Diskussionen auf Bauernversammlungen
29. August 1956
Information Nr. 176/56 – Betrifft: Diskussionen auf Bauernversammlungen
Es wurden wiederum Beispiele bekannt, wo Bauern auf Versammlungen über verschiedene wirtschaftliche Probleme heftig diskutierten und ihre Verärgerung oftmals in böswilliger Art zum Ausdruck brachten. Dazu folgende Beispiele:
Am 24.8.1956 fand in der Gemeinde Ilkendorf, [Kreis] Meißen, [Bezirk] Dresden, eine erweiterte Gemeindevertretersitzung statt, zu der diejenigen Bauern geladen waren, die noch Steuerschulden hatten. In dieser Sitzung kam es zu heftigen Diskussionen, in der u. a. ein Bauer (SED) sagte, dass man den LPG die Schulden streichen würde. Er bezeichnete die Genossenschaftsbauern als »faule Schweine«, während man den anderen Bauern alles abnehmen würde. Des Weiteren brachte er zum Ausdruck, dass die Regierung den Bauern nur den Hals abwürgen wolle. Er erklärte, man sollte sich auf Pirna besinnen.1 Er wäre selbst dort gewesen und hätte sich mit einzelnen Bauern darüber unterhalten.
Am 22.8.1956 fand in Oberscheibe,2 [Kreis] Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, eine Bauernversammlung statt, wo es zu lebhaften Diskussionen über die Fragen »Arbeitskräftemangel« und »Entlohnung in der Landwirtschaft« kam. In dieser Versammlung wurde von einzelnen Bauern erklärt: »Sie hätten es noch nie so schwer gehabt wie jetzt. Es wären keine Arbeitskräfte zu bekommen. Es wäre am besten, alles hinzuwerfen. Sie würden bis aufs letzte ausgebeutet.« Ein Genossenschaftsbauer erklärte: »Bei mir ist es auch bald Schluss. Soll doch werden was will. Mein Sohn ist schon zur Wismut3 gegangen, weil ich ihm nichts geben kann. Wir Genossenschaftsbauern sind die ärmsten Leute im Staat. Das ist Raubbau, was man mit uns treibt. In der Industrie wird die Arbeitszeit verkürzt und bei uns wird sie ständig länger bei niedrigstem Verdienst«.
Der VdgB/BHG-Vorsitzende von Crottendorf brachte zum Ausdruck: »In Westdeutschland streikt man wegen 3 Pfennig Lohnerhöhung und dieser Streik wird von uns noch unterstützt. Bei uns erhöht man dafür die Preise, ohne dass man etwas dagegen tun kann«. Hierauf rief ein Bauer, ebenfalls aus Crottendorf: »Wir müssen eben auch streiken, damit sich etwas ändert«.