Stimmung und Ereignisse am 1. Mai 1956
2. Mai 1956
1. Mai 1956 [2. Bericht] [Information Nr. M95/56]
I. Beteiligung
Die Beteiligung an den Maidemonstrationen ist gegenüber dem Vorjahr etwas gesunken. Hauptursache daran ist das im gesamten Gebiet der DDR herrschende schlechte Wetter. Organisatorische Mängel waren bei einer geringen Beteiligung nicht ausschlaggebend, sondern führten nur vereinzelt zu einem vorzeitigen Verlassen der Kundgebungen. Im überwiegenden Maße beteiligten sich die Werktätigen aus den Industrie- und Verkehrsbetrieben. Auch in den Landgemeinden war teilweise eine gute Beteiligung der bäuerlichen Bevölkerung zu verzeichnen, aber es gibt auch mehrere Beispiele, wo Bauern erklärten, dass sie auf dem Feld arbeiten müssten (z. B. Potsdam, Suhl). Über die Teilnahme des Mittelstandes liegen nur wenig Meldungen vor. Während im Bezirk Potsdam eine schlechte Beteiligung zu verzeichnen war, meldet Halle eine gute Teilnahme. Im Einzelnen wurden folgende Teilnehmerzahlen bekannt:
[Stadt] | 1956 | gegenüber 1955 |
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Rostock | 75 000 | 75 000 |
Stralsund | 35 000 | 45 000 |
Greifswald | 22 000 | 35 000 |
Neubrandenburg | 10 000 | 8 000 |
Anklam | 7 000 | 4 500 |
Pasewalk | 5 000 | 4 000 |
Waren | 6 000 | 8 000 |
Ueckermünde | 1 600 | 5 000 |
Schwerin | 65 000 | 60 000 |
Potsdam | 22 000 | 23 000 |
Brandenburg | 32 000 | 34 000 |
Belzig | 5 150 | 7 050 |
Frankfurt/O. | 25 000 | 15 000 |
Eberswalde | 20 000 | 25 000 |
Angermünde | 4 000 | 8 000 |
Cottbus | 24 800 | 24 000 |
Fürstenwalde | 12 000 | 10 000 |
Forst | 20 000 | 20 000 |
»Schwarze Pumpe« | 2 500 | – |
Magdeburg | 100 000 | 95 000 |
Oschersleben | 10 000 | 8 000 |
Salzwedel | 10 000 | 8 000 |
Loburg | 1 500 | 2 000 |
Osterburg | 4 000 | 5 000 |
Stendal | 20 000 | 24 000 |
Halle | 105 000 | 95 000 |
Dresden | 200 000 | 250 000 |
Görlitz | 35 000 | 48 000 |
Kreisstädte wiesen dieses Jahr eine niedrigere Beteiligung auf, da größere Landgemeinden selbst Kundgebungen durchführten.
[Stadt] | 1956 | gegenüber 1955 |
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Leipzig | 200 000 | 350 000 |
Döbeln | 28 350 | 27 000 |
Altenburg | 24 000 | 59 000 |
Borna | 10 000 | 12 000 |
Karl-Marx-Stadt | 220 000 | 200 000 |
Plauen | 50 000 | 48 000 |
Freiberg | 40 000 | 25 000 |
Zwickau | 40 000 | 25 000 |
Gera | 30 000 | 45 000 |
Jena | 23 000 | 28 000 |
Greiz | 10 000 | 13 000 |
Erfurt | 100 000 | 100 000 |
Apolda | 14 000 | 11 000 |
Heiligenstadt | 12 000 | 11 000 |
Sondershausen | 7 500 | 5 700 |
Suhl | 20 000 | 15 000 |
Sonneberg | 16 000 | 8 500 |
Hildburghausen | 3 750 | 4 500 |
Schmalkalden | 9 000 | 10 000 |
RAW Meiningen: ca. 85 % der Belegschaft nahmen teil.
II. Stimmung
Im Vergleich zum Vorjahr war die Stimmung im Allgemeinen gut, wurde jedoch durch die schlechten Wetterbedingungen beeinträchtigt. Die positive Einstellung der Beteiligten zum 1. Mai überwiegt bei Weitem, negative Stimmen wurden nur vereinzelt bekannt. Davon beruhen einige nicht auf gegnerischer Einstellung, sondern sind auf persönliche Verärgerungen zurückzuführen. Dafür sind nachstehende Beispiele typisch: Ein Arbeiter (SED) aus dem Elektrowerk Wernigerode,1 [Bezirk] Magdeburg: »Ich mache am 1. Mai nicht mit, weil mir vieles nicht passt. Meine Tochter wollte einen Interzonenpass haben, was aber abgelehnt wurde.2 Aus Protest marschiere ich nicht mit.« In der Gemeinde Klein-Lübars,3 [Bezirk] Magdeburg, äußerten fünf Bauern, dass sie nicht an den Feierlichkeiten des 1. Mai teilnehmen, »da von der Regierung die SVK-Sätze willkürlich erhöht wurden«.4
In den negativen Äußerungen kommt entweder eine Verächtlichmachung des 1. Mai zum Ausdruck oder eine Verhöhnung der Beteiligten an den Demonstrationen.
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So äußerte ein Beschäftigter von der MTS Zossen, [Bezirk] Potsdam: »Wo sind denn die Transparente mit der Aufschrift: Wir fordern höhere Löhne!«
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In Potsdam äußerten vier Studenten beim Vorbeimarsch der Kampfgruppen:5 »Die Kampfbrüder müssten mal ordentlich die Fresse vollkriegen, dann würden sie schon sehen.«
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Zum gleichen Anlass äußerten einige Straßenpassanten in Neuruppin: »Seht euch mal an, das ist die zweite Volksarmee.« »Die Kampfgruppen können daran auch nichts ändern, es kommt doch, wie es kommen soll.«
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In Rostock äußerte eine Gruppe Jugendlicher auf dem Kundgebungsplatz: »Der Ansager schreit immer alleine, das ist jedes Jahr so. Er lässt die SED hochleben, aber keiner stimmt ihm zu.«
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Bei einer Unterhaltung einiger Arbeiter in Rathenow, [Bezirk] Potsdam, sagte einer: »Wenn man uns nicht förmlich zur Teilnahme gezwungen hätte, hätte ich den Quatsch nicht mitgemacht.«
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Einige Personen aus Zeuthen, [Bezirk] Potsdam, äußerten: »Man soll endlich mit den Zwangsdemonstrationen aufhören, der Arbeiter weiß, was er zu tun hat.«
Wenn auch die Stimmung und Begeisterung im Allgemeinen gut war, so schließt dies nicht aus, dass es Beispiele dafür gibt, wo eine mäßige Begeisterung vorherrschte. So z. B. war in Greiz, [Bezirk] Gera, während der Demonstration keine Begeisterung zu spüren. Nur von der Ehrentribüne aus wurde den Demonstranten Beifall gezollt, im Übrigen herrschte bei den Straßenpassanten Teilnahmslosigkeit. Ähnlich verhielt es sich auch in der Bezirkshauptstadt.
Aus dem Bezirk Potsdam wird berichtet, dass in einigen Kreisen wie z. B. Jüterbog, Brandenburg und auch in der Bezirkshauptstadt die Begeisterung seitens der Bevölkerung nur mäßig war. So wurde von Straßenpassanten so gut wie gar nicht geklatscht, als die GST, Kampfgruppen, Kulturgruppen usw. vorbeimarschierten. Auch wirkte in Potsdam der Demonstrationszug im Ganzen gesehen ohne starke Begeisterung, da es an Sprechchören und Kampfliedern fehlte. Man führt dies auf die schlechte Witterung zurück. Aus dem gleichen Grund und aber auch durch organisatorische Mängel kam es verschiedentlich zum vorzeitigen Verlassen des Demonstrationszuges bzw. der Kundgebungsplätze.
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Z. B. marschierten ca. 200 bis 300 Kollegen des Karl-Marx-Werkes Babelsberg, [Stadtteil von] Potsdam, nicht mit bis zum Kundgebungsplatz.
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Auch in Wiesenburg, [Bezirk] Potsdam, verließ ein größerer Teil vorzeitig den Demonstrationszug und begab sich in Gaststätten.
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In Teltow, [Kreis] Potsdam[-Land], verblieben von ca. 8 000 Teilnehmern nur ca. 1 000 Mann bis zum Schluss der Kundgebung. Hier waren die Gründe, einmal die schlechte Lautsprecheranlage, sodass der Referent kaum verstanden wurde, und zum andern wurde während der Kundgebung Alkohol verkauft.
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Die gleichen Gründe führten dazu, dass in den Gemeinden Stahnsdorf, Beelitz, [Kreis] Potsdam-Land, und Wildau, [Kreis] Königs Wusterhausen, 50 % der Teilnehmer vorzeitig abwanderten.
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In Neuhaus, [Bezirk] Suhl, verließen ca. 60 % vorzeitig den Kundgebungsplatz.
Zur Ausschmückung der Wohnhäuser, Geschäfte und öffentlichen Gebäude in den Städten und Dörfern ist zu sagen, dass sie im Allgemeinen ebenfalls gut und in einigen Kreisen besser als vergangenes Jahr war. Aus einzelnen Bezirken wird berichtet, dass einige Privatunternehmer sowie Handwerker und Geschäftsleute sehr gut ausgeschmückt hatten und in einigen Fällen sogar besser als der Konsum und die Handelsorganisation. So z. B. im Bezirk Gera waren die Handwerker und Geschäftsleute im Allgemeinen um eine bessere Ausschmückung bemüht. Das gleiche wird auch aus einigen Kreisen der Bezirke Potsdam, Neubrandenburg und Schwerin mitgeteilt. Im Bezirk Cottbus wurde verschiedentlich festgestellt, dass der private Handel besser als der genossenschaftliche und staatliche Handel geschmückt hatte.
Feindtätigkeit
In den Tagen des 1. Mai wurde vor allem vom Ostbüro der SPD6 eine große Anzahl Flugblätter mittels Ballon in die DDR eingeschleust, in denen vorwiegend gegen den 1. Mai, die Volksarmee,7 die 3. Parteikonferenz8 und gegen den Genossen Walter Ulbricht gehetzt wird. Aus den Bezirken wurden folgende Zahlen gemeldet:
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Magdeburg: 19 088,
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Schwerin: 2 047,
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Neubrandenburg: 689,
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Rostock: 368,
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Suhl: 200 und in der Gemeinde Erbenhausen größere Mengen,
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Potsdam: 63,
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Erfurt: 8.
Flugblätter anderer Feindzentralen9 wurden folgende Mengen eingeschleust:
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Schwerin: unbekannter Herkunft: 680,
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Potsdam: unbekannter Herkunft: 40 657, verschiedener Art: 3 000, KgU:10 342,
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Magdeburg: unbekannter Herkunft: 50 000,
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Leipzig: NTS:11 1 300,
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Gera: NTS: 6 000,
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Wismut: Zope:12 22,
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Karl-Marx-Stadt: NTS: 1 200,
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Suhl: KgU: 2 000.
In den Bezirken Neubrandenburg (1 000) und Frankfurt/O. (5) wurden erstmalig Flugblätter mit der Überschrift »Der Tunnel« aufgefunden, deren Hetze gegen den Spionagetunnel gerichtet ist.13 Außer diesen Flugblättern, die durch Ballons eingeschleust wurden, wurden in einigen Fällen Flugblätter gelegt bzw. angeklebt:
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Bezirk Neubrandenburg: Gemeinde Grischow, [Kreis] Malchin,14
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Bezirk Gera: Greiz,
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Bezirk Halle: Gemeinde Kemberg, [Kreis] Wittenberg, Quedlinburg.
In den Bezirken Karl-Marx-Stadt (25), Dresden (100), Potsdam (20) und Magdeburg wurden selbstgefertigte Hetzschriften gefunden, deren Inhalt gegen den 1. Mai und Walter Ulbricht sowie den Spionagetunnel gerichtet ist.
In verschiedenen Bezirken wurden Schmierereien und Hetzlosungen angebracht. Außerdem wurden in einigen Fällen Plakate sowie Bilder und andere Ausschmückungen beschädigt.
Bezirk Rostock:
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Bahnhof Doberan, RAW Greifswald, Elmenhorst, [Kreis] Grimmen – Plakate mit Hakenkreuzen beschmiert,
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Peenewerft Wolgast – eine Hetzlosung.
Bezirk Frankfurt/O.:
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Gemeinde Ziltendorf, [Kreis] Fürstenberg – ein Hitlerbild angebracht,
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Gemeinde Kamern, [Kreis] Havelberg15 – eine Hetzlosung – Inhalt: »1. Mai – 17. Juni – Kampftag«.
Bezirk Dresden
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Gemeinde Neugersdorf, [Kreis] Löbau – ein Maiplakat abgerissen,
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Stadtbezirk Dresden – Maiplakate beschädigt,
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Gemeinde Rückersdorf, [Kreis] Sebnitz – Maibaum umgesägt und gestohlen.
Bezirk Karl-Marx-Stadt:
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Ortsteil Siegmar, Karl-Marx-Stadt – ein Thälmannbild16 abgerissen,
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Schneeberg, [Kreis] Aue – ein Maiplakat abgerissen,
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Gersdorf, [Kreis] Hohenstein[-Ernstthal] – Maibaum herausgerissen,
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Königshain, [Kreis] Rochlitz – zwei Maiplakate beschädigt,
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Plauen – eine Hakenkreuzfahne an einem Gartenzaun gefunden.
Bezirk Suhl:
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In der Nähe der Ortschaft Möhrenbach – zwei Hakenkreuze an einem Ehrenmal des Jahres 1914 angeschmiert.
Aus folgenden Bezirken wird berichtet, dass in verschiedenen Fällen Fahnen abgerissen bzw. entwendet wurden:
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Bezirk Frankfurt/O. – in zwei Fällen,
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Bezirk Neubrandenburg – in einem [Fall],
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Bezirk Potsdam – in drei [Fällen],
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Bezirk Magdeburg – in einem [Fall],
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Bezirk Gera – in einem [Fall],
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Bezirk Suhl – in einem [Fall],
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Bezirk Cottbus – in einem [Fall],
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Bezirk Halle – in sechs [Fällen].
Aus dem Bezirk Potsdam wird berichtet, dass einige Personen durch Randalieren versuchten, die Mai-Feierlichkeiten zu stören. So wurden am 1.5.1956 in Zossen zwei Jugendliche festgenommen, die einen VP-Angehörigen die Maiplakette mit den Worten: »Wenn du ein Deutscher bist, mach das ab« abrissen. In Wildau, [Kreis] Königs Wusterhausen, versuchte ein Jugendlicher im angetrunkenen Zustand innerhalb des Demonstrationszuges eine Schlägerei anzuzetteln. Gegen die VP, die ihn zur Ordnung rief, wurde er beleidigend und randalierte weiter. Er wurde festgenommen. In Zühlsdorf, [Kreis] Oranienburg, randalierten drei Angehörige der Sportgemeinschaft »Traktor Zühlsdorf« in angetrunkenem Zustand. Sie wurden gegen Mitglieder des Maikomitees beleidigend und zerschlugen Fenster und Türen.
Besondere Vorkommnisse
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Im VEB Holzchemie und VEB Holz-Vertrieb in Mellensee, [Kreis] Zossen, [Bezirk] Potsdam, erhielt jeder Beschäftigte, der an der Maidemonstration teilnahm, vor der Demonstration auf dem Stellplatz 10,00 DM ausgezahlt (wurde überprüft).
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In der Gemeinde Dabergotz, [Kreis] Neuruppin, wurde am 1. Mai keine Demonstration durchgeführt, da westdeutsche Sportler keine Einreisegenehmigung bekommen haben. (Näheres wurde noch nicht bekannt.)
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In der Gemeinde Werder, [Kreis] Neuruppin, wurden im Demonstrationszug keine Transparente mitgeführt. Die SED-Parteileitung hatte erklärt, dafür kein Geld zu haben und dass der ABV für die Ausschmückung Sorge zu tragen hätte.
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In Borkheide, [Kreis] Belzig, wurden Personen von Angehörigen der »Zeugen Jehovas« angesprochen, von den Mai-Feiern fernzubleiben.
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In Groß-Stove, [Kreis] Rostock[-Land], erschien ein werktätiger Bauer (ehemaliges Mitglied der SPD/NSDAP) mit der ehemaligen Reichsbannerfahne17 und forderte, diese Fahne an Stelle der roten Fahne an der Spitze des Zuges zu führen. Er erhielt die Genehmigung, diese Fahne im Demonstrationszug mitzutragen.
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Das Maikomitee in der Bezirksstadt Frankfurt/O. hatte das Freundschaftstreffen mit den polnischen Freunden sehr schlecht organisiert. Während bei diesen an der Grenze das Feuer ordnungsgemäß abbrannte, brannte es auf deutscher Seite durch nasses Holz nur schlecht. Ebenso wurde versäumt, dass die polnischen Freunde jenseits der Oder von ca. 1 000 Personen begrüßt wurden. Weiterhin konnte für die zu Gast weilenden polnischen Freunde in Frankfurt/O. zunächst kein Quartier zugewiesen werden, weil man sich darum ebenfalls ungenügend gekümmert hatte.
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In der Ortsleitung der Partei in Boizenburg,18 [Kreis] Hagenow, [Bezirk] Schwerin, erschien ein ehemaliger Umsiedler mit einem Kurzreferat, das er am 1. Mai halten wollte. Der Inhalt dieses Referates war folgender: »Mit Gott, für Volk und freies Vaterland an das deutsche friedliebende Volk in Ost und West, Nord und Süd – von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt«.19 Er erklärte weiterhin, dass diese Ausführungen mit dem Choral »Nun danket alle Gott« enden müsse.20 Außerdem sollten dazu die Glocken läuten.
Demokratischer Sektor von Berlin
Die Beteiligung an der Maidemonstration im demokratischen Sektor zeigte gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang. So wurden an den Stellplätzen insgesamt ca. 198 375 Personen gezählt, wogegen im Vorjahr eine Beteiligung von ca. 222 000 zu verzeichnen war. Im Einzelnen setzte sich die Teilnehmerzahl wie folgt zusammen:
[Stadtteil bzw. Gruppe] | 1. Mai 1956 | 1. Mai 1955 |
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Mitte | 55 000 | 84 000 |
Prenzlauer Berg | 15 000 | 16 000 |
Weißensee | 12 000 | 9 500 |
Pankow | 10 800 | 8 500 |
Friedrichshain | 20 000 | 25 000 |
Lichtenberg | 19 200 | 18 000 |
Treptow | 20 500 | 19 200 |
Köpenick | 20 000 | 20 000 |
Junge Pioniere | 2 500 | 1 300 |
Sportler | 2 050 | 4 000 |
Sport und Technik21 | 3 625 | 4 600 |
Aktivisten | – | 3 000 |
Westkreise | 7 000 | 8 900 |
In einigen wichtigen Betrieben des demokratischen Sektors von Berlin lässt ebenfalls die Beteiligung sehr zu wünschen übrig
[Betrieb] | Belegschaftsstärke | 1956 | 1955 |
---|---|---|---|
VEB TRO | 4 000 | 1 500 | 2 000 |
VEB KWO | 4 500 | 2 250 | 2 300 |
VEB Kabelwerk Köpenick | 3 000 | 800 | 800 |
VEB Funkwerk Köpenick | 4 000 | 1 600 | 2 100 |
VEB Werk für Fernmeldewesen | 5 000 | 1 100 | 2 500 |
VEB Berliner Bremsenwerk | 1 600 | 600 | 800 |
VEB RFT | 1 300 | 600 | 450 |
VEB Elektrokohle | 3 200 | 1 400 | 1 500 |
VEB Wälzlager | 1 000 | 350 | 350 |
VEB J. W. Stalin | – | 2 000 | 3 650 |
Die Stimmung der Demonstranten sowie der Kreise der Bevölkerung, welche nicht am Demonstrationszug teilgenommen haben, war allgemein nicht so gut wie im Vorjahr. Das kam besonders darin zum Ausdruck, dass viele Demonstranten interessenlos im Zug mitmarschierten und ohne Begeisterung an der Tribüne vorbeigingen. Im Gegensatz zu anderen Demonstrationen wurde diesmal wenig gesungen und Sprechchöre belebten selten den Demonstrationszug. Diese Erscheinung ist z. T. mit auf die kalte Witterung zurückzuführen sowie auf die zum Teil schlechte Organisation an den Stellplätzen und Anmarschstraßen. So wurde aus dem Stadtbezirk Prenzlauer Berg bekannt, dass dieser Demonstrationszug schleppend vonstatten ging und häufig stockte, wodurch größere Abwanderungen eintraten. Infolge der Verzögerung des Abmarsches vom Stellplatz hatten ca. 150 Kollegen des VEB Reifenwerkes den Zug verlassen. Ebenfalls wurde unter einem Teil der GST-Mitglieder dadurch Missstimmung hervorgerufen, dass zwischen Anmarsch zum Stellplatz und Abmarsch zum Marx-Engels-Platz einige Wartestunden eintraten.
Der Vorbeimarsch der Volksarmee fand allseitig große Begeisterung und regen Beifall. So wurde beim Vorbeimarsch der motorisierten Einheiten durch die Breite Straße von den Demonstranten mehrere Male ein dreifaches Hoch auf unsere Volksarmee zum Ausdruck gebracht. Ähnliche begeisternde Zustimmungen gab es noch »Unter den Linden« und in der [Karl-]Liebknecht-Straße. Dabei wurden im Allgemeinen die Disziplin und die Fahrzeuge als vorbildlich bezeichnet. Mehrfach wurde von der Bevölkerung kritisiert, dass das Stattfinden einer Parade sowie die Marschroute nicht bekannt gewesen seien und dadurch die Möglichkeit, sich an diesen Straßen aufzustellen, nicht gegeben war.
Die bekannt gewordene Feindtätigkeit erstreckt sich nur auf Flugblattverbreitung. So wurde aus den Bezirken Mitte, Prenzlauer Berg, Treptow und Lichtenberg Flugblatttätigkeit durch Ballonabwurf gemeldet. Zum Abwurf der feindlichen Flugblätter wurde allgemein festgestellt, dass die Bevölkerung davon kaum Notiz nahm und sich nicht beeindrucken ließ. Die niedergehenden Flugblätter wurden restlos durch Zerreißen oder Zertreten vernichtet, wobei z. T. abfällige Äußerungen gemacht wurden. Wie z. B.: »Die machen sich ja nur damit lächerlich, diese Idioten.« Unter den Hetzschriften, welche zum Abwurf kamen, befanden sich Flugzettel der »Falken«,22 welche für den 4. Mai 1956, um 20.00 Uhr, zu einer Kundgebung am Funkturm aufrufen. Als Thema wird angegeben: »Durch Ulbricht und Adenauer23 keine Wiedervereinigung.«
Westberlin
Beteiligung
Nach den vorliegenden Berichten betrug die Teilnehmerzahl an der Kundgebung am 1. Mai 1956 auf dem Rudolf-Wilde-Platz in Westberlin ca. 30 000 bis 40 000 Personen.24 Übereinstimmend kommt in allen Berichten zum Ausdruck, dass die Mehrzahl davon Angestellte der West-BVG und Westberliner Verwaltungen waren. Die Teilnehmerzahl aus dem demokratischen Sektor Berlins wurde mit 6 000 benannt. Dabei wurde hervorgehoben, dass es Mitglieder der SPD aus dem demokratischen Sektor25 sowie Sympathisierende waren.
Ablauf und Stimmung
Als Sprecher auf der Kundgebung wurden genannt Franz Neumann,26 Ernst Lemmer,27 Siegfried Aufhäuser,28 Otto Suhr29 und Ernst Scharnowski.30 Der Inhalt der Reden war, nach vorliegenden Berichten, ausschließlich Hetze gegen die DDR und SU oder endete in solcher wie bei Scharnowski. Alle Redner erhielten nur im geringen Maße Beifall und die Rede Scharnowskis über soziale Forderungen wurde von einem großen Teil als »übliche Wahlversprechungen« bezeichnet. Eine weitere Forderung, welche Scharnowski stellte, war, dass für die aus der DDR kommenden Menschen Gleichheit herrschen müsse. Er wandte sich damit gegen das sogenannte Bundesnotaufnahmeverfahren,31 in dem er sinngemäß ausführte: »Mir ist es gleichgültig, ob jemand das Hakenkreuz oder den Sowjetstern trägt. Es sind alles die gleichen Menschen.« Offensichtlich will er damit die Republikfluchten weiter organisieren.
Die Kundgebung selbst wurde mit Musik aus der Oper »Aida« eröffnet.32 Vor sowie während der Kundgebung wurde nicht ein einziges Arbeiter- oder Kampflied gespielt. Von den Jungsozialisten wurden Kampflieder gesungen, wie das Thälmannlied,33 die Internationale34 und Brüder zur Sonne zur Freiheit,35 die bei den Umstehenden Unterstützung fanden, wurden jedoch sofort durch die Musikkapellen der Westberliner Polizei mit Lincke-Weisen36 und Frühlingsliedern übertönt.
Die Kundgebungsteilnehmer, in der Hauptsache Jungsozialisten,37 führten neben Transparenten mit sozialen Forderungen wie Lohnerhöhung, 40-Stundenwoche, gegen Mieterhöhung und andere, mehr als bisher auch politische Forderungen auf den Transparenten sowie rote Fahnen mit sich. Die politischen Forderungen richteten sich hauptsächlich gegen die Besetzung und Bevorzugung der Militaristen und Faschisten im Bonner Staatsapparat sowie deren Ablösung und gegen die Rekrutierung und Wiederbewaffnung.38 Die vereinzelten Transparente mit hetzerischen Losungen wie »Freiheit für die Sowjetzone«, »Berlin mit Bonn für Europa« und andere, die nach vorliegenden Berichten Missbilligung unter den Teilnehmern fanden, wurden so geleitet, dass sie vor der Tribüne zur Aufstellung kamen.
Die Stimmung der Teilnehmer, besonders der Arbeiter, war so, dass die Kundgebung nicht als solche, sondern als »Jahrmarkt« oder »Volksfest« bezeichnet wurde. Missbilligung fand auch das Auflassen von Ballons mit Hetzflugblättern vom Schöneberger Rathaus.
Feindtätigkeit
Die Feindtätigkeit richtete sich von Westberlin aus gegen die Mai-Feierlichkeiten im demokratischen Sektor Berlins. Aus allen vorliegenden Berichten geht hervor, dass um den Kundgebungsplatz sowie an allen U-Bahn-Ausgängen in Westberlin stärker als bisher Flugblätter der verschiedenen Agentenorganisationen und Zentralen verteilt wurden. Abschussbasen von Flugblättern wurden festgestellt in der Nähe des Sowjetischen Ehrenmals im Tiergarten, in der Gegend des Sportplatzes von Hertha BSC in der Ellenbeker Straße,39 im Humboldthain, Scheringstraße. Alle Abschussbasen waren nach Berichten von der Stupo40 abgesichert. Das von diesen Basen abgeschossene Hetzmaterial wird auf sieben Tonnen geschätzt.