Leipziger Messe
5. März 1956
Leipziger Messe [Information Nr. M48/56]
1.) Die Stimmung unter den westdeutschen und ausländischen Messebesuchern1
In den Unterhaltungen dieser Kreise spielen deren Geschäftsinteressen die größte Rolle. Dabei wird vorwiegend über Vertragsabschlüsse gesprochen. Da bereits viele westdeutsche und ausländische Firmen gute Abschlüsse tätigen konnten, bringen sie darüber ihre Befriedigung zum Ausdruck. So äußerte sich ein Besitzer einer Westberliner Textilmaschinenfabrik: »Wir haben hier in der kurzen Zeit sehr gut verkauft. Der Umsatz ist diesmal so hoch wie sonst bei zwei Messen.«
Über den Verlauf der Messe wird von diesen Personen in der überwiegenden Mehrheit positiv gesprochen. Hervorzuheben ist, dass sich die Mehrheit dieser Personen über die gute Entwicklung der Erzeugnisse unserer Republik sowie aller sozialistischen Länder ausspricht. Ein westdeutscher Messebesucher aus Frankfurt/M. äußerte: »Die VEB haben in sehr kurzer Zeit ihre Erzeugnisse zu Qualitätswaren verbessert und könnten sehr gut auch an westdeutschen Ausstellungen teilnehmen.« Auch der Direktor des staatlichen Landreformkomitees der Republik Ägypten, ein Vertreter Italiens und drei Norweger lobten die Qualität und die Sortimente auf der Messe und wollten Verträge mit der DDR, China und anderen Volksdemokratien abschließen.
An politischen Gesprächen beteiligen sich diese Kreise nur in einem geringen Umfang. Charakteristisch ist jedoch, dass die Politik Adenauers2 abgelehnt wird, weil sie dadurch in ihrer geschäftlichen Entwicklung behindert werden. Derartige Meinungen gibt es nicht nur von westdeutschen, sondern auch von Ausstellern aus dem westlichen Ausland. Ein Vertreter der westdeutschen Firma Ziehmann sagte in einer Unterhaltung: »Mit der Politik Adenauers bin ich nicht einverstanden. Wenn Adenauer eines Tages verschwindet, wird auch die Einheit Deutschlands schneller zustande kommen, was sich natürlich auch im Ost-West-Handel bemerkbar machen würde.« Herr [Name] aus Haren,3 Holland, äußerte: »Westdeutschland ist wieder äußerst stark geworden und hat auf Deutsch gesagt, sehr den großen Rand. Adenauer rüstet genau wie Hitler mächtig auf. Das kann eventuell zu einer Absatzkrise und zu einem Kriege führen. Wenn jedoch alle Völker Handel in verstärktem Maße treiben und ihre Verbindungen festigen, kann ein Krieg vermieden werden.«
Negative Äußerungen gibt es nur ganz vereinzelt, die sich nicht auf die Stimmung im Allgemeinen auswirken.
2.) Stimmung der Bevölkerung aus der DDR
Arbeiter und Angestellte, die die Hallen der technischen Messe oder die Messehäuser der Innenstadt besucht haben, äußern sich hauptsächlich positiv. Sie bringen in der Mehrzahl ihre Anerkennung über die Produktionserfolge sowie die weitere Verbesserung der Qualität unserer Erzeugnisse zum Ausdruck. Ein großer Teil der Bevölkerung Leipzigs, vor allem die Hausfrauen, sehen in der Messe nach wie vor eine bessere Einkaufsmöglichkeit und erklären, dass sie jetzt Gelegenheit haben, Waren, die es sonst nicht gibt, einzukaufen. Dies wollen sie auch wahrnehmen, da ihrer Meinung nach die gewünschten Waren wie Bohnenkaffee, Südfrüchte u. a. mehr nach der Messe nicht mehr zu bekommen sind.
Ein Teil der privaten Aussteller aus der DDR beklagt sich darüber, dass die Möglichkeiten für Vertragsabschlüsse bzw. für Einkäufe zu beschränkt seien. So beklagt sich z. B. der Lederbekleidungsfabrikant Leubner aus Weinstübel bei Görlitz,4 dass er gegenüber dem Vorjahr nur ein Viertel der Ledermenge für den Einkauf bewilligt bekommen habe. Einige Aussteller aus der Privatindustrie im Ringmessehaus erklären, dass ihnen in der DDR der Hals abgeschnitten werde. In der Halle VII der technischen Messe erklärten einige Privatunternehmer, dass sie im nächsten Jahr nicht mehr ausstellen wollen, da sie nach der III. Parteikonferenz wohl sowieso keine Existenzmöglichkeit mehr haben werden.5
Ausstellung des MfS
Die Ausstellung »Agenten, Spione, Saboteure entlarvt« wurde bis zum 4.3.1956 von ca. 50 000 Personen besucht.6 Unter den Besuchern befanden sich Arbeiterdelegationen aus Westdeutschland und dem Saargebiet sowie Besucher aus dem kapitalistischen und sozialistischen Ausland. Dabei machten die ausgestellten Ballons großen Eindruck auf die westdeutschen Besucher. In ihren Diskussionen kommt darüber immer wieder zum Ausdruck, dass ihnen niemand mehr weismachen kann, dass es sich um Wetterballons handele, nachdem sie diese selbst gesehen haben. Verschiedene ausländische Besucher aus dem kapitalistischen Ausland sowie Besucher aus Westdeutschland bedankten sich mehrfach dafür, dass durch eine solche Ausstellung der Bevölkerung die Augen geöffnet werden und verpflichteten sich mitzuhelfen, die Agententätigkeit zu unterbinden.
Die festgestellten Diskussionen aus den verschiedensten Bevölkerungsschichten des In- und Auslandes sind fast ausschließlich positiv und es werden darin übereinstimmend die Machenschaften der Agentenzentralen7 verworfen.