Lage in der DDR (21) 7.–8.11.
8. November 1956
Information Nr. 316/56 – Betrifft: Die Lage in der Deutschen Demokratischen Republik (vom 7.11.1956, 8.00 Uhr, bis 8.11.1956, 8.00 Uhr, eingegangenes Material und Zusammenfassung über Schwerpunkte)
I. Industrie
Dresden: Im VEB »Fortschritt« Werk I Neustadt-Sebnitz herrscht Unzufriedenheit über die ständigen Stromabschaltungen. Den Drehern und Schweißern entstehen dadurch Lohneinbußen bis zu 100 DM monatlich. Der VEB Betonwerk Cossebaude, erhielt aus der ČSR zwei Hubstapler geliefert. Diese Geräte besitzen nur 7 cm Bodenfreiheit und können geländemäßig nicht eingesetzt werden. Die Arbeiter sind darüber entrüstet, dass derartige Geräte gekauft und eingeführt werden. Ein Hubstapler kostet 21 000 DM. Am 7.11.1956 fielen im Umspannwerk infolge Fehlschaltung 2 Mio. Watt Strom aus. Dadurch musste bei drei mittleren Spinnereibetrieben in Zittau der Strom abgeschaltet werden.
Karl-Marx-Stadt: Am 6.11.1956 konnten im VEB Bleierzgruben Freiberg 800 Untertagearbeiter infolge Stromabschaltungen von 16.30 Uhr bis 20.00 Uhr nicht arbeiten. Durch Überlastung des Gesamtstromnetzes der DDR erhielt Freiberg nur 4 Mio. Watt. Am 7.11.1956 erhielt die Energieversorgung des Bezirkes Karl-Marx-Stadt vom Ministerium für Kohle und Energie die Anweisung, den Strom in allen Betrieben abzustoppen. In den Spitzenzeiten von 6.00 bis 8.00 Uhr und von 16.30 bis 20.30 Uhr sollen alle Betriebe gänzlich abgeschaltet werden, ausgenommen sind Betriebe der Chemie-, Berg- und Hüttenindustrie. Diese Maßnahme wird mit Überbelastung im DDR-Netz begründet. In der Durchführung der Wohnungsbauten innerhalb der SDAG Wismut fehlt es an Zement. In Aue und Gera mussten bereits Bauarbeiten eingestellt werden.
Potsdam: Im Karl-Marx-Werk Potsdam-Babelsberg1 schalteten am 6.11.1956 sechs Dreher ihre Maschinen aus und führten drei »Streikminuten« durch. Im Entwurfsbüro für Straßenbau Potsdam-Babelsberg beteiligte sich am 7.11.1956 der überwiegende Teil der Beschäftigten aus Protest gegen die Maßnahmen in Ungarn2 nicht an der Demonstration zu Ehren der Oktoberrevolution. Im LEW Hennigsdorf forderten die Angehörigen der Intelligenz aufgrund der Ereignisse in Ungarn eine Aussprache mit einem Mitglied des ZK. Nach Bekanntwerden der Niederschlagung der Konterrevolution lehnen sie diese Aussprache mit der Begründung ab, dass sie den Schritt der SU nicht billigen.
Erfurt: Im VEB Landesdruckerei Thüringen in Weimar löste die Einführung der Nachtschicht Unzufriedenheit unter den Beschäftigten aus. In einem ultimativen Beschluss an den Bezirksvorstand des FDGB fordern sie Antwort bis 15.11.1956 auf folgende gestellte Forderungen:
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Volle Bezahlung der Nachtzuschläge –
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Einstufung in Lebensmittelkartenstufe C –3
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Jährlichen Urlaub von 18 Arbeitstagen –4
Gera: Im VEB Porzellanwerk Kleindembach wurde von der Mehrzahl der Arbeiter die Unterschrift unter eine Protestresolution zum Überfall auf Ägypten verweigert.5
Suhl: Am 5.11.1956 brannte im VEB Möbelwerk Langewiesen6 eine Trockenkammer. Ursache: heiß gelaufenes Lager der Ventilation. Schaden: 9 500 DM.
Rostock: Im Lehrlingswohnheim der Warnow-Werft Warnemünde, Klasse 11a, durch ständiges Abhören des NWDR aufgehetzt, tritt provokatorisch auf.7 Fortschrittlichen Jugendlichen und Erziehern wird mit den Worten gedroht: »Nieder mit den Kommunistenschweinen«. 15 bis 20 Jugendliche versuchten gewaltsam in das benachbarte Funkstudio einzudringen und die Anlage für provokatorische Äußerungen zu benutzen. Eine Wandzeitung wurde demoliert und die FDJ-Fahne auf Halbmast gesetzt.
Frankfurt/O.: Das RAW Eberswalde erhielt am 5.11.1956 von der Westberliner »Morgenpost«8 einen Anruf. Es wurde um Bestätigung der Meldung von der Verhaftung des Werkleiters wegen 125 000 DM Unterschlagung gebeten. Der Anruf erfolgte von Westberlin aus über das Zentralamt im demokratischen Sektor von Berlin.
II. Landwirtschaft
Dresden: In der LPG Heynitz,9 [Kreis] Meißen, sind durch den Frost 20 t Kartoffeln in den Mieten erfroren.10 Die Bauern von Cotta, [Kreis] Pirna, sandten einen Brief an den Minister für Landwirtschaft, in dem sie sich für die geschaffenen Erleichterungen bedanken. Gleichzeitig fordern sie die noch offen stehenden Beschwerden zu behandeln sowie eine Aussprache mit den Genossen Ulbricht oder Grotewohl.11 Unter diesem Brief wurden wieder Unterschriften gesammelt. Die Mitglieder der SED vom Patenschaftsbetrieb VEB Entwicklungsbau Pirna haben den Eindruck, dass die Bauern von Cotta aufgrund der Ereignisse von Polen12 und Ungarn13 wieder Auftrieb bekommen haben.
Karl-Marx-Stadt: Am 7.11.1956 brannte in Lichtenberg, [Kreis] Brand-Erbisdorf, die Scheune eines Mittelbauern mit der gesamten Ernte nieder. Ursache unbekannt.
Frankfurt/O.: In der Gemeinde Hohenfelde, [Kreis] Angermünde, wurde vor den Hofeingang eines Mitgliedes der SED eine umgestürzte Holzkiste gestellt, der Pumpenstengel verbogen und die Toreinfahrt aus den Angeln gehoben. Dem Vorsitzenden der Nationalen Front14 wurde gedroht mit den Worten: »Machen Sie sich fertig, wir sind im Revolutionskomitee in Ungarn, Sie werden erschossen.«
Rostock: Durch Nachtfröste sind in LPG und ÖLB15 des MTS-Bereiches Tessin insgesamt 7 030 Ztr. noch nicht eingefahrene Kartoffeln erfroren.
Suhl: Am 6.11.1956 brannte in Barchfeld die Scheune eines Mittelbauern aus. Ursache unbekannt. Schaden: 8 000 DM.
Gera: In den Orten Thimmendorf, Zoppoten und Schlegel, [Kreis] Lobenstein, stellt die Mehrzahl der Bauern die Forderung auf Abschaffung des Ablieferungssolls und Einführung der freien Wirtschaft.
Potsdam: In den MTS Seefeld und Peetz16 wurden landwirtschaftliche Maschinen unbrauchbar gemacht, indem Räder abmontiert und gestohlen wurden.
III. Versorgung
Leipzig: Die Hamstereinkäufe an Teigwaren, Öl und Fleischkonserven halten im Stadtgebiet Leipzig weiter an. Die Menge von 85 t Mehl, die sonst in zehn Tagen gekauft wurden, wurde in 1½ Tagen verkauft.
Dresden: Von den ehemaligen Umsiedlern aus Ungarn im Kreis Zittau wurden in den letzten Tagen größere Mengen Lebensmittel wie Nudeln, Haferflocken, Mehl, Reis, Bohnen, Grieß usw. gekauft, weiterhin größere Mengen Unterwäsche.
Gera: In den Kreisen Rudolstadt und Zeulenroda werden weiterhin Hamstereinkäufe getätigt. Dadurch ist bereits Mangel an Mehl der Type 405 aufgetreten.
IV. Universitäten und Oberschulen
Leipzig: An der Thomas-Oberschule erschien am 6.11.1956 die Klasse 12 bis auf drei Schüler in schwarzer Kleidung. Sie erklärten, dass sie um die Opfer in Ungarn und Ägypten trauern. (Vermutlich organisiert, wird noch überprüft.) Am 6.11.1956 wurden im Anatomischen Institut der Medizinischen Fakultät Leipzig zwei handgeschriebene Forderungen zur Abschaffung des Russischunterrichtes gefunden.
Dresden: Im Saal für Chemie der Technischen Hochschule wurde am 6.11.1956 in der Zeit von 12.00 bis 12.03 Uhr von 35 Studenten eine Gedenkzeit für die Konterrevolutionäre in Ungarn durchgeführt.17
Gera: Die Hochschulgruppe der FDJ der Universität Jena erhielt am 6.11.1956 ein Schreiben mit dem Absender Hochschulkuratorium unteilbares Deutschland18 an der Universität Hamburg, Hamburg 13, Beneckestraße 13, Telefon: 44 53 24. Einleitend in diesem Schreiben wird erwähnt, dass ein gleiches Schreiben an den Minister für Kultur der DDR gerichtet wurde. Weiterhin wird von Unruhen unter den Studenten der DDR und Missachtung der Verfassung und akademischen Traditionen geschrieben. Daran anschließend werden folgende Forderungen erhoben:
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Freilassung der inhaftierten Professoren und Studenten
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Freie und geheime Wahlen zu den Studentenräten
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Zulassung unabhängiger und politischer Studentengruppen neben der FDJ
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Die staatlichen Stipendien ohne politische und gesellschaftliche Auflagen vergeben
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Abschaffung des obligatorischen Grundstudiums des Marxismus-Leninismus sowie des Russisch- und Sportunterrichtes
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Abschaffung der vormilitärischen Ausbildung
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Freie Berufswahl
Gleiche Schreiben wurden verschickt an Pädagogisches Institut, Hochschule für Bauwesen, Musikhochschule, Karl-Marx-Universität Leipzig, Hochschule für Körperkultur und Sport, Hochschule für Binnenhandel, Hochschule für Graphik und Buchkunst und Theaterhochschule in Leipzig, Hochschule für Elektrotechnik Ilmenau. Am 6.11.1956 legte die Klasse 11 der Oberschule Jena einige Schweigeminuten aus Anlass der Niederschlagung der Konterrevolution ein. Einer Schülerin, deren Vater Mitglied der SED ist, wurde gedroht, ihr Vater solle aus der Partei austreten.
Potsdam: Die Kulturgruppe der Forstfakultät Eberswalde sollte am 7.11.1956 gemeinsam mit einer Kulturgruppe der Sowjetarmee anlässlich einer Feierstunde zum Jahrestag der Oktoberrevolution auftreten. Am 5.11.1956 lehnte die Kulturgruppe ihre Mitarbeit ab. Ursache: Am 22.10.1956 ist ein Angehöriger der Oberförsterei Siedichum von seinem Dienst nicht zurückgekehrt. Da zzt. in diesem Gebiet militärische Übungen der Sowjetarmee stattfanden, wurde das Verschwinden dieses Angehörigen der Oberförsterei damit in Zusammenhang gebracht. Nach einer Aussprache mit den Professoren erklärten sich die Studenten bereit, an der Veranstaltung mitzuwirken.
Berlin: Im Institut für Veterinärwesen der Humboldt-Universität wird unter den Studenten darüber gesprochen, dass am 8.11.1956 das Ultimatum, welches von ihnen gestellt wurde, abgelaufen sei. Die Studenten erklärten, sie warten darauf, wie die gestellten Forderungen erfüllt werden. Die Forderungen waren:
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Kein Russischunterricht
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Keine GEWI19
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Freimachung eines Gebäudes, das zzt. vom Außenministerium benutzt wird20
V. Feindtätigkeit
Hetzlosungen
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Leipzig: Am Bekanntmachungskasten der SED in Geithain wurde eine antisowjetische Losung angebracht.
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Dresden: Am 5. und 6.11.1956 wurden in Meißen, Dresden und Görlitz an verschiedenen Stellen antisowjetische Hetzlosungen angeschrieben.
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Karl-Marx-Stadt: Im VEB »Martin Hoop« Zwickau21 wurden zwei antisowjetische Losungen angeschmiert.
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Rostock: Am 6.11.1956 wurde in der Mathias-Thesen-Werft Wismar eine Hetzlosung angebracht. Inhalt: Bezugnahme auf Ungarn, Aufruf Ungarn zu folgen, am 11.11.1956 an einer Protestkundgebung auf dem Markt teilzunehmen.
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Suhl: Am 6.11.1956 wurde in der Bahnhofstraße in Barchfeld eine antisowjetische Losung festgestellt.
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Potsdam: Am 6.11.1956 wurde auf dem Bahnhof Falkensee eine antisowjetische Losung angebracht.
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Erfurt: Am 6.11.1956 wurde in Bad Sulza das Bild eines NATO-Offiziers auf DIN A4 aufgeklebt und mit folgendem Wortlaut beschriftet gefunden: »Neue Kämpfer werden auferstehen, trotz Vergewaltigung des Volkes durch die SU in Ungarn«. Am 5.11.1956 wurden in einigen Verpackungskartons der Konservenfabrik Langensalza mit Bleistift geschriebene antisowjetische Losungen festgestellt. Am 6.11.1956 wurde im Stadtgebiet Gotha eine antisowjetische Losung angebracht. Im VEB Kleinmetallwarenwerk Heiligenstadt wurde folgende Hetzlosung angebracht: »Es lebe Adenauer,22 nieder mit den roten Hunden«.
Flugblätter
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Leipzig: Am 6.11.1956 wurde im VEB Medizinwerk I Leipzig ein Flugblatt gefunden, welches zum Langsamarbeiten auffordert. In Schkeuditz wurden 183 Flugblätter gleicher Art gefunden. Die Flugblätter sind unterzeichnet mit »Deutscher Freiheitsrat«.
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Berlin: Am 6.11.1956 wurden an verschiedenen Stellen im Bezirk Pankow, Mitte und Treptow Flugblätter gefunden, in denen gegen Mitglieder gegen die Regierung23, gegen die DDR und die Volksdemokratien gehetzt wird. Am 6.11.1956 erhielt ein ABV im Bezirk Treptow eine handgeschriebene Postkarte mit Mordandrohungen gegen alle Kommunisten.
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Karl-Marx-Stadt: Am 5.11.1956 wurden in der Friedrich-Engels-Straße, Karl-Marx-Stadt, 122 handgeschriebene Hetzzettel gefunden. Inhalt: »Spitzbart, Bauch und Brille, ist nicht des Deutschen Wille«.24 »Schreibt Flugblätter, organisiert Streiks, schließt Euch zusammen, schmeißt die Russen raus. Nieder mit Ulbricht.« In der Maschinenfabrik Penig wurde eine faschistische Losung angeschmiert.
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Erfurt: In Oberellen,25 [Kreis] Eisenach, wurden Ballonreste mit ca. 10 000 Hetzschriften der NTS in russischer Schrift gefunden.26 In dem Briefkasten der Bauernbank Apolda wurde eine selbstgefertigte Hetzschrift geworfen. Inhalt: »Unter Bezugnahme auf Polen und Ungarn wird aufgefordert Sabotage zu treiben und Unruhen in den Betrieben zu schaffen.« Am 5.11.1956 wurde am Konsum-Lebensmittellager Uder eine antisowjetische Hetzschrift angebracht (selbstgefertigt). In der Grundschule 8 in Erfurt wurde ein selbstgefertigter Hetzzettel angebracht, mit der Forderung, keinen Russischunterricht mehr durchzuführen.
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Potsdam: Am 6.11.1956 wurden vor sowjetischen Objekten in Glindow und Rathenow27 Flugblätter der NTS in deutscher und russischer Schrift ausgestreut. Der Verbreiter in Glindow wurde festgenommen.
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Gera: Am 7.11.1956 wurden im Randgebiet von Jena erneut 60 selbstgefertigte Hetzschriften, unterzeichnet mit KgU,28 gefunden.
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Magdeburg: Am 7.11.1956 wurden in Magdeburg durch Ballon verstreute Flugblätter gefunden. Inhalt: Länger leben, langsam arbeiten. Unterschrift: Freiheitsrat.
Gerüchte
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Halle: Ein Bauingenieur vom Straßenbau Halle verbreitete das Gerücht, dass er in Berlin gewesen sei und mit seinem Fahrzeug kaum die Straße passieren konnte, da es dort große Unruhen gegeben hat.
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Schwerin: In der Gemeinde Valluhn, [Kreis] Hagenow, wird erneut das Gerücht einer Geldentwertung verbreitet.
VI. Besondere Vorkommnisse
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Karl-Marx-Stadt: In Karl-Marx-Stadt-Siegmar-Schönau wurde ein amerikanisches Fahrzeug Nr. 27 gesichtet. Am 7.11.1956 wurden vom GST-Gebäude in Karl-Marx-Stadt 14 Fahnen heruntergerissen.
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Potsdam: An der Sektorengrenze in der Nähe der Gemeinde Osdorf, [Kreis] Zossen, werden von amerikanischen Truppeneinheiten Manöver durchgeführt, wobei Nebelgranaten Verwendung finden. Durch die ungünstige Witterung ist die gesamte Gemeinde Osdorf vollkommen eingenebelt. Am 6.11.1956 wurde in Jüterbog eine durch den Sturm herabgerissene Telefonleitung über die Straße gespannt.
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Erfurt: Am 6.11.1956 wurden von unbekannten Tätern aus einer sowjetischen Telefonleitung 70 bis 80 m Kabel herausgeschnitten.
Anonyme Anrufe
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Gera: Am 6.11.1956 erhielt das Kunstfaserwerk Rudolstadt einen anonymen Anruf. Der Anrufer bezeichnete sich als Dolmetscher des MfS und verlangte Auskunft über die getroffenen Sicherungsmaßnahmen.
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Erfurt: Dem Betriebsleiter und Parteisekretär des Flachswerkes Ohrdruf wurde in anonymen Anrufen gedroht, als erste aufgehangen zu werden.
VII. Westberlin
Die Stupo29 erhielt den Auftrag, alle Personen, die mit Kränzen zum Sowjetischen Ehrenmal in den Tiergarten wollen, in den demokratischen Sektor zu schicken. Dadurch soll der Anschein erweckt werden, dass alle Personen, die am Ehrenmal Kränze niederlegen, aus dem demokratischen Sektor kommen.
Im Bezirksamt Wedding erklärten drei Angestellte über einen eventuellen Putsch in der DDR: Man müsse die Unzufriedenheit der Ostbewohner geschickt ausnutzen und alles besser organisieren als 1953. Ihre führenden Genossen (scheinbar SPD) würden nicht aus Vergnügen in die Länder der Volksdemokratien reisen, sondern Kontakte für Freiheit und Demokratie schaffen. Sie sprachen von der Möglichkeit neuer Aufstände in Rumänien, der ČSR und der Sowjetunion, sodass die Rote Armee nicht eingreifen könnte. Unter Stumm-Polizisten eines Revieres wurden Äußerungen bekannt, aus Furcht vor dem Rückzug der Amerikaner und darauffolgenden Einzug der Sowjetarmee Mitglied der SED zu werden, um sich so zu sichern.
Ein Resident des amerikanischen Geheimdienstes äußerte sich über einen eventuellen Aufstand in der DDR folgendermaßen: »Wir haben ja auch Leute im Westen, die 1945 und danach emigriert sind. Diese werden dann in KVP-Uniformen eingeschleust. Aber erst werden Rumänien und Bulgarien den Weg gehen wie Ungarn und Polen. In Deutschland ist es für uns leichter, da die Zone an den Westen grenzt und nur ca. 150 000 Russen in der DDR stationiert sind. In der KVP sind bereits Leute vorhanden, die darauf hinarbeiten.«
Anlage zu Information Nr. 316/56
Produktionsstörungen und Brände in der Industrie in der Zeit vom 20.10. bis 7.11.1956
Produktionsstörungen
Durch Ausfall von Baggern, Absetzern sowie durch Schienenbrüche entstanden in den Braunkohlenrevieren Altenburg, Borna, [Bezirk] Leipzig, und Berzdorf, [Bezirk] Dresden, folgende Ausfälle:
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Abraum: 1 100 cbm,
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Rohkohle: 27 268 t,
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Brikett: 960 t.
Der finanzielle Schaden an Produktionsausfall sowie Maschinen und Geräten beträgt insgesamt 167 850 DM.
Am 26.10.1956 entstand durch Motorenschaden im Löschhaus des VEB Kaliwerk »Marx-Engels« Unterbreizbach, [Kreis] Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, ein Produktionsausfall in Höhe von 91 500 DM. Am 18.10.1956 ereignete sich im VEB Kaliwerk »Glück auf« in Sondershausen, [Bezirk] Erfurt, an der Rückstandseilbahn ein Seilriss. Dadurch musste die gesamte Produktion der Chlorkaliumfabrik für elf Stunden stillgelegt werden. Schaden: ca. 27 000 DM.
Am 21.10.1956 musste im Deutschen Solvay-Werk Osternienburg, [Kreis] Köthen, [Bezirk] Halle, die Turbine III wegen Schaufelschaden außer Betrieb genommen werden. Durch den Ausfall der Turbine ist die Stromerzeugung von 16 000 MW auf 5 000 MW zurückgegangen. Weiterhin besteht ein wertmäßiger Produktionsausfall von täglich 14 000 DM.
Am 20.10.1956 fiel durch Bruch der Haupthubwelle die Feineisenstraße des Stabwalzwerkes Riesa, [Bezirk] Dresden, aus. Schaden: ca. 21 000 DM. Produktionsausfall: ca. 60 t. Durch die mangelhafte Stromversorgung des VEB Walzwerk Ilsenburg, [Bezirk] Magdeburg, trat bereits bis 30.10.1956 ein Produktionsausfall von 1,6 t Elektrolytkupfer und 67 t Eisengrobblechen ein.
Am 21.10.1956 erfolgte im Stahlwerk Gröditz, [Kreis] Riesa, [Bezirk] Dresden, am Ofen III durch Vorwärmedurchbruch ein Notabstich von 12 t Stahl. Die übrigen 33 t Stahl konnten ebenfalls nicht mehr verwendet werden, da die geplante Qualität noch nicht erreicht war. Schaden ca. 11 000 DM. Produktionsausfall 45 t.
Am 7.11.1956 entstand im Umspannwerk Oberoderwitz, [Kreis] Löbau, [Bezirk] Dresden, durch fahrlässiges Handeln des Schaltmeisters eine Großstörung in der Ortsnetzzuleitung. Drei mittlere Spinnereibetriebe in Zittau mussten aufgrund der Fehlschaltung abgeschaltet werden. Bis 7.11.1956, 17.00 Uhr, soll das Netz wieder in Ordnung sein.
Auf Wismutschacht 370, Ronneburg, ist am 19.10.1956 eine generalreparierte 800 OTR-Pumpe ausgefallen. Der Wasserstand betrug 12 m. Gesamtausfall: 48 Stunden.
Brände
Am 22.10.1956 entstand in der Abteilung Krempelei30 des VEB Vereinigte Grobgarnwerke Kirschau, Werk III, Löbau, [Bezirk] Dresden, ein Brand. Der Brand entstand durch Heißlaufen einer Maschine, die Wollreste zur Entzündung brachte. Schaden ca. 80,00 DM. Produktionsausfall ca. 500 DM.
Am 26.10.1956 brannte der Kultursaal des VEB Glaswerk Piesau, [Kreis] Neuhaus, [Bezirk] Suhl, ab. Brandursache: Vermutlich Dampfheizungsschaden. Schaden ca. 40 000 DM.
Hamstereinkäufe
In den Bezirken Rostock, Neubrandenburg, Schwerin, Magdeburg, Gera, Erfurt, Suhl, Dresden, Potsdam, Berlin und Frankfurt/O. werden – bedingt durch die politischen Ereignisse – Hamstereinkäufe getätigt. Als Begründung dafür wird im Allgemeinen angegeben, dass durch die Ereignisse in Ägypten bald ein Dritter Weltkrieg bevorstünde und man sich deshalb dementsprechend mit Lebensmitteln und Industriewaren eindecken müsste.
Hierzu einige Beispiele:
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Ein Kreisvorstandsmitglied (DBD) Toitenwinkel, [Stadtteil von] Rostock: »Ich habe in zwei Weltkriegen mein ganzes Geld verloren und ich werde jetzt nach Rostock fahren und für mein ganzes Geld einkaufen.«
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Eine Hausfrau aus Rostock: »Ich habe mich mit Textilien eingedeckt, denn man weiß nicht, was noch alles kommt.«
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In einer Betriebsverkaufsstelle des VEB Berggold, [Kreis] Pößneck, [Bezirk] Gera, sagten einige Hausfrauen: »Deckt Euch nur genügend mit Lebensmitteln ein, denn es wird nicht mehr lange dauern, dann werden sich auch bei uns ähnliche Dinge abspielen. Die Regierung ist daran selbst schuld, denn elf Jahre nach dem Kriege müsste der Lebensstandard viel besser sein.«
In einigen Bezirken ist die Lage wie folgt:
Dresden: Im Kreis Meißen werden seit dem 1.11.1956 von einem Teil der Bevölkerung Hamstereinkäufe getätigt. Insbesondere werden Mehl, Reis, Bohnen, Erbsen und andere haltbare Lebensmittel gekauft. Im Kreis Dresden[-Land] ist die Lage ähnlich. Innerhalb von drei Tagen wurde so viel Mehl gekauft wie sonst in zehn Tagen. Außerdem werden verstärkt Bettwäsche und Frottiertücher gekauft. In einigen Verkaufsstellen in Großenhain werden vor allem Teigwaren, Gemüse und andere haltbare Lebensmittel gekauft.
Leipzig: Nach Meldung vom 3.11.1956 reichen aufgrund der Hamstereinkäufe die Großhandelsbestände in Mehl noch zehn Tage. Da in einigen HO- und KG-Geschäften in Leipzig Mehl und Nährmittel ausverkauft waren, wurden im gesamten Stadtgebiet Sondertouren gefahren, um alle Verkaufsstellen mit einem ausreichenden Warensortiment zu versorgen. Es kann jedoch festgestellt werden, dass die Versorgungslage trotz der erhöhten Einkäufe gesichert ist und alle Maßnahmen getroffen wurden, die Verkaufsstellen rechtzeitig mit Ware zu versorgen. Am 2.11.1956 standen im HO-Warenhaus am Nährmittelstand ständig 25 bis 30 Personen an, von denen Haferflocken, Mehl, Makkaroni, Maizena31 gekauft wurde. In der Konsumverkaufsstelle 74 in Leipzig ist der Umsatz bei Mehl um ca. 50 % gestiegen. Im Stadtbezirk 7 ist der Umsatz bei Mehl um 25 bis 30 % gestiegen.
Berlin: Auch in Berlin sind seit einigen Tagen Hamstereinkäufe beobachtet worden. In verschiedenen Verkaufsstellen des staatlichen und genossenschaftlichen Handels sind in den letzten Tagen die Umsätze wesentlich angestiegen. Der Umsatz der Verkaufsstellen der HO in Treptow hat sich z. B. im Vergleich zum 1. und 2.11.1956 um 100 % erhöht. Neben Lebensmitteln werden jetzt auch Eier und Konserven in größerem Umfang als bisher verlangt. Erhöhter Einkauf wurde auch in anderen Stadtbezirken Berlins festgestellt.
Schwerin: In den Konsumgeschäften in Parchim wurde in den letzten Tagen ein größerer Umsatz an Industriewaren festgestellt. Der Betriebsleiter sagte hierzu, dass ein derartiger Umsatz zu dieser Jahreszeit sonst nicht üblich ist.
Kartoffeleinkellerungsaktion
In den Bezirken Schwerin, Frankfurt/O., Potsdam, Magdeburg, Halle, Dresden, Karl-Marx-Stadt, Gera und Suhl sind viele Haushalte noch nicht mit Einkellerungskartoffeln beliefert worden. Das ist einmal darauf zurückzuführen, dass noch nicht alle landwirtschaftlichen Betriebe ihre Kartoffeln geerntet bzw. abgeliefert haben. Zum anderen fehlt Transportraum. Z. B. kann die Reichsbahn nicht immer die nötigen Waggons bereitstellen. Auch die Verkaufsstellen haben nicht genügend Fahrzeuge, damit die Kartoffeln in die Haushalte gebracht werden können. Die Bevölkerung ist durch die mangelhafte Zulieferung der Kartoffeln beunruhigt und bringt das dementsprechend in ihren Diskussionen zum Ausdruck.
Vielfach werden die Diskussionen darüber noch verstärkt, wenn die Kartoffeln von der Bevölkerung schon bezahlt wurden. In den Diskussionen kommt im Wesentlichen zum Ausdruck, dass man sich nicht zu wundern brauchte, wenn die Bevölkerung verärgert ist, oder dass der Winter vor der Tür stände und noch immer nicht die Kartoffeln im Keller wären. Verschiedentlich wird auch die Qualität der Kartoffeln bemängelt. Zum Teil sind diese von der Braunfäule befallen oder durch die Rodung mit den Kartoffelkombines32 angeschlagen worden. Z. B. bekamen Einwohner aus Sangerhausen, [Bezirk] Halle, am 2.11.1956 Einkellerungskartoffeln, die zu 60 % nur als Futterkartoffeln zu verwenden waren. Ähnlich war es in der Gemeinde Nonnewitz, [Kreis] Hohenmölsen,33 die durch den Kreis Altenburg mit Einkellerungskartoffeln beliefert wurde. Ein Arbeiter musste z. B. von vier Zentnern 40 Pfund auslesen. Die Einwohner, die von dieser Sendung Kartoffeln erhielten, sind darüber sehr empört und wollen die Angelegenheit der Arbeiterkontrolle übergeben.34
Hierzu einige Beispiele
Schwerin: Per 3.11.1956 waren im Bezirk Schwerin 95,2 % gerodet und 51,6 % erfasst. Der Stand der Einkellerung betrug per 19.10.1956 46,7 % für Einzelverbraucher und für Großverbraucher 52 %. Besonders schlecht ist der Stand in Güstrow (22,7 %) und Perleberg (35 %).
Frankfurt/O.: Im Kreis Frankfurt/O. ist die Einkellerung besonders schlecht. Das führt immer wieder zu negativen Diskussionen unter den Hausfrauen. Vor allem ist man darüber verärgert, dass die Haushalte die Kartoffeln selbst abholen müssen, weil nicht genügend Transportmittel zur Verfügung stehen.
Potsdam: Im Kreisgebiet Brandenburg wurden an einige Haushalte schlechte Kartoffeln ausgeliefert, die dann wieder zurückgenommen werden mussten. Es sind auch zahlreiche Kartoffeln von Maschinen angeschlagen worden. Im Kreis Rathenow ist die Bevölkerung unzufrieden, weil das Geld für die Einkellerungskartoffeln bereits Ende September einkassiert wurde, aber die Kartoffeln zum großen Teil noch nicht ausgeliefert wurden.
Magdeburg: Im Kreis Magdeburg und in einigen anderen Kreisen werden die Kartoffeln nur schleppend angeliefert. Dadurch kann die Bevölkerung in Gardelegen nicht termingerecht beliefert werden. Ursache ist, dass der VEAB keine Kartoffeln mehr anliefert, weil dieser die Kartoffeln in andere Kreise ausführen muss. Im Kreis Haldensleben liegt die Gesamtkartoffelversorgung bei 68 %. Die KG hatte erst zu 39 % die Einkellerung durchgeführt, weil die VEAB von 1 400 t erst 550 t geliefert hatte.
Gera: In Bürgel, [Kreis] Eisenberg, kann das Landwarenhaus nicht alle bestellten Einkellerungskartoffeln ausliefern, weil die Erzeuger nicht abliefern. Der Rat des Kreises wurde darüber unterrichtet, geändert wurde noch nichts. Weiterhin ist im Kreis Eisenberg und Schleiz die Bevölkerung über die unterschiedlichen Preise für Einkellerungskartoffeln verärgert. Z. B. soll der Konsum und die HO in Eisenberg für einen Zentner Kartoffeln 9,60 DM verlangt haben. Der Erzeuger nimmt für einen Zentner Kartoffeln 6,50 DM. In Schleiz nimmt der Konsum für einen Zentner 4,80 DM. Die VEAB liefert den Zentner Kartoffeln frei Haus für 3,75 DM.
Karl-Marx-Stadt: Im Kreis Klingenthal35 lieferte die VEAB Kartoffeln für die Einkellerung, die von der Nass- und Braunfäule befallen waren. Bis zum 28.10.1956 wurden auf den Verladerampen und Bestimmungsbahnhöfen ca. 170 t für Fabriken und 100 t für Jugendherbergen und Gaststätten verworfen. Am 1.11.1956 sind durch den plötzlichen Kälteeinbruch auf dem Bahnhof Karl-Marx-Stadt ca. 70 t Kartoffeln zum Teil angefroren.
Stimmung zu den Ereignissen in Ägypten
Der überwiegende Teil der Bevölkerung der DDR verurteilt die Engländer und Franzosen als Aggressoren und bringt oft zum Ausdruck, »heute morden sie in Ägypten und morgen fallen Bomben über Deutschland«. Es müssen unbedingt Maßnahmen ergriffen werden, um einen Dritten Weltkrieg zu verhindern. Israel hätte den Angriff niemals gewagt, wenn es nicht wüsste, dass England und Frankreich hinter ihm stehen. Israel wurde von den imperialistischen Kräften nur nach vorn gestoßen. Von breiten Kreisen wird die Meinung vertreten, dass Amerika wieder die Rolle des lachenden Dritten spielt. Denn ohne die stillschweigende Duldung Amerikas würden England und Frankreich nicht so aggressiv sein. Die Werktätigen Englands und Frankreichs müssten nach Meinung vieler Werktätiger in den Generalstreik treten. Zu den positiven Diskussionen folgende Beispiele:
Im VEB Industriewerk Dresden zeigte sich in vielen Diskussionen die Meinung: »Bloß keinen Krieg, wir haben genug.« Erfreut war man über das Ergebnis der Abstimmung in der UN zur Ägyptenfrage. Die Bombardierung ägyptischer Städte wird verurteilt und dabei auf Dresden verwiesen. Ein Arbeiter des gleichen Betriebes sagte: »Soldat möchte ich nicht wieder werden, aber wenn ich wieder eingezogen werden sollte, diesen Engländern haue ich die Schnauze voll.«
Ein Arbeiter aus dem Dieselmotorenwerk Rostock, ehemals Mitglied der NSDAP, erklärte: »Es entwickelt sich dasselbe Bild wie unter Hitler, ohne Kriegserklärung den Gegner zu überfallen. Ich wünschte, es würde den Engländern wie den Nazis ergehen.« Ein Angestellter, Mitglied der CDU, vom Rat des Kreises Greifswald, [Bezirk] Rostock: »Ägypten ist der Ausgangspunkt eines neuen Weltkrieges. Alle Menschen müssen sich deshalb jetzt energisch für die Erhaltung des Friedens einsetzen und die Aggression auf das Schärfste verurteilen. Man darf augenblicklich nicht mehr auf die Parteizugehörigkeit schauen, sondern muss das große Ziel der Erhaltung des Friedens sehen.« Ein Angestellter vom Entwurfsbüro Hochbau Rostock sagte: »Dem Engländer sind alle Mittel recht, sogar ein Krieg, wenn es darum geht, den Profit aus dem Sues-Kanal wieder für sich einzustecken, ganz gleich, ob dadurch Tausende Menschenleben geopfert werden.«
Diese Beispiele sind charakteristisch für die positiven Stellungnahmen und liegen aus allen Bevölkerungskreisen und Bezirken vor.
Neben diesen positiven Äußerungen treten vereinzelt negative Äußerungen in Erscheinung. So stellt man zum Beispiel Vergleiche zwischen Ungarn und Ägypten [an]. Am 31.10.1956 morgens in der S-Bahn kam in Diskussionen von Arbeitern zum Ausdruck, dass sie den Überfall Israels auf Ägypten und die westliche Einmischung gegenüberstellen mit dem Eingreifen der sowjetischen Truppen in Ungarn. Es wurde ironisch zum Ausdruck gebracht: »Wenn zwei das Gleiche tun, so ist es doch nicht das Gleiche.«
Vonseiten des Gegners versucht man im Zusammenhang mit den Ereignissen Ägypten/Israel antisemitische Hetze zu betreiben. Einige ehemalige NSDAP-Mitglieder im Wasserwerk Magdeburg diskutierten in der Form, dass man sich über die Judenvernichtung durch Adolf Hitler 1933 aufgeregt hätte und jetzt würden die Juden wieder einen Krieg beginnen. Ein Buchhalter der LPG Kloster Gröningen, Kreis Oschersleben, [Bezirk] Magdeburg, erklärte: »Für mich ist das eine klar, die Israeler, besser gesagt die ›Geldjuden‹ sollten anfangen, damit die Engländer und Franzosen für ihre imperialistischen Interessen Grund zum Eingreifen hatten.«
In der MTS Altranft, [Kreis Bad] Freienwalde, [Bezirk] Frankfurt/O., brachten die Kraftfahrer zum Ausdruck: »Es musste so kommen, denn der Kanal wurde von dem Kapital der Ausländer gebaut. Die kapitalistischen Staaten werden sich das wiederholen, was ihnen gehört. Jetzt nach dem Einmarsch israelischer Truppen wird es sich zeigen, ob das werktätige Volk immer unter36 Nasser37 steht.« Ein Beschäftigter aus dem VEB »Fred Oelßner« in Staßfurt vertritt die Meinung, dass die Engländer und Franzosen viel Geld in den Sues-Kanal gesteckt haben und somit zu Recht eine gewaltsame Besetzung anstreben. Ein Fuhrunternehmer aus Sellin, [Kreis] Rügen, äußerte: »Der Überfall Englands und Frankreichs auf Ägypten ist berechtigt. Ägypten ist eine englische Kolonie und wird es auch bleiben.38 Darüber hinaus hat England den Kanal bis 1968 gepachtet. Bei uns in Deutschland war 1918 die Situation ähnlich. Uns wurden die Kolonien weggenommen und dadurch fehlte uns Lebensraum. Die Forderung Hitlers nach mehr Raum war berechtigt, und wir haben heute wieder zu wenig Raum. Auch wir Deutschen können ohne Kolonien nicht leben.«39