Stimmung der Studenten zu Reisen in die Bundesrepublik
29. Mai 1956
Stimmung der Studenten über Urlaubsfahrten nach Westdeutschland (3. Bericht) [Information Nr. M115/56]
Auch an der Hochschule für Architektur- und Bauwesen in Weimar (deren Studenten an der Demonstration gegen Roth1 mitbeteiligt waren)2 werden Diskussionen über Urlaubsfahrten nach Westdeutschland geführt. Dabei taucht das Gerücht auf, dass Jugendliche bis zu 25 Jahren überhaupt keinen PM 12a erhalten.3 Vom Prorektorat für Studentenangelegenheiten wurde bisher eindringlich darauf hingewiesen, dass Ferienfahrten nach Westdeutschland ohne bestimmtes Reiseziel und ohne geklärte finanzielle Verhältnisse möglichst unterbleiben sollen. Vom größten Teil der Studenten wurde dies zur Kenntnis genommen und anerkannt. Feindliche Stimmungen waren dort noch nicht zu verzeichnen. Trotzdem gibt es eine Reihe von Studenten, die eine Ferienreise nach Westdeutschland planen, ohne Verwandte dort zu haben. Diese Studenten wollen mit dem Fahrrad oder per Anhalter reisen. Um zu Geld zu gelangen, wollen einige Studenten in Westdeutschland arbeiten (1955 verbrachten ca. 400 Studenten ihre Semesterferien in Westdeutschland).
Weitere Argumente
Technische Hochschule Dresden: »Es ist jedem Funktionär zu raten, dass auch er Westdeutschland wirklich kennen lernt«; »wenn eine Anordnung besteht, dass Studenten nicht nach Westdeutschland in Urlaub fahren sollen, muss man das sagen, dann erübrigt sich eine Diskussion«. (Um doch noch eine Möglichkeit zu erhalten, den Urlaub in Westdeutschland zu verbringen, versuchen jetzt einige Studenten ein Berufspraktikum in Berlin zu erhalten, um nach Westberlin gehen zu können.)
Universität Halle
»Westdeutschland ist uns in der Wissenschaft überlegen, also können wir doch nur Nutzen haben, wenn wir dort unseren Urlaub verbringen.«; »Wir dürfen keine westlichen Zeitungen lesen und sollen keine westdeutschen Sender hören. Jetzt dürfen wir auch nicht nach Westdeutschland in Urlaub fahren. Wie sollen wir uns da ein objektives Urteil bilden.«
Humboldt-Universität Berlin
Hier stellen vor allem ältere Genossen die Frage »Wie soll das weiter gehen?«. Sie finden sich nicht mehr zurecht, treten aber in den Versammlungen nicht offen mit dieser Frage auf aus Angst, »zusammengedroschen« zu werden. Andere Genossen erklären, dass die Studenten, die beabsichtigen, nach Westdeutschland zu fahren, dies über Westberlin trotzdem tun.