Situation in den Kampfgruppen der Arbeiterklasse (1)
24. August 1956
Information Nr. 168/56 – Betrifft: Kampfgruppen
In den Monaten Juli [und] August 1956 wurden in starkem Maße aus den Bezirken Meldungen über die Kampfgruppen der volkseigenen Betriebe bekannt.1 Übereinstimmend kommt darin zum Ausdruck, dass die Teilnahme an der theoretischen und praktischen Ausbildung äußerst gering ist und in der Mehrzahl noch nicht einmal 50 % beträgt. Besonders hervorgehoben wird dabei die mangelhafte Beteiligung der Wirtschafts-, Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre an den Ausbildungen, die Anlass für die Arbeiter ist, ebenfalls den Ausbildungen fernzubleiben. In den Aussprachen mit den Arbeitern wird von diesen ständig auf diese Tatsache hingewiesen und gefordert, diesen Zustand zu ändern. Selbst bei Katastropheneinsätzen im Bezirk Suhl war diese Gleichgültigkeit festzustellen. Weiterhin ist aus dem vorliegenden Material ersichtlich, dass sich innerhalb der Kampfgruppen wieder pazifistische Tendenzen zeigen. Ihren Ausdruck finden diese Tendenzen in den Diskussionen, in denen davon gesprochen wird, dass die Schaffung der Nationalen Volksarmee2 ein Weiterbestehen der Kampfgruppen erübrige.
Dazu einige charakteristische Beispiele für die schlechte Beteiligung und die Stimmung in den Kampfgruppen.
- –
Die Arbeit der Kampfgruppen der DSU-Direktion, des DSU-Hafens und der Mühlenwerke Magdeburg hat in letzter Zeit sehr nachgelassen. Die Gesamtstärke beträgt ca. 40 Kämpfer. Während die Beteiligung an der Ausbildung im Jahre 1955 noch bei 60 % lag, ist sie im Laufe dieses Jahres auf 14 % herabgesunken. Es wurde festgestellt, dass gerade leitende Funktionäre der Kampfgruppe laufend fernbleiben. So haben der Leiter des schiffstechnischen Dienstes sowie der Hauptbuchhalter – beide sind Mitglieder der Parteileitung – und der Justitiar noch nicht einmal an der Ausbildung teilgenommen. Zwei Inspektoren – beide Mitglied der SED – sind stets entschuldigt. Der BGL-Vorsitzende war bisher lediglich einmal zur Ausbildung anwesend. Seit Mitte Juli 1956 liegt die Arbeit vollkommen danieder. Der Kommandeur der Kampfgruppe sowie die drei beteiligten Parteileitungen entwickelten keinerlei Initiative.
- –
Die Kampfgruppe des Rates des Kreises Hagenow, [Bezirk] Schwerin, beträgt 46 Mitglieder. An den letzten Übungstagen waren jeweils nur sechs erschienen.
- –
Im »Ernst Thälmann«-Werk Lübtheen,3 [Kreis] Hagenow, [Bezirk] Schwerin, nahmen von 50 Mitgliedern in letzter Zeit nur 15 teil.
- –
Im Kreisbauhof Hagenow, [Bezirk] Schwerin, war es in den letzten Wochen nicht möglich, die 14 Mitglieder der Kampfgruppe zu einer Übung zusammenzubekommen.
- –
Im VEB Papierfabrik Greiz, [Bezirk] Gera, nehmen von den 49 Mitgliedern der Kampfgruppe oft nur fünf an den Ausbildungen teil.
- –
Im VEB Maxhütte Unterwellenborn, [Kreis] Saalfeld, [Bezirk] Gera, sind des Öfteren von den zwei Hundertschaften nur je zehn Mann anwesend. Hier wird oft die Frage aufgeworfen, ob es jetzt überhaupt noch notwendig sei, an einer Kampfgruppenausbildung teilzunehmen, da sowieso von einer ordnungsgemäßen Ausbildung keine Rede mehr sein könnte.
- –
Im VEB Simson-Werk Suhl wird die Beteiligung an den Kampfgruppen ebenfalls als mangelhaft bezeichnet. So sollte z. B. ein Katastropheneinsatz in Schmeheim durchgeführt werden, an dem sich 20 Mitglieder der Kampfgruppe beteiligen sollten. Mit Mühe und Not wurden dafür 15 Mann gewonnen. Ähnlich ist es im Mercedes-Werk Zella-Mehlis, [Bezirk] Suhl. Ein Arbeiter brachte Folgendes zum Ausdruck: »Die Teilnahme ist sehr schlecht. Ein Grund dafür ist, dass die Wirtschaftsfunktionäre und auch die Lehrausbilder zu wenig daran teilnahmen. Die Genossen diskutieren darüber und sagen, wenn die es nicht nötig haben, brauchen wir es auch nicht. Die verdienen mehr Geld als wir.«
- –
Im VEB Elbtalwerk Heidenau, [Bezirk] Dresden, ist es vorgekommen, dass zu den angesetzten Ausbildungen nur drei Mann anwesend waren. In diesem Betrieb besteht kein Ausbildungsplan. Außerdem sind die Mitglieder der Meinung, »dass jetzt in der Welt eine Politik der Entspannung vorherrscht und die Streitkräfte überall vermindert werden. Deshalb wären auch die Kampfgruppen in diesem Maße nicht mehr nötig.«
Diese Beispiele könnten beliebig erweitert werden.