Stimmung und Ereignisse am 8. Mai 1956
9. Mai 1956
8. Mai 1956 [Information Nr. M98/56]
Die Beteiligung an den Kranzniederlegungen und Kundgebungen am »Tag der Befreiung« war in der Mehrzahl der Bezirke gegenüber dem Vorjahre geringer. Lediglich die Bezirke Schwerin und Karl-Marx-Stadt berichten von einer stärkeren Teilnahme. Eine Ursache für die geringere Beteiligung ist mit, dass dieses Jahr die Feierlichkeiten mit weniger kulturellen Großveranstaltungen durchgeführt wurden.
An den Feierlichkeiten beteiligten sich alle Bevölkerungsschichten sowie Vertreter der Parteien und Massenorganisationen. In besonders starkem Maße waren es jedoch wieder Werktätige aus den Industrie- und Verkehrsbetrieben, die an den Feierlichkeiten teilnahmen. Im Einzelnen wurden, nach den vorliegenden Berichten, folgende Teilnehmerzahlen bekannt:
[Bezirk] | 1956 | gegenüber 1955 |
---|---|---|
Dresden | 46 000 | 61 265 |
Frankfurt/O. | 40 000 | 47 000 |
Neubrandenburg | 19 550 | 22 050 |
Schwerin | 18 540 | 10 550 |
Rostock | 20 400 | 42 200 |
Suhl | 3 975 | 5 000 |
Potsdam | 41 561 | 52 550 |
Karl-Marx-Stadt | 20 180 | 18 950 |
Berlin | 4 000 | …1 |
Magdeburg | 10 070 | 10 870 |
Aus den übrigen Bezirken liegen keine konkreten Teilnehmerzahlen vor. Die Einschätzung dieser Bezirke lässt jedoch ebenfalls erkennen, dass die Beteiligung gegenüber dem Vorjahre geringer war.
Stimmung
Die Stimmung der Bevölkerung wird von allen Bezirken als gut bezeichnet und hervorgehoben, dass die positiven Stimmen die negativen bei Weitem überwiegen. Die bekannt gewordenen negativen Stimmen sind Einzelerscheinungen, die keine Unterstützung bei den Teilnehmern fanden. Dabei beruht ein Teil dieser negativen Stimmen nicht auf gegnerischer Einstellung, sondern vielmehr auf Unklarheiten. Dafür sind folgende Beispiele typisch:
Eine Lageristin, parteilos, vom HO Warenhaus in Rostock, erklärte: »Ich bin dagegen, dass wir heute marschieren sollen und auch noch Kränze niederlegen müssen. Wer legt denn Kränze an den Gräbern unserer Soldaten nieder, kein Mensch. Ich möchte lieber arbeiten und nicht marschieren, ich gehe jedenfalls nicht mit.« (Ähnliche Stellungnahmen von Frauen gab es vereinzelt in allen Bezirken.) Der Schafmeister der LPG Klein Kienitz, [Kreis] Zossen, [Bezirk] Potsdam, äußerte: »Warum sollen wir denn dahin gehen, die haben uns sowieso von allem befreit, vom Geld und Gut, was sollen wir denn dort?« (Ähnliche Stellungnahmen wurden auch in anderen Bezirken von einzelnen Personen geäußert.) Weitere Beispiele können nicht angeführt werden, da die Bezirke nur einschätzend über die Stimmung berichtet haben.
Feindtätigkeit
Am 7. und 8. Mai 1956 wurde vor allem von der »NTS«2 und »ZOPE«3 eine große Anzahl Hetzschriften mittels Ballon in die DDR eingeschleust. Bei diesen Hetzschriften handelt es sich vorwiegend um Hetzschriften in russischer Schrift sowie in deutscher Schrift mit dem Titel: »An die Bevölkerung der DDR.« Gefunden wurden diese Hetzschriften in den Bezirken: Potsdam 1 000 Stück »ZOPE«, Frankfurt/O. 1 500 Stück »NTS«.
Am 8.5.1956 wurden über dem Kreisgebiet Potsdam-Land 78 Ballons mit Hetzschriften gesichtet. Am 8.5.1956, gegen 2.30 Uhr, wurde auf dem Grenzbahnhof Frankfurt/O. ein Güterzug, welcher nach der Volksrepublik Polen weitergeleitet wurde, kontrolliert und in einem leeren Waggon 1 000 Hetzschriften in russischer Schrift gefunden. Herausgeber war die »NTS«.
Zur Verbreitung einzelner Hetzschriften durch Einwerfen in Briefkästen und Ankleben an Anschlagsäulen kam es im Kreis Fürstenberg, [Bezirk] Frankfurt/O., und Zschopau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt.
Aus folgenden Bezirken wird berichtet, dass in verschiedenen Fällen Fahnen abgerissen bzw. entwendet wurden: Bezirk Karl-Marx-Stadt in zwei Fällen, Bezirk Schwerin in einem Fall.