Direkt zum Seiteninhalt springen

Lage in den bürgerlichen Parteien

20. März 1956
Die Lage in den bürgerlichen Parteien [Information Nr. M58/56]

Christlich Demokratische Union Deutschlands

I. Stimmung der Mitglieder

a) zu politischen Fragen

Diskussionen zu wichtigen politischen Ereignissen werden nur von dem kleineren Teil der CDU-Mitglieder geführt. Vorwiegend sind es Funktionäre, die sich mit politischen Problemen beschäftigen. Lediglich zur Schaffung der Nationalen Volksarmee gab es etwas größere Diskussionen.1 Die Argumente unterscheiden sich nicht wesentlich von denen der anderen Bevölkerungsschichten, jedoch waren unter den CDU-Mitgliedern die negativen und ablehnenden Stimmen stark verbreitet. In der Mehrzahl waren die negativen Diskussionen auf Unklarheiten über den Charakter und die Ziele einer Volksarmee zurückzuführen. Charakteristisch waren folgende Argumente: »Was soll bloß werden, innerhalb Deutschlands zwei verschiedene Armeen«, »Die Einheit Deutschlands ist dadurch in weite Ferne gerückt«.

Oft tauchte auch unter den CDU-Mitgliedern das feindliche Argument auf: »Die Beschlussfassung über die Schaffung der Nationalen Volksarmee ist nicht demokratisch.« Dies wurde damit begründet: »Die Volkskammer fasste den Beschluss innerhalb von zwei Stunden und die Beschlussfassung des Bonner-Soldatengesetzes dauerte drei Jahre.«2

Äußerungen und Meinungen zum XX. Parteitag der KPdSU sind nur einzeln bekannt.3 Entweder wird dabei lediglich die große Bedeutung des XX. Parteitages hervorgehoben oder unter dem Einfluss der westlichen Hetzsender die Rolle des Genossen Stalin in negativer Art diskutiert. Dabei taucht neben den bereits genannten Argumenten in der LDPD folgendes Argument noch unter den CDU-Mitgliedern auf. »Stalin hat dieselbe Rolle gespielt wie Hitler in Deutschland. Wir wussten das schon vordem und waren schon immer der Meinung, dass Stalin ein Diktator ersten Ranges sei.« Diese Diskussionen wurden uns aus Meyenburg, [Kreis] Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam, und aus Böhlen, [Kreis] Ilmenau, [Bezirk] Suhl, bekannt.

Im Mittelpunkt der Gespräche der Mitglieder der CDU steht seit einigen Wochen die Frage: »Welches Verhältnis hat die Kirche zum Staat«, und dabei ganz besonders die Stellung zur Jugendweihe.4 Ausgelöst wurden diese Diskussionen bereits durch die Ausführungen des Genossen Walter Ulbricht auf dem 25. Plenum des ZK unserer Partei.5 Auch die Aussprache des Genossen Innenministers Maron6 mit Kirchenvertretern löste viele Diskussionen aus.7 Ganz besonders stark wird seit der Kampagne der Kirche darüber diskutiert, als in Predigten und Versammlungen die Frage »Konfirmation oder Jugendweihe« behandelt wurde. Viele CDU-Mitglieder und auch Funktionäre unterstützen die Kirche in ihrer Aktivität gegen die Jugendweihe, was sich vor allem darin äußert, dass man in den Erklärungen führender Genossen unserer Partei eine Kampfansage gegen die Kirche sieht.

Im Parteivorstand der CDU gibt es zwei Linien zur Frage der Jugendweihe. Einmal wird von führenden Funktionären die Jugendweihe begrüßt und für richtig befunden, womit der Teil der Mitglieder, die stark religiös gebunden sind, nicht einverstanden ist. Deswegen erklärten einige – besonders in Leipzig und im Kreis Grimma – ihren Austritt aus der CDU. Zum anderen existiert eine interne Anweisung des Parteivorstandes an Funktionäre, zur Frage der Jugendweihe keine Stellungnahme abzugeben. Diese Anweisung wirkt sich in der Form aus, dass die Mitglieder den Standpunkt der Kirche unterstützen und die Jugendweihe ablehnen. So z. B. vertritt der Kreissekretär der CDU Liese aus Königs Wusterhausen in den Vorstandsitzungen den Standpunkt der Pfarrer gegen die Jugendweihe. Er weigerte sich gegen die Aktivität der Pfarrer aufzutreten, mit der Begründung, die Pfarrer müssten ja wissen, warum sie gegen die Jugendweihe sind. Dieses Beispiel ist für diese Meinung typisch.

Von Bedeutung ist bei der Stimmung der Mitglieder der CDU die Nichtanerkennung der führenden Rolle der SED.8 Von einem Teil der Mitglieder wird die Meinung vertreten: »Die CDU ist nicht mehr das, was sie früher war, sie ist ein Anhängsel der SED.« Dieser Meinung entspringt auch die Auffassung, »es hat keinen Zweck mehr Mitglied der CDU zu sein«.

b) zu wirtschaftlichen Fragen

In den meisten Bezirken der DDR wird über wirtschaftliche Fragen unter den CDU-Mitgliedern selten diskutiert, ein Ausnahmefall ist der Bezirk Dresden, wo regere Diskussionen über wirtschaftliche Probleme geführt werden. Bei diesen wenigen Diskussionen wird ablehnend über die Bildung von Handwerksgenossenschaften diskutiert, wobei die Äußerung des selbstständigen Elektromeisters [Name 1] aus Blankenburg, [Kreis] Prenzlau, typisch ist für diese Diskussionen: »Der Handwerker hat keine Entwicklungsmöglichkeiten, und das zehn Jahre nach Kriegsende und bei voller Souveränität. Das kleine Handwerk wird durch die VEB zurückgedrängt.«

Ein anderes wirtschaftliches Problem, was unter den CDU-Mitgliedern, die Geschäftsleute sind, auftritt, ist die Benachteiligung der privaten Einzelhändler gegenüber HO und Konsum. In diesen Kreisen spricht man in der Form, »der staatliche Handel wird gut beliefert und die privaten Geschäftsleute müssen immer zurückstehen« oder »der private Handel bekommt die Waren, die übrig bleiben«.

Einen negativen Einfluss üben die CDU-Mitglieder in der Gemeinde Woserow, [Kreis] Anklam, aus, indem die Meinung verbreitet wird, dass man »die Produktion von tierischen und pflanzlichen Produkten nicht steigern, sondern senken wird, weil man mit den sowjetischen Neuerermethoden schlechte Erfahrung gemacht habe«.

II. Wie wird das Parteileben durchgeführt und wie ist die Mitgliederbewegung

In den Bezirken der DDR ist innerhalb der CDU wenig Interesse am Parteileben vorhanden. Meist sind es nur Funktionäre, die sich für die Parteiarbeit in der CDU interessieren. Die Beteiligung an den Mitgliederversammlungen ist äußerst schlecht. So schreibt z. B. der Bezirk Dresden, dass die Beteiligung an Versammlungen zwischen 10 und 15 % schwankt. Das Parteileben in der CDU des Kreises Worbis, [Bezirk] Erfurt, bezieht sich nur auf monatliche Ortsversammlungen und oft werden auch diese nicht durchgeführt. In Oberweimar, [Bezirk] Erfurt, sind in der letzten Zeit die Versammlungen wegen Mangel an Beteiligung sogar ausgefallen. Derartige Beispiele könnten noch erweitert werden.

Bei Neuwahlen der Leitungen tritt häufig in Erscheinung, dass die Übernahme von Funktionen abgelehnt wird – besonders von Angestellten und Lehrern –, als Ausrede schiebt man Arbeitsüberlastung vor, wobei der wirkliche Grund Uninteressiertheit ist.

Eine weitere Ursache für Inaktivität der CDU ist der schlechte Kaderbestand an Funktionären, was häufiges Auswechseln von Funktionären erfordert. Dies tritt besonders im Bezirk Potsdam in Erscheinung, wo es vorkam, dass innerhalb von zwei Jahren in Wittstock der Kreissekretär viermal gewechselt werden musste. Außerdem war aber während dieser Zeit der Kreisverband acht Monate ohne Sekretär. Dies hatte zur Folge, dass die Arbeit der CDU in allen Ortsgruppen bis vor Kurzem vollkommen am Boden lag. Auf der anderen Seite gibt es Beispiele, allerdings nur vereinzelt, wo gute Funktionäre nicht eingesetzt werden. Dies zeigt folgendes Beispiel: Die Bürgermeisterin Gottschalk aus Beelitz, Kreis Potsdam-Land, absolvierte die Zentrale Parteischule der CDU mit »sehr gut«. Seit einem Jahr wartet sie nun bereits schon auf ihren Einsatz, welcher bis zzt. noch nicht erfolgt ist.

Mitgliederbewegung

In den Reihen der CDU ist ein ständiger Rückgang in der Mitgliederzahl festzustellen. 1952 war ein Mitgliederstand von 156 000, 1956 bloß noch 116 000. Als Ursachen für den ständigen Rückgang wurde uns Folgendes bekannt:

Im Bezirk Erfurt kann festgestellt werden, dass es sich bei den politisch begründeten Austritten im Wesentlichen um Mitglieder handelt, die in der Zeit von 1946 bis 1949 in die CDU eingetreten sind und so zu einem großen Teil den von der ehemaligen Parteiführung unter Jakob Kaiser9 herausgegebenen politischen Parolen »treu bleiben« wollen. Es sind solche CDU-Mitglieder, die so lange aushalten wollten, bis zu der von ihnen herbeigesehnten Vereinigung mit der West-CDU. Ein anderer Teil begründet den Austritt damit, dass sie zu der Einsicht gekommen seien, dass die CDU nicht im Stande sei, ihre Interessen zu vertreten.

Im Bezirk Dresden erfolgte ein Teil der Austritte deswegen, weil sie mit der Zentralen Leitung der CDU, besonders mit Dr. h. c. Nuschke,10 nicht einverstanden sind. Sie bemängeln seine Presseberichte – seine Stellungnahme zur Jugendweihe usw.11 In Kamenz ging man sogar soweit, dass man sagte: »Wie viel Prämie bekommt denn Nuschke jährlich vom ZK der SED für seine Stellungnahmen.« Die Mitglieder äußern die Meinung, »wir haben keinen mehr, der uns als Christen vertritt, denn die CDU ist nur der verlängerte Arm der SED«. Diese Meinung spielt auch eine bedeutende Rolle bei den Spannungen und Differenzen innerhalb der CDU. In diesem Zusammenhang wurde uns dies aus Usedom, [Kreis] Wolgast, [Bezirk] Rostock, Brotterode, [Bezirk] Suhl, und Weimar, [Bezirk] Erfurt, bekannt.

III. Wie ist die Mitarbeit im Block

Die Mitarbeit im demokratischen Block vonseiten der CDU ist in den einzelnen Bezirken sehr unterschiedlich.12 Im Bezirk Halle, in den Kreisen Meiningen, [Bezirk] Suhl, Hildburghausen und in Sömmerda, Erfurt und Weimar ist die Mitarbeit zufriedenstellend.

Wie sich die gute Arbeit der CDU auf der Grundlage der Blockbeschlüsse ausdrückt, zeigt folgendes Beispiel aus dem Bezirk Erfurt. Zur Verbesserung der Blockarbeit wurde Folgendes festgelegt:

  • 1.

    Die politische Massenarbeit zu aktivieren

  • 2.

    Aktive Mitarbeit am Aufbauprogramm

  • 3.

    Spendensammlungen

Die CDU hatte im Bezirksmaßstab folgende Ergebnisse im Monat Dezember 1955: Es wurden 290 Referenten eingesetzt, die 462 Einsätze durchführten. Davon wurden 160 öffentliche Versammlungen, 223 Haus- und Hofversammlungen sowie 73 Ausspracheabende durchgeführt. Außerdem wurden 19 076 Arbeitsstunden am Aufbauprogramm geleistet. Die Spendensammlung ergab DM 7 872.

In den anderen Bezirken ist es meist so, dass im Bezirks- und Kreisblock die Mitarbeit der CDU zufriedenstellend, aber in den Gemeinden schlecht ist. Dabei gibt es noch zu bemerken, dass einzelne CDU-Mitglieder zwar regelmäßig an den Block-Sitzungen teilnehmen, aber nicht aktiv mitarbeiten, was sich in der Form zeigt, dass die Vertreter der CDU zwar organisatorische Aufgaben durchführen, aber nicht zur Verbesserung der Arbeit durch eigene Vorschläge beitragen. Dies ist in Nauen, Pritzwalk, Oranienburg, Belzig, Brandenburg-Land, [Bezirk] Potsdam, in Ribnitz[-Damgarten], [Bezirk] Rostock, und teilweise im Bezirk Neubrandenburg zu verzeichnen.

Eine ausgesprochen schlechte Mitarbeit ist in den Kreisen Görlitz, Großenhain, Kamenz, Löbau, Meißen, Sebnitz, Riesa, Zittau, [Bezirk] Dresden, im Kreis Altentreptow, [Bezirk] Neubrandenburg, im Kreis Ilmenau und Brotterode, [Bezirk] Suhl [zu verzeichnen]. Im Kreis Gransee ist die Mitarbeit der CDU im Block insofern schlecht, dass die Beschlüsse, die in den Blocksitzungen gefasst werden, nicht realisiert werden. (So z. B. stellt die CDU der Nationalen Front13 keinen Referenten zur Verfügung usw.) Im Kreis Wittstock, [Bezirk] Potsdam, gab es ca. sechs Monate überhaupt keinen Vertreter der CDU im Block. Ebenfalls wird im Kreis Ueckermünde, [Bezirk] Neubrandenburg, vonseiten der CDU eine unzureichende Mitarbeit im Block durchgeführt. Die Schuld trägt in erster Linie der 1. Sekretär Freitag, der durch sein Verhalten oft Unstimmigkeiten in den Block hineinträgt. In Dresden verließen die Mitglieder der CDU die Sitzung des Blocks, als die Frage Jugendweihe behandelt werden sollte, da sie einer Diskussion ausweichen wollten.

IV. Welche Spannungen und Differenzen existieren innerhalb der CDU

Innerhalb der CDU sind Differenzen und Spannungen in etwas größerem Maße aufgetreten wie z. B. in der DBD. Dabei ist bezeichnend, dass man mit einigen Funktionären der CDU nicht einverstanden ist. Hierzu einige Beispiele:

Im Kreis Gera[-Land] ist festzustellen, dass viele Mitglieder nicht mit dem Kreisvorsitzenden einverstanden sind, da dessen Ehefrau auf ihrer Arbeitsstelle Unterschlagungen begangen hat und ein Einbruchdiebstahl im Kreisverband, wobei über 600 DM abhandenkamen, noch nicht geklärt wurde. Diesbezüglich werden verschiedentlich Verdächtigungen gegenüber dem Vorsitzenden ausgesprochen.

Seit längerer Zeit gibt es im Kreisverband Berlin-Weißensee in der CDU Differenzen innerhalb der Leitungen, die sich wie folgt äußern: Auf der Funktionärskonferenz des Berliner Kreisverbandes Weißensee im Monat November kam es in der letzten Sitzung zwischen den Funktionären Gohr14 und Kühler15 zu heftigen Auseinandersetzungen. Nach Erörterung eines weiteren Vorfalles im Bezirksverband wurde auf dieser Funktionärskonferenz des Kreisverbandes festgestellt, »dass die Art und Weise der Kaderpolitik im Bezirksverband mehr zu wünschen übrig lässt, was sich auf die gesamte Arbeit aller Kreisverbände ungünstig auswirken muss. Wirkliche Parteiarbeit kann nur geleistet werden, wenn die Mitglieder Vertrauen zu ihren Funktionären haben. Die Mitglieder des Kreisverbandes wünschen, dass diese an die Art einer geheimen Kabinettspolitik erinnernde Politik verschwindet und fordern:

  • Verwirklichung des Prinzips der kollektiven Leitung, Verwirklichung des Prinzips des demokratischen Zentralismus, Mitbestimmungsrecht aller Mitglieder,

  • Beachtung der Kritik und Selbstkritik, besonders der Kritik von unten,

  • Verwirklichung des Prinzips der geheimen Wahl der Funktionäre.

Diese Erscheinungen sind auch heute noch im Kreisvorstand Weißensee vorhanden.

Spannungen treten auch in Berlin bei der Besetzung von Funktionen auf. So ist im Kreis Prenzlauer Berg zu verzeichnen, dass Reibereien unter einigen Funktionären des Kreisvorstandes herrschen, da man sich nicht einig ist, wer künftig als Kreisvorsitzender fungieren soll.

In der CDU Kreisleitung Glauchau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, kann gesagt werden, dass jetzt eine starke Spannung zwischen der Mitgliedschaft und Parteiführung sowie innerhalb der Leitung besteht. Die Ursache ist darin zu suchen, dass einige Funktionäre sich fortschrittlich betätigen. So ist z. B. zu verzeichnen, dass durch den Bezirksvorsitzenden Wagner16 in den Kreis- und Ortsvorständen heftige Diskussionen entstanden sind, worauf zwei Funktionäre ihren Austritt erklärten. Innerhalb des Kreisvorstandes Glauchau wurde festgestellt, dass sich innerhalb der CDU drei Fraktionen bilden. Die eine besteht aus dem fortschrittlichen Teil, welche in jeder Beziehung die Errungenschaften in der DDR anerkennen und unterstützen. Weiterhin bilden sich eine evangelische und eine katholische Fraktion, durch diese wird aufgrund ihrer unterschiedlichen Konfessionen eine Spannung in die Partei getragen.

In der Kreisleitung Werdau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, kommt es zwischen Mitgliedern und Leitung zu Differenzen in Bezug auf Politik und Kirche. Von der Leitung werden die Ziele der obersten Parteiführung bekannt gegeben. Ein bestimmter Teil der Mitglieder legen dieses alles auf die christliche Seite aus und wollen die politische Notwendigkeit nicht einsehen.

Der Bezirksvorsitzende Rösner17 von Schwerin duldet keine Kritik an seiner Person und hat wiederholt erklärt, dass er über den Parteiapparat entscheidet. Das führte zu Verschärfungen zwischen dem Vorsitzenden des Kreisverbandes Schwerin Behrens18 und Rösner. Rösner hatte auch eine Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Kreisvorsitzenden in Ludwigslust Zell.19 Er wollte diesen nach dem Kreisverband Parchim versetzen. Nach dieser Auseinandersetzung wurde Zell republikflüchtig.

Im Bezirksvorstand Halle besteht seit Längerem eine Spannung zwischen dem 1. Vorsitzenden Wujciak20 und dem 2. Vorsitzenden Stibbe,21 der vordem Landessekretär war. Stibbe fühlt sich in der Form zurückgesetzt, weil er nach Durchführung der Demokratisierung der Verwaltung nur als 2. Vorsitzender eingesetzt wurde. Stibbe selbst unterschätzt in jeder Form die Arbeit von Wujciak und überließ die politische Arbeit dem Selbstlauf.

Die Mitglieder der CDU im Bezirk Potsdam haben zum größten Teil kein Vertrauen zu dem Bezirksvorsitzenden Kind.22 Die Ursache ist das diktatorische Auftreten des K. Wenn K. die Ortsgruppen aufsucht, spricht er im Befehlston mit den Mitgliedern. Kritiken an seiner Arbeit vonseiten der Mitglieder hat er sich schon mehrmals verbeten bzw. verlangt, dass sie ihm schriftlich zugestellt werden.

Von verschiedenen Mitgliedern der CDU im Kreis Brandenburg-Stadt wird die seit einigen Monaten kommissarisch eingesetzte 1. Sekretärin des Kreisverbandes nicht anerkannt, weil sie ein überhebliches Wesen gegenüber den Mitgliedern zeigt. Auch die Nationale Front lehnt die Zusammenarbeit mit ihr ab, ebenfalls wegen ihrer Überheblichkeit und weil sie besprochene Angelegenheiten nach außen hin weiterträgt.

Jedoch ist ein größerer Teil der CDU-Mitglieder in den Bezirken der DDR neben den angeführten noch mit der Haltung des Parteivorstandes nicht einverstanden. (Die Argumente sind dieselben wie bei der Begründung der Austritte).

V. Feindtätigkeit

Hetze

Vereinzelt werden feindliche Diskussionen von CDU-Mitgliedern geführt, die meist auf die Hetze des RIAS und CDU-Ostbüro23 zurückzuführen sind, wobei charakteristisch ist, dass diese Feindzentralen24 Hetze gegen die Regierung treiben und anführen, die DDR würde einen verstärkten Kampf gegen die Christen in der DDR betreiben. Das CDU-Ostbüro gibt dazu zahlreiche Hetzschriften selbst heraus wie z. B.

  • »Union Pressedienst« (UPD)25

  • »Civis«26

  • »Der internationale Frieden«27

  • »Gossners Missionsblatt«28

Neben der bereits bekannten wüsten Hetze gegen Regierung der DDR wird noch häufig gegen Dr. h. c. Nuschke gehetzt und ihm vorgeworfen, er würde die Christen nicht vertreten, sondern würde ein »Anhängsel der SED« sein, was sich auch in einigen negativen Äußerungen der CDU-Mitglieder widerspiegelt.

Direkte Feindtätigkeit

In den letzten Tagen wurden drei Agenten des stellvertretenden Leiters des Ostbüros festgenommen. Es handelt sich um einen Finanzbuchhalter aus Nauen, welcher zugleich 2. Vorsitzender des Kreisvorstandes der CDU war, um einen Jurastudenten von der »Freien Universität« in Westberlin, wohnhaft in Falkensee, Kreis Nauen, und um einen Theologiestudenten von der Humboldt-Universität, ebenfalls wohnhaft in Falkensee. Die Festgenommenen lieferten der Feindzentrale Informationen über Stimmung der Mitglieder zur Versorgung, zur Politik unserer Regierung und zur Parteileitung. Weiterhin gaben sie Charakteristiken von Kreis- und Ortsfunktionären.29

Liberal-Demokratische Partei Deutschlands

I. Stimmung

a) zu politischen Fragen

Eine Allgemeinerscheinung unter den LDP-Mitgliedern ist, dass zu politischen Problemen wenig Diskussionen geführt werden und eine gewisse Zurückhaltung vorhanden ist. Auch in den – ohnehin schlecht besuchten – Parteiversammlungen wurde in den seltensten Fällen zu politischen Ereignissen Stellung genommen. Die positiven Beispiele sind dabei gering und beinhalten hauptsächlich zustimmende Erklärungen zu den internationalen Ereignissen zur Politik der Regierung der DDR und zur Politik der SED. Überwiegend sind negative Stellungnahmen und indifferentes Verhalten der LDP-Mitglieder. Häufigere Diskussionen wurden

  • 1.)

    zur Bildung der Nationalen Volksarmee

  • 2.)

    zur Erklärung Walter Ulbrichts30

  • 3.)

    zum Verhältnis LDPSED

abgegeben.

Zur Frage Nationale Volksarmee überwiegen pazifistische und direkt ablehnende Argumente, denen einige positive folgenden Hauptinhalts gegenüberstehen:

  • »Wir sind ein souveräner Staat und müssen eine eigene Armee besitzen.«

  • »Wir müssen unsere Errungenschaften verteidigen.«

Die negativen Argumente gleichen den bereits aus anderen Bevölkerungsschichten bekannt gewordenen, z. B.:

  • »Wir fassen kein Gewehr mehr an.«

  • »Die Nationale Volksarmee steht im Widerspruch zum Potsdamer Abkommen.«31

  • »Das Kind hat nur einen anderen Namen bekommen (KVP).«

  • »Es kommt bald die Wehrpflicht – freiwillig geht ja doch keiner.«32

  • Ein LDP-Mitglied aus Stendal erklärte: »Ich bin konsequent gegen die Nationale Volksarmee, weil dadurch ein Krieg gefördert wird.«

  • Ein LDP-Mitglied aus Magdeburg sagte: »Wenn wir keine Volksarmee aufstellen, wird man uns auch nicht angreifen, aber so fordern wir Westdeutschland dazu auf, aufzurüsten.«

Diese Beispiele sind typisch für die negativen Äußerungen.

Ein großer Teil der LDP-Mitglieder äußert sich zu dieser Frage überhaupt nicht und stellt wirtschaftliche Fragen in den Vordergrund.

Zum XX. Parteitag der KPdSU und zur Erklärung Walter Ulbrichts sind unter den LDP-Mitgliedern ebenfalls Diskussionen festzustellen, die sich aber zum größten Teil mit dem Problem »Stalin« befassen. Hier gibt es keine nennenswerten Unterschiede zu den Äußerungen aller übrigen Bevölkerungsschichten. Unklarheit und negative Stellungnahmen sind das Hauptmerkmal. Der Umfang dieser Diskussionen ist jedoch gering. Hauptargumente sind:

  • »Die Stalin-Bilder werden verschwinden.«

  • »Warum hat man Stalin nicht eher kritisiert.«

  • »Fragen des Personenkults.«

Diese Diskussionen wurden festgestellt in den Bezirken Neubrandenburg, Potsdam, Leipzig, Halle, Magdeburg und Erfurt.

Im Bezirk Dresden ist für einen großen Teil der LDP-Mitglieder folgende Äußerung charakteristisch: »Walter Ulbricht sitzt jetzt auf dem Pulverfass, denn die Bevölkerung wartet jetzt auf den versprochenen hohen Lebensstandard.«

Zahlreich sind auch Diskussionen über das Verhältnis zwischen LDP und SED. Das trifft vor allem auf die kleinen Mitglieder zu, die zum Ausdruck bringen:

  • »Die LDP befindet sich im Schlepptau der SED

  • »Die LDP führt keine eigene Politik durch.«

  • »Die LDP ist der SED gegenüber benachteiligt.«

Solche Beispiele gibt es im Kreis Kamenz, [Bezirk] Dresden, Leipzig, Karl-Marx-Stadt, Erfurt, Cottbus, Gera, Berlin.

In Frankfurt/O. herrscht unter den LDP-Mitgliedern die Meinung, die SED will die LDP liquidieren. Dafür werden folgende »Beweise« angeführt:

  • Ablösung von Dr. Loch als Finanzminister,33

  • Ablösung von Bezirkssekretär Otto,34

  • Vertriebsverbot der Zeitung »Der Morgen«,35

  • Inhaftierung zahlreicher kleinerer LDP-Funktionäre.

Besonders stark sind diese Diskussionen im Kreis Fürstenwalde.

In Gera gibt es vor allem unter den Lehrern Stimmungen, die sich gegen die Beschränkung der Reisen nach Westdeutschland richten. Schwerpunkt ist hier Jena, wo sich die LDP vorwiegend aus Lehrern und Intellektuellen zusammensetzt. In der Grundschule in Jena gelang es sogar dem Vorsitzenden des Pädagogischen Rates (LDPD) alle Lehrer, auch die Genossen der SED, für eine Forderung an den V. Pädagogischen Kongress36 zwecks Aufhebung dieser Maßnahme zu gewinnen.

Von den hauptamtlichen Mitarbeitern im Parteivorstand wird in der Mehrzahl zu politischen Problemen keine Stellung genommen. Versammlungen zu irgendwelchen Tagesproblemen werden nur in großen Abständen durchgeführt und auch in persönlichen Unterhaltungen bleiben politische Fragen meist unberührt.

b) zu wirtschaftlichen Fragen

Im Gegensatz zu den Diskussionen in politischen Ereignissen sind auf wirtschaftlichem Gebiet rege Diskussionen in allen Mitgliederkreisen festzustellen. In letzter Zeit befassen sie sich vorwiegend mit der Bildung von Handwerker-Produktionsgenossenschaften, HO-Agenturverträgen,37 Warensortiment für den privaten Einzelhandel und ähnlichen Fragen. Diese Diskussionen werden hauptsächlich von den privaten Einzelhändlern, Handwerkern und Unternehmern geführt.

Es gibt dazu nur wenige positive Beispiele, vor allem zur Bildung der Handwerker-Produktionsgenossenschaften, die beinhalten, dass diese Maßnahme Zukunft hat. Hier gibt es noch Unklarheiten über die Entlohnung und einzelne Handwerker wagen es nicht, weil der übrige und größte Teil dagegen ist. So begrüßt z. B. der Bäckermeister [Name 2] aus Sömmerda die Handwerker-Produktionsgenossenschaften und erklärt, sobald in den Fragen der Entlohnung der Altmeister und Gesellen Klarheit herrscht, würde er in die HPG eintreten. Der Klempnermeister [Name 3] aus Dargun, Kreis Malchin, sagte: »Ich würde gerne als erster versuchen, eine Handwerker-Produktionsgenossenschaft zu bilden, habe aber Befürchtungen, von den übrigen Handwerkern angegriffen zu werden, die zum größten Teil nicht gewillt sind, in die Genossenschaft einzutreten.« In Künheide, [Kreis] Marienberg, wurde unter wesentlichem Anteil eines LDP-Mitgliedes eine Strickerei-Genossenschaft gegründet. Außerdem tritt das Argument auf, dass man es versuchsweise einmal wagen könnte (vor allem von jüngeren Personen wie beispielsweise im Kreis Gera).

Der übergroße Teil der LDP-Mitglieder (vor allem die hier organisierten Handwerker und Gewerbetreibenden) verhält sich jedoch gegenüber der Bildung von HPG ablehnend. Die hauptsächlichsten Argumente sind dabei:

  • »Das ist ein Eingriff in die persönliche Freiheit!«

  • »Dann haben wir keinen gesicherten Lebensabend.«

  • »Die HPG bringen uns keinen Vorteil.«

  • »Zeigt erst am praktischen Beispiel den Vorteil der HPG

  • »Uns geht es gegenwärtig nicht schlecht, weshalb sollen wir dann in eine HPG eintreten.«

  • »HPG bedeutet unseren Untergang.«

Diese Argumente sind überall verbreitet. Einige Beispiele:

  • In Berlin-Köpenick lehnen die in der LDP organisierten Gewerbetreibenden einen Eintritt in die HPG kategorisch ab.

  • In einer Handwerkerversammlung in Schwerin lehnte der überwiegende Teil die Gründung einer HPG ab.

  • Auf einer Beratung des LDPD-Bezirksvorstandes in Potsdam, Anfang Februar 1956, erklärten sich 95 % der Anwesenden nicht zur Bildung der HPG bereit.

Damit im Zusammenhang stehen die Äußerungen einiger in der LDP organisierter Bauern aus dem Bezirk Schwerin, die fordern die »freie Wirtschaft« wieder zuzulassen, da »die LPG unrentabel sind und die Bauern kaputtmacht« (Klein-Welzin, Kreis Gadebusch).

In fast allen Bezirken werden negative Diskussionen und Unzufriedenheit der LDP-Mitglieder bekannt, die ihre Ursache in wirtschaftlichen Maßnahmen haben. Z. B. beschweren sich die Gastwirte, dass die HO-Agenturen reduziert werden und dadurch ihr Umsatz immer mehr absinkt. Die Handwerker beklagen sich über eine Zurücksetzung bei den Materiallieferungen und die Erhöhung der Holzpreise und die Gewerbetreibenden über schlechte Sortimentszuweisung. Diese Dinge werden dann bei Diskussionen benutzt um zu »beweisen«, dass die jetzige Entwicklung schärfer sei, als kurz vor Beginn des »Neuen Kurses«.38 (In den Kreisen Schleiz, Jena und Gera besonders stark.) Daneben gab es vereinzelt Diskussionen über die staatliche Beteiligung an Privatbetrieben. Besonders rege und zum größten Teil zustimmend war diese in Berlin, wo aber der Standpunkt vertreten wird, dass der Staat nicht mit mehr als 49 % beteiligt werden soll, damit der Privatinhaber das Majorat behält.

II. Die Parteiarbeit der LDP

Die LDP ist in der parteipolitischen Arbeit als schwächste und inaktivste aller kleinbürgerlichen Parteien einzuschätzen. Das zeigt sich in der Durchführung von nur wenigen Versammlungen, in einer noch schlechteren Beteiligung an diesen. Die Mitarbeit in der Nationalen Front als Aufklärer geht ständig zurück und die Mitarbeit im Block ist formal. Die meisten Funktionäre unternehmen nichts, um die politische Inaktivität zu beseitigen. Wenn die Mitglieder und Parteieinheiten der LDP einmal aktiv werden, dann meist aufgrund irgendwelcher wirtschaftlicher Fragen, die für sie von Wichtigkeit sind. (Siehe hierzu Stimmung zu wirtschaftlichen Fragen.)

Auch mitgliedermäßig drückt sich die ungenügende Arbeit innerhalb der LDP aus. So hatte die LDP am Jahresende 1955 einen Mitgliederrückgang gegenüber Januar 1955 von 8 038 – 8,6 % der Gesamtmitgliederzahl (93 712). Die Republikfluchten machen bei diesen Abgängen jedoch nur 10 % aus. In diesem Zusammenhang ist zur Begründung der Abgänge folgende Stellungnahme charakteristisch: Der Landwirt [Name 4], aus Stöckey, [Kreis] Worbis, äußerte: »Ich bin seinerzeit meiner Partei beigetreten, um diese in gesellschaftlicher Arbeit zu unterstützen. Ich bin jedoch sehr enttäuscht worden. Wenn meine Partei nur jährlich eine Versammlung durchführt, ist es zwecklos meine Beiträge zu entrichten und ich trete deshalb aus der Partei aus.«

Eine weitere Ursache der ungenügenden Arbeit ist die Überalterung (45–50 Jahre im Durchschnitt) und demzufolge auch Mangel an geeigneten Kadern. Die bisher gegebene Einschätzung trifft mehr oder weniger für alle Bezirke zu. Hierfür einige typische Beispiele:

Bezirk Schwerin

Im Kreis Lübz tritt die LDP trotz 66 Mitgliedern gar nicht in Erscheinung. In der Gemeinde Göhlen, [Kreis] Ludwigslust, wird von der LDP trotz verschiedener Instrukteureinsätze seit zwei Jahren keine politische Arbeit geleistet. Im »besten Kreis« Perleberg besuchen 65 % die Versammlungen, in Schwerin-Stadt 10 %. Im Kreis Perleberg arbeiten von 180 »ständigen Mitarbeitern« der Nationalen Front nur 50 aktiv mit.

Bezirk Potsdam

Die bestbesuchtesten Versammlungen weisen 50 %, schlechtere oftmals 5 bis 10 % Anwesenheit auf. Ein Hauptmangel der Arbeit ist die ungenügende Anleitung durch Bezirks- und Kreisvorstände. In mehreren Kreisen gibt es Mitglieder mit einem Beitragsrückstand von 14 Monaten. Mitarbeit im Block leistet nur der Bezirksvorstand. In den Kreisen fehlen bei den Blocksitzungen oft die Vertreter der LDP bzw. sie stimmen bei Anwesenheit den Beschlüssen zu, aber realisieren sie nicht. Alle Versuche der hauptamtlichen Funktionäre (besonders im Parteivorstand, der in letzter Zeit stark verjüngt wurde) die Partei zu aktivieren, stoßen auf Widerstand bzw. Desinteresse bei den älteren (d. h. der Masse der) Parteimitgliedern. Hieraus ergeben sich nicht selten Spannungen, die sich noch schlechter auf die Parteiarbeit der LDP auswirken.

III. Spannungen

a) zwischen Mitgliedschaft und Leitung

Eine verbreitete Erscheinung innerhalb der LDP ist, dass die Mitglieder in den Parteieinheiten kontra zu bestimmten Funktionären der übergeordneten Leitungen einschließlich Parteivorstand stehen, wenn diese – wie sie sich ausdrücken – ihre »liberale Einstellung verlassen und mit der SED« sympathisieren.

  • Z. B. in Löwenberg, [Bezirk] Potsdam, als das Vorstandsmitglied Stoklossa39 über die Beschlüsse der SED sprach.

  • Im Kreis Rochlitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, verhält sich ein Teil der Mitglieder passiv, weil sich die Parteiführung aktiv zum Aufbau des Sozialismus einschaltet.

  • In Jena ist die Mitgliedschaft gegen den fortschrittlichen Kreisvorsitzenden eingestellt und nennt ihn den »Roten Müller«.40

  • Ein großer Teil aller Ortsgruppen im Bezirk Erfurt stellt sich gegen den Bezirksvorsitzenden Kalmring,41 weil er in seinen Referaten zu fortschrittlich auftritt und scharf durchgreift. Die Mitglieder wollen lieber den Stellvertretenden Vorsitzenden Krauss,42 bei dem keine Verbindung zur SED zu erkennen sei.

  • Im Kreis Gotha und zum Teil auch Eisenach lehnt die überwiegende Mehrheit der LDP-Mitglieder die führenden Funktionäre in Berlin, besonders Dr. Loch, ab, … »weil Dr. Loch die Mitglieder bisher belogen hat. Wer die Reden Lochs befürwortet, ist sein eigener Henker …«

  • Der Stellvertretende Ortsgruppenvorsitzende in Waltershausen, [Kreis] Gotha, zeigte an Beispielen auf, dass angeblich die LDP-Presse »bewusst Lügen über Westdeutschland verbreitet«.

b) innerhalb der Leitungen

Hier sind die Differenzen und Spannungen hauptsächlich innerhalb des Parteivorstandes interessant, wenngleich es auch solche in der Bezirks- und Kreisebene gibt. Diese haben aber meist persönliche Motive. Die Differenzen innerhalb des Parteivorstandes bestehen im Wesentlichen zwischen Dr. Dieckmann,43 Dr. Loch – unterstützt von Konzok44 einerseits und Gerlach45 und Wünsche46 andererseits. Dabei arbeitet die erstere Gruppe gegen die zweite und wehrt sich mit allen Mitteln gegen die Schaffung eines Sekretariats des Zentralvorstandes, um sich die Möglichkeit des »Abschießens« von Gerlach und Wünsche zu erhalten, die (Gerlach und Wünsche) ihre ganzen Kräfte für die Arbeit einsetzen und die dieser Zustand deprimiert.

Diese Spannung kam weiterhin bei einer Diskussion über die Jugendweihe zum Ausdruck, wo Dr. Dieckmann und in noch stärkerem Maße Dr. Loch in negativer und abfälliger Form über die Jugendweihe sprachen. Auch hierzu nahm Gerlach ganz klar Stellung, wurde jedoch von Dr. Dieckmann »informiert«, dass es nicht Aufgabe der Partei sei, über die Jugendweihe zu sprechen – und damit [wurde] die Diskussion abgebogen.

Es gibt eine ganze Reihe Anzeichen, dass sich unabhängig vom Kampf dieser beiden Gruppen die Spannungen zwischen Dr. Dieckmann und Dr. Loch verstärken. Jeder äußert über den anderen, dass es taktisch noch notwendig sei, solche Leute wie Dr. Dieckmann bzw. Dr. Loch in ihren Funktionen zu belassen. Dieser noch stille Machtkampf um die Parteiführung ist verständlicher, wenn man die Einstellung Dr. Dieckmanns kennt, der sich bei jeder Gelegenheit damit brüstet, keinerlei Hinweise – auch nicht von führenden Funktionären der »Partei der Arbeiterklasse« – zu bedürfen. Dr. Loch dagegen hat keine eigene Meinung, sondern bildet sie sich zu den verschiedensten – auch grundsätzlichen – Fragen immer erst nach Sammlung genügender Hinweise.

IV. Feindtätigkeit

Hetze

Neben einzelnen Diskussionen, die offensichtlich aufgrund feindlicher Hetze geführt werden, wird in sehr großem Ausmaße vom FDP-Ostbüro gegen die DDR, die SED und die verschiedensten politischen und wirtschaftlichen Ereignisse in gemeiner Form gehetzt. Das FDP-Ostbüro gibt dazu zahlreiche Hetzschriften und Flugblätter selbst heraus wie z. B. »Berliner Montagsecho« (Kleinformat),47 »Familie Jedermann«.48 Sogenannte Warnungen, die sich mit Postgeheimnis, Abwerbung und allen möglichen anderen Fragen »auseinandersetzen«, um die Bevölkerung der DDR einzuschüchtern. Flugblätter, die sich gegen die führenden Funktionäre der Regierung und Partei gegen die Messe u. a. richten. Außerdem vertreibt das Ostbüro der FDP noch Hetzschriften anderer Agentenzentralen in Westberlin wie UfJ,49 VPO50 usw.

Auch der RIAS versucht in seinen Sendungen die Mitglieder der LDP gegen eine fortschrittliche Politik der LDP und gegen die DDR und SED aufzuhetzen. Dabei spricht er vor allem die alten »liberalen« und teilweise reaktionären Mitglieder an. Z. B. in einer Sendung »Programm für die Sowjetzone« vom 5.2.1956 schildert der RIAS den Werdegang der LDP nach 1945 und verbindet damit eine wüste Hetze gegen SED, die SU und DDR. Seine Infiltrationsversuche und deren Ziele treten in folgenden Äußerungen klar zutage. »… umso anerkennenswerter (als die Politik fortschrittlicher LDP-Funktionäre) bleibt aber die Tatsache, dass der größte Teil der einfachen Mitglieder und der unteren Führungsorgane in den Ortsgruppen, zum Teil auch in den Kreisverbänden, ihren politischen Glauben nicht verloren, sondern untereinander zusammenhielten und, soweit dies überhaupt möglich war, auch Verbindungen zu den liberalen Parteifreunden in Berlin und im Bundesgebiet aufrecht zu erhalten sich bemühten …« und weiter »… Wir wissen, mit welcher Sehnsucht unsere Parteifreunde in der sowjetisch besetzten Zone auf den Tag warten, an dem sich auch ihnen der Weg in die FDP öffnet und an dem sie mit ungebrochener Kraft und neuem Mut an dem Aufbau einer liberalen Parteiorganisation mitwirken können. Wir andererseits wissen, welchen Dank wir den uns treugebliebenen Freunden in der sowjetisch besetzten Zone schulden und welche Verpflichtung uns auferlegt ist, ihnen endlich den Weg in die Freiheit und in ein wiedervereinigtes Vaterland zu bahnen …«

In einer Sendung »Kommentare und Berichte« vom 29.10.1955 geht der RIAS auf die Äußerung des Vorsitzenden der LDPLoch – ein, wo dieser erklärt: Stärkung der DDR heißt Schaffung der Grundlagen des Sozialismus, Festigung unserer Errungenschaften und unserer demokratischen Staatsmacht. »… Das ist schon eine merkwürdige Zielsetzung des Vorsitzenden der Partei, die sich liberal nennt. Wenn man dann noch im Parteiblatt anlässlich der Aufführung des Thälmann-Filmes liest,51 zur Aktionseinheit der Arbeiterklasse beizutragen, dann werden unsere Vorstellungen über die selbstständigen Standpunkte dieser Partei noch plastischer … Das ist reinstes SED-Parteideutsch und lässt auch sprachlich nicht mehr die geringste Spur politischer Eigenständigkeit erkennen …«

Auswirkungen dieser Hetze zeigen sich in einzelnen feindlichen Diskussionen. Z. B. Dr. [Name 5] aus Salzwedel, Mitglied der LDPD, erklärte: »Wir reden alle von der Einheit. Also sollten wir uns einig sein und gegen die SED gehen. Ich hatte gestern eine Untersuchung von Kampfgruppenmitgliedern.52 80 % davon waren Krüppel. Wenn es sein muss, kämpfen wir alle, aber gegen die DDR.« Der Vorsitzende der Gemeindevertretung Eixen, [Kreis] Ribnitz, Siegfried Kurzhals,53 Mitglied der LDPD, sagte: »Hier kann ich es ja ruhig sagen, der größte Widerstand zur Wiedervereinigung Deutschlands wird von unserer Seite geleistet.«

b) andere Feindtätigkeit

Feindtätigkeit durch Mitglieder der LDP wurde in letzter Zeit nur in einzelnen Fällen bekannt. Der Geschäftsführer eines Privatbetriebes in Meißen, [Name 6, Vorname] (LDP) versuchte im Auftrage des sich in Westdeutschland befindlichen ehemaligen Chefs Fachkräfte abzuwerben. Er wurde zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. In Leipzig wurden die Geschwister Kupfer, Gerhard und Thea, wegen Spionage im Auftrage des FDP-Ostbüros festgenommen.54

Weitere Hinweise lassen erkennen, dass sich das Ostbüro der FDP mit Spionage, Durchsetzung der LDP mit Agenten, Abwerbung führender Wirtschaftler und Spezialisten – die Mitglied der LDP sind – befasst. Die Untersuchungen laufen jedoch noch. Dass sich auch andere Agentenzentralen auf Kräfte der LDP stützen, beweist die Festnahme des stellvertretenden Vorsitzenden von Ilmenau, Hanusch, wegen Agententätigkeit für den UfJ.55

Demokratische Bauernpartei Deutschlands

I. Stimmung der Mitglieder

a) zu politischen Fragen

In den Bezirken der DDR wird unter den Mitgliedern der DBD über den XX. Parteitag und zur Aufstellung einer Volksarmee Stellung genommen. Ein großer Teil der DBD-Mitglieder nimmt positiv zu den Fragen unserer Politik Stellung, auch werden vonseiten der Kreisvorstände politische Schulungen zur Aufklärung der Mitglieder durchgeführt. Im Bezirk Suhl werden innerhalb der DBD mehr politische Auseinandersetzungen geführt, in denen man falschen Argumenten entgegentritt und aufklärend wirkt, was bisher nicht der Fall war.

Die Mehrheit der Mitglieder nimmt positiv zum XX. Parteitag der KPdSU Stellung, wobei besonders die Friedenspolitik immer herausgestellt wird. Im Bezirksvorstand der DBD in Halle wird z. B. sehr rege über die Ereignisse des XX. Parteitages diskutiert. Schwerpunkt bei diesen Diskussionen bildet die Frage Stalin – Aufbau des Sozialismus – und die Frage der Koexistenz.56 Jedoch muss erwähnt werden, dass gerade beim Studium der Materialien des XX. Parteitages häufig unklare Fragen auftauchten. Wobei zu verzeichnen ist, dass große Unklarheiten in der Frage Stalin bestehen, die teilweise an negative Diskussionen grenzen. Der Abteilungsleiter für Schulung beim Bezirksvorstand der DBD (zzt. auf Schule) äußerte z. B. auf einer Tagung eines Kreisvorstandes, dass die Lehre vom Genossen Stalin jetzt ungültig sei, denn Mikojan habe gesagt, dass der XX. Parteitag der erste nach Lenins Tod sei, bei dem die Kollektivität der Leitung wieder zum Ausdruck komme.57 Stalin hätte nur seinen Kopf durchgesetzt und keine andere Meinung gelten lassen. Ferner sagte er, dass Fachleute der Universität Halle sowieso nur über Stalins Werke, die dieser geschrieben hat, lächeln würden. Er führte als Beispiel Stalins Werk über die Sprachwissenschaften an.58 Weiterhin brachte er zum Ausdruck, dass jetzt auch in der DDR aufgrund des XX. Parteitages eine Änderung in der Politik erfolgen würde und müsste, da es sich erwiesen hätte, dass die Lehre Stalins über den Aufbau des Sozialismus überholt sei.

Der überwiegende Teil der Mitglieder der DBD begrüßt die Schaffung einer Volksarmee. Jedoch war unter den werktätigen Einzel- und Großbauern eine Zurückhaltung festzustellen. So wurde besonders bei den Mittel- und Großbauern häufig argumentiert, dass bei der Bildung der Volksarmee der bereits vorhandene Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft noch verstärkt werde. Es zeigt sich auch, dass gerade bei dieser Frage noch häufig Unklarheiten auftreten. So wird unter den Mitgliedern der DBD im Kreis Suhl und Kreis Bad Salzungen argumentiert, die Volksarmee begünstigt einen Bruderkrieg. In den Bezirken Karl-Marx-Stadt und Suhl macht sich unter den Mitgliedern der DBD häufig eine pazifistische Einstellung bemerkbar.

In Streufdorf, [Kreis] Hildburghausen, und Gethles, [Bezirk] Suhl, gibt es Unklarheiten in der Frage der führenden Rolle der Arbeiterklasse, indem dort die Mitglieder der DBD die Meinung vertreten: »Wir sind die Grundlagen des Staates und haben genauso viel zu sagen.«

b) zu wirtschaftlichen Fragen

Während zu politischen Fragen in geringem Maße diskutiert wird, ist der Umfang der Diskussionen zu den wirtschaftlichen Problemen bei Weitem größer. Neben den positiven Erscheinungen, die sich darin ausdrücken, dass ein großer Teil der Einzelbauern sich in Arbeitsgemeinschaften zusammenschließt,59 wird jedoch häufig über die LPG diskutiert und dabei die Frage aufgeworfen – Beitritt in die LPG oder nicht. Dabei kann man feststellen, dass teilweise eine abwartende Haltung eingenommen und die Meinung vertreten wird, wenn die LPG bewiesen haben, dass sie sich wirtschaftlich besser stehen als die Einzelbauern, werden auch sie bereit sein einer LPG beizutreten. In einer Versammlung der DBD-Ortsgruppe Putlitz, Kreis Pritzwalk, diskutierte das DBD-Mitglied [Name 8]: »Wenn das mit den LPG weiter so geht, haben wir nächstes Jahr nichts mehr zu essen. Wenn wir in die LPG eintreten würden, könnten wir unsere Produkte auf dem Handwagen nach Hause fahren; denn die Hektarerträge der LPG gehen ja von Jahr zu Jahr zurück.« Dieses Beispiel ist typisch für diese Diskussionen.

Gegenwärtig wird noch stark über die Bildung von ständigen Arbeitsgemeinschaften diskutiert. Es taucht auch häufig das »RIAS-Argument« auf, die Arbeitsgemeinschaften wären dasselbe wie die LPG, sie wären der Anfang dazu. Über die Bildung von Arbeitsgemeinschaften herrschen noch viel Unklarheiten. So wird z. B. von einem Teil der Mitglieder der DBD die Forderung gestellt, »gebt uns Maschinen und Traktoren in die Arbeitsgemeinschaften, denn auf die MTS ist ja doch kein Verlass«. Diese Diskussionen sind darauf zurückzuführen, dass die MTS im Jahre 1955 in einigen Kreisen ihre eingegangenen Verträge mit den werktätigen Bauern nicht eingehalten haben. Es gibt allerdings auch Beispiele, wo sich Mitglieder der DBD in ständige Arbeitsgemeinschaften zusammenschließen, um die Vorteile der MTS-Arbeit auszunützen. Dies ist z. B. in Creitsch,60 [Bezirk] Leipzig, der Fall.

Für die feindlichen Diskussionen, die im Umfang gering sind, ist folgendes Beispiel charakteristisch: Ein werktätiger Bauer aus Freienthal, Kreis Belzig, meinte: »Die SED will die Landwirtschaft sozialisieren. Eines Tages kommt es, dass wir alle in die LPG eintreten müssen. Man wird das Soll der Einzelbauern immer höher schrauben, bis wir alle wirtschaftlich kaputtgehen. In Westdeutschland leben die Bauern besser als bei uns und deshalb wollen sie auch gar nicht den Sozialismus haben.«

Vereinzelt diskutiert man auch im negativen Sinne über die Regierung der DDR anlässlich der Beschaffung von Saatgut und Düngemitteln. So äußerte z. B. ein werktätiger Bauer – Mitglied der DBD – aus Kückenshagen,61 [Kreis] Ribnitz[-Damgarten]: »Unser Staat lässt sich nicht immer von den Interessen der werktätigen Bauern leiten. Im Herbst hat man uns die Kartoffeln restlos weggenommen und wie wir jetzt unseren Anbauplan erfüllen wollen, sagt uns keiner.« Dieses Beispiel ist typisch für derartige Diskussionen.

Im geringen Maße diskutiert man auch über die Neufestsetzung der SVK-Beiträge62 und bringt sie in Zusammenhang mit dem Bündnis der Arbeiterklasse und der Bauernschaft, wobei geäußert wird, »man spricht von einem Bündnis, aber in Wirklichkeit treten die Arbeiter die Bauern in den Dreck. Die werktätigen Bauern sollen mit Gewalt kaputtgemacht werden. Es soll nur LPG geben.« Die Diskussionen hatten im Januar 1956 großen Umfang, treten allerdings zzt. nur noch vereinzelt auf.

II. Wie wird das Parteileben durchgeführt und wie ist die Mitgliederbewegung

Gegenwärtige Situation im Parteivorstand der DBD

Das Präsidium tritt alle 14 Tage regelmäßig zu einer Arbeitsbesprechung zusammen, wo über die Frühjahrsbestellung gesprochen wird. Gegenstand der Diskussionen sind Vorschläge zur Beseitigung der Mängel, die am Tage der Bereitschaft aufgetreten sind.63 Das Präsidium des Parteivorstandes befasst sich nicht nur mit dem sozialistischen Sektor der Landwirtschaft, sondern auch mit Fragen der werktätigen Einzelbauern. Der Vorstand der DBD leistet eine aktive Arbeit und hat die Leitung der Partei fest in der Hand, was durch die gute Zusammenarbeit mit dem ZK der SED gefördert wird.

Im Parteivorstand der DBD gibt es über grundsätzliche Fragen in der Politik keine Auseinandersetzungen. Es traten jedoch in letzter Zeit Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Generalsekretär der DBD, Rose,64 und dem Kaderleiter Rietz65 auf. Ursachen dieser Spannungen sind Ausführungen von Rose, der der Kaderabteilung vorwarf schlecht zu arbeiten. Die Kaderabteilung müsse über alle besonderen Vorkommnisse in der Republik informiert sein. Dagegen hat sich Rietz gewandt und erklärt, dass wäre unmöglich. Rose selbst wird nur von einem Teil seiner Mitarbeiter geachtet, diese betrachten ihn als »Herrgott«, die anderen Mitarbeiter lehnen seine Art ab und sind über ihn verärgert. Im Parteivorstand des DBD ist der Personenkult stark verwurzelt, was auch auf den Generalsekretär Rose und auf den Vorsitzenden der DBD Goldenbaum66 zutrifft. Dies äußert sich in der Form, dass keiner sich wagt offen etwas gegen diese Funktionäre zu sagen. Aufgrund des XX. Parteitages der KPdSU wird gerade über dieses Problem rege unter den Mitarbeitern diskutiert, allerdings nicht in Versammlungen.

In den meisten Bezirken der DDR ist festzustellen, dass ein reges Parteileben innerhalb der DBD herrscht. Ausnahmen bilden die Bezirke Halle, Suhl und Magdeburg. In den anderen Bezirken finden regelmäßig Parteiversammlungen statt, die allerdings meist nur in den Wintermonaten gut besucht sind bzw. reger besucht werden. Besonders reges Parteileben der DBD ist in den Bezirken Neubrandenburg, Berlin, Leipzig, Erfurt und Dresen, dort ist auch eine gute Versammlungsbeteiligung festzustellen. In einigen Bezirken wie z. B. in Dresden, Leipzig und Erfurt werden zur Weiterbildung der Mitglieder politische Schulungen durchgeführt, wo sich allerdings nur im Bezirk Leipzig die Mitglieder sehr rege beteiligen, und zwar 83 %.

Die DBD hat 83 000 Mitglieder (nach dem Stand von Dezember 1955). Mitgliederbewegungen innerhalb der DBD sind in den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Dresden und Halle vorhanden, davon sind im Bezirk Halle neun Austrittserklärungen, in den Bezirken Dresden 50 und Potsdam zwölf Neuwerbungen im Februar 1956 zugemeldet [sic!] worden. Im Bezirk Leipzig hat sich in der letzten Zeit der Mitgliederstand ebenfalls um 10 % erhöht.

In der DBD gibt es auch Anzeichen von Schönfärberei, was durch folgende zwei typische Beispiele aufgezeigt werden soll. Im Kreisverband Rügen herrschen Zustände, die auch zzt. noch nicht überbrückt sind. Der Kreisverband meldete dem Bezirksverband die Durchführung des Parteischuljahres als 100%ig abgeschlossen. Bei einer Überprüfung von fünf Ortsgruppen stellte sich heraus, dass in zwei Ortsgruppen von den als durchgeführt gemeldeten Themen nicht ein einziges durchgeführt war.

Auch in der Ortsgruppe Ahlbeck, [Kreis] Wolgast, gab das DBD-Mitglied [Name 9] (ehemaliger Hauptmann der faschistischen Wehrmacht), Bankangestellter, dem Kreisvorstand in Wolgast in Fragen der Parteiarbeit unrichtige Angaben. Er meldete durchgeführte Versammlungen und Schulungen, die jedoch niemals stattgefunden haben. Die politische Arbeit der Ortsgruppe in Ahlbeck ist durch die Machenschaften des [Name 9] völlig zum Stillstand gekommen.

III. Wie ist die Mitarbeit im antifaschistischen-demokratischen Block

Die Mitarbeit der DBD im demokratischen Block ist in allen Bezirken der DDR als gut zu bezeichnen. Als Ausnahmen sind dazu folgende Orte bzw. Kreise bekannt geworden:

  • Malschwitz und Nechern,67 [Kreis] Bautzen, [Bezirk] Dresden

  • Schmiedefeld, [Kreis] Ilmenau, [Bezirk] Suhl

  • Kreis Leipzig[-Land]

  • Karwese, [Kreis] Neuruppin, [Bezirk] Potsdam, und Neuendorf, [Kreis] Königs Wusterhausen, [Bezirk] Potsdam

  • Altentreptow

Die Funktionäre der DBD sind bestrebt, die gefassten Beschlüsse zu realisieren und ihren Verpflichtungen gegenüber dem demokratischen Block nachzukommen. Auch nehmen die Vertreter der DBD fast immer regelmäßig an den Blocksitzungen teil, wo sie zum Teil auch gute brauchbare Vorschläge einreichen. So z. B. brachte die DBD im Kreis Nauen, [Bezirk] Potsdam, aufgrund des Mangels an Pflanzkartoffeln den Vorschlag ein, die Zentner-Bewegung durchzuführen, wobei sich auch schon ein guter Erfolg zeigte.

IV. Welche Spannungen und Differenzen existieren innerhalb der DBD

Von den meisten Bezirken wurden uns keine Spannungen und Differenzen innerhalb der DBD bekannt. Ausnahmen bilden lediglich die Bezirke Leipzig und Dresden, wo uns Folgendes mitgeteilt wurde: Zwischen der Ortsgruppe Göpfersdorf68 und der Kreisleitung Altenburg bestehen Differenzen, weil die Ortsgruppe den Großbauern [Name 10], der wegen illegalen Waffenbesitz verhaftet wurde, nicht ausschließen wollte. Jetzt will keiner den Vorsitz der Ortsgruppe übernehmen. In der Ortsgruppe Langenleuba-Niederhain bestehen Differenzen, weil der Kollege Franz69 vom Vorstand der DBD und Vorsitzender der Ortsgruppe eine LPG gründen will, während ein ganzer Teil der Mitglieder der DBD in dieser Frage nicht mitgeht. In dem Kreis Pirna, [Bezirk] Dresden, bestehen in den Orten, wo die werktätigen Bauern (Mitglieder der DBD) unter dem Einfluss der Großbauern stehen, Differenzen zwischen Parteileitung und Mitgliedschaft in Fragen der Politik der Partei, die sich darin ausdrücken, dass ein Teil der Mitglieder der DBD die Richtigkeit der Politik der DBD bezweifelt.

Jedoch gibt es auch in dieser Partei eine Reihe Mängel und Fehler, die teilweise auf schlechtes Verhalten von Funktionären zurückzuführen sind. Hierzu einige Beispiele:

  • Seit Juni 1955 wird im Kreis Anklam, [Bezirk] Neubrandenburg, eine schlechte Parteiarbeit der DBD festgestellt, was auf die schlechte Arbeitsmoral des Kreissekretärs Vahl70 zurückzuführen ist. Dieser zeigt jedoch kein Interesse an der Erfüllung seiner Aufgaben. Dieser Zustand führt zu gewissen Spannungen zwischen den Mitgliedern und des Kreisvorstandes der DBD.

  • Im Kreis Meiningen werden Klagen über den Kreissekretär Amthor geführt,71 der öfters betrunken ist und sich dann flegelhaft benimmt. Bei Blocksitzungen gibt er Versprechungen, an deren Einlösungen er immer erst erinnert werden muss. Die Mitglieder sind der Meinung, dass er dadurch das Ansehen der DBD schädigt.

  • In den Kreisen Suhl und Sonneberg wird vonseiten der Mitglieder Kritik an den Kreisvorständen geübt, weil sie die Anleitung der Ortsgruppen vernachlässigen.

  • Im Kreis Sonneberg wird ganz besonders kritisiert, dass man es nicht für nötig hält in Grümpen und Rückerswind gute Parteileitungen zu schaffen, obwohl bekannt ist, dass dort einige Mittelbauern einen großen negativen Einfluss auf die DBD-Mitglieder ausüben.

  • Im Bezirk Cottbus besteht unter einem Teil von Funktionären der DBD die Tendenz, aus der Parteiarbeit auszuscheiden, um sich einer anderen Beschäftigung zuzuwenden, wo sie mehr verdienen und ruhiger leben. Deswegen fehlt es an guten Funktionären, die als 1. Kreissekretäre eingesetzt werden können.

Die Republikfluchten der Mitglieder der DBD sind im Vergleich zu den anderen bürgerlichen Parteien gering.

[Monat]

DBD

CDU

LDPD

Januar 1956

28

107

95

Dezember 1955

48

93

82

November 1955

37

160

110

Aus dem Kreis Loburg, [Bezirk] Magdeburg, wird bekannt, dass dort viele Bessarabier72 in den Landgemeinden ansässig sind, unter denen in letzter Zeit eine starke Westflucht in Erscheinung tritt. Diese Personen sind zum größten Teil Mitglieder der DBD. Es handelt sich hier eventuell um organisierte Abwerbung (wird bearbeitet).

National-Demokratische-Partei Deutschland

I. Stimmung

a) zu politischen Fragen

Es ist festzustellen, dass unter den Mitgliedern der NDP die Diskussionen zu politischen Fragen reger und auch positiver sind, als in den übrigen bürgerlichen Parteien. Trotzdem gibt es aber noch einen großen Teil negativer Stellungnahmen bzw. einzelne Diskussionen, die Unklarheiten erkennen lassen. Das trifft für alle gegenwärtig diskutierten Probleme zu. Im Vordergrund steht zurzeit: 1. Bildung der Nationalen Volksarmee, 2. XX. Parteitag und Frage »Stalin«.

Zur Bildung der Nationalen Volksarmee haben die positiven Stimmen zum Inhalt, dass die Nationale Volksarmee Berechtigung hat und zum Schutze der DDR und ihrer Errungenschaften dient. Z. B. brachte der Parteifreund [Name 11] aus Pasewalk zum Ausdruck, dass er mit der Schaffung der Nationalen Volksarmee einverstanden ist und man den Menschen immer wieder sagen muss, wie gefährlich der »Deutsche Militarismus« war und ist. In den vereinzelt auftretenden unklaren Stellungnahmen wird vor allem über die Wehrpflicht diskutiert, die man einführen sollte (Rostock, Leipzig).

Dem gegenüber stehen negative und pazifistische Diskussionen mit folgenden Hauptargumenten:

  • »Man sollte die Gewehre weglegen und sich lieber verständigen.« (Karl-Marx-Stadt, Rostock)

  • »Die Schaffung der Nationalen Volksarmee wirkt sich schlecht auf unseren Lebensstandard [aus].« (Gera, Leipzig, Schwerin)

  • »Die neuen Uniformen wurden nur gewählt, um das noch bei vielen Menschen schlummernde Gefühl auszunutzen.«73 (Schwerin)

  • »Nationale Volksarmee bedeutet Krieg – Armee ist gleich Armee.« (Cottbus, Schwerin, Neubrandenburg)

  • Die NDP-Kreisvorstandsmitglieder Vogel und Diepold aus Borna, [Bezirk] Leipzig, erklärten z. B.: »Die Schaffung der Nationalen Volksarmee ist der Hauptgrund für die noch nicht besser gewordene Lebenslage in der DDR. Warum gibt es denn nicht genügend Butter, Fleisch und Fleischwaren?«

Zur Frage XX. Parteitag ist zu verzeichnen, dass innerhalb der NDP im Gegensatz zu den anderen bürgerlichen Parteien und auch verschiedenen Bevölkerungsschichten und auch über die politischen und ökonomischen Probleme diskutiert wird und man sich nicht nur auf die Frage »Stalin« beschränkt, obwohl sie natürlich auch stark diskutiert wird.

Der Umfang der Diskussionen zu diesem Punkt ist groß und allgemein positiv. Hauptargumente sind:

  • »Dem Sozialismus gehört die Zukunft.«

  • »Die Pläne der Sowjetunion dienen zur Erhaltung des Friedens.«

  • »Der XX. Parteitag hat große Bedeutung.«

Hierzu einige Beispiele:

  • Das NDPD-Mitglied Dr. [Name 12] von der Universität Rostock sagte: »Mich hat die weitgehende Kritik und Selbstkritik auf dem XX. Parteitag besonders beeindruckt. Schonungslos sind alle Mängel aufgedeckt worden. Es sind aber zugleich die Wege angegeben worden, die zur Überwindung der Mängel führen. Es ist gar nicht daran zu zweifeln, dass man diese Wege gehen wird und somit die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss des jetzt angelaufenen Fünfjahresplanes schafft.«74

  • Äußerung des Parteifreundes [Name 13] aus dem Ortsvorstand Leitzkau: »Wer täglich den Verlauf des XX. Parteitages verfolgt, kann feststellen, dass die Sowjetunion niemals an einem Krieg interessiert sein kann.«

  • Ein Museumsleiter in Bischofswerda sagte: »Der XX. Parteitag hat mit aller Offenheit den Weg gewiesen, wie man zur weiteren Entspannung in der Welt kommen kann. Es macht direkt Spaß für seine Ziele einzutreten und das werden wir in der NDPD gründlich auswerten.«

Die Frage »Stalin« hat Unklarheiten als Diskussionsgrundlage und unterscheidet sich in keiner Weise von den Stimmungen der übrigen Parteien bzw. Bevölkerung. Zur Frage Stalin:

  • 1.

    »Nicht nur Stalin, sondern das gesamte ZK der KPdSU hat Schuld.«

  • 2.

    »Warum hat man Stalin nicht eher kritisiert.«

  • 3.

    »Warum werden die Verdienste Stalins nicht gewürdigt.«

  • 4.

    »Stalins Werke müssen verbrannt werden.«

Negative Diskussionen werden zum XX. Parteitag wenig geführt und sind als Einzelerscheinungen zu werten. Z. B. äußerten sich der Schlossermeister [Name 14], der Stuhlflechter [Name 15] und der Einzelhändler [Name 16] aus Leipzig: »Was kümmert uns der Parteitag der KPdSU – wir wohnen in ›Germansky‹.«

b) zu wirtschaftlichen Fragen

Innerhalb der NDP stehen hier (genau wie bei der LDP schon geschildert) die mit der Bildung von HPG zusammenhängenden Fragen im Vordergrund. Nur in Einzelfällen wird hier eine Zustimmung geäußert.

  • In einer Handwerkerversammlung in Wittichenau, [Kreis] Hoyerswerda, erklärte ein Malermeister: »Die Erfolge des Sozialismus zeigen immer mehr, dass die Menschen einer viel sicheren Zukunft entgegengehen, als das früher der Fall war. Aus diesem Grunde bin ich dabei, wenn eine handwerkliche Produktionsgenossenschaft gegründet wird.«

  • Ein Rundfunkmechaniker sagte zu diesem Problem, dass die Zukunft des Sozialismus nicht mehr aufzuhalten ist und große Perspektiven besitzt. Er ist der Meinung, alle maßgeblichen politischen Funktionäre und auch der Verwaltungsapparat muss eine offene Sprache führen und die Wahrheit über unsere wirkliche Entwicklung zeigen.

  • In Geschwenda, [Kreis] Ilmenau, ist der Vorsitzende der NDPMirke – die treibende Kraft bei der Bildung einer Schneidergenossenschaft.

  • Der größte Teil verhält sich ablehnend. Dabei kommt es zu Äußerungen wie: »Der Sozialismus ist der Todfeind des Handwerks« oder »In der HPG bekommt man dann einen ›SED-Genossen‹ vor die Nase gesetzt.«

Hauptursache der Ablehnung von HPG ist, dass die Handwerker befürchten, benachteiligt und ihrer Existenz beraubt zu werden bzw. Unklarheiten über ihre Zukunft haben. Diese Einschätzung trifft für alle Bezirke zu und kann durch zahlreiche Beispiele bewiesen werden, trotzdem verschiedentlich die Funktionäre der NDP unter den Handwerkern Aufklärungsarbeit leisten (Potsdam). Es wurde jedoch in manchen Fällen keine einheitliche Linie für die Diskussionen gegeben (Berlin, Cottbus).

Weitere Diskussionen – ausschließlich negativer Art – gibt es zur Frage der HO-Agenturverträge, der geringen Materialzuteilung und der Pflichtversicherung. Diese sind jedoch nicht so zahlreich. Sie wurden festgestellt in Sonneberg, Meiningen, Freital, Görlitz, Oschersleben, Brand-Erbisdorf, Altenburg und im gesamten Bezirk Gera.

II. Die Parteiarbeit der NDP

Die Mitgliederzahl der NDP betrug im Dezember 1955 93 776, das ist um 4 548 weniger als im Januar 1955. Bei diesen Abgängen macht die Zahl der Republikflüchtigen (819 Mitglieder) rund 18 % aus. Außerdem war zu verzeichnen, dass es in einigen Fällen Austritte aus der NDP gab, um der SED beizutreten (z. B. bei Kursanten der Hochschule der NDP, im Kreis Greiz, [Bezirk] Gera, und im Bezirk Rostock).

Im Vergleich zu den anderen bürgerlichen Parteien ist das Parteileben in der NDP gut. Es werden politische Schulungen und zahlreiche Versammlungen durchgeführt, die auch gut besucht werden. Die Beteiligung liegt im Durchschnitt bei 50 %, in einzelnen Fällen nicht selten darüber (Oranienburg, Neuruppin 90 %). Ebenfalls als aktivste bürgerliche Partei tritt die NDP in der Blockarbeit in Erscheinung, nimmt dort regelmäßig teil (vor allem in der Bezirksebene) und ihre Vertreter machen brauchbare Vorschläge. Zu bemerken ist jedoch, dass die Funktionäre die Hauptarbeit durchführen. Diese Einschätzung trifft nicht zu für die Bezirke Neubrandenburg (wo die Arbeit der NDP schwach ist und fast nur aus der Kassierung besteht. Eine Ausnahme bildet hier nur der Kreis Strasburg) und Leipzig, wo die NDP im Kreis Borna und Oschatz vollständig am Boden liegt bzw. in anderen Kreisen schwach ist.

Hier einige typische Beispiele zu dem bisher gesagten:

  • In den Kreisen Potsdam-Stadt und Nauen ist die NDP besonders aktiv im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes und in Dresden wurden von den NDP-Mitgliedern 1955 insgesamt 20 000 Stunden (1954 = 10 000) für das Nationale Aufbauwerk geleistet.

  • Im Kreis Torgau wurde von der NDP eine Werbeaktion für die DSF durchgeführt und allein von zwei Mitgliedern 92 Personen geworben. Die NDP hat als einzige der bürgerlichen Parteien im Kreis Zeulenroda aktiv an der Vorbereitung des Internationalen Frauentages75 mitgewirkt und der Vorsitzende hielt auch die Gedenkrede am Tag der Sowjetarmee.76

  • Der Kreisverband Gransee hat ständig Referenten für die Nationale Front gestellt.

  • Im gesamten Bezirk Dresden nimmt die NDP die Blockarbeit sehr ernst, arbeitet eng mit der SED zusammen und holt sich öfters von dieser Rat.

Natürlich gibt es neben der allgemeinen Aktivität der NDP in allen Kreisen auch zahlreiche Beispiele, wo Schwächen auftreten, die aber insgesamt gesehen nicht typisch und bei den anderen bürgerlichen Parteien weit ausgeprägter sind.

  • So wurden beispielsweise in der Gemeinde Letschin,77 [Bezirk] Frankfurt/O., seit drei Monaten keine Versammlungen durchgeführt.

  • Im Kreis Sonneberg beteiligen sich die Mitglieder des Kreisvorstandes und die Lehrer fast gar nicht an der Studienarbeit, die auch in Hildburghausen aufgrund der schlechten Arbeit des Ortsvorstandes ungenügend ist.

  • Im Kreis Suhl lehnt die Vorsitzende der NDP übertragene Aufgaben ab, mit der Begründung, dass sie eine erschwerte Arbeit unter dem Mittelstand haben.

III. Spannungen

Hier ist nur festzustellen, dass ähnlich wie bei der LDP – verschiedene Mitglieder der NDP sich gegen die enge Zusammenarbeit mit der SED stellen, mit der Begründung, »die NDP schwimme im Fahrwasser der SED«. Besonders augenfällig ist dies im Kreis Brandenburg, wo aus diesem Grunde von den Mitgliedern eine Arbeit innerhalb der NDP abgelehnt wird. Schwerpunkt ist hier Lehnin, [Kreis] Brandenburg. In den Kreisen Kyritz und Wittstock haben die Mitglieder kein Vertrauen zum politischen Kreisgeschäftsführer, der Kritiken ironisch zurückweist. Deshalb wollten einige Mitglieder in Kyritz aus der NDP austreten. In Meißen gibt es Spannungen zwischen Mitgliedern und Parteileitung, weil diese angeblich nicht die Interessen der Handwerker vertritt. In der Kreisleitung Werdau wird der politische Geschäftsführer von einem Teil der Mitglieder nicht anerkannt, weil er eine gute fortschrittliche Einstellung zur DDR hat. Hier bestehen zwei Gruppen, die sich in eine kleinbürgerliche und in eine fortschrittliche aufteilen. Der politische Geschäftsführer stammt aus der Arbeiterklasse, worauf auch die Antipathie zurückzuführen ist.

Innerhalb des Parteivorstandes gibt es zwei Gruppierungen, die vor allen Dingen durch das Verhalten von Dr. Bolz78 entstanden sind: Die eine Gruppe: Dr. Bolz, Homann,79 Meier,80 Dr. Feldmann,81 Rösser.82 Die andere Gruppierung: Dallmann,83 Luthardt,84 Kreter,85 Löhr,86 Pfaffenbach,87 Fühmann.88 Die Spannungen zwischen diesen beiden Gruppen zeigen sich, wenn Beschlüsse innerhalb des Parteivorstandes behandelt bzw. gefasst werden. In der Hauptsache sind es politisch-ideologische Meinungsverschiedenheiten. Die eine Gruppe ist gegen eine enge Verbindung zum ZK der SED (Gruppe Bolz), während die andere, besonders Dallmann, mit dem ZK in einem engen Kontakt steht. In der Vergangenheit hat die Gruppe Bolz dauernd Schläge erlitten, denn sie konnte letzten Endes ihre des Öfteren unmöglichen Auffassungen in politischen Fragen innerhalb des Parteivorstandes nicht durchsetzen, denn dann wären sie auf eine vollkommen falsche politische Linie abgeglitten. In der letzten Zeit zeigte sich eine Besserung in den Beziehungen zwischen beiden Gruppen, und besonders Dr. Bolz bemühte sich, fortschrittlich aufzutreten.

Als Auswirkung der Diskussionen des XX. Parteitages der KPdSU über die Frage des Personenkults, die natürlich auch in Sitzungen des Parteivorstandes behandelt wurde, kam es jedoch wieder zu einem Bruch und die Spannungen verschärften sich. Dr. Feldmann warf Dallmann Fraktionsbildung vor,89 die sich hindernd auf die Kollektivität der Leitung auswirken würde. Des Weiteren versuchte man Luthardt gegen Dallmann durch Intrigen aufzubringen, was allerdings nicht gelang. Dr. Bolz erging sich ebenfalls gegen die andere Gruppe und sprach sich gegen eine Verbindung zum ZK aus. Des Weiteren wandte er sich gegen Maßnahmen zur Erhöhung der Wachsamkeit sowie gegen Personen, die dem MfS Meldung über Anzeichen von Feindtätigkeit mitteilen, und äußerte, dass es innerhalb der NDPD keine Agenten gäbe und das MfS habe nichts in der Partei zu suchen.

IV. Feindtätigkeit

Eine bewusste Feindtätigkeit wurde innerhalb der NDP in den letzten Monaten nicht festgestellt, doch gibt es einige Hinweise und Beispiele, die einer Feindtätigkeit sehr nahe kommen.

  • In Rechenberg-Bienenmühle, Kreis Brand-Erbisdorf, ist eine Gruppe von Unternehmern, Mitglieder der NDP, mit den Beschlüssen ihrer Partei nicht einverstanden und hetzt gegen die DDR und die Sowjetunion. Dieselben sind in einem Kegelklub, in welchem sich weitere reaktionäre Elemente aus der LDP und CDU befinden. Dieser Klub hat inoffiziell den Namen »Wilde Sau«.

  • Die Ortsgruppe der NPD in Unterwirbach ([Kreis] Rudolstadt) versucht aufgrund ihrer zahlenmäßige Stärke die führende Rolle in der Gemeinde zu spielen. Auch ist unter ihnen stark die Forderung nach »freien Wahlen« verbreitet.

  • In der Ortsgruppe der NDP in Teichwolframsdorf ([Kreis] Greiz), wo fünf ehemalige goldene Parteiabzeichenträger90 sind,91 zeigen sich laufend negative Diskussionen.

  • In Röppisch (Kreis Gera[-Land]) besteht der Verdacht, dass der dortige Ortsgruppenvorsitzende der DBD [sic!] mit den Großbauern zusammenarbeitet und von hier aus die negative Beeinflussung der gesamten Gemeinde vor sich geht.

  • Das Kreisvorstandsmitglied der NDP und Lehrer der Berufsschule Neuhaus, Dieter Krusche, diskutierte im Kreisvorstand der NDP über die Durchführung der sogenannten »Freien Wahlen«: »Es müssten freie Wahlen durchgeführt werden, damit endlich andere Personen ans Ruder kämen, als die, die bei den Volkswahlen 1954 durch Betrug die Stimmen erhalten haben.92 Die Regierung der DDR hat bei der Bevölkerung alles verscherzt, weil sie keine freien Wahlen durchführt. Das zeigt sich darin, dass in den Wahlkabinen bei der letzten Volkswahl kein Bleistift vorhanden gewesen ist und die Stimmzettel so abgestimmt waren, dass man nicht anders wählen konnte. Die Regierung der DDR hat Angst vor freien Wahlen, da die Mehrheit der Bevölkerung für den Westen ist. Durch solche Wahlen wie 1954 will man die Meinung der Bevölkerung totschweigen.« Dieser Diskussion stimmten alle Anwesenden im Kreisvorstand der NDP zu.

  • In der NDP in Rastenberg, [Kreis] Sömmerda, negiert eine kleine oppositionelle Gruppe die Arbeit der SED-Mitglieder und treten in den Mitgliederversammlungen offen mit der Forderung nach »Freien Wahlen« auf.

  • Einige Funktionäre der NDP-Bezirksleitung Suhl erhielten Hetzschriften des »Pressedienstes UPD« und die »Tarantel«93 zugesandt.

  • Außerdem wurde in Berlin bekannt, dass das Ostbüro der CDU versucht, in den Kreisen der NDP Agenten zu werben.

  1. Zum nächsten Dokument Stimmung zu Lohnfragen (1)

    20. März 1956
    Stimmung zu Lohnfragen [1. Bericht] [Information Nr. M59/56]

  2. Zum vorherigen Dokument Unzufriedenheiten bei der Intelligenz (1)

    17. März 1956
    Unzufriedenheiten der Intelligenz [Information Nr. M57/56]