Stimmung im Kaliwerk »Ernst Thälmann«
28. Juni 1956
Information Nr. 41/56 – Betrifft: Situation und Stimmung im Kaliwerk »Ernst Thälmann« in Merkers, [Bezirk] Suhl
Im VEB Kaliwerk »Ernst Thälmann« Merkers, [Kreis] Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, besteht gegenwärtig eine sehr gedrückte Stimmung über den Stillstand der Schachtanlage III.
Am 13.6.1956 ereignete sich auf dieser Schachtanlage eine Betriebsstörung infolge Spurlattenbruches.1 Da in den letzten drei Wochen aufgrund des schlechten Zustandes der Einstriche2 beim Schacht III laufend Spurlattenbrüche auftraten, wurde nach Rücksprache und Besichtigung des Schachtes durch die HV Kali Berlin3 und der technischen Bergbau-Inspektion Erfurt der Schacht stillgelegt. Die erforderlichen Reparaturarbeiten werden auf elf Tage geschätzt. Die Schächte I und II arbeiten weiter. Das Lösehaus wird zeitweilig stillgelegt, weil die zwei Schächte nicht die nötige Menge Rohsalz zur Aufrechterhaltung des Betriebes schaffen können. Durch den Ausfall des Schachtes III werden täglich ca. 14 000 t Rohsalz weniger gefördert. Ein Teil der Arbeiter wird in Urlaub geschickt und ca. 30 bis 40 Arbeiter werden vom VEB »Einheit« in Dorndorf4 zur Weiterbeschäftigung aufgenommen.
Die Diskussionen der Arbeiter sind dahingehend, dass ihre Hilfe für andere Betriebe ihnen zum Nachteil sei. Es ist festzustellen, dass sie aufgrund dieses Stillstandes wieder keine Prämie erhalten und der Verdienst ebenfalls geringer wird. Dazu erklärte ein Meister Folgendes: »Wir haben auch wieder einmal an eine Quartalsprämie gedacht, aber leider vergebens.« Die Arbeiter vertreten außerdem den Standpunkt, dass es keinen Zweck habe, irgendwelche Produktionsausfälle wieder aufzuholen, denn irgendetwas würde ja doch wieder eintreten, was die Planerfüllung verhindert. Sie sind der Meinung, dass man den flüchtigen technischen Direktor hätte einsperren sollen, denn er wäre hauptverantwortlich für den heutigen Zustand des Betriebes.
Aus dem Kaliwerk »Einheit« in Dorndorf wurde zur gegenwärtigen Situation im Kaliwerk »Ernst Thälmann« in Merkers folgende Diskussion bekannt: »Unser Werk steht wieder an der Spitze im sozialistischen Wettbewerb. Die Arbeiter freuen sich natürlich riesig darüber. Allerdings mit eigener Kraft hätten wir das nicht alleine geschafft. Unser schärfster Konkurrent, das Kaliwerk ›Ernst Thälmann‹ in Merkers hat am Anfang dieser Woche einen größeren Bruch gehabt, wodurch der Hauptschacht für ca. 14 Tage in Reparatur muss. In der Schachtröhre sind ca. 100 m Spurlatten zerfahren worden und auch der Einstreicher ist nicht mehr in Ordnung. Die ganze Sache ist während der Förderung passiert, ein Förderkorb soll sich aus der Führung gelöst und auf 100 m alles zerschlagen haben, ehe jemand etwas gemerkt hat und die Fördermaschine angehalten wurde. Mir ist das unbegreiflich. Für die gesamte Kaliindustrie ist das natürlich wieder sehr bitter, vor allem in der jetzigen Situation. Die Stimmung bei den Arbeitern in Merkers ist sowieso nicht gut und jetzt noch dazu, dass sie bald 14 Tage nicht fördern können. In Merkers regen sich die Arbeiter vor allem darüber auf, dass ein großer Teil Funktionäre im Klubhaus herumsitzen und von einer Besprechung in die andere jagen. Vor der Tür stehen dann fast den ganzen Tag 10 bis 15 Pkw einschließlich Fahrer. Ich kann die Arbeiter sehr gut verstehen, denn uns selbst wird es ja bald zu viel. Ständig kommen mehrere Funktionäre zu Stippvisiten, schreiben auf und verschwinden, aber ändern tut sich nur wenig. So bemühen wir uns schon seit langer Zeit, 1 bis 2 mm einfachen Eisendraht für die Schießleitungen zu bekommen. Es geht aber einfach nicht. Natürlich werden dann die Arbeiter missmutig.«