verärgerung und Unkenntnis der ganzen Prämienverordnung legten deshalb ca. 20 Frauen der Feldbaubrigade am 6.7.1956 für ca. zwei Stunden die Arbeit nieder bzw. nahmen diese nicht auf. Sie verlangten, dass der BGL-Vorsitzende mit ihnen spricht. Der BGL-Vorsitzende unterhielt sich mit den Frauen, konnte ihnen jedoch keine richtigen Antworten auf ihre Fragen geben. Der Brigadier [Name 1] sagte z. B.: »Ich bin mit der Prämienzahlung, die hier erfolgt, nicht einverstanden. Die Brigadeabrechnerin [Name 2] hat z. B. 600 DM erhalten, obwohl ihre Abrechnungen nie gestimmt haben und es immer viel Ärger damit gab. Ich habe dagegen als Brigadier nur 500 DM erhalten.« ([Name 1] hat aus dieser Verärgerung heraus gekündigt.) Nach fast zwei Stunden Diskussion sagte dann die Arbeiterin [Name 3]: »Was wir tun ist doch Quatsch, gehen wir lieber wieder an unsere Arbeit.« Daraufhin nahmen alle Frauen die Arbeit wieder auf. Es muss jedoch erwähnt werden, dass die Unzufriedenheit allgemein noch nicht überwunden ist. Parteiorganisation und BGL haben bisher noch wenig zur Aufklärung über diese Fragen getan.
Am 9.7.1956 wurde bekannt, dass im Revier See, [Kreis] Niesky, [Bezirk] Dresden, unter den Forstarbeitern (Harzgewinnung) eine Arbeitsniederlegung stattgefunden habe, da Unzufriedenheiten in der Lohnzahlung bestehen. Die Überprüfung ergab, dass es sich nur um Meinungsverschiedenheiten in der Lohnfrage handelte. Der Revierleiter wurde in der vergangenen Woche von den Arbeitern angesprochen, dass die Betriebsleitung zu einer Aussprache auf der Arbeitsstelle erscheinen sollte. Aufgrund dessen wurde eine Produktionsberatung durchgeführt. Hierbei wurde besonders von dem Brigadier zum Ausdruck gebracht, dass der Grundlohn mit dem Richtsatz von 1,24 DM zu niedrig sei und sie davon nicht existieren können. Einige Arbeiter brachten zum Ausdruck, dass sie es nicht verstehen können, dass eine Reinigungsfrau im Waggonbau Niesky bis 1,20 DM pro Stunde verdient, wogegen die Forstarbeiter bei einer entsprechenden schweren Arbeit nicht viel mehr verdienen. Am Schluss wurde zum Ausdruck gebracht, dass sich ein Vertreter des Zentralvorstandes Land und Forst sowie ein Vertreter des Ministeriums für Land und Forstwirtschaft am Arbeitsplatz der Arbeiter sehen lassen soll, da man der Meinung ist, dass die Schwierigkeiten, die in der Produktion auftreten, in den angeführten Institutionen nicht genügend bekannt sind.