Arbeitsniederlegungen und Lohnforderungen (4. Nachtrag)
16. Oktober 1956
Information Nr. 254/56 – Betrifft: Arbeitsniederlegung und Lohnforderungen (4. Nachtrag zur Information Nr. 231/56)
Am 12.10.1956 verweigerte eine 22-Mann-starke Rangierbrigade des Bahnhofes Dresden-Friedrichstadt bei Arbeitsbeginn um 14.00 Uhr die Arbeitsaufnahme. Grund: Die Brigade hatte sich am 9.10.1956 von einem beschädigten Waggon mit Wein ein Teil des auslaufenden Weines angeeignet. Acht Angehörige der Brigade betranken sich dabei so, dass sie nach Hause geschickt werden mussten. Der Brigadier wurde für diesen Vorfall durch die Dienststellenleitung mit einem Verweis bestraft, und reichte daraufhin seine sofortige Entlassung ein. Am 12.10.1956 forderte ein Rangierer in provokatorischer und diskriminierender Form eine Erklärung über die Entlassung des Brigadiers und es kam zu heftiger Diskussion. Trotz Erklärung des Sachverhaltes durch den stellvertretenden Dienststellenleiter gelang es nicht, die Arbeitsaufnahme zu erreichen. Erst nach Einschreiten und Aufklärung durch den Parteisekretär nahm die Brigade gegen 14.25 Uhr die Arbeit auf.
Am 11.10.1956 legte eine 12-Mann-starke Brigade des VEB Wasserwirtschaft Werra, [Kreis] Meiningen, [Bezirk] Suhl, die Arbeit nieder und forderte eine Aussprache. Grund: Die Brigade ist mit Arbeiten für die Wasserversorgung Ellingshausen1 beschäftigt. Da es um die Arbeit in einem Sumpfgebiet geht und andere schlechte Arbeitsbedingungen die Arbeit erschweren, konnte die Norm nicht mehr erreicht werden. Der Bauleiter vereinbarte mit den Arbeitern eine 20 %ige Erschwerniszulage. Bei der Lohnzahlung am 10.10.1956 gab es eine Auseinandersetzung, da nur 10 % Erschwerniszuschlag berechnet war. Die Arbeiter lehnten ab, den Lohn zu empfangen. Der Bauleiter versprach daraufhin, dafür zu sorgen, dass am 11.10.1956 der Ausgleich gezahlt wird. Da dies nicht geschah, legte die Brigade bis gegen 15.00 Uhr die Arbeit nieder. Die Arbeitsaufnahme erfolgte erst, nachdem der Parteisekretär des Betriebes versprochen hatte, bis 13.10.1956 den Differenzbetrag auszahlen zu lassen.
Am 12.10.1956 kam es im VEB Gummiwerk Elbe, [Bezirk] Halle, zu einer Arbeitsniederlegung, an welcher ca. 50 Arbeiterinnen beteiligt waren. Als Grund wurde eine zu niedrige Entlohnung angegeben. Die Arbeiterinnen waren der Meinung, sie hätten durchschnittlich DM 30,00 weniger verdient. Die Ursache jedoch war, dass der August 27 und der September 25 bis 26 Arbeitstage hatte. Diese Tatsache wurde den Arbeiterinnen erläutert. Bei einer geforderten Aussprache, die zwischen 16.00 Uhr und 17.30 Uhr stattfand, wurden teilweise provokatorische Äußerungen geführt. Nach stattgefundener Aussprache wurde bis Arbeitsende normal gearbeitet. Die Arbeiter, die um 22.00 Uhr ihre Arbeit aufnehmen mussten, weigerten sich ebenfalls zu arbeiten und erklärten, dass sie erst arbeiten würden, wenn sie ihren Lohn hätten. Es ist zu bemerken, dass die Auszahlung des Lohnes während der Nachtschicht nach Arbeitsbeginn am Arbeitsplatz erfolgte. Es wurde veranlasst, den Lohn sofort zu zahlen, mit dem Hinweis, gleichzeitig die Arbeit aufzunehmen. Die Arbeit wurde dadurch erst um 22.30 Uhr aufgenommen.
Von der AGL des VEB »Gustav Sobottka«2 in Öberröbblingen, [Kreis] Eisleben, [Bezirk] Halle, wurde für den 12.10.1956 eine Produktionsberatung festgelegt. Das Ziel dieser Produktionsberatung sollte jedoch nicht sein, über die Frage der Verbesserung des Produktionsablaufes zu beraten, sondern es sollten Lohnforderungen erhoben werden. An der am 12.10.1956 pünktlich eröffneten Beratung nahmen erstmalig seit langer Zeit alle Arbeiter teil. Auf der Beratung wurde ziemlich provokatorisch Stellung genommen. Ein Arbeiter drohte, dass man kurz vor der Arbeitsniederlegung stehe. Die Beratung am 12.10.1956 konnte vonseiten der Werkleitung nur mit dem Versprechen beendet werden, am 13.10.1956 eine zweite Beratung durchzuführen, auf welcher über Möglichkeiten einer finanziellen Verbesserung des Lohnes gesprochen werden sollte. Zu einem Produktionsausfall kam es während der Beratung nicht. Die Schicht war notbesetzt und die Betriebsnorm wurde mit 110 % erfüllt. Die Ursache der Lohnforderung war, dass die festgesetzte Norm von 276 t aufgrund des hohen Wassergehaltes der Kohle nicht erfüllt werden konnte. Am 13.10.1956 wurde festgelegt, die Norm auf 256 t herabzusetzen.