Arbeitsniederlegungen und Lohnforderungen (5. Nachtrag)
17. Oktober 1956
Information Nr. 259/56 – Betrifft: Arbeitsniederlegung und Lohnforderungen (5. Nachtrag zur Information Nr. 231/56)
Am 3.10.1956 legten im VEB Kleidermacher Dresden, Werk 3, Sebnitz, 36 Arbeiterinnen des oberen Bandes von 18.30 bis 19.30 Uhr die Arbeit nieder. Ursache war der niedrige Verdienst nach Änderung und Richtigstellung des Normenplanes. Für die Normenberechnung an diesem Band existieren zwei Normenpläne. Der erste sieht eine Berechnung der Normen bei einer Besetzung des Bandes mit 36 Arbeiterinnen und der zweite eine Berechnung der Normen bei einer Besetzung mit 32 Arbeiterinnen vor. Bisher war die Brigade immer nach den Normen des zweiten Planes entlohnt worden. Als die Richtigstellung erfolgte, erschien den 36 Arbeiterinnen der Verdienst zu gering und es kam zur Arbeitsniederlegung. Nach Aufklärung der Zusammenhänge nahmen alle 36 Arbeiterinnen die Arbeit wieder auf. Am 12.10.1956 konnte im gleichen Betrieb nur durch das schnelle Eingreifen der Betriebsfunktionäre eine erneute Arbeitsniederlegung verhindert werden. Ursache war gleichfalls eine Normenbereinigung, indem der TAN-Sachbearbeiter1 aufgrund der neuen Ortsklassen2 einmal die Rüstzeit aus den Normen gestrichen hat. Bisher war die Rüstzeit zweimal in den Normen enthalten.
Am 15.10.1956 legte in den Mittagsstunden eine Brigade des VEB Bau (K) Ribnitz, [Bezirk] Rostock, in Stärke von 24 Arbeitern die Arbeit nieder. Die Brigade ist auf der Baustelle Semlow, [Kreis] Ribnitz[-Damgarten], beschäftigt und nahm erst am 16.10.1956 die Arbeit wieder auf. Ursache dazu war, dass die Brigademitglieder nur 50,00 bis 60,00 [DM] Abschlagszahlung, an Stelle der bisherigen100 DM erhielten. Die Kürzung erfolgte auf Anweisung des neuen Betriebsleiters, da die Brigade bisher die 100 [DM] Abschlagszahlung infolge schlechter Normerfüllung zu Unrecht ausgezahlt erhalten hatte. Eine Aufklärung der Kürzung der Abschlagszahlung war vorher nicht erfolgt.
Am 15.10.1956 wurde festgestellt, dass die diensthabende Schicht der mechanischen Werkstatt des Reichsbahnbetonwerkes Rethwisch,3 [Kreis] Waren, [Bezirk] Neubrandenburg, in Stärke von sechs Arbeitern 20 Minuten vor Arbeitsschluss die Arbeit niedergelegt und den Betrieb verlassen hatte. Ursache nach bisherigen Feststellungen war Unzufriedenheit über die Auszeichnung der Aktivisten und über die Arbeitszeit. Die Arbeiter hatten im Arbeitsraum des Werkmeisters eine mit Stroh ausgestopfte Puppe auf die Tragbahre gelegt und ihr einige Zeitungen »Tribüne«4 sowie ein aus Pappe hergestelltes Aktivistenabzeichen angesteckt. Auf einer dahinter gestellten Bekanntmachungstafel war mit weißer Kreide die Losung »Ruhm und Ehre unseren Aktivisten« und auf dem Schreibtisch des Meisters die Losung »Meister, wo bleibt der 8-Stundentag« angebracht. Untersuchungen werden noch geführt.
In der Privatdruckerei [Name] in Blankenhain,5 [Kreis] Weimar[-Land], [Bezirk] Erfurt, legten am 15.10.1956 alle neun Arbeiter für vier Stunden die Arbeit nieder. Ursache dazu war, dass der Betriebsinhaber eine Arbeiterin, mit der er intime Beziehungen unterhielt und die 14 Tage vorher entlassen wurde, ohne Wissen der BGL und des Gewerkschaftsorganisators am 15.10.1956 wieder eingestellt hat. Die Arbeiter waren damit nicht einverstanden und wollten dadurch erneut die Entlassung erzwingen, indem sie die Arbeit niederlegten.
Am 15.10.1956 nahm die Brigade 4 der MTS Isseroda,6 [Kreis] Weimar[-Land], [Bezirk] Erfurt, Außenstelle Holzdorf, um 18.00 Ihr ihre Arbeit zur Nachtschicht nicht auf. Ursache: Die Brigade in Stärke von sechs Traktoristen war mit der Entlassung ihres Brigadiers nicht einverstanden. Der Brigadier wurde entlassen aufgrund provokatorischer Reden und tätlicher Übergriffe auf den Direktor der MTS während der Aktivistenfeier. Bei Nichteinstellung dieses Brigadiers wollen die Mitglieder der Brigade kündigen.