Arbeitsniederlegungen und Lohnforderungen
4. Oktober 1956
Information Nr. 231/56 – Betrifft: Arbeitsniederlegung und Lohnforderungen
Am 1.10.1956 legten im Ernst-Thälmann-Werk Magdeburg 60 Arbeiter der Stahlgießerei für eine Stunde die Arbeit nieder. Der Grund dafür war: Eine Kommission von TAN-Sachbearbeitern sollte Arbeitsplatzanalysen vornehmen.1 Bei der Kontrolle stellte sich heraus, dass die geringsten Handgriffe, wie Gussnassspritzen, was zum Arbeitsvorgang gehört, Kaffee holen (was nur zwei Minuten dauert), aufnotiert war. Die Arbeiter sollten sich sogar zum Austreten gehen melden, damit es notiert werden kann. Über dieses Verhalten waren die Arbeiter empört und legten die Arbeit nieder. Die Veranlassung zur Arbeitsniederlegung gaben zwei Arbeiter, welche am 17.6.1953 negativ in Erscheinung getreten sind. Bei richtiger Aufklärung seitens der TAN-Sachbearbeiter über Sinn und Zweck der Maßnahme, hätte die Arbeitsniederlegung nicht stattgefunden. Trotz Arbeitsaufnahme wurde von einem Arbeiter dieser Abteilung die Forderung nach Durchführung einer Versammlung gestellt. Diese Versammlung findet am 4.10.1956 um 13.30 Uhr statt. Die Bezirksleitung der Partei hat davon Kenntnis erhalten. Notwendige Maßnahmen sind eingeleitet.
Am 4.10.1956, gegen 8.20 Uhr, legten im Georgi-Dimitroff-Werk Magdeburg ca. 100 Arbeiter der Reparaturabteilung die Arbeit nieder. Nach bisherigen Feststellungen führten Lohndifferenzen zu dieser Arbeitsniederlegung. Nähere Untersuchungen werden noch geführt. Die Bezirksleitung der Partei ist unterrichtet. Notwendige Maßnahmen werden in Zusammenarbeit mit der Partei durchgeführt.
Ähnlich wie die Arbeiter im Ernst-Thälmann-Werk Magdeburg stellen auch die Arbeiter im Karl-Marx-Werk Magdeburg die Forderung auf Durchführung einer Versammlung. Ein konkreter Termin für diese Versammlung ist bisher nicht festgelegt.
Aus dem Bezirk Erfurt wird berichtet, dass es in den Druckereien Engelhardt-Reyher, Schmidt und Thelo, J. W. Lange, Emil Koch und Sollbergsche Druckerei in Gotha, [Bezirk] Erfurt, zu Lohnforderungen kam. Diese gesamten Betriebe, welche belegschaftsmäßig sehr klein sind, richten an den Gebiets- bzw. Bezirksvorstand des FDGB ultimativ die Forderung, bis 15. bzw. 30.10.1956 eine Lohnerhöhung durchzuführen. Diese Forderungen, die schriftlich eingereicht wurden, waren teilweise von Mitgliedern der Partei- und sogar Parteisekretären unterschrieben. Wie bekannt wird, war ein Instrukteur der Kreisleitung Gotha von den Vorgängen unterrichtet, da er am Sonnabend, den 29.9.1956, in einer in den oben genannten Betrieben stattgefundenen Versammlung teilnahm. In dieser Versammlung wurde von den Anwesenden eine Protestresolution angenommen. Der Instrukteur hat das Büro der Kreisleitung über diese Vorgänge nicht unterrichtet.
Vor ca. zwei Jahren wurde von der Kompressor-Station Freital der Wismut in Dresden ein Schreiben an die BGL gerichtet, worin die Forderung gestellt wurde, die Untertage-Vergünstigungen, aufgrund gesundheitlich ungünstiger Bedingungen, zu erhalten. Dies wurde von der Betriebsleitung und BGL abgelehnt mit der Begründung, dass die Arbeiter bereits 20 % Zuschlag erhalten würden und eine Übertage-Arbeit leisten würden. Daraufhin ließen die Diskussionen hierüber nach. Vor einiger Zeit wurde dem Brigadier [Name] in das Schichtbuch eingetragen: »Vorsicht Gift, es muss etwas unternommen werden, denn nachts ist die von Säure geschwängerte Luft kaum noch tragbar.« Jetzt ist festzustellen, dass diese Diskussionen wieder im Vordergrund stehen. In den jetzigen Diskussionen der Beschäftigten wird die Frage erhoben »wie kommt es, dass die Funktionäre der Fabrik und der Kreisleitung die Untertageverpflegung bekommen, wo sie sich doch selten in der Fabrik aufhalten.« Ein Arbeiter hat zwei Tage lang den Staub im Fensterbrett gesammelt, um die Größe des Staubanfalles zu beweisen. Den Staub wollte er auf die Gesundheitsschädlichkeit untersuchen lassen. Die Generaldirektion der Wismut ist davon unterrichtet.
Am 25.9.1956, gegen 12.00 Uhr, legten 19 Erntehelfer (Studenten der Pädagogischen Hochschule Potsdam) der LPG Ganz, [Kreis] Kyritz, [Bezirk] Potsdam, für ein bis zwei Stunden die Arbeit nieder. Die Studenten waren mit der Verpflegung nicht zufrieden. Sie waren drei Tage im Einsatz und bekamen alle Tage als Mittagessen Eintopf. Auf Fragen der Studenten hatte der LPG-Vorsitzende geantwortet: »So wie die Bewegung, so auch die Verpflegung.« Durch die Leitung der Pädagogischen Hochschule und durch das Erntebüro wurde der o. a. Vorfall überprüft. Danach verpflichteten sich die Studenten die ausgefallene Arbeitszeit nachzuholen.
Von den Waldarbeitern des staatlichen Forstwirtschaftsbetriebes im Kreis Gotha, [Bezirk] Erfurt, wird ebenfalls negativ hinsichtlich der Lohnfrage diskutiert. Die Ursache dazu ist, dass eine für den 1.9.1956 vorgesehene Lohngruppenveränderung nicht durchgeführt wurde. Ähnlich ist es in der Oberförsterei Cunnersdorf, [Kreis] Pirna, [Bezirk] Dresden, wo im ersten Halbjahr 1956 40 Forstarbeiter ihren Arbeitsplatz verließen, da sie im Forstbetrieb zu wenig verdienen. Wenn nicht eine Lohnaufbesserung erfolgt, werden noch weitere Forstarbeiter ihren Arbeitsplatz verlassen.