Arbeitsniederlegungen und Lohnforderungen (2. Nachtrag)
9. Oktober 1956
Information Nr. 241/56 – Betrifft: Arbeitsniederlegung und Lohnforderungen (2. Nachtrag zur Information Nr. 231/56)
Am 28.9.1956 legten 40 Näherinnen im EOW Dingelstädt, [Kreis] Worbis, [Bezirk] Erfurt, gegen 13.00 Uhr die Arbeit nieder. Die Arbeiterinnen waren mit der Norm nicht einverstanden, obwohl diese im Durchschnitt mit 132 % erfüllt wurde. Aus bisher unbekannten Gründen wurden die FDGB-Mitgliedsbücher eingesammelt und dem BGL-Vorsitzenden übergeben. Die Arbeitsniederlegung wurde ca. eine Stunde später, nach erfolgter Aussprache mit dem Betriebsleiter, beendet. Eine Frau, Mitglied der SED, die seit etwa sechs Monaten keinen Parteibeitrag gezahlt hat, trat dabei besonders in Erscheinung. Die Arbeitsniederlegung wurde von der Betriebsleitung sowie der im Betrieb vorhandenen Partei- und Gewerkschaftsorganisation nicht gemeldet.
Am 5.10.1956 erfolgte im VEB Perlonzwirnerei Plaue,1 [Kreis] Flöha, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, Abteilung Spulerei, in allen drei Schichten eine Arbeitsniederlegung. Während in der Frühschicht nur wenige Arbeiterinnen ihre Maschinen ausrückten, legten in der Mittel- und Nachtschicht alle Arbeiterinnen die Arbeit nieder. Die Arbeitsniederlegung in den letzten Schichten muss als organisiert bezeichnet werden, da alle Arbeiterinnen für zwei bis zweieinhalb Stunden die Arbeit niederlegten. Ursache für die Arbeitsniederlegung sind Unzulänglichkeiten in der Entlohnung und die ungenügende Verbindung der Betriebsleitung zu den Arbeiterinnen. Nach erfolgter Aussprache zwischen Partei, Betriebsleitung und Arbeiterinnen nahmen diese die Arbeit wieder auf.
Androhung von Arbeitsniederlegung
Unter der Belegschaft in der DHZ Metallurgie Lager 1 Dresden ist eine große Unzufriedenheit vorhanden. Am 22.9.1956 kam es soweit, dass niemand arbeiten wollte. Auch die Parteigenossen weigerten sich, da sie sonst Anfeindungen ausgesetzt sind. Die Ursache der Unzufriedenheit liegt in der unterschiedlichen Entlohnung. Die Arbeiter sind der Meinung, dass die Losung »gleicher Lohn für gleiche Arbeit« über Bord geworfen wurde.
Am 6.10.1956 äußerte ein Teil der Arbeiter der Teilmontage des VEB Sternradio Sonneberg, [Bezirk] Suhl, dass sie, wenn keine sofortige Änderung in der Entlohnung eintreten würde, unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht weiterarbeiten wollen. Die Ursachen liegen darin, dass bei der Teilmontage mehr Geräte montiert werden, als bei der Endmontage. Die Arbeiter in der Teilmontage bekommen jedoch nur die Geräte bezahlt, die das Prüffeld durchlaufen haben. Sie bekommen dadurch 30 bis 40 Geräte, an denen sie mitgearbeitet haben, weniger bezahlt. Aus diesem Grunde wird eine Zwischenkontrolle gefordert, damit die Arbeit real bezahlt wird. Weiterhin ist zu bemerken, dass verschiedene Einzelteile nicht vorhanden sind, dadurch musste die Fertigstellung eines Teiles der Geräte abgestellt werden. Des Weiteren klagen die Arbeiter wegen zu großer Unterschiede im Verdienst zwischen dem Prüffeld und den anderen Abteilungen. Die Arbeiter im Prüffeld verdienen ca. 60,00 bis 100 DM mehr. Die am 6.10.1956 stattgefundene Feierstunde zum Tag der Republik war nur von 200 Beschäftigten besucht. Insgesamt umfasst der Betrieb 1 200 Beschäftigte. Vonseiten der Betriebsleitung wurde eine Zwischenkontrolle angeordnet.
Arbeiter aus dem VEB Total Apolda,2 [Bezirk] Erfurt, äußerten auf der Bahnfahrt von Niedertrebra nach Apolda, dass die Absicht besteht, im VEB Apolda die Arbeit niederzulegen. Im VEB Total Apolda soll aufgrund der 3. Parteikonferenz3 die Fertigung der Handfeuerlöscher herausgenommen und an Minimax Neuruppin4 übergeben werden. Da die Fertigung in Total Apolda für den Betrieb Vorteile bringt, ist ein Teil der Arbeiter mit der Maßnahme nicht einverstanden und der Meinung, dass der Betrieb, wie aus den Äußerungen der Arbeiter auf der Bahnfahrt zu entnehmen war, mit »Kriegsproduktion« betraut werden soll. Diese Produktionsumstellung soll der Anlass zur Arbeitsniederlegung werden.