Neue Flugschriften (5)
7. August 1956
Information Nr. 130/56 – Betrifft: Neue Hetzschriften
In einer Hetzschrift der KgU1 mit der Überschrift »Bevölkerung von Senftenberg« wirbt diese um neue Agenten. Zum Anlass nimmt sie den Einsturz eines einstöckigen Wohnhauses in Senftenberg in der Grünstraße, das am 27. Mai 1956 durch Erdrutsch einstürzte,2 wobei das darin wohnende Rentnerehepaar tödlich verunglückte. Hierzu möchte die KgU zweckdienliche Angaben haben, weil »als Unfall-Ursache fehlende Sicherheitsmaßnahmen angesehen werden, die der Rat der Stadt Senftenberg im Zuge der Kostensenkung einsparen wollte«. Weiter heißt es in der Hetzschrift: »Wir bitten alle am Kampf gegen das SED-Regime Interessierten um baldige zweckdienliche Angaben, – auch dann, wenn nur scheinbar zusammenhanglose Einzelheiten, Vermutungen oder Gerüchte bekannt sind.«3
Die KgU gibt erstmalig das Organ für Nationale Verteidigung »Der Kämpfer« in verfälschter Form und in Briefformat heraus.4 Die Titelseite befasst sich mit der Verurteilung des Personenkults Stalins, wobei die Erklärung des XX. Parteitages5 mit Zitaten über Stalins Verdienste im Großen Vaterländischen Krieg gegenübergestellt werden. Des Weiteren befasst sich der Inhalt hauptsächlich, in Form von kleinen Artikeln, über [sic!] die »militärische Stärke und Überlegenheit der USA«. Auf der letzten Seite wird gegen die Volksarmee gehetzt und mit einer namentlichen Aufzählung hoher Offiziere der ehemaligen Naziwehrmacht, die jetzt der Volksarmee angehören sollen.6
In der neuesten Ausgabe des Luftpostbriefes der FDP »Familie Jedermann« geht es um die Beeinflussung der Partei- und Staatsfunktionäre.7 Davon ausgehend, dass es seit dem XX. Parteitag in den Volksdemokratien sowie in der DDR eine »starke Opposition« gegen die Politik der Partei gebe, werden die Funktionäre zum Handeln aufgefordert und dazu heißt es: »Noch ist es nicht zu spät, ihr Verwaltungs- und Parteifunktionäre, ihr Volkspolizisten und Journalisten, euch von dem Weg einer völligen politischen und menschlichen Isolierung im deutschen Volke abzuwenden. Jeder von euch kann an seinem Arbeitsplatz, in seiner Organisation dazu beitragen, dass wenigstens die schlimmsten Auswüchse des Ulbricht-Regimes verhindert werden. Beweist durch eure Tat, dass ihr auf der Seite derer steht, die das Stalinsche System endgültig satthaben und in Frieden und Freiheit in einem einheitlichen Deutschland leben wollen. Es kommt die Zeit, wo sich viele glücklich schätzen werden, noch rechtzeitig umgekehrt zu sein.«
Eine andere Hetzschrift (Herausgeber unbekannt) mit der Überschrift »Was Frau Lotte meint« befasst sich mit dem Prämien- und Aufbausparen.8 Die Hetze richtet sich gegen die Bedingungen des Prämiensparens. Anhand von Beispielen wird aufgezeigt, wie der Sparer angeblich betrogen wird und wie viel der Staat daran verdient, »da keine Kontrolle vorhanden sei«. Dazu heißt es: »Wer kann von uns kontrollieren, ob nicht 500 000 Sparer vorhanden sind, aber nur 100 000 Sparer an der Auslosung teilnehmen, womit die Gewinnchance völlig unbedeutend wird. Hier treibt der Staat Wuchergeschäfte, die nicht einmal kapitalistischen Gepflogenheiten entsprechen dürften.« Beim Aufbausparen heißt es, dass diese Gelder nicht »für den schnelleren Aufbau, der Verbesserung der Lebenslage und zur Förderung des Wohnungsbaues Verwendung findet, sondern hauptsächlich für die Finanzierung der Volks-armee und den erweiterten Aufbau des Apparates des MfS«. »Deshalb wäre es ratsam, in die eigene Tasche zu sparen.«
Wie der Gegner unzufriedene Stimmung unter den Beschäftigten der VEB für seine Hetze ausnutzt, beweist eine neue Hetzschrift (unbekannter Herkunft), die sich mit dem Prämiensystem in der DDR beschäftigt. Diese neue Hetzschrift wendet sich direkt an die Beschäftigten des VEB Kunstseidenwerk Premnitz, [Bezirk] Potsdam. In diesem Betrieb löste die Auszahlung der Quartalsprämien im Juli unter den Beschäftigten unzufriedene Stimmung aus. Daraufhin erhielten sechs Angestellte und Arbeiter dieses Betriebes auf dem Postwege genannte Hetzschrift mit der Überschrift »An alle Kolleginnen und Kollegen unseres Werkes«. Inhaltlich geht es darum, die Arbeiter grundsätzlich gegen das Prämiensystem zu beeinflussen, indem es heißt, dass »Ansprüche auf Prämien nur das leitende Personal habe«. Des Weiteren werden einige Angehörige der Intelligenz des VEB Kunstseidenwerk Premnitz namentlich sowie die Höhe der ihnen ausgezahlten Prämien bekannt. Auch ist die Hetzschrift so gehalten, als wenn die Verfasser Beschäftigte des Betriebes sind. Unterschrieben ist sie mit »Kritische Genossen«.