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Lage in der DDR (18) 5.11. (1)

5. November 1956
Information Nr. 308/56 – Betrifft: Lage in der Deutschen Demokratischen Republik (Material vom 5.11.1956, 8.00 Uhr, bis 6.11.1956, 8.00 Uhr)

I. Lage in der Industrie

Potsdam

Unter den Angestellten des Stahl- und Walzwerkes Brandenburg sowie des Walzwerkes »Willy Becker« Kirchmöser bestehen große Unstimmigkeiten aufgrund der Zusammenlegung der beiden Werke.1 Die Abteilungs- und Wirtschaftsfunktionäre würden nach der Zusammenlegung eine niedrige Funktion bekleiden. Zum Beispiel werden die Abteilungsleiter der Fein- und Grobstraße zu Walzwerk-Ingenieuren herabgestuft. Sie bekämen weniger Urlaub und würden bei der Quartalsprämie eine Stufe heruntergesetzt. Von sämtlichen Angestellten würde sich nur der Leiter der Materialversorgung verbessern. Alle anderen würden sich verschlechtern.

Unter den Bauarbeitern des Kreisbaubetriebes Königs Wusterhausen sind Unzufriedenheiten über die bestehenden Normen zu verzeichnen. Einige äußerten dazu, dass es an der Zeit wäre, dieses durch Gewalt zu verändern.

Magdeburg

Ein Monteur aus Nordhausen, der Verbindung zu den Großbetrieben in Magdeburg hat, äußerte Folgendes: Die Arbeiter sagen, wenn wir streiken, dann kommt der SSD2 und wir gehen ab. In Magdeburg herrscht die Parole: »Streiken dürfen wir nicht, aber langsam arbeiten, das können wir.«

Erfurt

In der Grube »Karl Liebknecht« Bleicherode, [Bezirk] Erfurt, fielen am Sonnabend, den 20. Oktober 1956, auf einen Schlag die drei Wasserpumpen des Werkes aus, sodass die Kumpels, die aus der Grube kamen, keine Möglichkeit zum Waschen hatten, und den Kumpels die einfuhren, keine warmen Getränke bereitgestellt werden konnten. Auch für die Turbinen bestand die Gefahr, dass sie stillgelegt werden mussten. Dies erregte großen Unmut unter den Arbeitern.3

Halle

Am 5.11.1956 wurde in der Mühle III, Vormühle im Kaliwerk Friedenshall, [Kreis] Bernburg, eine Störung festgestellt, wo zehn Doppelzähne von genannter Mühle ausgebrochen waren. Die Ursache der Störung war ein Kettenschloss. Das Kettenschloss, welches aus der Strecke XIV am Blindschacht stammt, wurde vermutlich Sonnabendnachmittag oder heute früh reingeworfen.4

Frankfurt/O.

Am 5.11.1956 wurde zur Lage im »EKS« Folgendes mitgeteilt: Im EKS herrscht Ruhe und Ordnung. Vor Schichtbeginn wurden heute Kurzversammlungen durchgeführt und zur Lage in Ungarn5 und Ägypten6 Stellung genommen. Die Stimmung der Arbeiter ist äußerst positiv. Es wurden Sammlungen zur Unterstützung Ungarns durchgeführt. Die Produktionsleistungen in den letzten Tagen sind angestiegen. Am 21.10.1956 und 24.10.1956 wurden vom Hochofen I 827 und 847 Tonnen Roheisen geliefert. Solche Leistungen waren bisher noch nie vorhanden. Die Koks-Situation ist jetzt sehr gut, laufend rollen Transporte von der Sowjetunion und Polen ein. Der Vorrat ist stark angestiegen. Staatsreserven werden wieder angelegt.7

Berlin

Am 2.11.1956 legten 20 Zimmerleute auf der Baustelle DIA Mohrenstraße die Arbeit nieder. Sie bringen zum Ausdruck, dass sie mit den bestehenden Normen nicht einverstanden sind. Wie bekannt wurde, wurde die Arbeit in den Vormittagsstunden wieder aufgenommen, nachdem die Differenzen in der Lohnangelegenheit geklärt waren.

II. Verwaltung

Das gesamte Fahrerkollektiv (5 Fahrer) vom Presseamt beim Ministerpräsidenten sind mit folgenden Fragen nicht einverstanden: Bezahlung bei Erkrankungen, Bezahlung bei Urlaub, Bezahlung der selbstverschuldeten Unfälle sowie über die Leistungsstufen der Chef-Fahrer.

III. Landwirtschaft

Potsdam

Unter den Arbeitern der DSG Potsdam wurde durch zwei Mitarbeiter des Ministeriums der Finanzen Beunruhigung hervorgerufen. Diese zwei Mitarbeiter hatten am 30.10.1956 mit den Belegschaftsmitgliedern über eine Reorganisation der DSG, die vorgesehen sei, gesprochen. Von den Arbeitern wurde daraufhin diskutiert, dass in der DDR alles durcheinander sein müsste, weil erst Mitte dieses Jahres die DSG reorganisiert worden sei. (Es ist keine Reorganisation geplant.)

Schwerin

Im VEB »MTS – Spezialwerkstatt Schwerin« herrscht unter den Arbeitern Unzufriedenheit, weil nicht genügend Arbeit vorhanden ist. Dadurch haben die Arbeiter einen monatlichen Lohnausfall von ca. 50,00 bis 80,00 DM. Der Mangel der ungenügenden Arbeit ist darauf zurückzuführen, dass die Buchhalter der einzelnen MTS-Stationen den Finanzplan 1956 nicht überziehen wollen und aus diesem Grunde die in Reparatur stehenden Maschinen nicht instandsetzen lassen.8

Karl-Marx-Stadt

Im MTS-Stützpunkt Neusorge, Kreis Hainichen, herrscht unter den Traktoristen eine äußerst negative Stimmung. Sie haben beschlossen, aufgrund ihrer schlechten Unterkunftsverhältnisse, am Montag, den 5.11.1956, die Arbeit niederzulegen. Des Weiteren wurden Unterschriften gesammelt, dass man den jetzigen Brigadier, Mitglied der Kreisleitung, ablehnt, und verlangt, dass der Brigadier T. diese Funktion einnimmt.

IV. Versorgung

Berlin

(Medizinische Badeanstalt): Der Bademeister führte folgendes Gespräch: »Diese Dickwänste da oben und der Spitzbart9 sorgen nur für sich. Für die Klein-Verdiener und Rentner ist nichts übrig. Es reicht knapp zum Leben bei diesen Preisen. Viele kaufen ihren Bohnenkaffee in Westberlin, da der Verbrauchspreis niedriger und auch die Qualität besser sei.«10

(Konsumverkaufsstelle Fehrbelliner Straße, Bezirk Mitte): Die Einkellerungsaktion ist noch nicht abgeschlossen, obwohl dafür der 5.10.1956 festgelegt war.11 Jetzt wird erklärt, dass die Besteller ihre Kartoffeln selbst abholen sollen. Das verursacht unter der Bevölkerung Verärgerung.

(Wehlauer Straße): Aufgrund der Diskussion über Abschaffung der Lebensmittelkarten12 machte eine Person größere Anschaffungen.

(Berlin-Karow): Auch tätigen einige Personen »Angsteinkäufe«. Es wurden verschiedentlich bis zu zehn Pfund Zucker und Erbsen eingekauft.

Erfurt

Im Bezirk soll es keine Winterbekleidung für Kinder geben, was die Bevölkerung empört.

Dresden

Im sorbischen Gebiet Kreis Bautzen diskutiert die Bevölkerung darüber, dass mit dem Wegfall der Lebensmittelkarten eine Währungsreform käme. Auch hier werden »Angsteinkäufe« getätigt.

Cottbus

Eine Genossin der Zentralen Kaderleitung des MfV äußerte, dass unter ihren Bekannten und Nachbarn in Cottbus die Stimmung mies sei. Diese brachten zum Ausdruck, dass das kommunistische Regime ein Terrorregime ist und die Wahrnehmung der Interessen nur auf dem Papier stünde. So gibt es zum Beispiel im ganzen Bezirk Cottbus keine HO-Butter, und von Bohnenkaffee kann schon überhaupt keine Rede mehr sein.13

V. Handwerker

Dresden

Im Kreis Bautzen sind die kleinen Handwerker sehr unzufrieden. Das kam in einer Versammlung deutlich zum Ausdruck. Grund: Sie müssen neuerdings eine Handelssteuer bezahlen.14 Die Tabellen dazu sind noch nicht bekannt. Sie erhielten lediglich vom Finanzamt Rechnungen, wo nicht bekannt ist, wie die zu zahlende Summe berechnet wurde. Es wird die Meinung vertreten, dass es den Finanzangestellten nur um Prämien ginge. Viele Handwerker seien deswegen nach dem Westen geflüchtet.

VI. Studenten

Durch eine überprüfte vertrauliche Quelle wurde bekannt: »Während meines persönlichen Besuches bei Herrn Androwsky im Amerika-Haus am Nollendorfplatz15 am 31.10.1956 gegen 10.00 Uhr habe ich mehrere Jugendliche feststellen können, die in einen Versammlungsraum ins 2. Stockwerk gingen. Auf Befragen sagte mir A., dass es Studenten wären. Als ich mich dann von A. verabschiedete, hörte ich eine weibliche Angestellte fragen, ob die Studenten von »drüben« schon da wären.«16

Am 31.10. fand eine Studenten-Kundgebung in der »Freien Universität« statt. Es waren ca. 500 Personen erschienen. In einem Gespräch, das am 1.11.1956 stattfand äußerte der Ehrenvorsitzende des Studentenbundes, der am 31.10.1956 in der Studentenversammlung gesprochen hatte, dass alles nur leere Worte gewesen seien. Er schimpfte auf die Saumseligkeit des Vorsitzenden des sozialistischen Studentenbundes in Westberlin, Klaus Kundt,17 der einfach nicht in der Lage sei, die Initiative zu ergreifen, um den fruchtbaren Boden bei den Studenten im Osten auszunutzen.

Es wurde berichtet, dass am 5.11.1956 von sieben angeblichen Studenten im Lokal »Dicker Heinrich« Kurfürstendamm über einen Protestmarsch gesprochen wurde. Es kam dabei zum Ausdruck, dass sie ihre Kollegen am Brandenburger Tor empfangen wollen. Es fielen die Worte »Heute abend werden wir ja sehen, was bei uns unternommen wird, um den Menschen schnell zu helfen.«

VII. Feindtätigkeit

Flugblattverteilung

  • Am 5.11.1956, gegen 10.30 Uhr, wurden in der Nähe des S-Bahnhofes Schönhauser Allee Flugblätter verteilt. Inhalt der Flugblätter – Hetze gegen die Volksdemokratien und die DDR. Herausgeber: SPD Westberlin.

  • Am 4.11.1956 wurden, gegen 8.15 Uhr, am Bahnhof Lalendorf,18 [Kreis] Güstrow, 41 Hetzschriften der NTS19 gefunden. (Bote der Freiheit – Volksaufstand in Ungarn)

  • Am 4.11.1956, gegen 8.40 Uhr, wurde eine größere Menge (ca. 150 Flugblätter) in deutscher und russischer Sprache in verschiedenen Auflagen von einem Angehörigen der Trapo in der Nähe des Bahnkörpers Bezirk Halle gefunden. Vermutlich Ballonabwurf.

  • Am 4.11.1956, gegen 14.30 Uhr, wurden von der Trapo Wittenberg neun Flugblätter in russischer Sprache gefunden.

  • In den Morgenstunden wurden in sämtlichen S-Bahnzügen, die aus Richtung Westen kamen, Extrablätter des »Telegraf« gefunden. Inhalt: »Rote Armee mordet Ungarn«. Uns wurde bekannt, dass auf den Bahnhöfen Neukölln, Humboldthain, Westkreuz, Schöneberg, Bahnhof Zoo, Bahnhof Papestraße, Ring- und Stadtbahn, je vier Personen das Extrablatt des »Telegraf« auslegten.20

Hetzlosungen

Halle

Im Kupferbergbau VEB »Ernst Thälmann« Eisleben waren zwei Förderwagen mit der Losung »Nieder mit dem Kommunismus« »Es lebe der Hitlerfaschismus« beschmiert. Am 4.11.1956 wurde in der Schulstraße in Bernburg, [Bezirk] Halle, eine Hetzlosung gegen die DDR angeschmiert. Am 5.11.1956 wurde in der Toilettenanlage des Buntmetallwalzwerkes Hettstedt eine Hetzlosung gegen die SU angeschmiert.

Leipzig

Am 5.11.1956, gegen 8.30 Uhr, wurden auf dem Hauptbahnhof Leipzig, Seitenausgang Westhalle, zwölf Flugblätter auf liniiertem Papier Größe 20 × 15 cm in Blockschrift mit Kopierstift beschrieben gefunden. Inhalt: »Denkt an Ungarn – Widerstand den Mördern eines tapferen Volkes – Der Gott, der Eisen wachsen ließ, er wollte keine Knechte«.21

Am 4. bzw. 5.11.1956 wurden 32 mit Handdruckkästen angefertigte Hetzbriefe einbehalten. Die Briefe sind auf Postämtern in der Stadt Leipzig eingeworfen. Empfänger sind 15 Hauptpostämter in verschiedenen Städten sowie Sparkassen in den gleichen Städten. (Jena, Dresden, Karl-Marx-Stadt, Dessau, Brandenburg, Magdeburg, Merseburg, Potsdam, Erfurt, Nordhausen, Halberstadt, Weimar, Halle, Berlin, Weißenfels und Humboldt-Universität Berlin). Inhalt: Hetze gegen unsere Regierung und unseren Staat.

Berlin

Gegen 4.00 Uhr wurde durch die Wache der Transportpolizei Friedrichstraße beim Streifengang festgestellt, dass an den Stützpfeilern der Spreekutte22 zwei selbstgefertigte mit Schreibmaschine beschriebene Hetzzettel frisch geklebt waren. Inhalt: Hetze gegen Walter Ulbricht und die SED – Aufforderung zum Generalstreik im Zusammenhang mit den Ereignissen in Ungarn. In zwei öffentlichen Fernsprechzellen des Bahnhofs Friedrichstraße wurden je zehn Hetzblätter mit gleichem Inhalt gefunden.

Dresden

Am 3.11.1956 wurde auf der Toilette des Bahnhofes Obercarsdorf, [Kreis] Dippoldiswalde, eine Hetzlosung festgestellt. Inhalt: Hetze gegen Walter Ulbricht – Lob Adenauers.23 Die Stunde der Befreiung ist da. In der Nacht zum 3.11.1956 wurde an einer Gärtnerei in Großenhain die Hetzlosung »Iwan go home« angeschmiert.

In der Nacht zum 3.11.1956 wurde in Meißen auf der Karl-Liebknecht-Straße eine Hetzlosung mit schwarzer Nitrofarbe angeschmiert. »Deutsches Volk befreie Dich«.

In der Nacht zum 3.11.1956 wurden in Neustadt, [Kreis] Sebnitz, zwei Hetzlosungen mit gleichem Inhalt angeschmiert. »Wir fordern Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland.«

Am 2.11.1956 wurde in Zwickau24 »Heil Hitler« angeschmiert.

Karl-Marx-Stadt

Am 3.11.1956 wurde in Dittmannsdorf, [Kreis] Marienberg, am Spritzenhaus eine Losung gegen Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck mit Kreide angeschmiert. In der gleichen Nacht wurde [eine] ähnliche Losung an der Schule in Dittmannsdorf angeschmiert.

Anonyme Briefe und Anrufe25

Halle

Das Finanzamt Wittenberg erhielt eine Postkarte mit folgendem Text: »Ihr Lumpen, zu den jetzigen Ereignissen Folgendes – wenn wir wieder ein freies Volk werden wollen, dann muss sofort das Finanzamt aufgelöst werden. Euch vor Faulheit stinkenden Verbrechern müsste man ausbrüten und nicht auf Kosten anderer Mitmenschen ernähren lassen. Unterschrift die Freiheitsbewegung.«

Karl-Marx-Stadt

Es wurde eine Postkarte sichergestellt, die an unsere Dienststelle in Zwickau adressiert war. Inhalt: Hetze gegen das MfS sowie führende Funktionäre der DDR. Die Karte ist unterzeichnet mit KgU.26

Westpropaganda

Versteckte Aufforderung zum Streik

»RIAS« – Am 5.11.1956, 15.25 Uhr, Informationen aus der SBZ – Kommentar zur Lage in Ungarn. Das System, dass die Sowjets nach 1945 in Europa unter Zwang eingeführt haben, wird von der finstersten Reaktion diktiert. Gegen dieses System gibt es für die Arbeiter nur ein Mittel, dass bisher immer zum Erfolg geführt hat.

Am 3.11.1956 sprach J. Kaiser27 im RIAS. Er beteuerte u. a., dass sie sich jetzt mehr denn je in diesen bewegten Tagen mit der Zone verbunden fühlen. »Nicht zuletzt«, so äußerte er weiter, »richtet sich unsere Aufmerksamkeit, auf das Geschehen in der Zone. Es ist sicher nicht mangelnder Wagemut, wenn ich heute der Zone zurufe ›Werdet nicht ungeduldig‹, denn heute zeigt sich ja vor aller Augen, es gibt eine innere Gesetzmäßigkeit in der Politik.«

In einem Artikel mit der Überschrift »SPD: Pankow28 hat abgewirtschaftet«, im »Tagesspiegel« vom 4.11.1956 heißt es u. a.: Die SPD hat in ihrem Pressedienst die Bevölkerung der Sowjetzone aufgefordert, den Pankower Machthabern die Antwort auf ihre jahrelange Terrorherrschaft nicht auf der Straße zu geben, sondern in den Betrieben, wo die Entscheidung über die materielle Basis des Pankower Staates in ihrer Hand liegt.29

In einer Sendung des Londoner Rundfunks30 vom 3.11.1956 wird der Wortlaut eines angeblichen Hörerbriefes aus der DDR gebracht. Das Ganze ist eine einzige Hetze gegen unsere Partei und Regierung und eine Schilderung des Aufbegehrens der Bevölkerung der DDR. So heißt es z. B. unter anderem: Es gärt in der Bevölkerung, eine Gruppe Studenten im Bezirk Dresden sprach schon von einer Aktion »Klein Budapest« und meint damit eine Auflehnung gegen das strenge Regime. Die Bevölkerung fordert jetzt dringend die strikte Durchführung der Demokratisierungsmaßnahmen und es sollten daher in den Diskussionen folgende Forderungen erhoben werden:

  • 1.

    Pressefreiheit, umfassende und wahrheitsgetreue Informationen;

  • 2.

    Aufhebung aller Störsender;

  • 3.

    Bildung von unabhängigen Betriebsräten in den Betrieben;

  • 4.

    Sofortige Auflösung der Staatssicherheit.

Durch Presse und Rundfunk gibt der Gegner immer wieder bekannt, dass sich an den Spendenaktionen für Ungarn auch einzelne Personen und Institutionen aus der DDR und dem Ostsektor von Berlin beteiligen. So z. B. meldet der RIAS am 3.11.1956 unter den eingesandten Geldspenden an das Schöneberger Rathaus, befand sich auch ein Briefumschlag mit dem Absender eines Ministeriums der DDR. Andere kamen aus HO-Geschäften, aus Industrieunternehmen, aus dem RAW in Oberschöneweide. Weiter heißt es dann, dass vor allem unter den Studenten die Spendenaktion großen Widerhall gefunden habe. So wurde von den Studenten in Berlin-Dahlem eine Kundgebung veranstaltet, die nicht nur von Westberliner Studenten besucht [wurde], sondern auch von einem beträchtlichem Teil der Kommilitonen von der Humboldt Universität. Eine am Schluss der Kundgebung durchgeführte Sammlung ergab auch einen beträchtlichen Ostmark-Betrag.

VIII. Lage in Westberlin

4.11.1956 – Die BVG soll in der Umgebung des Bahnhofes Zoo die U-Bahnhöfe halbmast geflaggt haben. Die Leuchtreklame am Potsdamer Platz brachte provokatorische Hetze gegen die SU. Eine Person aus Westberlin äußerte, dass nach ihrer Ansicht vorläufig keine Unruhen in der DDR zu erwarten seien, da die Vorbereitungen seitens des Westens noch nicht so weit seien. In der Vulkanisier- und Kraftfahrzeug-Reparaturwerkstatt in Charlottenburg, Neue Christstraße 5, diskutierten Fernfahrer: »Wir müssen beginnen, denn der Ami kann nicht anfangen, aber diesmal kommt er uns zur Hilfe.« Die Fernfahrer durch die DDR berichten, dass es im Osten gärt. Sie bringen Grüße und Wünsche aus der Zone mit. Besonders aus Börde Magdeburg.31 Dort wäre gesagt worden, noch ist Zeit, noch ist die Nationale Armee nicht gefestigt, wenn man wartet, kann es zu spät sein.

Diskussionen auf dem Arbeitsamt in Westberlin: Es besteht in der Parteiführung der SED eine Uneinigkeit, die alten Stalinisten sind hart und wollen nicht verhandeln, während ein anderer Teil aus dem ZK verhandlungsbereit ist. Die Uneinigkeit muss ausgenutzt werden, sonst erleben wir eine Niederlage wie am 17.6.1953.

Die Schüler der christlichen Mitteleinheitsschule Charlottenburg,32 Guerickestraße,33 wurden vom Schuldirektor Dr. Bormann34 (131) befragt, von wem Angehörige im Osten wohnen oder in Ostberlin arbeiten. Sie mussten die Personalien der im demokratischen Sektor oder in der DDR arbeitenden Personen angeben sowie deren Arbeitsstelle und als was sie tätig sind.

Es wurde bekannt, dass beim Notaufnahmeverfahren in Marienfelde35 für die Konterrevolution in Ungarn pro Person 5,00 DM abverlangt worden seien.

Inoffiziell wurde bekannt, dass die Amerikaner der Westberliner Bereitschaftspolizei in den letzten Tagen schwere Maschinengewehre zur Verfügung stellten. Es handelt sich um Modelle aus dem II. Weltkrieg.

In einer Versammlung der »Falken«36 am 30.10.1956 am Wedding wurde diskutiert, dass die Falken stärker als bisher im Osten arbeiten müssten, um dort ein »Aufweichen« zu erreichen. Der Jugendvertreter Koffke37 äußert dazu, dass dieses Aufweichen in der Humboldt-Universität bereits vorhanden sei.

Am 30.10.1956 erschienen im Flüchtlingslager Marienfelde drei Herren (SPD und CDU), die zu den Flüchtlingen äußerten: »Sie sollten sich an Ungarn ein Beispiel nehmen. Die hätten gezeigt, wie man sich vom russischen Joch befreien könne.« Es meldeten sich einzelne Personen, die bereit waren unter falschem Namen in die DDR zurückzukehren. (inoffiziell)

Ein Teil Studenten der »Freien Universität«, die aus der DDR kommen und Verwandte in der Bundesrepublik haben, lassen sich von diesen aus der BR Personalausweise auf ihren Namen ausstellen. Die Eltern beantragen dann beim Rat des Kreises in der DDR Aufenthaltsbescheinigungen für acht Wochen. Auf diese Weise gelangen viele Studenten in die DDR (inoffiziell).38

Am 4.11.1956, 21.30 Uhr. wurden verstärkte Fahrzeugbewegungen in der englischen Kaserne Kladow festgestellt.39

Am 5.11.1956 wurde bekannt, dass ca. 500 Studenten der »Freien Universität« Westberlin das Sowjetische Ehrenmal in Berlin-Tiergarten stürmen wollen. Von den Studenten wurden Hetzlosungen ausgerufen. Diese Studenten-Ansammlung wurde durch Militär-Polizei (es kann nicht gesagt werden, ob englische oder amerikanische) abgedrängt.

Am 5.11.1956, gegen 17.30 Uhr, wurde am S-Bahnhof Großgörschenstraße in Westberlin ein Fackelzug aus nördlicher Richtung kommend in Richtung Rudolf-Wilde-Platz in 5-Reihen festgestellt (ca. 2 000 Personen).

Zugverkehr der alliierten Militärzüge

Vom 2.11.1956, 8.00 Uhr, bis 3.11.1956, 9.00 Uhr, verkehrten insgesamt fünf Züge. Davon zwei nach Osten und drei nach Westen. Der eine in Richtung Osten war zu 30 % mit Ami-Truppen (in fünf Wagen) und der andere mit 100 % französischen Truppen in neun Wagen besetzt. Bei den Zügen, die nach dem Westen fuhren, konnte nichts Besonderes festgestellt werden. In der Zeit vom 3.11.1956, 15.00 Uhr bis 22.30 Uhr, verkehrten drei Züge, alle in Richtung Westdeutschland. Davon waren zwei amerikanische Militärzüge, wie sie besetzt waren, ist nicht bekannt. Der dritte war ein französischer Militärzug. Dieser war mit ca. 30 % Militärpersonen (Angehörige der französischen Gendarmerie) besetzt.40

In der Zeit vom 3.11.1956, 22.30 Uhr, bis 4.11.1956, 10.00 Uhr, verkehrten insgesamt sieben Züge. Dazu im Einzelnen: Ein Zug in Richtung Osten, insgesamt 28 Wagen, zwei davon mit Amitruppen besetzt. Bei drei weiteren Zügen nach dem Osten konnte die Besetzung nicht festgestellt werden. Bei den drei übrigen Zügen nach dem Westen wurde ermittelt, dass der eine zu 75 % besetzt war. Vermutlich von französischen Truppen und der andere zu 20 % mit Amitruppen. Bei dem dritten Zug handelt es sich um einen englischen Zug, wo die Besatzung ebenfalls nicht festgestellt werden konnte.

Am 4.11.1956, gegen 11.05 Uhr, teilte der OvD mit, dass im Grenzgebiet Staaken und Schöneweide eine verstärkte Fahrzeug-Tätigkeit beobachtet wurde. Es handelt sich um amerikanische Jeeps und Fahrzeuge vom Zoll. In Hennigsdorf wurden verstärkte Wachen von Stummpolizisten festgestellt.41 Zwei Angehörige der Bereitschaft wurden von zwei Stupos aufgefordert nach »drüben« zu kommen. Sollten sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, so würde es ihnen so ergehen wie denen in Ungarn. Der Aufforderung kamen beide nicht nach.

IX. Besondere Vorkommnisse

Am 4.11.1956, gegen 20.30 Uhr, kam es in Potsdam auf dem Platz der Nationen (zzt. Rummel) zu einer Schlägerei zwischen einem Angehörigen der Trapo und einem angetrunkenen Jugendlichen. Nach Eingreifen der VP wurde der Jugendliche in das Gebäude der SED-Stadtleitung gebracht, wohin ca. 250 Jugendliche folgten und, ohne den Grund zu kennen, ein Pfeifkonzert eröffneten. Gegen 21.05 Uhr traf ein Schnellkommando der VP ein. Nachdem ein VP-Offizier zu den Versammelten gesprochen hatte, begaben sie sich ohne provokatorische Äußerungen oder Diskussionen wieder zum Rummel.42

Der ABV im Wirkungsbereich 9 Pankow teilte mit, in der Stalinallee sind männliche Personen an Verkäuferinnen in den Geschäften herangetreten und haben gefragt, wo führende »SEDisten [sic!] wohnen, damit man diese zur gegebenen Zeit aufhängen kann«. (Mitteilung ist nicht überprüft.)

Bei [der] ungarischen Handelsmission sind eine Reihe von Resolutionen aus Betrieben der DDR eingegangen, wo sich die Arbeiter dieser Betriebe solidarisch mit den ungarischen Werktätigen, gegen die konterrevolutionären Banden erklären. Die Mitarbeiter dieser Handelsmission machen sich lustig über diese Resolutionen und sagten, dass es keine Konterrevolution, sondern ein regelrechter Massenaufstand wäre.43

Eine Person, welche in Leipzig in einer Wurstfabrik beschäftigt ist, führte aus, dass in verschiedenen Betrieben in Leipzig Normerhöhungen bei gleicher Bezahlung durchgeführt werden sollten. Die Arbeiter waren hiermit nicht einverstanden. Sie wollten die Arbeit niederlegen. Das Vorhaben wurde von der BGL revidiert und es blieb beim Alten (wurde nicht überprüft).

Ein Informations-Beamter der SPD äußerte, dass es in der DDR »im geheimen Staat schwele. Wenn sich die Lage in Ungarn etwas geklärt hat, ginge es bestimmt in der DDR los.« Der Einfluss käme nicht vom Westen. Aus Boitzenburg, [Bezirk] Magdeburg, Halle, Eisenach und Thüringen lägen schon diesbezügliche Berichte vor, dass es Anfang des neuen Jahres in der DDR losgehe, weil die Arbeiter mit [der] Normtreiberei unzufrieden sind und weil dann auch der ganze Schwindel mit der Rentenerhöhung und Abschaffung der Lebensmittelkarten klar sein würde.44 Der Sozialdemokrat hat angedeutet, dass die Erhebung von Nord- und Südosten der DDR ins Rollen käme.

Ein Amerikaner äußerte, dass auch in der ČSR Aussichten für eine Provokation vorhanden sind. Der Anstoß käme nicht von der ČSR, sondern aus der DDR aus den Städten Karl-Marx-Stadt und Zwickau. Waffen wären genug vorhanden. Die Sache würde noch vor Weihnachten losgehen. Anfangen würde man dort, wo die meisten Truppen der Sowjetunion stationiert sind.

Ein Lehrerehepaar aus Westberlin brachte zum Ausdruck: Die Exilpolen warten auf neue kommende Unruhen in Polen und auf den Sturz der polnischen Regierung. Sobald man in Ungarn etwas klarer sehe, würde die Erhebung in Polen einsetzen. Große Gelder sollen schon in Berlin bereitliegen. Diese Erhebung solle dann auf die Zone übergreifen besonders vonseiten polnisch gewesener Arbeiter in der Lausitz und an der Küste.45

  1. Zum nächsten Dokument Lage in der DDR (19) 5.11.

    6. November 1956
    Information Nr. 309/56 – Betrifft: Lage in der Deutschen Demokratischen Republik (Material vom 5.11.1956, 8.00 Uhr, bis 6.11.1956, 8.00 Uhr)

  2. Zum vorherigen Dokument Lage in der DDR (16) 3.–5.11.

    5. November 1956
    Information Nr. 307/56 – Betrifft: Lage in der Deutschen Demokratischen Republik (3.11.1956 bis 5.11.1956, 5.00 Uhr, eingegangenes Material)