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Lage in der DDR (25) 10.–12.11.

12. November 1956
Information Nr. 328/56 – Betrifft: Lage in der Deutschen Demokratischen Republik – in der Zeit vom 10. November 1956, 8.00 Uhr, bis 12. November 1956, 8.00 Uhr, eingegangenes Material

I. Industrie und Verkehr

Wismut: Im Schacht 371 Niederschlema ist durch Fahrlässigkeit eines Arbeiters ein Stahlseil ausgeglüht. Zwei Personen wurden verletzt. Der Sachschaden beträgt 80 000 DM. In einer Gaststätte in Aue brachten zwei Arbeiter zum Ausdruck, dass sie mit ihrer Brigade am 12.11.1956 in den Streik treten wollen. Ursache: Die Brigade hatte im Oktober nur 64 % der Arbeitsleistung bezahlt erhalten. Dem Steigerpersonal wurden angedroht, wenn sie wiederum nur 64 % erhalten, die Arbeit nicht aufzunehmen. Von der Schachtleitung wurde daraufhin 100%ige Auszahlung zugesichert. Der ABV von Raschau, [Kreis] Schwarzenberg, will am 11.11.1956 von zwei Arbeitern gehört haben, dass am 12.11.1956 zwei Schichten des Schachtes 296 streiken wollen, wenn sie nicht den richtigen Lohn erhalten. Eingeleitete Befragungen anderer Arbeiter ergaben keine Bestätigung dieser Angaben. Am 11.11.1956 wurde durch einen Fördersteiger im Schacht 12, Richtstrecke 804, unter dem Ventilator eine Patrone mit Schläger gefunden. Ein Draht vom Schläger war am Motor des Ventilators angeschlossen und das andere Ende geerdet.

Karl-Marx-Stadt: In der Nacht vom 9.11. zum 10.11.1956 ging im Werk »Deutschland« Oelsnitz, [Kreis] Stollberg, ein Bruch in 25 m Länge nieder. Menschenleben sind nicht in Gefahr. Die Förderung wird dadurch kaum behindert. Am 11.11.1956 fiel im Kraftwerk Karl-Marx-Stadt die Maschine 5 durch Lösen von Wickelungen aus. Dadurch entsteht eine Minderleistung von 32 MW. Zzt. sind keine Stromabschaltungen notwendig. Mit der Reparatur wird [in] ca. 8 bis 14 Tagen gerechnet.

Magdeburg: Im VEB Stern-Radio/Maschinen-Apparatebau Staßfurt:1 Von ca. 350 anwesenden Arbeitern stimmte nur die Hälfte Hilfeleistungen für das ungarische Volk zu.2 In den Betrieben »7. Oktober« Magdeburg, VEB Maschinenbau Zerbst, Fasswerk und Mitteldeutsches Maiswerk erklären Arbeiter, sich nicht an den Spenden für Ungarn zu beteiligen, da in Ungarn jetzt ebenfalls »Russenhörige« an der Macht sind.

Berlin: VEB Stern-Radio Weißensee, Hauptmontage 2, Band 4. Die Mehrzahl der Arbeiter lehnte die Unterschrift unter eine Resolution zur Verurteilung der Konterrevolution in Ungarn ab.

Dresden: Im VEB Bekleidungswerke Großenhain herrscht weiterhin schlechte Stimmung unter den Beschäftigten bedingt durch die gegenwärtige Energielage. Unter dem Lokpersonal in Riesa herrscht Unzufriedenheit über die Auszahlung der Rangierprämien.3 Das Lokpersonal sträubt sich Rangierdienst zu fahren, wenn es weiterhin nur 32,00 DM Prämie bekommt. Im Waggonbau Niesky sind die Arbeiter ebenfalls mit der Auszahlung der Prämien nicht einverstanden, die ein Teil der Prämienempfänger nicht verdienen. Dabei wird besonders der Stellvertreter der Abteilung Arbeit angeführt, der eine Prämie in Höhe von 1 300 DM erhielt. Am 6.11.1956 brach in einer Baracke des VEB Bau-Union Dresden-Land in Radebeul ein Brand aus. Ursache unbekannt, Schaden DM 8 000.

Leipzig: Der VEB Deutsche Kugellagerfabrik Böhlitz-Ehrenberg musste in der Spitzenzeit am 8.11.1956 ca. 75 % der Maschinen stilllegen. In der Dreherei des gleichen Betriebes waren am 8.11.1956 ca. 70 Arbeiter zwei Stunden ohne Beschäftigung. Die Arbeiter verlangen, dass ihnen der Durchschnitt ihres Lohnes gezahlt wird. Im VEB Feuma Gößnitz, [Kreis] Schmölln, wurde auf Anweisung des Rates des Kreises ab sofort die Nachtschicht wieder eingeführt und die Arbeitszeit für Sonnabend bis 16.00 Uhr festgelegt. Ursache ist die Energielage. Die Belegschaft ist damit nicht einverstanden und bringt zum Ausdruck, wenn sie gezwungen werden nach dieser Arbeitszeit zu arbeiten, die Arbeit nicht aufzunehmen. In der Textildruckerei Frohburg, [Kreis] Geithain, entsteht durch Stromabschaltungen täglich ein Ausfall von sechs Stunden. Aufgrund dieser Wartezeiten verdienen die Arbeiter monatlich 20,00 bis 25,00 DM weniger. Die Belegschaft ist über diese Zustände sehr erregt. Im Gaswerk »Max Reimann« Leipzig fordern die Arbeiter, Angleichung an die Lohngruppen des Energietarifes. Im VEB Eilenburger Baumaschinenwerk sind die Arbeiter unzufrieden über den Verdienstausfall durch Ausweicharbeiten.

Potsdam: [Im] VEB Zähler- und Apparatebau in Teltow, Kreis Potsdam, wurde eine neueingerichtete Stanzmaschine durch eine vierkantige Unterlage aus Stahl beschädigt. Instandsetzungskosten 900 DM.

RBD Dresden: Am 11.11.1956 entgleiste auf der Strecke Riesa – Leipzig zwischen den Bahnhöfen Dornreichenbach – Dahlen,4 ein Wagen des Güterzuges 2175. Der Wagen wurde 4 km mitgezogen. Dadurch entstanden starke Beschädigungen am Oberbau sowie an einer dort stehenden Bettreinigungsmaschine. Schaden 40 000 DM. Die Strecke war zeitweilig gesperrt.

II. Landwirtschaft

Dresden: Zwei Landwirte aus Niederseifersdorf, [Kreis] Niesky, erklärten, dass der Staat ihre Wirtschaften übernehmen kann, wenn sie die Soll-Rückstände von 1954/55 nicht gestrichen bekommen.5 Sie drohen mit Republikflucht. Am 10.11.1956 brach in der LPG Brockwitz, [Kreis] Meißen, in der Feldscheune ein Brand aus. Durch die ungünstigen Windverhältnisse wurde ein danebenliegendes Neubauernhaus vom Feuer mit erfasst. Schaden ca. 16 000 DM, davon 9 500 DM Gebäudeschaden. Brandursache unbekannt.

Leipzig: Ein LPG-Mitglied, ehemaliger Großbauer aus Liptitz,6 [Kreis] Oschatz, drohte dem Brigadier (SED) bei ähnlichen Ereignissen wie in Ungarn als Erster aufgehangen zu werden.

Magdeburg: Ein Großbauer aus Schermen, [Kreis] Burg, vertritt die Meinung, dass man dazu übergehen müsse, die »freie Wirtschaft« einzuführen. Es hätte schon immer Kriege und Bauernaufstände gegeben, durch die man etwas erreichen könnte. Auch in der Vorstandssitzung der VdgB-BHG in Möckern, [Kreis] Loburg, wurde zum Ausdruck gebracht, dass die »freie Wirtschaft« eingeführt werden müsste um die ewigen Sollauflagen los zu sein. Gleiche Diskussionen führen Mittelbauern im Bezirk Gera.

III. Versorgung

Frankfurt/O.: Von 8 376 Ende Oktober aus Jugoslawien und Rumänien gelieferten Magergänsen sind 219 an chronischer Geflügelcholera verendet. Für die Bevölkerung besteht keine Gefahr. In den letzten Tagen kam es wiederum zu Hamstereinkäufen. Vorwiegend wurden größere Mengen Weizenmehl, Fleisch- und Wurstwaren sowie Schmalz und Salz gekauft.

Magdeburg: Im Kreis Magdeburg wurden in den letzten Tagen größere Einkäufe von Mehl, Grieß, Gemüse, Konserven und Fischkonserven getätigt.

IV. Besondere Vorkommnisse

Berlin: Bei der BVG Straßenbahn wird der Personalmangel zum Anlass genommen Lohnforderungen zu stellen. Die Stimmung unter den Arbeitern ist äußerst schlecht. In Diskussionen wird Streik in Erwägung gezogen.

Neubrandenburg: Am 7.11.1956 wurden im Kraftverkehr Demmin an einem Bus Typ H6B von unbekannten Tätern am linken Vorderrad sämtliche Radmuttern gelöst.7

Potsdam: In Nauen wird in einem Café jeden Sonntagvormittag Gottesdienst abgehalten. Dabei wird Hetze gegen die DDR betrieben. Weiterhin wird das Deutschland-Lied8 gesungen und mit Heil Hitler gegrüßt. Als sich der Wirt dieses verbat, sagte ein Jugendlicher, ob man nicht sagen könnte, wie man einen Menschen auf anständige Weise erhängt. Der Zutritt zu diesem Gottesdienst ist nur mit einem bestimmten Ausweis gestattet. Am 10.11.1956, gegen 21.00 Uhr, wurde ein Wagen der amerikanischen Militärmission Nr. 27, besetzt mit zwei Offizieren und einer Zivilperson, am Hermsdorfer Kreuz gesichtet.9 Diese mieteten sich in der Gaststätte ein Zimmer, fuhren gegen 21.30 Uhr weg und kamen erst gegen 23.15 Uhr wieder. Näheres ist nicht bekannt.

V. Universitäten und Schulen

Berlin: »Die Welt« vom 10.11.1956 teilt mit, »Delegierte des Verbandes Deutscher Studentenschaften« tagen vom 12. bis 15.11.1956 in Berlin.10 An der Georgi-Dimitroff-Schule in Falkensee [bei] Berlin wird von Schülern im Alter von 13 bis 14 Jahren gegen die SU gehetzt. So wurden die Bilder über den Terror in Ungarn so hingestellt, als ob die Schandtaten von den Sowjettruppen begangen wurden. Von den Schülern wurde zum Ausdruck gebracht, dass sie auf den Einmarsch der Amerikaner in die DDR warten. Die Lehrer verstehen es nicht, den Schülern den richtigen Weg zu weisen. Ähnliche Zustände sollen an der Zentralschule Elstal11 herrschen.

Dresden: An der Technischen Hochschule (Abteilung Architekturen) hält sich vom 7. bis 13.11.1956 eine Delegation (ein Professor und 15 Studenten) der Hochschule Hannover auf. Am 13.11.1956 erfolgt [die] Weiterreise dieser Delegation nach Weimar.

Leipzig: Die Medizinische Fakultät der Universität Leipzig führte am 8.11.1956 eine Jazzveranstaltung durch. Der Referent (Name bekannt) hetzte gegen Regierung, SED und FDJ. Er empörte sich, dass in Leipzig kein offizieller Jazz-Club bestehen darf und er einem illegalen Zirkel vorstehen muss. Er verglich die Politik der Regierung mit der der Nazis in dieser Frage. Ein großer Teil der Anwesenden distanzierte sich von diesen Äußerungen.

Suhl: An der Hochschule für Elektrotechnik in Ilmenau erhoben die Seminargruppen 7 und 8 des 4. Semesters die Forderung, das gesellschaftswissenschaftliche Studium fakultativ durchzuführen.12 Nach längeren Aussprachen nahmen sie diese Forderung zurück.

Magdeburg: An der Hochschule für Schwermaschinenbau Magdeburg wird die Meinung vertreten, »Für Ägypten13 spenden wir, für Ungarn nicht«. An der Jahn-Oberschule Salzwedel erhoben sich am 6.11.1956, um 12.00 Uhr, 16 Mädchen und fünf Jungen der Klasse 12a zur Durchführung einer Schweigeminute von ihren Plätzen.14 Die Mädchen trugen an diesem Tag rot-weiß-grün gestreifte Pullover und Blusen (Nationalfarben Ungarns). Die Schüler kommen alle aus dem Mittelstand.

Potsdam: In einer Berufsschule des Kreises Neuruppin wurde der Geschichtsunterricht durch Pfeifen und Trampeln gestört. Die Flagge der DDR wurde nach dem niedergeschlagenen Putsch in Ungarn auf Halbmast gesetzt. An der Berufsschule der KG und der HO in Birkenwerder, [Kreis] Oranienburg, führte eine Klasse am 5.11.1956 während des Sportunterrichtes eine Schweigeminute durch. Die Organisatoren sind vermutlich Schüler, die mit der S-Bahn durch den Westsektor Berlins fahren.

Karl-Marx-Stadt: In einer oberen Klasse der Grundschule Wolkenburg, [Kreis] Glauchau, legten die Schüler dem Lehrer nach einer Aufforderung zur Spendensammlung für Ungarn sämtliche Russischbücher auf das Pult mit dem Zettel, »das ist unsere Spende für Ungarn«.

Rostock: An der Universität Greifswald gibt es weiterhin Diskussionen über die Bildung einer Studentenorganisation. Am 5.11.1956 führten die Physiker zu diesem Problem eine Versammlung durch. Zur Begründung ihrer Forderungen gaben sie an:

  • »FDJ hat nicht mehr das Vertrauen und die Massenbasis.«

  • »die FDJ wird nicht von allen Ländern anerkannt.«

  • »Freie Wahl in Studentenorganisationen, Unabhängigkeit von SED

Am 6.11.1956 fand die Sitzung einer Kommission des Senats der Universität mit 30 FDJ-Funktionären statt. Die Anwesenden vertraten den Standpunkt »die FDJ arbeitsfähig machen, damit sie Träger des gesamten Studentenlebens wird«.

VI. Feindtätigkeit

Gerüchte

Magdeburg: Im Ernst-Thälmann-Werk verbreitet der Abteilungsleiter für Materialplanung das Gerücht, dass um Berlin liegende KVP-Einheiten gemeutert hätten und zur Wiederherstellung der Ordnung andere Truppenteile eingesetzt wurden. Einige Angehörige der Staatssicherheit wurden zu Tode geprügelt. Der Gemeindevertreter von Bartensleben,15 [Kreis] Haldensleben, verbreitet, dass es in Magdeburg für Intellektuelle und Funktionäre Geschäfte gibt, wo zu niedrigeren Preisen Waren verkauft werden. In Reuden, [Kreis] Zerbst, wird verbreitet, dass die Sollabgaben ab Januar 1957 wegfallen und dass die LPG aufgelöst würden.

Hetzlosungen

Karl-Marx-Stadt

  • Im Kreis Zschopau wurden am 8.11.1956 an zwei Bäumen Galgen angebracht. Die Aufschrift enthielt Hetze gegen Walter Ulbricht und gegen die Partei.

  • In der Maschinenfabrik Penig, Dreherei des Werkes 4, wurden mehrere Hetzlosungen faschistischen Inhalts sowie die Aufforderung Ungarn zu folgen in Form einer Losung angeschmiert.

  • In der Yorckstraße 25, Karl-Marx-Stadt, wurden folgende fünf Losungen festgestellt:

    • »Macht Schluss Schüler und Studenten.«

    • »Wir wollen Englisch- und Französisch-Unterricht und nicht Russisch.«

    • »Wisst Ihr was die Volksarmee ist? Eine Angriffsarmee, die treu dem Russen beisteht.«

    • »Spitzbart, Bauch und Brille ist nicht der Deutschen Wille.16 – Hört den Londoner Rundfunk auf Kurzwelle 50 m, Sendung früh und abends.«17

    • »Schmeißt die Russen raus, nieder mit dem Pankower Regime,18 nieder mit Pieck.«

  • In Thiedensdorf wurden drei antisowjetische Losungen an der Anschlagtafel angebracht.

Potsdam19

Frankfurt/O.

  • Auf dem Hauptbahnhof in Frankfurt/O. wurde eine rote Fahne mit einer Losung gegen Walter Ulbricht gefunden.

Neubrandenburg

  • In der Scheune der LPG »Junge Welt« wurden faschistische Schmierereien festgestellt.

  • In der Baracke der Nationalen Front20 in Ueckermünde wurde ein Stalinbild in der Herrentoilette abgestellt.

Magdeburg

  • In Schlanstedt, [Kreis] Halberstadt, wurde die Aufforderung Ungarn zu folgen angeschmiert.

  • In Stemmern, [Ortsteil von] Barendorf, [Kreis] Wanzleben,21 wurde folgende Losung an die Anschlagbretter der Gemeindeverwaltung angeschmiert: »Bürger, Ungarn hat ein Beispiel gegeben, rot ist Tod, Russki raus, wir wollen Freiheit. Nieder mit der Knechtheit wie uns 1945 versprochen. Freier Bauer auf freier Scholle, jetzt ist es Zeit.«

Dresden

  • In einer Telefonzelle in der Münzmeisterstraße in Dresden wurde folgende Losung angeschmiert: »Dresden demonstriert – Dresden streikt«.

  • Meißen, Vorbrücker Straße: »Alle Kommunisten weg, Russen raus, helft Ungarn«.

  • In der Berufsschule Bautzen wurden folgende Losungen angeschmiert:

    • »Nieder mit der FDJ, wer in die FDJ eintritt gehört zu den Kommunisten. Kommunisten gehören an die Wand und an den Galgen. Sieg Heil mein Führer.«

    • »Nieder mit den Kommunisten, die Verführer Ulbricht und Grotewohl und Pieck gehören an den Galgen. Auf zur Demonstration gegen den Sozialismus und Kommunismus. Treffpunkt heute, 15.00 Uhr, an der Schillereiche. Wer nicht sofort aus der FDJ austritt, wird erschossen. Sieg Heil mein Führer für Volk und Vaterland.«

    • »Raus mit den sowjetischen Besatzungsmächten, sie sind für die DDR Blutsauger. Auf zum Aufstand gegen sie, nieder mit den Kommunisten. Auf zum Sturz der kommunistischen Regierung in der DDR. Sieg Heil mein Führer, auf zum Kampf für Volk und Vaterland.«

  • In Zittau wurden drei Hetzlosungen faschistischen Inhalts angebracht.

Leipzig

  • In der Männertoilette des VEB Schuhfabrik Pegau, [Kreis] Borna: »Pieck in die Zelle – Grotewohl in die Hölle – Ulbricht in den Puff, dann geht es in der DDR berguff.«

  • Leipzig Markranstädt:22

    • Schulstraße: »Weg mit Spitzbart«

    • Postamt: »Weg mit Ulbricht«

    • VEB Standard: »Nieder mit dem Regime«

    • Oswald-Jäckel-Straße: »Weg mit der SED«

  • In der Gießerstraße 86 in Leipzig wurde an der Hauswand mit Kreide angeschmiert: »Nieder mit den Kommunisten«.

  • Im VEB Böhlen, [Bezirk] Leipzig, wurde in der AT-Anlage23 im Benzinwerk folgende Hetzparole angebracht: »Weg mit den russischen Bluthunden«. Buchstaben ca. 5 cm groß.

Cottbus

  • Auf der Landstraße [Bad] Liebenwerda – Thalberg wurde eine faschistische Schmiererei mit Mordandrohung gegen Kommunisten in einer Länge von 20 bis 25 m angebracht.

Halle

  • Im VEB Liebknecht-Hütte Eisleben, Kupferbergbau Fortschritt, einer Telefonzelle in Halle sowie einer Straßenbahnhaltestelle in Merseburg wurden antisowjetische Losungen angeschmiert.

Hetzschriften

Potsdam

  • In Kirchmöser, [Kreis] Brandenburg, wurde ein handgeschriebenes Hetzblatt folgenden Inhalts gefunden: »Achtung Arbeiter, Bauern, Soldaten und Bürger Deutschlands, helft den ungarischen Freiheitskämpfern. Gebt ihnen eure Waffen, helft die Russen verjagen. Arbeiter in den Werken, macht einen Generalstreik, helft dem ungarischen Volk.«

  • In Wittstock wurde ein selbstgefertigtes Hetzblatt gefunden, das die Forderung zum Inhalt hat, die sowjetischen Truppen sollen Deutschland verlassen.

  • In einem Postkasten in Potsdam wurde der »Tagesspiegel« vom 24.6.1956 mit dem Wortlaut der Rede Chruschtschows über den Persönlichkeitskult gefunden.24 Ebenso ein Bild eines ermordeten ungarischen Parteifunktionärs, das wie folgt beschriftet war: »Im eigenen Folterkeller seiner vornehmen Villa des Genossen Parteifunktionärs, Freie Wahlen für Ungarn und für uns.«

  • In Lindow wurde ein handgeschriebenes Hetzblatt mit antisowjetischen Losungen gefunden.

Frankfurt/O.

  • Auf eine vom Rat des Kreises Beeskow herausgegebene Einladung zur Kundgebung wurde handschriftlich die Forderung geschrieben dieser Kundgebung fernzubleiben. Außerdem enthielt sie Antisowjethetze.

Neubrandenburg

  • In der Kreisdienststelle Altentreptow des MfS erhielt ein Mitarbeiter folgenden Hetzbrief: »Alles lacht um Eure Angst, Stalinbüsten werden zerschlagen. Nur Ruhe, nützt Euch nichts mehr. Freiheit lässt sich auf die Dauer nicht mehr halten.« In Anklam wurde eine Hetzschrift antisowjetischen Inhalts gefunden.

Magdeburg

  • Im Hauptpostamt Magdeburg wurden bei Kastenleerung 52 Zettel mit der Aufschrift »Russen raus, 18 Millionen fordern Freiheit« gefunden.25 20 gleichartige Zettel wurden auch in Stendal gefunden.

Berlin

  • In der Gepäckaufbewahrung des Bahnhofes Zoo wurden zwei Pakete mit ca. 225 000 Hetzschriften festgestellt.26 Inhalt: »Freie Wahlen« und Hetze gegen den Genossen Walter Ulbricht.

Dresden

  • In Görlitz erhielt ein Mitglied der SED durch die Post die Geschichte der KPdSU27 und den Stalinband 228 zugeschickt. Im ersten Buch war eingetragen: »dem Genossen für gute Aufklärungsarbeit in der LPG zum feuchten Setzei«. Im zweiten Buch: »dem Genossen für besondere Verdienste beim Freiheitskampf des ungarischen Volkes, es lebe die Freiheit«.

  • In verschiedenen Straßenbahnen, Haltestellen und im Bereitschaftsraum des Straßenbahnhofes Dresden wurden am 10.11.1956 mit Schreibmaschine gefertigte Hetzzettel gefunden. Der Inhalt nahm Bezug auf die Lohnverhältnisse des Straßenbahnpersonals von Dresden und forderte daran anschließend zum Streik am 12.11.1956 zur Erzwingung einer Lohnerhöhung von 15 Pfennig pro Stunde auf. Unterzeichnet waren diese Hetzschriften mit »Eure Streikleitung.« Täter waren Oberschüler der Oberschule Dresden-West im Alter von 16 bis 18 Jahren, die am Wochenende bei der Straßenbahn aushelfen. Festnahmen erfolgten. Aus den bisherigen Aussagen geht hervor, dass ca. 300 solcher Hetzzettel gestreut wurden. 50 % sind sichergestellt ohne in die Hände der Bevölkerung zu gelangen. Die Stimmung des Fahrpersonals weist keine Anzeichen auf, dass es am 12.11.1956 zur Arbeitsniederlegung kommt.

Leipzig

  • An einen Architekten und an eine LDPD-Funktionärin [in] Großdeuben, [Bezirk] Leipzig, wurde ein Hetzbrief mit Drohungen gegen weitere politische Tätigkeit gesandt.

  • Am Gebäude des Bezirksvorstandes der CDU wurden Schmierereien angebracht, außerdem wurden Hetzzettel an den Bezirksvorstand geschickt. Inhalt: Drohung, mit den Funktionären abzurechnen.

  • In der Berufsschule Roßwein, [Kreis] Döbeln, wurde auf das Pult eines Lehrers ein Hetzzettel gelegt mit der Forderung zum Sturz der Regierung Wilhelm Piecks. Unterschrift: Revolutionärer Stab NTS.29

  • In der Nähe des Bahnhofes Roßwein, [Kreis] Döbeln, wurde eine selbstgefertigte Hetzschrift folgenden Inhalts gefunden: »Schlagt das Pack nieder, dann kommen freie Wahlen wieder, dann bekommen wir auch eine Wohnung wieder«.

  • Im VEB Schmiedewerk »Hermann Matern« Roßwein, [Kreis] Döbeln, und im VEB Stoßdämpferwerk Hartha, [Kreis] Döbeln, wurden von unbekannten Tätern am 6.11.1956 die Bildbeilagen des ND vom Aushang entfernt.

  • Im Kirow-Werk Leipzig, Werk 2, wurde unter ein aus der Zeitung ausgeschnittenes Bild von Otto Grotewohl das Wort »beseitigen« geschrieben und das Bild aufgehangen.

Karl-Marx-Stadt

  • Am 11.11.1956 wurden bei Schneeberg Flugblätter in russischer und deutscher Schrift (Herausgeber Zope)30 gefunden.

Halle

  • In Coswig, [Kreis] Roßlau, erhielt ein werktätiger Bauer einen handgeschriebenen Drohbrief mit der Aufforderung seine Funktion in der VdgB niederzulegen. Ebenfalls einen Drohbrief erhielt der Sekretär der SED in Bad Frankenhausen.

  • In Quedlinburg wurde ein Flugblatt gefunden mit der Forderung sich mit der Konterrevolution solidarisch zu erklären.

  • Im Postamt Weißenfels wurden sechs Hetzzettel, gegen die Regierung gerichtet, eingeworfen. Unterschrift: Neutrale Arbeiterpartei Deutschlands.

  • Am 9.11.1956 überflogen in zwei Fällen zwei Flugzeuge unbekannter Nationalität die Kreise Zossen und Königs Wusterhausen. Es wurden 12 000 Hetzschriften der Zope in russischer Schrift abgeworfen.

Anonyme Anrufe und sonstige Feindtätigkeit

  • Halle: Am 5.11.1956 wurde der Sender Halle viermal durch eine männliche Person angerufen, die hetzerische Reden gegen die SU und gegen die Volksdemokratien führt.

  • Berlin: Am Antonplatz in Berlin-Weißensee treffen sich täglich zwischen 17.00 und 20.00 Uhr ca. 20 bis 35 Personen im Alter von 16 bis 25 Jahren. Sie pöbeln Passanten an mit den Worten »Keine Angst vor Weihnachten, bis dahin werden die Gänse durch die Winterhilfe verteilt«31 und verabschieden sich mit »Heil Hitler«.

  • Schwerin: Im Signal- und Fernmeldewerk Schwerin wurde am 9.11.1956 vermutlich von Aushilfsarbeitern im Alter von 15 Jahren das Bild Walter Ulbrichts auf Halbmast gehängt.

  • Suhl: Am 9.11.1956 wurde eine Streife der VP-Grenze an der Staatsgrenze Mödlareuth von vier männlichen Personen aus dem westlichen Teil beschimpft und mit Steinen beworfen.32 Vermutlich handelt es sich dabei um Umsiedler.

  • Potsdam: Am 9.11.1956 wurden zwei Angehörige der englischen Besatzungsmacht, nachdem sie 400 m in das Gebiet der DDR eingedrungen waren, festgenommen. Beide besaßen keine Ausweise und Waffen und erklärten, aus dem Arrest ausgebrochen [zu sein und] in der DDR verbleiben zu wollen.

VII. Lage beim Gegner

Westdeutschland:

  • Am 9.11.1956 wurde beobachtet, wie in zwei Fällen männliche Personen vom Kontrollstreifen Sickenberg33 das Gebiet der DDR beobachteten. Beide Male wurden sie von einem Jeep abgeholt.

  • Am 9.11.1956 passierte ein D-Zug von Westberlin aus kommend die Demarkationslinie34 in Richtung Hannover. Der Zug war besetzt mit englischen Militärangehörigen.

  • Am Grenzkontrollpunkt Marienborn erklärte eine weibliche Person aus Wolfsburg, dass sie von westdeutschen Zöllnern im Helmstedt gewarnt worden sei, dass in der DDR Unruhen ausbrechen würden bzw. ausgebrochen sind.

  • Zwei am Kontrollpunkt Marienborn erschienene Rückkehrer aus dem Lager Wollensdorf35 erklärten, dass in diesem Lager Jugendliche für den Einsatz in Ungarn geworben werden. Eine kleine Anzahl hätte sich bereits bereit erklärt.

  • In der Zeit vom 9.11. bis 10.11.1956 verkehrten zwischen Westdeutschland und Westberlin sieben Züge, davon drei nach Westdeutschland und vier nach Berlin. Die Züge waren besetzt mit amerikanischen und französischen Besatzern.

  • Im amerikanischen Hauptquartier in Kassel ist am 9.11.1956 ein Funkspruch eingegangen, welcher zur höchsten Alarmbereitschaft der amerikanischen Streitkräfte aufruft. Aus dem Funkspruch ist ersichtlich, dass die SU einen Überraschungsangriff in Europa durchführen könnte.

  • In der Nacht zum 10.11.1956 hatten sämtliche Züge in Westdeutschland, die von Nord- nach Süddeutschland und umgekehrt fuhren, mehrere Stunden Verspätung, was auf die Verlegung von amerikanischen Einheiten zurückzuführen ist. Auf der Fahrt von Frankfurt/M. nach Friedberg konnte vom Zug aus beobachtet werden, wie sich motorisierte amerikanische Infanterie in Richtung Fulda begab. Auf der Autobahn zwischen Frankfurt/M. und Gießen bewegten sich vom 25.10. bis 30.10.1956 größere Panzerverbände und motorisierte Infanterie in Richtung Gießen. Der Autobahnverkehr war eingeschränkt. Nach Angaben von Personen aus Kassel soll es sich um Manöver handeln.

Westberlin

  • Am 10.11.1956 wurde bekannt, dass sich der amerikanische Geheimdienst besonders für folgende Fragen interessiert:

    • 1.

      Wie ist die Lage und Stimmung im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, was sagt man über Ungarn, vor allem über das Eingreifen der Roten Armee.

    • 2.

      Wurden in der Umgebung Berlin Panzer bemerkt.

    • 3.

      Wurden neue Truppenverbände in Berlin festgestellt.

    • 4.

      War der Botschafter der UdSSR im MfAA bzw. waren Bolz36 oder Handke37 bei Puschkin.38

    • 5.

      Waren während der Volkskammersitzung Tumulte von Studenten vor der Volkskammer.39

    • 6.

      Wie sind die Kontrollen an den Sektorengrenzen bzw. S-Bahnübergangspunkten.

  • Zur Kundgebung am Rudolf-Wilde-Platz und den Krawallen am Brandenburger Tor äußerte ein Amerikaner, dass Studenten aus dem demokratischen Sektor dabei waren und dazu eingeladen wurden.40

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    13. November 1956
    Information Nr. 330/56 – Betrifft: Die Lage in der Deutschen Demokratischen Republik – in der Zeit vom 12. November 1956, 8.00 Uhr, bis 13. November 1956, 8.00 Uhr, eingegangenes Material

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    10. November 1956
    Information Nr. 327/56 – Betrifft: Energieversorgung