Die Lage im Sport und im gesamtdeutschen Sportverkehr
8. Juni 1956
Bericht über die Lage im Sport und im Gesamtdeutschen Sportverkehr [Information Nr. M124/56]
I. Stimmung der Sportler zu politischen Problemen
Aus allen Bezirken wird übereinstimmend bekannt, dass in den Sportgemeinschaften äußerst wenig über politische Fragen diskutiert wird. Häufig tritt in den Sportgemeinschaften das »Nursportlertum« in Erscheinung. Das ist besonders bei den Sportarten wie Tennis, Kegeln, Rudern, Segeln und Kanu der Fall, wo noch immer kleinbürgerliche Elemente vorherrschend sind. Hierzu folgendes charakteristisches Beispiel:
In der Sektion Kegeln in Geithain, [Bezirk] Leipzig, sind 85 % bürgerliche Elemente vereinigt, hauptsächlich Handwerker und Geschäftsleute, die nur beigetreten sind, um die Kegelbahn benutzen zu können und die Vorteile der BSG zu genießen. Bei Vergnügungen der BSG beteiligten sie sich in geringem Maße, während sie bei Kegelvergnügen 100%ig anwesend sind.
Die Sportler erklären immer wieder, dass sie von Politik nichts wissen wollen und ihre Aufgabe in der Steigerung ihrer sportlichen Leistungen sehen. Der Sportler [Vorname Name] aus der BSG »Traktor« Löwenberg, [Kreis] Gransee, [Bezirk] Potsdam, bestätigte die Tendenz des »Nursportlertums«, indem er sagte: »Unsere BSG betreibt wohl Sport, aber die politischen Ereignisse finden bei uns wenig Beachtung. Die meisten Sportler sind der Ansicht, wenn wir Sport treiben, so genügt uns das. Auch in den Versammlungen ist nicht viel von einer politischen Arbeit zu sehen.« »Wir sind Sportler und wollen Sport betreiben, aber keine Politik«! Diese beiden Beispiele sind charakteristisch für die Interessenlosigkeit zu politischen Fragen.
»Nursportlertum« tritt in folgenden BSG stark in Erscheinung:
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Sektion Tennis von der BSG Lok Aue
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Feldtennisspieler in Meerane, [Kreis] Glauchau
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BSG Motor-West Zella-Mehlis, [Bezirk] Suhl
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BSG Motor-Ost Zella-Mehlis, [Bezirk] Suhl
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BSG Traktor Viernau, [Bezirk] Suhl
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BSG Motor Senshausen, [Bezirk] Suhl
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BSG Motor Schwarza, [Bezirk] Suhl
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BSG Aktivist Tiefenort, [Kreis] Bad Salzungen
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BSG Stützerbach,1 [Kreis] Ilmenau
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BSG Aufbau Häselrieth, [Kreis] Hildburghausen (Diese Sportler beteiligten sich im Nationalen Aufbauwerk der Gemeinde – jedoch für politische Arbeit zeigen sie kein Interesse.)
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in den Sektionen Schwimmen, Gymnastik und Turnen der SC Aufbau Magdeburg
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BSG Chemie Waldheim, [Kreis] Döbeln, [Bezirk] Leipzig
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SC Empor Rostock
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BSG Johanngeorgenstadt2 und Werk 536 Zwickau3 sowie Poliklinik Zwickau
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BSG Motor (VEB Glashütter Uhrenbetriebe, [Bezirk] Dresden)
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SG Braunsdorf, [Bezirk] Dresden
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BSG Motor Bannewitz, [Bezirk] Dresden
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BSG Chemie Schwepnitz, [Kreis] Kamenz, [Bezirk] Dresden
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BSG Einheit, Sektion Hockey4 und Fußball, Güstrow
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BSG Lok Güstrow
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BSG Traktor in den Sektionen Hockey und Fußball – in den Städten Plau [am See], Goldberg und Lübz,5 [Bezirk] Schwerin
In Berlin sind besonders in den Wassersportsektionen der BSG Empor Lichtenberg, SG Brise und SG Ajax Neptun6 sowie in der Hockey-Ligamannschaft der BSG »Lok-Pankow« starke Erscheinungen von »Nursportlertum« vorhanden. In der BSG Motor Lichtenberg gibt es sogar einige Genossen, die jede politische Arbeit innerhalb der BSG ablehnen. Ein krasser Fall des »Nursportlertums« ist der Trainer Hasse des Bezirksligakollektivs Motor Gotha, [Bezirk] Erfurt, Sektion Fußball, der sich von jeder politischen Arbeit distanziert.
Die Erscheinungen von »Nursportlertum« machen sich im Kreis Weimar besonders unter den Keglern und Fechtern bemerkbar. Bei den Keglern handelt es sich um Geschäftsleute, wie Friseure und Bäckermeister, die nur ihrem Sport nachgehen, politisch sind diese Leute völlig indifferent. Im Bezirk Magdeburg tritt in vielen Sportgemeinschaften in den Sektionen Schwimmen, Gymnastik und Turnen Nursportlertum in Erscheinung.
Im Bezirk Gera ist die Sektion Tennis (Gera) und Kegeln (Rudolstadt, Gera, Zeulenroda) sehr stark mit Nursportlertum durchdrungen. Jedoch gibt es auch Ausnahmen. So wurde z. B. eine etwas regere Diskussion unter den Sportlern über die Aufstellung einer Volksarmee geführt,7 was sich besonders in den Bezirken Suhl, Karl-Marx-Stadt, Leipzig und im Wismut-Gebiet zeigte. Die Diskussionen waren dazu sehr unterschiedlich. Die Ursachen dafür sind in der unterschiedlichen Besetzung mit Funktionären zu suchen, nämlich dort, wo klassenbewusste Genossen unserer Partei vorhanden sind, haben wir gute Beispiele, wo viele Sportler sich verpflichten, der Nationalen Volksarmee beizutreten. So verpflichteten sich z. B. 14 junge Sportler von der BSG Motor Dietlas,8 [Kreis] Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, 17 Sportler von der BSG Einheit Zwickau, von der BSG Aufbau Stützengrün, [Kreis] Aue, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, in die Reihen der KVP, und von der BSG Wismut Bärenwalde-Hartmannsdorf, [Kreis] Zwickau[-Land], sieben Sportler in die Reihen der Volksarmee einzutreten.
II. Republikfluchten von Sportlern
In allen Bezirken wurden Sportler republikflüchtig. In den meisten Fällen sind es familiäre Gründe oder es wollten sich Sportler durch Republikflucht der Werbung zur VP entziehen. So nimmt z. B. die Zahl der Republikfluchten der Sportler im Bezirk Magdeburg ständig zu. Im IV. Quartal 1955 verließen 52 Sportler die DDR, darunter einige Spitzensportler, wie Lilo Maikart,9 Meister des Sports von Motor Mitte Magdeburg, und Wilhelm Thiele, Trainer für Radsport beim SC Aufbau Magdeburg. Besonders stark treten die Republikfluchten in den BSG Motor und BSG Traktor in Erscheinung. So wurden von der BSG Motor im Jahre 1955 36 und von der BSG Traktor 55 Sportler republikflüchtig. Jedoch wurden im Bezirk Magdeburg in wenigen Fällen Anzeichen für Abwerbungen festgestellt. Meist handelt es sich um familiäre Gründe oder um angeblich der VP-Werbung zu entgehen. So wurden z. B. sechs Sportler der BSG Traktor in Havelberg republikflüchtig, weil sie angeblich zur VP geworben werden sollten.
Ähnliche Beispiele aus anderen Bezirken könnten angeführt werden, nur mit dem Unterschied, dass die Zahl der Republikflüchtigen nicht so hoch wie in Magdeburg ist. Bei den Republikfluchten von Sportlern in den übrigen Bezirken muss auch angeführt werden, dass nur ein geringer Teil abgeworben wurde bzw. Abwerbung vermutet wird. Hierzu einige Beispiele:
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Aus der Boxstaffel der BSG »Motor« Wolgast, [Bezirk] Rostock, wurden die beiden Spitzensportler Börner und Baumann Ende 1955 republikflüchtig. Die Genannten verließen die Republik, nachdem ihre Boxstaffel in Hamburg einen Vergleichskampf durchführte. Beide genannten Sportler haben wahrscheinlich aufgrund einer Abwerbung die Republik verlassen.
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Die BSG »Traktor« Delitzsch, [Bezirk] Leipzig, hatte in Hamburg ein Spiel gegen eine dortige Mannschaft auszutragen. Der Spitzensportler Riedel, beschäftigt gewesen beim Rat des Kreises Delitzsch, nahm daran teil und wurde kurz drauf republikflüchtig. Bei diesem Spiel war der republikflüchtige Hörig, früher Leiter der VEB-Kreisgrundstücksverwaltung Delitzsch, anwesend. Dieser steht im Verdacht R. abgeworben zu haben.
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Von der BSG »Motor« in Hartha, [Kreis] Döbeln, [Bezirk] Leipzig, ist der Sportler Wagner, Rolf, infolge Abwerbung durch den ehemaligen Inhaber des Betriebes republikflüchtig geworden.
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Von dem ehemaligen Schwimmsportler Quenstedt10 vom SC »Aufbau« Magdeburg, der im Sommer 1955 republikflüchtig wurde und in Bremen tätig ist, wurden bei einem Schwimmausscheid in Hamburg, an dem die Schwimm-Mannschaft des Sportclubs »Aufbau« Magdeburg teilnahm, verschiedene Sportler angesprochen, nach Westdeutschland zu kommen bzw. gleich dort zu bleiben. Während der Cheftrainer Zierau,11 der Schwimmer Petzerling12 und Wenzel13 dieser Aufforderung nicht Folge leisteten, kehrte der Spitzensportler Rademacher14 von Quenstedt nicht in die DDR zurück. In Form eines Glückwunschschreibens zum Neuen Jahr versuchte Quenstedt Ende 1955 auch den Spitzensportler Fritsche15 vom Sportclub »Aufbau« abzuwerben. Dieser ging jedoch nicht darauf ein. Quenstedt ist Trainer in einem Schwimmverband in Bremen, nach ihm wird gefahndet.
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Aus dem Kreis Güstrow, [Bezirk] Schwerin, wird berichtet, dass in der letzten Zeit die Republikflucht nachgelassen hat. Die stärkste Abwanderung wurde im November und Dezember 1955 festgestellt. Dabei war zu verzeichnen, dass bei einem Spiel gegen die Mannschaft von Bad Segeberg fünf Spieler der 1. Mannschaft der BSG »Einheit« flüchtig wurden. Der Trainer der Mannschaft des Bades Segeberg führte die Abwerbung durch.
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Aus Oppach,16 [Kreis] Löbau, ging eine gesamte Fußballmannschaft nach Westdeutschland. Als Mittelsmann der Abwerbung steht ein Friseurmeister in Verdacht, welcher Mitglied der NDPD ist. Die Sportler waren meistens Werktätige aus der IKA, ehemals ein Zweigbetrieb des Siemens-Konzerns.
III. Gesamtdeutsche Sportarbeit
Es ist festzustellen, dass auch ein großer Teil unserer Sportgemeinschaften gute Verbindungen zu den einzelnen westdeutschen Sportvereinen haben und ein reger Sportverkehr stattfindet, dabei ist allerdings festzustellen, dass es in der Hauptsache sportliche Interessen sind, die diese Menschen zusammenführt und weniger politische. Jedoch äußern sich westdeutsche Sportler sehr häufig anerkennend über unsere Förderung des Sportes in der DDR. Es muss allerdings hier auch angeführt werden, dass es solche Beispiele gibt, wo aufgrund guter Zusammenarbeit von Sportlern der DDR und Westdeutschland politische Aktionen gestartet werden. So wurde z. B. mit Sportlern aus Bad Harzburg beraten und diskutiert, wie das Stahlhelm-Treffen verhindert werden konnte,17 was auch durch den Einsatz der Sportler gelang.
Eine gute Arbeit im gesamtdeutschen Sportverkehr wird z. B. innerhalb der SV Wismut von der
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BSG Wilkau-Haßlau, KSO Oberschlema
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BSG Bärenstein, KSO Johanngeorgenstadt
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BSG Werk 536, KSO Crossen, [Kreis] Zwickau[-Land]
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BSG Annaberg, KSO Johanngeorgenstadt
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Sportclub Wismut, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt
berichtet.
Diese BSG luden westdeutsche Mannschaften (besonders Fuß- und Handballer) ein und führten auch in Westdeutschland Rückspiele durch. Hierbei trat besonders im Werk 536 in Erscheinung, dass unsere Sportler, die mit in Westdeutschland weilten, sich davon überzeugten, dass ein gewaltiger Unterschied zwischen unserer demokratischen Sportbewegung und dem »Profi-Sport« in Westdeutschland besteht. Bei der BSG Wilkau-Haßlau weilte eine Hamburger Handballmannschaft. Drei Handballer davon wollten in der DDR bleiben. Der Mannschaftsleiter hatte alle Mühe, um diese Freunde wieder mit zu bekommen. Gute Ergebnisse der gesamtdeutschen Arbeit zeigten sich auch in den Kreisen Schönebeck, Salzwedel und Gardelegen des Bezirkes Magdeburg.
Neben den zahlreichen positiven Beispielen, die noch erweitert werden könnten, zeigt sich jedoch, dass in einigen Kreisen des Bezirkes Leipzig und Neubrandenburg man erst in diesem Jahr versucht, die gesamtdeutsche Sportarbeit zu aktivieren. Die Ursachen für den teilweise noch ungenügenden gesamtdeutschen Sportverkehr liegen einmal in den mangelhaften Anstrengungen der Leitungen der einzelnen Sportgemeinschaften, den gesamtdeutschen Sportverkehr zu verstärken, zum anderen auch in finanziellen Schwierigkeiten, besonders bei den kleineren Sportgemeinschaften. So wurde z. B. die BSG »Aufbau« Altenburg, [Bezirk] Leipzig, von ihrer zentralen Leitung aufgefordert, mit westdeutschen Vereinen in Verbindung zu treten und diese nach hier einzuladen. Nachdem sie von mehreren Mannschaften die Zusage erhalten hatte, musste sie wieder absagen, weil die zentrale Leitung nur einen Zuschuss von 500 DM gewährte, die Kosten aber etwa 3 000 DM betrugen. (Die Kosten sind deswegen so hoch, weil die westdeutschen Sportler den vollen Fahrpreis bei der Reichsbahn bezahlen müssen.)
Leider gibt es auch solche Erscheinungen, wo bei nationalen Vergleichskämpfen Sportler der DDR unmoralisches Verhalten an den Tag legten. Am 7.1.1956 nahm die Handballmannschaft aus Magdeburg am internationalen Turnier in Neumünster teil. Die Magdeburger Mannschaft ist mit den Funktionären, die sie begleiteten, wie z. B. Vorsitzender vom Sportkomitee Lüderitz sowie ihrem Trainer Meves,18 am Abend nach dem Turnier nach Hamburg gefahren. Dort wurde das Hamburger Nachtleben studiert und auch der Film 08/15 besucht.19 Weiterhin hielten sie sich in verschiedenen verrufenen Gaststätten an der Reeperbahn auf. Der Trainer Meves hat sich mit dem Hamburger Handballspieler – genannt Atom-Otto20 – der in Hamburg ein Geschäft unterhalten soll, getroffen und ist mit diesem längere Zeit von der Delegation entfernt gewesen. Mit Pkw neuester Bauart haben die genannten Personen die Delegation aus dem Kino geholt. Die Zeche wurde von dem Handballspieler aus Hamburg beglichen. Von Lüderitz haben die Sportler bei Ankunft 15,00 DM West zusätzlich erhalten. Der Funktionär Milius,21 Mitglied des Präsidiums der Sektion Handball der DDR, hat ebenfalls an der Fahrt teilgenommen.
Bei Mitgliedern des Sportclubs Wismut, Sektion Schwimmen, trat in Erscheinung, dass bei Vergleichskämpfen in Westdeutschland Schundfilme angesehen wurden und diese dann auch Gesprächsthema wurden.
IV. Schwächen und Mängel in der Arbeit der Kreis- und Bezirkskomitees für Körperkultur und Sport
a) Mängel der Arbeit des Deutschen Sportausschusses im gesamtdeutschen Verkehr
Der Deutsche Sportausschuss ist verantwortlich für die Durchführung der Arbeiten im gesamtdeutschen Spiel- und Sportverkehr. Bisher zeigte sich, dass der Deutsche Sportausschuss seine Aufgaben im Nationalen Sportverkehr nur ungenügend erfüllt hat. Dies drückt sich darin aus, dass es nur vereinzelt gelungen ist, wirklich gute Verbindungen mit westdeutschen Vereinen und Funktionären herzustellen. Es macht sich hier vor allem bemerkbar, dass vonseiten der Westvereine zum großen Teil das Bestreben vorhanden ist, starke finanzielle Vorteile aus gesamtdeutschen Veranstaltungen zu ziehen, wogegen fast gänzlich die normalen sportlichen Verbindungen in den Hintergrund treten. Dies ist jedoch zum großen Teil darauf zurückzuführen, weil wir bis vor einiger Zeit die Zuwendungen in ungerechtfertigter Höhe und den normalen Rahmen übersteigend gewährt haben.
Vor allem trifft dies zu für die Sektion Motorsport. Hier wurden von den aus Westdeutschland kommenden Sportlern, die oft keine Spitzensportler waren, Beträge für den Sport von ca. 2 000 DM ausgezahlt, wofür diese bei uns Schreibmaschinen, optische Geräte u. a. eingekauft (die im Kurs sehr hoch stehen) und in WD wieder 1 : 1 verkauft haben. So ist vor allem im Motorsport zu verzeichnen, dass ein großer Teil der Westfahrer hauptsächlich von Veranstaltungen in der DDR lebt. Andererseits ist darüber bei unseren Motorsportlern eine starke Verärgerung vorhanden, da diese bei unseren Veranstaltungen viel weniger erhalten. Die Beträge, die an unsere Fahrer bei Starts in der DDR gezahlt werden, liegen etwa bei 200 bis 300 DM.
Die Verbindungen des Deutschen Sportausschusses nach Westdeutschland beschränken sich fast ausschließlich auf Funktionäre der KPD und es ist bisher nur vereinzelt gelungen, auch andere Menschen für die Ziele im gesamtdeutschen Sportverkehr zu gewinnen. Negative Diskussionen im Deutschen Sportausschuss wurden nicht bekannt, da vorwiegend Genossen unserer Partei vertreten sind.
b) Zur Arbeit der Kreiskomitees für Körperkultur und Sport
Häufig ist in den Kreisen festzustellen, dass die SED-Kreisleitungen den Kreissportkomitees wenig Anleitung und Hilfe geben, besonders wurde uns dies aus den Betrieben Frankfurt/O. und Cottbus bekannt. Andererseits gehen die einzelnen Mitarbeiter der Kreiskomitees zu wenig in die Gemeinden, um die einzelnen BSG anzuleiten, deswegen ist dort die Sportarbeit sehr ungenügend.
So hatte z. B. die BSG Ummerstadt, [Kreis] Hildburghausen, seit zwei Jahren Schwierigkeiten in ihrer Arbeit. Trotz Information an das Komitee ließ sich keiner der Funktionäre in Ummerstadt sehen. Im Kreisgebiet Röbel erhalten die BSG und Sportgemeinschaften vonseiten der hauptamtlichen Funktionäre keine Anleitung und Unterstützung. Der Vorsitzende des Kreiskomitees, der kommissarisch eingesetzt ist, verspricht den Sportlern viel, tut jedoch nichts, um seine Versprechen einzuhalten. Schon oftmals wurde er zu Versammlungen der einzelnen BSG eingeladen, sagte zu, erschien jedoch dann nicht.
Derartige Beispiele könnten noch beliebig erweitert werden. Es muss natürlich auch berücksichtigt werden, dass eine Reihe von Vorsitzenden der Kreiskomitees für Körperkultur und Sport noch nicht die nötigen Erfahrungen der praktischen und politischen Sportarbeit haben. Dieses macht sich besonders in den Fragen des Massensportes, in der Zusammenarbeit mit der FDJ sowie den Massenorganisationen bemerkbar. In vielen Fällen findet keine Koordinierung der Arbeit statt. In den Kreisen wie auch in den Bezirken fehlt es an qualifizierten Übungsleitern, die positiv zur Entwicklung in der DDR stehen. Deshalb muss oftmals auf bürgerlich eingestellte Kräfte zurückgegriffen werden.
Besonderheiten in den Bezirken
Im Bezirk Cottbus wird unter den Sportlern darüber diskutiert, dass sie es nicht verstehen können, dass vonseiten des Staatlichen Komitees für Körperkultur geplant ist, in Erfurt ein Eisstadion zu bauen. Sie fragen sich, warum wird nicht in Weißwasser ein Eisstadion gebaut, wo einmal mannschaftlich die Voraussetzungen gegeben sind.22 Sie bringen zum Ausdruck, dass die Sportfunktionäre nicht berücksichtigt haben, dass in diesem Gebiet das Großkombinat »Schwarze Pumpe« entsteht.
Im Sportclub Motor Zella-Mehlis, [Kreis] Suhl[-Land], konzentrieren sich im Trainerkollektiv Offiziere der ehemaligen faschistischen Wehrmacht – alle Trainer waren Offiziere. Im gesamten Sportclub ist nur ein Genosse unserer Partei, der zu schwach ist, um sich intensiv mit den Sportlern auseinanderzusetzen. Das Trainerkollektiv verfällt noch des Öfteren in sogenannte faschistische Methoden, die sich darin ausdrücken, dass die Sportler »geschliffen« werden.
In Jena herrscht zwischen der BSG »Motor« Zeiss und dem Sportclub »Motor« eine gewisse Rivalität. Insbesondere wird ständig versucht, den Sportclub in der Raum- und Platzfrage zu benachteiligen und ihn nicht als führende Sportgemeinschaft anzuerkennen. Typisch für dieses Verhältnis ist die Äußerung eines Leitungsmitgliedes der BSG gegenüber einem Sportler, welcher zum Sportclub überwechselte: »… Na ja, du bist eben ein Opfer des Kampfes zwischen dem Sportclub und der Betriebssportgemeinschaft geworden!«
Im Bezirk Rostock tritt häufig in Erscheinung, dass die einzelnen BSG untereinander gute Sportler abwerben, was sich hemmend auf die gesamte Entwicklung des Sportes im Bezirk auswirkt.
Hetze der Westsender
RIAS hetzte gegen die Ausführungen Manfred Ewalds23 auf der III. Sportkonferenz in Karl-Marx-Stadt.24 E. hätte ausdrücklich erklärt, »dass gesamtdeutsche Sportbeziehungen politischen Zwecken dienstbar gemacht werden sollen« und er hat damit die ursprünglich zwischen Ost und West getroffenen Vereinbarungen über den unpolitischen Charakter gesamtdeutscher Sportbegegnungen zurückgenommen. Man werde sich unter den westlichen Sportlern nun endlich einmal Gedanken machen müssen, ob und wenn, wie man den gesamtdeutschen Sportverkehr »mit Leuten wie Manfred Ewald noch länger fortsetzt«. Ewald habe ebenfalls klipp und klar gesagt, dass der »Sport und die Sportausübung nur als Mittel zum politischen Zweck« dienen soll. Die Reden Ewalds und Ulbrichts25 hätten ihre Bedeutung auch für die Sportler in der DDR. »Sie lassen erkennen, dass die Ansichten der Partei über den Sport eben gerade bei den Sportlern selbst keine Resonanz gefunden haben, dass es den Sportinteressierten gar nicht um Politik geht, wenn sie sich auf dem Fußballplatz oder in der Turnhalle betätigen.« Es sei deshalb nicht erstaunlich, wenn DDR-Sportler republikflüchtig würden.