Internationale Polizeiausstellung in Essen
[Ohne Datum]
Information Nr. 354/56 – Betrifft: Internationale Polizeiausstellung in Essen
Die internationale Polizeiausstellung fand vom 1. bis 23. September 1956 in Essen auf dem Gelände des Gruga-Parkes statt.1
Veranstalter
Internationale Polizei-Assoziation (I. P. A.),2 Deutsche Sektion
Schirmherr
Bundespräsident, Prof. Dr. Theodor Heuss3
Teilnehmer
Deutsche Bundesrepublik, Afghanistan, Belgien, Brasilien, England, Frankreich, Holland, Indonesien, Irak, Italien, Libanon, Österreich, Peru, Schweden, Schweiz, Sudan, USA.
Die Ausstellung sollte die Tradition der internationalen Polizeiausstellung fortsetzen. Eine derartige Ausstellung fand letztmalig 1926 in Berlin statt.4 Auf dieser Ausstellung sollte eine Übersicht über die Entwicklung und den gegenwärtigen Stand des Polizeiwesens der Länder gegeben werden, die der IPA angeschlossen sind. Sie sollte weiter der Aufklärung des Publikums und der Fortbildung der Polizeibeamten dienen. Weiterhin sollte diese Ausstellung die Beziehungen und gemeinsame Arbeit der Polizei besser gestalten.
Die technischen Einrichtungen der Ausstellung
Die internationale Polizeiausstellung belegte etwa 16 000 qm Hallenfläche und etwa 50 000 qm Freigelände.
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Halle 1: Empfang – Dolmetscherdienst, Ehrenhof mit Länderpavillons, ausländische Polizei
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2a: Geschichte der Polizei
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2: Uniformierte Polizei
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3: Polizeiverwaltung
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4: Veranstaltungshalle
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9: Kriminalpolizei – Sonderpolizeien, andere Behörden und Einrichtungen
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10: Uniformierte Polizei, Technik und Verkehr.
Auf dem Freigelände befanden sich Fahrzeuge, Einrichtungen und Anlagen für die Verkehrssicherheit, Schau der Polizeifahrzeuge und Polizeiboote, Darstellung eines Grenzabschnittes. Weiterhin bestanden eine Sonderschauhalle zur Durchführung der internationalen polizeiwissenschaftlichen Woche, ein Ausstellungskino, ein Verkehrskindergarten, ein Schießstand und ein Schießkino.
Aus vorliegendem Material ist ersichtlich, dass die gesamte Ausstellung der Bevölkerung nur einen sehr eng begrenzten Einblick in bestimmte Zweige der Polizeiarbeit vermittelte, die unmittelbar mit der Bevölkerung zu tun haben, wobei alles vermieden wurde, was auch nur den Anschein erwecken konnte, dass die Polizei als unmittelbares Werkzeug des Bonner Staates der Durchsetzung politischer Ziele auf innerpolitischem Gebiet dient. Die Ausstellung hatte den Charakter einer ausgedehnten Werbung für Erzeugnisse kapitalistischer Unternehmen im Rahmen einer kleineren Messe. Es wurde die Möglichkeit genutzt, Aufträge für die Industrie auch aus dem Ausland hereinzubekommen.
Es wurde festgestellt, dass die Polizei der Bundesrepublik und auch die des Auslandes bei ihren Aufgaben eine äußerst hoch entwickelte Technik anwenden. Die Volkspolizei der DDR hat in dieser Hinsicht sehr viel aufzuholen. Besonders trifft das für die Kriminal- und Verkehrspolizei zu.
Einige Beispiele für die technischen Mittel der KP und VP
1.) Fernsehaufnahmekameras
Sie haben die Größe eines flachen Schuhkartons. Mithilfe dieser Fernsehaufnahmegeräte wird in Hamburg an verkehrsreichen Kreuzungen der Verkehr von einer zentralen Stelle geregelt. Man kann also im Präsidium in Hamburg mittels dieser Fernsehempfänger den ganzen Verkehr überblicken und ist so in der Lage, die Verkehrsampeln je nach Bedürfnissen des Verkehrs zu ändern.
2.) Geschwindigkeitsmesser
Mit diesem Gerät wird nach dem Radarprinzip die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges auf der Straße gemessen. Das Gerät hält die gefahrene Geschwindigkeit auf einem Papierstreifen, ähnlich wie bei einer Rechenmaschine, fest.
3.) Verkehrsunfall- und Tatortvermessungsgerät
Dieses Gerät enthält in 2 m Entfernung voneinander zwei Fotoapparate, mit welchen von einem Punkt aus die Unfallstelle fotografiert wird. Die anzufertigende Skizze wird dann so gefertigt, dass man mit einem besonderen Gerät das plastische Bild abtastet.
4.) Als besonders gut durchkonstruiert wurde ein Gerät für den drahtlosen Sprechverkehr geschildert. Dieses Gerät ist zum Umhängen in der Größe eines Schuhkartons mit angehängtem übergroßen Telefonhörer und einer ausziehbaren Stabantenne.
5.) Besondere Beachtung fand die sogenannte Robotkamera. Diese wird zu den verschiedensten Zwecken verwendet. Dieses Gerät kann überall getarnt eingebaut werden und automatisch ausgelöst werden. So z. B. in einem Auto, wo der Automarder sich selbst überführt. Beim Öffnen der Wagentür haben sich der Kameraverschluss und die Beleuchtungsanlage in Tätigkeit gesetzt.
6.) Der Polygraph oder Lügendetektor genannt, wurde ebenfalls stark beachtet. Er stellt eine Registrierung von Ausdruckserscheinungen dar, mit dessen Hilfe die Beurteilung durchgeführt werden kann.
Sehr viele Stände zeigten Bildmaterial über die Verbrechensbekämpfung allgemein. Die Ausstellungsstände der Kriminalpolizei stellten im Besonderen Material über Kapitalverbrechen aus, wobei besonders das Gangsterunwesen, die Arbeit von Schmugglerringen, Morde, Lustmorde und besondere Abnormitäten im Vordergrund standen. Diese Halle bzw. Stände galten als besonderer Anziehungspunkt für die Jugend.
Stimmungen in der Polizei und der Bevölkerung
Die gesamte Ausstellung stand unter dem Motto »Die Polizei – Dein Freund und Helfer«. Wie aus den vorhergehenden Materialien hervorgeht, trug die Ausstellung diesen Worten sehr wenig Rechnung. Wie bereits erwähnt, machte die gesamte Ausstellung den Eindruck einer Reklameschau der Industriebetriebe. Dieser Eindruck stimmte den Besucher unzufrieden. So wurde geäußert: »Wenn die Ausstellung so gut wäre wie die Jazzmusik, dann ginge es« oder »das ist ja eine zweite Frankfurter Messe nur von der Polizei arrangiert« oder »Verkehrsampeln interessieren uns nicht, wir wollen keine kaufen«.
In der Halle III waren Modelle von Polizeischulen ausgestellt, die u. a. beweisen sollten, welche sozialen und kulturellen Vorteile der Polizeidienst mit sich bringt. Plakate wiesen darauf hin, dass die Möglichkeit besteht, sich über die Bedingungen des Dienstes in der Polizei zu informieren. Es wurde ein vierseitiges Merkblatt über die Einstellung als Polizeianwärter, jedoch nur an ernstlich Interessierte abgegeben. Dazu mussten die Personalien angegeben werden, da diese Merkblätter nummeriert waren. Raffiniert wurde den Besuchern der Unterschied zwischen dem Kommiss und der angeblich so humanen neuen Polizei und Wehrmacht5 schmackhaft gemacht. Es gab Gegenüberstellungen, eine alte Kasernenstube mit schmalen Spinden, unebenen Dielen, Stahlbettstellen, Hockern und als Gegenteil ein schönes sauberes Zimmer mit Gardinen an den Fenstern, Holzbetten, schönen Schränken, Tischdecken, Polstersesseln und einem großen Radioapparat.
Im Freigelände wurde auch die Werbetrommel gerührt. So wurde durch den Lautsprecher verkündet, in der Polizeiküche wird kostenlos Essen ausgegeben. Dabei wurden »Friederikus Rex«6 und der »Badenweiler-Marsch«7 übertragen. Einige Spaßmacher erzählten von der guten alten Soldatenzeit und sangen dabei »Es ist so schön Soldat zu sein«8 und andere Reißer. Die Besucher reagierten sehr mäßig. Sie nutzten die Gelegenheit, um billig zu essen und verschwanden wieder. Von den auf der Ausstellung anwesenden Jugendlichen wurden die Werbestände wenig beachtet. Nur ein geringer Teil ging, um die Einstellungsbedingungen zu erfahren. Auf die Frage, warum so wenig zur Polizei wollen, sagte ein Wachtmeister: »Erstens ist die Polizei unpopulär und zweitens sind die Einstellungsbedingungen und die Entwicklungsmöglichkeiten noch sehr schwer.«
Die Erforschung der wirklichen Stimmung unter den Polizeiangehörigen gestaltete sich äußerst schwierig. Die Polizisten gingen in den meisten Fällen in Gruppen, sodass jeder vor jedem mit seiner Meinung zurückhielt. Es wurde festgestellt, dass auf dem Ausstellungsgelände überall Zivilisten herumliefen, die ganz offensichtlich die Aufgabe hatten, unauffällige Beobachtungen durchzuführen. Bei Gesprächen mit Polizeiangehörigen in Lokalen und Hotels wurde geäußert, dass die Schulungsarbeit in der Bundespolizei darauf hinausläuft, dass die Bundespolizei die Aufgabe hat, das Gebiet der DDR einmal mit zu »befreien«. In den Unterhaltungen kam zum Ausdruck, dass die meisten Bundespolizisten über die Verhältnisse in der DDR völlig im Unklaren sind.
In Kreisen jüngerer Bundespolzisten äußerte man sich zum Bonner Wehrpflichtgesetz in ablehnender Weise. Das Charakteristische an dieser Frage ist, dass sie es humorvoll auffassen. Man ist sich offenbar über den Charakter und die Aufgaben der Bundeswehr völlig im Unklaren. Die Bevölkerung ist sehr zurückhaltend mit der Meinung über diese Ausstellung. Sie bringt zum Ausdruck: »Polizei – Freund und Helfer – beim Geld aus der Tasche ziehen«. »Da sieht man mal, sogar ihre Ausstellung müssen wir noch bezahlen.« Sehr viele Besucher gingen in einem anderen Teil des Gruga-Parkes spazieren, da in der Ausstellung selbst für die Getränke und Esswaren die Preise viel höher waren als sonst.