Lage in den kleinbürgerlichen Parteien
13. September 1956
Information Nr. 204/56 – Betrifft: Bericht über die Lage in den kleinbürgerlichen Parteien und deren Beteiligung an den Wahlen zur Nationalen Front
CDU
Parteiarbeit
Nach wie vor zeigen die Mitglieder und zum Teil auch die Funktionäre der CDU wenig Interesse für die Parteiarbeit. Dazu werden folgende Beispiele als Beweis angeführt.
An einer Kreisvorstandssitzung der CDU Anfang Juli 1956 in Kalbe (Milde)1 nahmen nur drei Personen teil. Die anderen Kreisvorstandsmitglieder äußerten, dass sie deswegen nicht teilnahmen, weil all die Sitzungen doch keinen Zweck hätten, da andere Stellen bestimmen würden. In der Kreissparkasse Kalbe (Milde) wurde ein CDU-Mitglied aus der Gemeinde Kakerbeck, [Bezirk] Magdeburg, kritisiert, weil es die Mitarbeit der Nationalen Front2 konsequent ablehnt. Der Kreissekretär der CDU, Boddeutsch,3 äußerte dazu: »Die Mitglieder der CDU seien berechtigt, die Mitarbeit in der Nationalen Front abzulehnen, da nicht mehr so – wie vor einigen Jahren – die Holzhammerpolitik betrieben werden kann.«
Aus dem Kreis Rathenow, [Bezirk] Potsdam, wird sogar berichtet, dass die CDU nicht in der Lage ist, zwei geeignete Kandidaten für den Kreistrag zu stellen, weil es an aktiven und verantwortungsbewussten Funktionären fehlt. Es wurde festgestellt, dass mehrere Mitglieder des Kreisvorstandes bzw. der Stadtleitung mit dem Anliegen gekommen sind, ihre Funktionen niederzulegen.
Austrittserscheinungen
In den Bezirken machen sich vereinzelt Austrittserscheinungen bemerkbar, die teilweise damit begründet werden, dass die CDU ein Anhängsel der SED sei.
Bei den Jahreshauptversammlungen der CDU in den Gemeinden Recklingen und Zethlingen Kreis Kalbe (Milde), [Bezirk] Magdeburg, wurden vereinzelt Stimmen laut, dass Mitglieder aus der CDU austreten wollen, da diese Partei keine Freiheit habe und zu sehr von der SED abhängig sei. Diese Diskussionen führen vor allem drei Großbauern.
Im Kreis Wolgast, [Bezirk] Rostock, ist der Mitgliederstand um 50 % zurückgegangen. Dabei handelt es sich meist um ältere Leute. Im Bezirk Erfurt wurden seit Januar 1956 bis jetzt 305 Abgänge festgestellt. In der Ortsgruppe Angelroda, [Kreis] Arnstadt, melden sich CDU-Mitglieder mit der Begründung ab, ihre Funktionäre seien schlimmer als die Kommunisten, sie würden in dasselbe Horn blasen.
Andererseits gibt es auch Fälle, wo man mit allen Mitteln versucht, neue Mitglieder zu werben, wie beispielsweise in einigen Orten des Kreises Seehausen, [Bezirk] Magdeburg. Der Vorsitzende der CDU in der Gemeinde Groß Garz4 diskutiert mit Bauern in der Form, dass sie doch Mitglied der CDU werden sollen, da sie dann auch in der Gemeindevertretung gewählt werden könnten. Weiterhin äußerte er, dass sie sich in nächster Zeit einen anderen Bürgermeister wählen werden (der jetzige ist Mitglied der SED).
Im Kreis Rostock[-Land] erfolgte die Werbung besonders unter den alteingesessenen Bauern von Gnewitz und Barkvieren. Als Argument benutzte die CDU, dass es durch ihre Anregung und Initiative gelungen sei, das Ablieferungssoll für Schafwolle herabzusetzen. Tatsächlich wurde das Ablieferungssoll gesenkt, jedoch nicht auf Betreiben der CDU, sondern aufgrund der Überprüfung der Bodenverhältnisse durch Vertreter des Rates des Kreises Rostock.
Verschiedentlich treten auch Tendenzen gegen die SED auf mit dem Ziele, diese zu verdrängen. In Obermehler, [Kreis] Mühlhausen, [Bezirk] Erfurt, sind Bestrebungen im Gange, bei der Gemeindevertreterwahl die SED auszuschalten. Alle bürgerlichen Parteien wollen sich zusammenschließen, zu einem Block und ihre Kandidaten aufstellen. Die Partei, die dann die meisten Stimmen erhält, soll den Bürgermeister stellen. Der Initiator dieser Zersetzung des Ortsblockes soll die CDU sein. Wenn die Kandidaten wie bisher von der Nationalen Front aufgestellt werden, will man die Wahl sabotieren, indem man nicht zur Wahl geht. In Menteroda,5 [Kreis] Mühlhausen, äußerte das CDU-Mitglied [Name 1], dass bei der nächsten Wahl eine geschlossene Front gegen die SED gebildet werden muss. Es treten auch Stimmen auf, welche mit der politischen Linie der Parteiführung nicht einverstanden sind.
Innerhalb der CDU gibt es immer wieder Beispiele, wo man sich gegen die führende Rolle der SED richtet. So äußerte sich z. B. der stellvertretende Bürgermeister und Leiter der BHG in Sarnow, [Kreis] Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam, (CDU): »Wir in Sarnow hätten schon längst einen Bürgermeister, wenn es nach der Meinung der Einwohner von Sarnow ginge, aber der Bürgermeister muss ja unbedingt von der SED sein. Es werden meistens Bürgermeister aus der Stadt geschickt, die keine Ahnung von der Landwirtschaft und der Struktur des Dorfes haben, aber das ist ja nicht ausschlaggebend, die Hauptsache ist, er gehört der SED an. Die CDU und die DBD sind in unserem Dorf viel stärker, als die SED und demnach müssten wir auch das Recht haben, einen Bürgermeister aus unseren Kreisen aufzustellen.« Ähnlich ist es im Kreise Weißenfels.
Ein Bäckermeister, ein Gastwirt, ein Zahnarzt aus Uder,6 [Kreis] Heiligenstadt, [Bezirk] Erfurt, verlangen die Loslösung der CDU von der SED. Sie verfolgen das Ziel, die CDU auf die Linie von Kaiser7 zu bringen. Die gleichen Forderungen traten auch in Marksuhl, [Kreis] Eisenach, von vier Mitgliedern auf, welche ebenfalls eine Trennung von der SED fordern.
In Menteroda, [Kreis] Mühlhausen, [Bezirk] Erfurt, äußerte das CDU-Mitglied [Name 1], dass bei der nächsten Wahl eine geschlossene Front gegen die SED gebildet werden muss.8
Am 5.7.1956 fand im Kulturhaus in Pulsnitz, [Kreis] Bischofswerda, [Bezirk] Dresden, eine öffentliche Stadtverordnetensitzung statt, wo der stellvertretende Bürgermeister gewählt wurde. Der Vorsitzende der CDU-Ortsgruppe Pulsnitz äußerte, dass sich die CDU-Fraktion an der Abstimmung nicht beteiligen würde, da die Wahl des stellvertretenden Bürgermeisters undemokratisch sei, da dieser bereits schon vier Wochen in dieser Funktion tätig ist. Bei der Wahl hat sich die CDU nicht beteiligt.
In Schirgiswalde, [Kreis] Bautzen, [Bezirk] Dresden, fand am 24.8.1956 eine Blocksitzung statt,9 wo von der SED der Vorschlag eingebracht wurde, den Genossen Wiedemann als stellvertretenden Bürgermeister einzusetzen. Die CDU berief einen Tag zuvor eine Vorstandssitzung ein, wo im Beisein des Volkskammerabgeordneten Döcke10 die taktische Linie betreffs der Einsetzung des stellvertretenden Bürgermeisters festgelegt wurde. Die CDU lehnte in der Blocksitzung den Vorschlag ab, obwohl sie nichts gegen die Person des Genossen Wiedemann einzuwenden hatte. Hierzu ist zu bemerken, dass die CDU in Schirgiswalde seit Jahren einen illegalen Kampf gegen die SED führt. Dies ist auf die Entfernung der Kruzifixe in der Schule zurückzuführen, was die SED im Ortsblock 1953 durchgesetzt hat. In der letzten Ortsblocksitzung wurde von der CDU wieder geäußert, dass trotz der Trennung von Staat und Kirche, ihre Symbole in den staatlichen Gebäuden in Erscheinung treten müssten.
Mitarbeit in den Ausschüssen der Nationalen Front
Die Mitarbeit bei den Ausschusswahlen der Nationalen Front ist in den Bezirken unterschiedlich. So ist zum Beispiel im Bezirk Leipzig in den Kreisen Borna, Delitzsch, Eilenburg und Torgau festgestellt worden, dass sich dort die Mitarbeit der CDU in den Ausschüssen der Nationalen Front verbessert hat. Jedoch ist dies ebenfalls nur auf die stärkere Mitarbeit von den Funktionären, welche im Staatsapparat oder in der Partei tätig sind, zurückzuführen.
Im Kreis Torgau wurden z. B. 45 Mitglieder der CDU in die Ausschüsse der Nationalen Front gewählt. In Karl-Marx-Stadt ist ebenfalls eine verbesserte Mitarbeit zu verzeichnen. So arbeiten zzt. ca. 1 400 Mitglieder der CDU in den Ausschüssen mit. Demgegenüber waren es 1954 nur 916. So ist in vielen Ortsausschüssen des Bezirkes Karl-Marx-Stadt zu verzeichnen, dass ca. 50 % CDU-Mitglieder in den neugewählten Ortsausschüssen tätig sind, wobei man hervorheben muss, dass sich auch die Vertreter der Kirche mehr als bisher bereit erklärt haben, in der Nationalen Front mitzuarbeiten.
Jedoch überwiegen die Beispiele, wo die CDU eine schlechte Mitarbeit an den Tag legt. So z. B. sind in einigen Gemeinden des Kreises Bautzen die Mitglieder der CDU schwer zur Mitarbeit in die Nationalen Front zu gewinnen, da sie der Meinung sind, die CDU sei doch nur ein Aushängeschild, um zu sagen, dass es in der DDR noch Blockparteien gibt. Im Kreis Löbau und Pirna sowie Zittau hat die Mitarbeit in der Nationalen Front ebenfalls nachgelassen. Obwohl die CDU versucht, alle im Block festgelegten Funktionen zu behalten, mussten bereits mehrere an andere Blockparteien abgegeben werden, da die CDU keine Funktionäre dafür bringen konnte. In den Ortsgruppen Suhl und Zella-Mehlis ist die Mitarbeit der Mitglieder schwach, da der überwiegende Teil Anhänger der »Kaiser-Politik« sind. Es handelt sich hierbei vorwiegend um ältere Mitglieder, die mit der Entwicklung nicht Schritt gehalten haben.
Zur Arbeit der Nationalen Front äußerte sich der Pfarrer Güsmer,11 CDU, aus Parchim, [Bezirk] Schwerin, dass er keine Funktion in den Ausschüssen der Nationalen Front annehmen könne, da die Politik der Nationalen Front den Kommunismus stärke, was unvereinbar mit seiner Tätigkeit als Geistlicher sei.
LDPD
Parteiarbeit
Das Parteileben innerhalb der LDPD ist schwach entwickelt. Die Mehrzahl der Mitglieder nimmt nicht am Parteileben teil. In ihrer Arbeit hat die Partei einen Rückgang zu verzeichnen. Trotz Initiative einiger guter Funktionäre ist es nicht gelungen, eine Verbesserung in der Parteiarbeit zu erzielen. Die politische Arbeit, die zurzeit noch geleistet wird, ist auf diejenigen Mitglieder zurückzuführen, die sich aufgrund ihrer Tätigkeit im Staats- und Verwaltungsapparat dazu verpflichtet fühlen.
In der Mitgliederbewegung macht sich ein ständiger Rückgang bemerkbar. Dieser Rückgang ist darauf zurückzuführen, dass die Partei z. T. veraltet ist. Die Werbeaufgebote haben bisher wenig Erfolg gehabt. Junge Menschen treten nur in den seltensten Fällen der LDPD bei. Dazu kommen noch Austritte mit der Begründung,
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dass die LDPD keine eigene Weltanschauung habe und somit auch keine eigene Politik mache.
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dass die LDPD doch nichts zu sagen hätte, weil die SED alles bestimmt.
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dass sich die Partei nicht für die Interessen ihrer Mitglieder einsetzt.
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dass es gleich ist, ob man Mitglied der LDPD oder der SED ist.
Dazu einige Beispiele:
Der Gastwirt der Gemeinde Kuhfelde, [Bezirk] Magdeburg, meinte: »Wir als LDPD haben ja sowieso nichts zu sagen. Wenn es wenigstens so wäre wie am Anfang. Aber nach der letzten Wahl ist es ganz und gar aus.12 Die da oben bangen um ihren Arbeitsplatz, denn wenn sie nicht so machen, wie die andern wollen, verschwinden sie, dafür sorgt der Russe schon.«
Der werktätige Einzelbauer [Name 2] aus der Gemeinde Barnebeck,13 [Kreis] Salzwedel, [Bezirk] Magdeburg, erklärte seinen Austritt aus der LDPD, da es seiner Meinung nach dasselbe ist, Mitglied der LDPD oder der SED zu sein. In Ilmenau, [Bezirk] Suhl, traten einige Mitglieder aus der LDPD aus, weil die Partei angeblich nicht ihren Standpunkt vertritt, sondern unter dem Einfluss der SED steht. Eine Angestellte aus dem Bezirk Magdeburg erklärte: »Ich habe die Nase voll und mache nicht mehr mit. In den Versammlungen bekommen wir über politische Fragen genau das zu hören, was in den Zeitungen der SED steht. Hier merkt man überhaupt keinen Unterschied.«
Differenzen zwischen den Mitgliedern und der Parteiführung bestehen insofern, dass einige langjährige Mitglieder die Linie der LDPD unter Dr. Loch14 nicht für richtig halten. Sie sind der Meinung, dass die LDPD ein Anhängsel der SED sei. Insgesamt gesehen laufen alle Stimmungen zu diesem Punkt darauf hin, dass ein Teil der LDPD-Mitglieder mit dem fortschrittlichen Kurs der Parteileitung nicht einverstanden ist. Auch gegen Dieckmann15 gibt es ähnliche Stimmen. So erklärte z. B. der Lehrer [Name 3] (LDPD) aus Weimar: »Die Beschlüsse der Parteivorsitzenden Dieckmann, Loch sowie Gerlach16 entsprechen nicht im Geringsten der politischen Einstellung der Mitglieder. Die Parteileitung entpuppt sich immer mehr als eine SED-hörige Gruppe.«
Der Kassierer der Ortsgruppe Orlamünde, [Bezirk] Gera, rief dem Bezirkssekretär in einer Versammlung zu: »Wer sind Sie denn überhaupt? Woher kommen Sie? Vielleicht sind Sie auch so einer, wie Prof. Herdegen17 und verschwinden eines Tages nach dem Westen. Wir haben kein Vertrauen zur Parteileitung oder fragt uns Herr Dr. Loch vielleicht nach unserer Meinung. Euer Bewusstsein hängt sowieso von der Höhe eures Gehaltes ab.«
Mitarbeit bei den Neuwahlen der Ausschüsse der Nationalen Front
Die LDPD hat die Neuwahlen der Ausschüsse der Nationalen Front am wenigsten unterstützt. Die Mitarbeit der LDPD in der Nationalen Front wird zum überwiegenden Teil von den Funktionären geleistet. Die Mitglieder sind in den meisten Fällen uninteressiert. Die Funktionäre haben es nicht verstanden, die Masse der Mitglieder für die Mitarbeit in der Nationalen Front zu gewinnen.
Die Mitarbeit der LDPD in der Nationalen Front und allen ehrenamtlichen Ausschüssen ist zurückgegangen. Die Ursache dafür liegt in einer gewissen Müdigkeit der Mitglieder und zum Teil, wie schon unter Parteiarbeit angeführt, ist die Partei veraltet. Im Bezirk Gera ist eine gute Mitarbeit bei den Ausschusswahlen zu verzeichnen. Hier zeigen die bereits gewählten Ausschüsse eine stärkere Zugehörigkeit von LDPD-Mitgliedern, als dies vorher der Fall war. So sind z. B. im Kreis Rudolstadt 52 % der Mitgliedschaft der LDPD in den Ausschüssen der Nationalen Front tätig. Ebenfalls bemühte sich die LDPD im Kreis Jena sehr, viele ihrer Mitglieder in die Ausschüsse zu bringen. Das zeigt sich z. B. in den bereits gewählten Ausschüssen der Landgemeinden, wo etwa 74 % mehr LDPD- als SED-Mitglieder vertreten sind.
Feindarbeit
Der ehemalige Generalsekretär der LDPD der DDR Stempel, der von sowjetischen Gerichten wegen Agententätigkeit zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, aber vor einiger Zeit wieder entlassen wurde,18 schreibt verschiedene Funktionäre in Berlin an und bittet diese, nach Westberlin zu einem Gespräch.
NDPD
Innerhalb der NDPD gibt es zahlreiche Diskussionen über wirtschaftliche Fragen im Zusammenhang mit dem 28. Plenum der SED.19 Zur Frage der Beteiligung an den handwerklichen Produktionsgenossenschaften besteht zum großen Teil eine abwartende Haltung. Die Handwerker wollen erst feststellen, ob sie durch die Mitgliedschaft Vorteile haben oder nicht.
Im Bezirk Karl-Marx-Stadt wird in Ausspracheabenden und persönlichen Gesprächen mit Handwerkern und Gewerbetreibenden immer wieder das Problem der Kommissionsverträge gestellt. Sie sind der Meinung, dass seit der III. Parteikonferenz der SED schon einige Monate vergangen sind, bisher aber auf diesem Gebiete noch nichts getan wurde.20
Unter den Inhabern von Strickerei- und Wirkerei-Betrieben (Mitglieder der NDPD) im Kreis Apolda, [Bezirk] Erfurt, besteht eine gedrückte Stimmung, weil ihre Betriebe nicht 100%ig ausgelastet sind. Mit Aufträgen sind diese Betriebe reichlich versehen, jedoch erhalten sie nur ungenügend Material.
Die Geschäftsleute (NDPD), hauptsächlich Textil- und Elektrobranche, waren über die letzte Preissenkung sehr verärgert.21 Sie sind der Meinung, dass dadurch ein geschäftlicher Rückgang zu verzeichnen ist, weil sie die Preisdifferenz bei der Preissenkung tragen müssen. Sie bringen weiter zum Ausdruck, dass an zentraler Stelle überprüft werden müsste, ob diese Maßnahmen richtig sind, da man auf diese Art das Vertrauen zur Regierung nicht festigen kann. So erklärte z. B. der Radiohändler [Name 4] aus Leipzig: »Die Preissenkung ist nur auf Kosten der Einzelhändler gegangen. Hat ein Gerät früher 500 DM gekostet und heute nur noch 300 DM, so büße ich 200 DM ein, weil ich es für 500 DM bei der DHZ gekauft habe.«
Mitarbeit bei den Neuwahlen der Ausschüsse der Nationalen Front
Die NDPD hat die Neuwahlen der Ausschüsse der Nationalen Front im Gegensatz zu den übrigen bürgerlichen Parteien am aktivsten unterstützt. Die Funktionäre und z. T. auch die Mitglieder haben gute Arbeit geleistet. Einige Mitglieder lehnten mit der Begründung ab, dass sie beruflich überlastet sind oder bereits andere gesellschaftliche Funktionen ausüben. Ernste Bemühungen wurden auch unternommen, um die Nationale Front bei Einwohner- und ähnlichen Versammlungen zu unterstützen.
Durch die Partei wurden auch die Schichten des Mittelstandes für eine aktive Mitarbeit in den Ausschüssen angesprochen. Teilweise lehnten diese mit der Begründung ab, sie seien auch so mit Arbeit ausgelastet. Im Bezirk Neubrandenburg wurden 600 Mitglieder für die Arbeit in den Ausschüssen der Nationalen Front gewonnen und gewählt. In Zwickau-Nord arbeiten 50 % der NDPD-Mitglieder in den Ausschüssen. Es gibt aber auch Kreise, in welchen die parteipolitische Arbeit dementsprechend auch die Mitarbeit in den Ausschüssen schwach ist (Eilenburg, [Bezirk] Leipzig; ländliche Gemeinden des Bezirkes Erfurt).
Parteiarbeit
Nach dem Beschluss der III. Parteikonferenz der SED zur weiteren Demokratisierung und Verbesserung der Arbeit der Volksvertretungen22 macht die NDPD alle Anstrengungen, um ihre Arbeit zu verbessern. Auch ist sie bestrebt, ihre monatlichen Mitgliederversammlungen regelmäßig durchzuführen. Allerdings hat die Aktivität der Funktionäre noch nicht die gewünschte Auswirkung, denn viele Mitglieder verhalten sich inaktiv.
Nach dem 28. Plenum ist zu verzeichnen, dass die Austrittserklärungen sehr kritisch behandelt werden. Vorher wurden z. B. im Bezirk Neubrandenburg in der Vergangenheit Austrittserklärungen mit der Begründung Mitglied der SED zu werden, ohne Weiteres akzeptiert. Einige Überprüfungen ergaben jedoch, dass diese Begründung nur einen unbehinderten Austritt ermöglichen sollte, ohne wirkliche Absicht, Kandidat der SED zu werden.
In fast allen Bezirken macht sich ein geringes Sinken des Mitgliederstandes bemerkbar. Gründe für den Austritt sind:
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Die NDPD würde nicht ewig bestehen.
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Die NDPD hat keinen Einfluss im demokratischen Block.
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Mitglieder der NDPD haben doch keine Entwicklungsmöglichkeiten.
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Eintritt in die SED.
Hierzu einige Beispiele:
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Der Parteifreund [Name 5] sagte in einer Besprechung mit Bezirksvorstandsmitgliedern in Gera: »Ich bin der Meinung, dass ich in einer falschen Partei bin, denn wenn ich damals in die SED eingetreten wäre, stünde ich in meiner Entwicklung schon ganz anders. Ich arbeite beim Rat des Kreises und habe noch nie eine Anerkennung, Prämie usw. bekommen, obwohl mein Einsatz so ist, dass ich fast keinen Abend zu Hause bin.« Er weigerte sich deshalb, die Hochschule für Nationale Politik zu besuchen.23
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Auf der am 14.6.1956 in Stendal durchgeführten Tagung der Zehnergruppenleiter der Stadtkreise der NDPD wurde festgestellt, dass der Besuch der Mitgliederversammlungen schlecht ist. Ein großer Teil der Mitgliedschaft ist mit dem Beschluss der NDPD, den Aufbau des Sozialismus zu unterstützen, nicht einverstanden und ist deshalb den Mitgliederversammlungen ferngeblieben.
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Aufgrund des Beschlusses der III. Parteikonferenz zur weiteren Demokratisierung beginnt die NDPD verstärkt, die Kontrolle der Arbeit der Volksvertreter aus den Reihen ihrer Mitgliedschaft durchzuführen. So müssen z. B. im Bezirk Neubrandenburg die Volksvertreter regelmäßig vor Mitgliederversammlungen sowie den örtlichen Parteivorständen Bericht erstatten.
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Der Parteifreund [Name 6] aus Eisfeld, [Kreis] Hildburghausen, [Bezirk] Suhl, vertrat die Meinung, man sollte auch in der NDPD Parteigruppen, wie in der SED, schaffen, damit in den Betrieben und Verwaltungen das Parteileben der NDPD auch weiter entwickelt würde. Die Beteiligung an den Mitgliederversammlungen beträgt durchschnittlich 30 bis 50 %.
DBD
Unter den Mitgliedern der DBD wird heftig über die Erhöhung der SVK-Beiträge diskutiert.24 Obwohl durch die Auseinandersetzungen ein Teil der Mitglieder einsieht, dass diese Erhöhung notwendig ist, gibt es doch noch viele negative Diskussionen. Weit verbreitet ist die Meinung, dass die Erhöhung der SVK-Beiträge einen indirekten Zwang zum Eintritt in die LPG bedeutet. Vereinzelt gibt es sogar Austrittserscheinungen. Im Bezirk Schwerin z. B. sind solche Diskussionen verbreitet, dass die Erhöhung der SVK-Beiträge nur deshalb vorgenommen wurde, um ein Lockmittel zum Eintritt in die LPG zu haben.
Der Kollege [Name 7] aus der Ortsgruppe Hohenbergen im Kreis Mühlhausen sagte: »Die LPG bekommen jede Hilfe, Futtermittel, erhöhte Düngemittelzuteilung, weniger Ablieferung und brauchen weniger SVK-Beiträge zu zahlen. Wo bleibt die Hilfe für die werktätigen Einzelbauern.« Der Kollege [Name 8] aus Wanzleben,25 [Bezirk] Neubrandenburg, sagte: »Wir sprechen viel von der Bündnispolitik, aber andererseits sollen die Bauern durch die Erhöhung der SVK-Beiträge noch mehr Angestellte und Funktionäre bezahlen.«
In vielen Ortsgruppen wird die Forderung gestellt, bei der Erhöhung der SVK-Beiträge Krankengeld an die Bauern zu zahlen und die Zahlung von Altersrenten für die Bäuerinnen zu regeln. Z. B. wird im Bezirk Halle diese Forderung damit begründet, wenn ein werktätiger Bauer mit seiner Frau oder in der Saisonzeit mit ein bis drei Arbeitskräften arbeitet, er im Krankheitsfalle gezwungen ist, eine fremde Arbeitskraft für längere Zeit einzustellen.
Der Kreisvorsitzende der DBD Halberstadt vertrat die Meinung, dass seine Partei die Erhöhung der SVK-Beiträge nicht hätte befürworten sollen. Der Kollege [Name 9] aus Bockwitz, Kreis Grimma, will aus der Partei austreten, weil er mit der Erhöhung der SVK-Beiträge nicht einverstanden ist. In Lossa,26 [Kreis] Wurzen, [Bezirk] Leipzig, warfen deshalb die gesamten Mitglieder der DBD die Mitgliedsbücher auf den Tisch.
Ein anderes Problem, welches ebenfalls sehr stark Verärgerung hauptsächlich im Bezirk Gera hervorruft, ist die Zuckerfrage. Hier wird immer wieder verlangt, dass auch die Einzelbauern mit Zuteilungen an Zucker bedacht werden sollen. Diese Lage führt dazu, dass Tauschgeschäfte, Eier gegen Zucker, geführt werden. Große Mengen Eier werden hierdurch der planmäßigen Versorgung entzogen.
Parteiarbeit
Die Arbeit in der DBD wird während der Sommermonate durch die Erntearbeiten vernachlässigt. Das zeigt sich besonders in der niedrigen Beteiligung an den Mitgliederversammlungen. Sonst ist durch die Neuwahl der Orts- und Kreisvorstände im I. und II. Quartal 1956 in den meisten Bezirken eine gute Parteiarbeit zu verzeichnen. Im Kreis Rügen konnte festgestellt werden, dass die DBD in einigen Gemeinden bestrebt ist, die stärkste Partei zu werden, um dementsprechend auch die Bürgermeisterstellen zu besetzen.
In der Mitgliederbewegung haben sich seit März 1956 keine wesentlichen Veränderungen ergeben. Austritte gab es in folgenden Bezirken:
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Im Kreis Schleiz, [Bezirk] Gera, sind z. B. 15 Großbauern aus den DBD ausgetreten. Die Gründe konnten nicht ermittelt werden.
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Ebenfalls sind in Oberndorf,27 [Kreis] Gera[-Land], sieben Mitglieder geschlossen ausgetreten, weil sie mit der Politik der Partei nicht mehr einverstanden sind.
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In Berggießhübel, [Kreis] Pirna, [Bezirk] Dresden, sind im Jahre 1956 bereits 25 Mitglieder aus der DBD ausgetreten. Meistens wird als Begründung angegeben, dass sie von ihrer Partei keine Hilfe in ihrer schlechten Lage erhalten hätten.
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Im Kreis Großenhain, [Bezirk] Dresden, sind in der letzten Zeit 35 Mitglieder aus der DBD ausgetreten. Im Zusammenhang mit der Einführung neuer Mitgliedsbücher werden mit den Mitgliedern Aussprachen durchgeführt. Diese zeigen, dass einige Mitglieder nicht mehr gewillt sind, Mitglied der DBD zu sein.
Mitarbeit bei den Neuwahlen der Ausschüsse der Nationalen Front
Die Mitarbeit der DBD bei den Neuwahlen der Ausschüsse der Nationalen Front war im Durchschnitt gut. Viele Funktionäre der DBD verstehen noch nicht immer in Aussprachen oder Versammlungen, die breite Masse der Mitglieder für die Mitarbeit in den Ausschüssen der Nationalen Front zu gewinnen. Dadurch kommt es vor, dass die Arbeit in den Ausschüssen oft nur von den Funktionären der DBD ausgeführt wird. In den Kreisen Jena, [Bezirk] Gera, und Wurzen, [Bezirk] Leipzig, verpflichtete sich die DBD, Ausschüsse zu bilden, hielt diese Verpflichtung aber nicht ein.
Feindtätigkeit
Im Bezirk Frankfurt/O. wurden an aktive DBD-Mitglieder Flugblätter gesandt, in welchen gegen die SED und führende Staatsfunktionäre gehetzt und die Bauern aufgefordert wurden, kein bzw. schlechtes Getreide abzuliefern.
Im Kreis Nordhausen, [Bezirk] Erfurt, besonders an der Grenze, ist das Gerücht im Umlauf, dass »vor den kommunistischen Wahlen die Zonengrenzen fallen«. Ein Teil der Einwohner schenkt diesem Gerücht Glauben.