Information zur Lage in der DDR (4)
6. November 1956
Information Nr. 312/56 – [Lage in der DDR]
Industrie: Im Industriewerk Ludwigsfelde drohten die Autogenschweißer dem Arbeitsdirektor mit Arbeitsniederlegung, wenn sie keine 10 % Erschwerniszulage erhalten.
Berlin: Im VEB Inex – Abteilung Elektrotechnik – herrschte gegen 12.02 Uhr absolute Arbeitsruhe. Es handelte sich offensichtlich um die Sympathiekundgebung in Bezug auf die Ereignisse in Ungarn.1
Handel: Die Einwohner der Maxim-Gorki-Straße in Gera wollen gegen die Beseitigung der Lebensmittelkarten eine Unterschriftensammlung durchführen.2
Dresden: Am 3.11.1956 gab es im staatlichen und genossenschaftlichen Handel in Dresden kein Mehl mehr, da es in letzter Zeit in größeren Mengen gekauft worden war. In einer Verkaufsstelle in Jonsdorf,3 [Kreis] Zittau, wurde das Mehl, welches sonst für eine Woche reicht, in einem halben Tag verkauft. Die Frau des Arztes hat am 3.11.1956 solche Mengen Mehl, Teigwaren, Reis und Konserven eingekauft, dass sie mit dem Handwagen nach Hause fahren musste. In Hennigsdorf werden ebenfalls Angsteinkäufe getätigt mit der Begründung, dass ja jetzt alles nach Ungarn geschickt wird.
Berlin: In Berlin, Neue Schönholzer Straße, werden durch die Frauen ebenfalls Angsteinkäufe getätigt.
Landwirtschaft
Potsdam: Am 31.10.1956 wurden durch den Brigadier und Traktoristen des MTS Stützpunktes Dahlewitz, [Kreis] Zossen, im Kulturhaus Dahlewitz faschistische Lieder gesungen. »Deutschland, Deutschland«4 und das »Afrikalied«.5 Vorher pöbelte der Brigadier ein Mitglied der SED an, »er solle sein Bon-Bon abnehmen«.6
Magdeburg: Ein LPG Bauer der LPG Wegeleben, [Kreis] Halberstadt, beschimpfte den Vorsitzenden der LPG und erklärte, wenn es einmal anders würde, käme er als Erster an den Galgen.
Frankfurt/O.: Am 4.11.1956 wurde ein Mitglied der LPG Bad Saarow auf dem Heimweg von der Gaststätte auf der Straße von fünf Personen misshandelt und mit der Kurbel eines Traktors niedergeschlagen. Darauf wurde versucht, ihn mit einem Traktor zu überfahren. Die fünf Personen äußerten: »Mit dieser Bande machen wir es genauso wie in Ungarn.«
Magdeburg: Im Kreis Loburg argumentieren Großbauern mit der »Freien Wirtschaft«. In diesem Falle würden dann nicht mehr solche Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung auftreten. In einer Wahlversammlung der VdgB/BHG in Tangermünde, Kreis Stendal, versuchten die Großbauern in den Vorstand zu kommen. Ein Bauer, der aus Westdeutschland zurückgekehrt ist, erklärte dort, dass die Zeiten vorbei sind, wo mit den LPG-Bauern human umgegangen wird. Ein LPG-Mitglied aus Haldensleben lehnt die Übernahme einer Funktion mit der Begründung ab: »Wenn die drüben kommen, hängen sie mich auf.« Von einem Bauern in Druxleben7 wurde der Ablieferungsbescheid für 1957 mit der Bemerkung entgegengenommen, dass sie 1957 doch nicht mehr gebraucht werden.
Dresden: Am 5.11.1956 verweigerten zehn Schüler der Fachschule für Landwirtschaft in Zittau die Arbeit: sie sollten Arbeiten tun, wo sie nichts lernen können. (Kartoffeln nachlesen, die schon eine Woche liegen.) Um 13.00 Uhr wurde die Arbeit wieder aufgenommen.
Feindtätigkeit
Potsdam
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Am 3.11.1956 wurden von einem Lohnabrechner (SED) im Karl-Marx-Werk Babelsberg (Lokomotivbau) in der Halle 46 mehrere Bilder (Stalin und Bebel)8 abgenommen. Diese Bilder nahm er auf Drängen seiner Kollegen ab. Eine Aussprache mit der Leitung der BPO der SED lehnte er ab. Am 5.11.1956 wurde im selben Betrieb, auch Halle 46, ein Bild Stalins von unbekannten Personen entfernt.
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Am 6.11.1956, gegen 9.50 Uhr, wurden zwölf Ballons gesichtet, die aus Richtung Wannsee kommend nach Kleinmachnow, [Kreis] Potsdam-Land, weiterflogen.
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Am 4.11.1956 (abends) wurden auf einer Straße in Falkensee, [Kreis] Nauen, von unbekannten Personen 200 Flugblätter (Handabzug) mit dem Inhalt: »Tod den mordenden Sowjetbanditen« verbreitet.
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Am 4.11.1956, gegen 24.00, Uhr wurde in einer Straße in Wittstock an einem Baum ein selbstgefertigtes Flugblatt (handschriftlich mit Tinte) mit: »Wir wollen freie Wahlen«, »Das SSD-9 und SED-Regime hält sich nur durch Sowjettruppen«, »Freiheit – Freiheit – Freiheit« (Größe 10,5 × 13 cm).
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Im Gelände des Observatoriums Potsdam wurde am 3.11.1956, 15.15 Uhr, an einem Baum eine Metalltafel (17 × 26 cm) angebracht, auf der ein Arbeiter, Bauer, ein Angehöriger der Intelligenz zu sehen ist. Darunter befindet sich ein Hakenkreuz, das von einem Zahnrad umschlagen ist. Auf dieser Tafel steht: »Ehrt die Arbeit und achtet den Arbeiter. Adolf Hitler«.
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Am 5.11.1956 wurde in einem Briefkasten in Potsdam ein Brief mit der Anschrift »an Spitzbart Pankow« und einer 5-Pfg.-Marke mit dem Bild Hitlers gefunden. In dem Brief befand sich die Hetzschrift: »der Republik« [sic!].
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In der Nacht vom 4./5.11.1956 wurde in der Geschäftsstelle der NDPD Jüterbog eingebrochen und Schriftenmaterial sowie ein Stempel entwendet.
Dresden
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Am 5.11.1956 wurde in Kirschau, [Kreis] Bautzen, eine Hetzlosung angeschmiert: »Schmerbauch, Spitzbart, Brille, das ist nicht des Volkes Wille«.10
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In Bischofswerda wurde am 2.11.1956 eine Hetzlosung mit Kreide angebracht: »Aufstand in Ungarn«. Am Gebäude des Kreisgerichtes war ebenfalls mit weißer Kreide das Wort »Aufstand« geschmiert. Im Bahnhof Tharandt,11 [Kreis] Freital, wurde in der Nacht zum 5.11.1956 eine Hetzlosung angebracht: »Es lebe der Freiheitskampf in Ungarn«.
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Im VEB Maschinenbau Görlitz wurde am 1.11.1956 eine Hetzlosung mit Tinte geschrieben festgestellt: »Abtreten Walter Ulbricht und Grotewohl, die Rentner müssen bald verhungern. Die Parteibonzen, die keine Ahnung von [der] Führung der Partei haben, verprassen. Weg mit den Nichtstuern, es lebe die Freiheit.«
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Beim Aufgang zur BGL im VEB Görlitzer Maschinenbau war an einer Tafel am 1.11.1956 ein Zettel mit einer Hetzlosung befestigt: »Schließt euch an Kollegen zur Beseitigung der SED – Zwangsdiktatur und Regierung.«
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Am 5.11.1956 wurde am Gasthof Mittelndorf12, [Kreis] Sebnitz, eine Losung angebracht: »Nieder mit den Mördern Ungarns«.
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In der Baustelle Hirschfelde, [Kreis] Zittau, wurden am 2.11.1956 Hetzlosungen festgestellt, welche sich gegen den Genossen Walter Ulbricht richteten.
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In der Fachschule für Bauwesen Zittau wurden in der Zeit vom 4. zum 5.11.1956 verschiedene Hetzlosungen in sämtlichen drei Stockwerken und an den beiden Treppenaufgängen mit verschiedenen Anstrichen an den Wänden angebracht: »Freiheit« – »Wir brauchen keinen russischen Vormund« – »Fort mit dem Gewi-Unterricht«13 – »Wir werden nie die Mordtaten der Sowjetarmee in Ungarn vergessen« – »Ende der sowjetischen Diktatur« – »Moskau zeigt sein wahres Gesicht« – »Freie Wahlen« – »wir wollen keinen Monopolkapitalismus, wir wollen aber auch keine Sowjetunterdrückung, wir wollen freie Wahlen«. Weiterhin wurden an einer Wandzeitung ein rotes Fahnentuch und ein Leninbild heruntergerissen.
Leipzig
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Am 1.11.1956 wurde auf der Johann-Meyer-Straße in Dresden14 eine Hetzlosung angeschmiert: »Es lebe die Revolution« – in Ungarn.«
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In der Nacht vom 3. zum 4.11.1956 wurden bei dem Parteisekretär der LPG »Karl Liebknecht«, Genossen Heine in Großlehna,15 [Kreis] Leipzig[-Land], von drei unbekannten Tätern eine Fensterscheibe eingeworfen und dabei die Drohung ausgesprochen: »Dir geht es noch so wie denen in Ungarn«.
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Vom 4. zum 5.11.1956 wurde am Ortseingang Dösen, [Ortsteil von] Leipzig, Leinestraße, eine Straßensperre gelegt. Unbekannte Täter warfen einen 2,5 m langen und 50 cm starken Baumstamm quer über die Straße.
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Am 5.11.1956 wurde am Portal der alten Universität in Leipzig folgende zwei Schmierereien festgestellt: »Los helft« und »Helft Ungarn«.
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Am 4.11.1956 wurde durch eine VP-Streife an einem Schaukasten der SED Wohnparteiorganisation in der Eisenbahnstraße in Geithain Folgendes angebracht: »Sowjetvolksausplünderer« – Täter sind nicht bekannt.
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Am 2.11.1956 wurde vom Bürgermeister aus Streitwald, [Kreis] Geithain, am Bahnhof Streitwald folgende Losung festgestellt: »Die Russen müssen raus«.
Cottbus
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In der Nacht vom 4. zum 5.11.1956 wurden von unbekannten Tätern in Forst an einem Zaun und einer Wand mit Kreide folgende Hetzlosungen angebracht: »Moskau – Mörder – Ungarns«.
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Am 5.11.1956 um 1.50 Uhr wurde in Guben in der Bahnhofsstraße eine Hetzlosung »Es lebe Ungarn, nieder mit Ulbricht und der SU« angebracht. Um 4.55 Uhr wurde eine weitere Hetzlosung »Nieder mit der SED« in der gleichen Straße festgestellt. Um 7.55 Uhr wurde festgestellt, dass gegenüber von der Kreisleitung in Guben eine Hetzlosung »Hilfe für Ungarn« angebracht sei.
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Um 9.15 Uhr wurde in der Gemeinde Groß Gastrose,16 [Kreis] Guben, an der Anschlagtafel der Bürgermeisterei eine Hetzlosung »Es lebe Ungarn, nieder mit den Russen« festgestellt.
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In der Nacht vom 2.11. zum 3.11.1956 wurden in der Stadt Jessen insgesamt vier Hetzlosungen an verschiedenen Grundstücken der Ernst-Thälmann-Straße angeschrieben: »Machts wie in Ungarn und helft Ungarn« – Beim Schreiben der 4. Losung ist vermutlich der Täter gestört worden, da der Täter nur noch »ma« schreiben konnte.
Halle
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Am Stadion Bitterfeld wurde eine Schmiererei mit dem Inhalt: »Iwan raus« festgestellt (2 m Länge 3 cm Höhe)
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Am 5.11.1956 wurde in Zörbig, [Kreis] Bitterfeld, in einem Schaufenster eine mit Schreibmaschine gefertigte Hetzlosung festgestellt: »Achtung, Achtung, Einwohner von Zörbig. Einwohner schließt euch den Streikenden an, die Kommunisten sind Heuchler. Sie sind Blutsauger, die Nachfolger der Junker, sie haben nur eine Maske um. Glaubt nicht an den Streik und die Hungersnot in Westdeutschland. Die Kommunisten stiften Unruhen, sie stören die friedliche Koexistenz. Darum befreit euch von eurem Joch, wir helfen euch, wir sind Deutsche wie ihr. Die Widerstandsgruppe.«
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Am 5.11.1956 wurde in Quedlinburg ca. 50 m von der Kommandantur eine Hetzlosung gegen die Freunde17 angeschmiert.
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Am 2.11.1956 wurde in dem Briefkasten eines Rentner in Sangerhausen eine Hetzschrift gesteckt. Sie war mit Tinte auf einem Bogen Schulpapier geschrieben und richtet sich gegen die DDR und führende Staatsfunktionäre.
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Am 2.11.1956 wurde in dem Briefkasten des Postamtes Eisleben eine offene Briefsendung gesteckt, welchen einen Zettel zur Aufklärung der Bevölkerung über die wahren Verhältnisse in Ungarn beinhalteten. Herausgeber: »SED-Kreisleitung« … »Da lachen ja die Hühner über solchen Blödsinn«.
Gera: Am 6.11.1956 wurde um 15.00 Uhr in Bad Blankenburg ein aus der Luft kommendes Flugblatt gefunden. Inhalt: Hetze gegen Walter Ulbricht – Aufruf zur Niederlegung der Arbeit, zur Isolierung der SED und dergleichen.
Besondere Vorkommnisse
Halle: Am 6.11.1956 war vor Schulbeginn an der Oberschule Bitterfeld im Schulhof eine große schwarze Fahne in der oberen rechten Ecke mit dem ungarischen Emblem versehen, am Fahnenmast angebracht worden. Am 6.11.1956, 7.30 Uhr wurden in Roßla, [Kreis] Sangerhausen,18 alle Glocken geläutet. Zur gleichen Zeit kamen alle Pfarrer des Kreises im Pfarrhaus Rossla zusammen.
Cottbus: In der 2. Oberschule Cottbus, 10. Klasse wollten die Schüler um 10.00 Uhr zwei Schweigeminuten durchführen.19 Dieses Vorhaben wurde vom Klassenlehrer abgelehnt. In der Diskussion mit den Schülern kam zum Ausdruck: – Warum haben Sowjettruppen in Budapest Phosphorbomben geworfen ? – Warum wurde die rechtmäßige Regierung (Nagy)20 verhaftet? – Warum hielten sich die Sowjettruppen nicht an deren Forderung, Abzug aus Ungarn. – Die Freiheitssender wurden nicht von Österreich eingeschmuggelt, sie bestanden auch im Ostteil Ungarns. – Die Aktionen der Sowjettruppen richteten sich gegen das Volk. Elf Schüler dieser Klasse sind Mitglieder der Jungen Gemeinde.
Dresden
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Am 1.11.1956 brannte in der Flachglashütte in Uhsmannsdorf, [Kreis] Niesky, der Kohlenbunker durch Selbstentzündung.
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Am 4.11.1956 brach in zwei Trockenräumen der Sächsischen Malzfabrik Dresden ein Brand aus. Schaden 40,00 DM.
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Am 4.11.1956 brach in einem Wohngrundstück in Dresden ein Brand aus. Ursache unbekannt, Sachschaden 20 000 DM.
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In der Oberschule Dresden-Reick traten am 3.11.1956 in der 10. Klasse Mädchen aufgrund einer hetzerischen Rede gegen die Beschlüsse der Regierung tumultartige Szenen auf.
Halle: Am 2.11.1956 führten die Schüler der 6./7./8. Klasse der Grundschule Rottleben,21 [Kreis] Artern, einen Proteststreik gegen die Jugendweihe durch, die als kommunistisch bezeichnet wird.22 Im Werk »Freiheit« stieß ein Abraumzug mit einem Kohlenzug zusammen. Ursache: Lokführer überfuhr Signal. Schaden 15 000 DM
Berlin: Am 1.11.1956 fuhren gegen 23.00 Uhr drei Männer von Oberschöneweide nach Prenzlauer Berg. Alle drei gehörten der faschistischen Luftwaffe an und nahmen angeblich an einem Soldatentreffen teil.
Truppenbewegungen
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Alle englischen Soldaten in Westberlin haben Urlaubssperre. Alarmposten wurden bezogen.
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Am 3.11.1956 fuhren um 19.00 Uhr 22 Panzer in das britische Hauptquartier in der Hanns-Braun-Straße Die Panzer waren feldmäßig mit geschlossenen Luken. Dazu fünf Munitionslastwagen. Das Zeugamt Spandau ist hermetisch abgeriegelt. An der Straßenseite (Hohenzollernring) des Objektes werden zusätzliche Bogenlampen aufgestellt. An den Mauern werden Sandsäcke ausgelegt und diese Stellen mit MG-Soldaten besetzt.
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In Westberlin gibt es keine Flugkarten auf der Fluglinie Amerika – Frankreich – England. Es gibt auch keine Aussicht in der nächsten Zeit darauf.
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In einer Beratung der CDU-Fraktion wurde der Vorschlag gemacht, in der Volkskammersitzung23 die Regierung wegen der schlechten Presseinformation zu kritisieren und eine Veränderung im Russisch-Unterricht an den Universitäten durchzusetzen. Die Antragsteller wurden vom Fraktionsvorsitzenden und vom Generalsekretär der CDU scharf zurechtgewiesen.
Anonymes Schreiben
An das Ministerium für Volksbildung, Berlin, wurde eine Karte mit folgendem Inhalt geschickt: »Wir stellen dem Ministerium die ultimative Forderung, bereits mit dem Englisch-Unterricht im 7. Schuljahr zu beginnen. Sollte dieser Forderung der Werktätigen nicht Rechnung getragen werden, legen wir in den Betrieben die Arbeit nieder.« Absender: Die Arbeiter des Kirow-Werkes in Leipzig. Die Karte ist in Leipzig am 2.11.1956 abgeschickt worden.
Studenten
Berlin
Die Studenten der Humboldt-Universität Berlin erwarten bis zum 9.11.1956 eine Änderung des Studienplanes, andernfalls wollen sie selbst Änderungen durchführen. (Aussprache eines Studenten mit der Heimpädagogin des Studentenwohnheimes Berlin-Biesdorf). Besonders stark treten an der Humboldt-Universität Studenten die Mitglieder der »Jungen Gemeinde« sind, auf. Sie fordern Studenten auf, mit nach dem Westsektor zu gehen. Ebenso äußern sie, dass die Studenten im 1. Studienjahr Biologie zu feige sind zu protestieren (Geräusche usw.)24
Im »Tagesspiegel« vom 3.11.1956 wird mitgeteilt, dass der Landesverband der Berliner Falken an den Rektor der Humboldt-Universität die Anfrage nach einem Termin für Besprechungen zur Bildung von Falken-Gruppen an der Universität gerichtet hat.25 Die Falken sind auf Viermächte-Beschluss in allen Sektoren Berlins zugelassen. An den Universitäten des Sowjetsektors und der Sowjetzone besteht jedoch nur der Einheitsjugendverband der FDJ. An den Ost-Berliner Universitäten sei jedoch gerade in den letzten Tagen »der Wunsch vorgebracht worden, von der FDJ unabhängige Studentenverbände zu schaffen«.
Der »Telegraf« vom 4.11.1956 berichtet, unter der Überschrift »Rebellion gegen SED« von einem Schreiben des Hochschulkuratoriums (Universität Hamburg) an den Minister für Kultur der DDR. Darin wird die Freilassung aller Studenten und Professoren gefordert und erklärt, dass die Traditionen der weltberühmten mitteldeutschen Universitäten nicht mehr gepflegt werden. Die Ostberliner Studenten protestieren gegen den Kurs der SED.26
Halle
Der Leiter des Instituts für Pflanzenforschung, Quedlinburg erklärte, dass sich zwei wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts noch in Ungarn befinden. Eine westdeutsche Wissenschaftlerin, die ebenfalls dort an der internationalen Tagung für Kernphysik teilnahm, teilte der Ehefrau des Wissenschaftlers [Name] mit, dass Truppen gesicherten Margareteninsel27 befanden, seit deren Abzug jedoch nichts mehr über den Verbleib der Wissenschaftler erfuhr.28
Ein Angehöriger der Falken erklärte, dass die interessierenden Ostberliner Studenten als Besucher auf die Falkengruppen verteilt werden.29
Am 6.11.1956 wollen trotz der Ausweis-Kontrollen Westberliner Studenten an der Vollversammlung der veterinärmedizinischen und philosophischen Fakultät der Humboldt-Universität teilnehmen.
Die Versammlung am 5.11.1956 im Auditorium Maximum der »Freien Universität« war überfüllt. Die Studenten wurden aufgefordert zum Handeln gegen die DDR und die SU.
Potsdam: Am 3.11.1956 äußerte ein Student der Humboldt-Universität in einem Restaurant in Jüterbog zu mehreren Personen (Volkspolizist, ein Angestellter des Kreisgerichtes und dessen Frau), dass die Studenten seiner Universität zu einem Streik übergegangen seien und er Augenzeuge dessen gewesen sei.
Berlin: Am 6.11.1956 fand am pathologischen Institut der Humboldt Universität eine Versammlung statt, an der 400 Studenten teilnahmen. Es sprach der 1. Sekretär der SED Bezirksleitung Berlin. Kein Student sprach zur Diskussion. Die Studenten verließen den Saal, als eine Resolution angenommen werden sollte. Die Studenten der Vet.mediz. Fakultät protestieren gegen die Ausweiskontrolle.30
Gera: Das 1. bis 4. Studienjahr der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Jena richtete an den Dekan ein Schreiben, wo die freiere Gestaltung des Studienablaufes gefordert wird. Gesellschaftswissenschaftlicher Unterricht fakultativ, keine Prüfung in dem Fach.
Westpropaganda
Der SFB vom 6.11.1956 meldete, dass der CDU-Vorstand die Absicht gehabt hätte, auf der letzten Volkskammertagung folgende Forderung vorzutragen:
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Die Regierung solle eine Erklärung abgeben über den tatsächlichen Umfang der Verpflichtungen, die der DDR im Rahmen des Warschauer Vertrages auferlegt sind.31
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Schaffung eines Gremiums aus Vertretern aller Parteien, dass neben der politischen auch eine fachliche Kontrolle der Ministerien- und Regierungsgeschäften auszuüben in der Lage ist.
- 3.
Abgabe einer Regierungserklärung über die gegenwärtige Versorgungslage.
- 4.
Einsetzung eines Hauptstudentenrates für die gesamte Zone, dem freigewählte Vertreter aller Parteien ohne Hinzuziehung der FDJ oder der Massenorganisationen angehören sollen.
Zu der heute am 6.11.1956 stattfindenden Versammlung an der medizinischen Fakultät an der Humboldt-Universität hetzt der RIAS in einer Sendung am 5.11.1956: »Man versucht, die für morgen anberaumte Vollversammlung der med. Fakultät zu behindern, indem man sie auf das 4. Studienjahr beschränken will. Wenn dies gelingen sollte«, so meint RIAS, »müsste das Schweigen während dieser Versammlung die beste Antwort auf die vorbereiteten Reden der FDJ- und Parteifunktionäre sein.«