Stimmung zu Lohnfragen (7)
21. September 1956
Information Nr. 214/56 – Betrifft: Stimmung zu Lohnfragen
In den Industrie- und Baubetrieben wurden wiederum Diskussionen über Lohnfragen geführt. Nach wie vor kommt es dabei zu Unzufriedenheit und Missstimmung über Folgendes:
- 1.)
Zu niedrige Entlohnung
- 2.)
Änderung im Lohngefüge
- 3.)
Unterschiedliche Lohnzahlung
1.) Zu niedrige Entlohnung
Wie bereits mehrfach berichtet, steht im Vordergrund der Diskussion über Lohnfragen immer wieder die Meinung eines Teiles der Beschäftigten in den verschiedensten Industriebetrieben, dass ihre Entlohnung zu niedrig sei. In den Diskussionen werden des Öfteren Vergleiche zu anderen Industriezweigen oder gleichartigen Betrieben in Westdeutschland gezogen und Absichten geäußert, ihr bisheriges Arbeitsverhältnis zu kündigen und in anderen Betrieben Arbeit aufzunehmen. Nach vorliegendem Material werden die meisten Diskussionen im Bezirk Dresden geführt:
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Im VEB Jutespinnerei Meißen, [Bezirk] Dresden, ist zzt. ein Arbeitskräftemangel zu verzeichnen. Besonders unter den männlichen Arbeitskräften ist die Abwanderung in andere Betriebe groß. Der Grund liegt darin, dass die Löhne zu niedrig sind. Besonders die Hofarbeiter beklagen sich über zu geringen Stundenlohn.
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Im Bahnhof Freital-Potschappel, [Bezirk] Dresden, sind die Rangierbrigaden mit drei oder vier statt sieben Personen besetzt. Alle Bemühungen, Arbeitskräfte einzustellen, misslingen aufgrund der geringen Bezahlung.
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Ein Genosse aus dem VEB Kraftwerk Hirschfelde, [Kreis] Zittau, hat gekündigt und bringt als Grund vor, »dass auf dem Hochbunker im Kraftwerk Hirschfelde die Sorge um den Menschen keine Beachtung findet. In der Abteilung Bekohlung ist die schwerste Arbeit zu leisten und dafür wird gegenüber den anderen Abteilungen der niedrigste Lohn gezahlt.« Wegen Arbeitskräftemangel ist eine ständige Unterbesetzung der Brigade zu verzeichnen, sodass die Kipper für die fehlenden Kräfte Arbeitsmehrleistungen verrichten müssen, welche zur Regel geworden sind. »Partei, BGL und Werkleitung bringen kein Verständnis für die schweren Arbeitsbedingungen in der Bekohlung auf.«
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Im VEB (K) Bau Freital, [Bezirk] Dresden, wird diskutiert, dass das Leistungsprinzip eine größere Ausbeutung sei als Akkord. Sie führen weiterhin an, »dass ein Hemd auf Bezugsschein 12,00 DM kam, heute ohne Bezugsschein 18,00 DM«. Die Kollegen, die nach Westdeutschland fahren, machen Reklame für die Mechanisierung des Bauwesens in Westdeutschland, sie sagen, »dass die Löhne in Westdeutschland genauso hoch sind und die Arbeiter sich nicht so schinden müssen, wie in der DDR«.
Die Angestellten des Martin-Hoop-Werkes in Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, haben aufgrund niedriger Gehälter in den letzten zwei Monaten keine Gewerkschaftsbeiträge bezahlt mit der Begründung: »Die Gewerkschaft hat sich bis jetzt nicht in die Lösung ihrer Fragen eingeschaltet.«
Im RAW Schwerin diskutieren die Bahnunterhaltungsarbeiter über zu niedrige Entlohnung. Sie verdienen 250 bis 280 [DM] monatlich. Die reichen nicht aus, um eine Familie zu ernähren. Ein Betriebsangehöriger sagt dazu: »Wir sollen immer mehr arbeiten und mehr produzieren, damit wir besser leben können. In Wirklichkeit bezieht sich dieses ›besser leben können‹ nur auf die Funktionäre des Partei- und Staatsapparates.« In Auswertung des 28. Plenums1 wurde über die Intelligenz gesprochen. Die Arbeiter sind der Meinung: »Ein Intelligenzler bekommt 3 kg Butter und ein hohes Gehalt.« Der Arbeiter wenig Butter und wenig Lohn. In diesem Zusammenhang brachte man zum Ausdruck, dass der Name Arbeiter- und Bauernstaat unzureichend sei.
Die Heizer des Elektrizitätswerkes Luckenwalde, [Bezirk] Potsdam, sind mit ihren Löhnen nicht zufrieden. Der Grundlohn beträgt 1,14 DM und der Zeitlohn 1,31 DM. Die Heizer brachten in Gesprächen zum Ausdruck, dass dieser Lohn für eine so schwere Arbeit wie die Kohlenarbeit zu niedrig sei. Ein Heizer sagte: »Man sollte die Gehälter der Angestellten senken oder weniger Angestellte beschäftigen. Es ging doch früher, aber jetzt steht immer einer da, mit einer Hand in der Tasche. Wir als Produktionsarbeiter arbeiten für die Angestellten mit, das ist kein gesunder Zustand. So kann der Betrieb nicht vorwärtskommen und alle anderen auch nicht.«
Aus dem VEB Eilenburger Celluloidwerk, Eilenburg, [Bezirk] Leipzig, wird bekannt, dass im Kraftwerk bzw. aus dem gesamten Energiebetrieb in letzter Zeit verschiedene Arbeiter ihre Kündigung eingereicht haben und bei anderen Arbeitern die Absicht besteht, zu kündigen. So haben in den letzten Tagen sechs Arbeiter aus dem Betriebsteil gekündigt. Um die Ursache zu ergründen, wurde u. a. mit den Arbeitern aus dem neuen Kesselhaus eine Aussprache geführt. Diese Aussprache ergab Folgendes: Der Grund für die Kündigung liegt darin, »dass der Stundenlohn von 1,33 DM zu niedrig ist und zum anderen sind die Arbeiter mit der Behandlung durch die Meister nicht einverstanden«.
Unter den Tiefbauarbeitern und Baggerführern im VEB Thräna,2 [Kreis] Borna, [Bezirk] Leipzig, gibt es unzufriedene Diskussionen über die Neueinstufung der E-Lokfahrer in die Lohngruppe VI.3 Die Baggerführer und Kipper werden dabei nicht berücksichtigt. Ein Baggerführer äußerte: »Wenn das nicht geändert werde, gehe er in eine Gleisbrigade.«
Ein E-Lokfahrer aus dem VEB Braunkohlenwerk Zipsendorf, [Bezirk] Leipzig, äußert: »Man schämt sich direkt vor seiner Ehefrau und seinen Kindern, wenn man mit 60,00 DM in der Woche nach Hause kommt. 1955 habe ich in der Woche 80,00, 85,00 DM verdient und jetzt wird es immer weniger.«
Im VEB Kraftwerk Vockerode, [Kreis] Gräfenhainichen, [Bezirk] Halle, sind die Kollegen der Meinung, dass sich die Werkleitung, die BPO und die BGL nicht für die Verbesserung der Lohnverhältnisse einsetzen. Ein Arbeiter sagte dazu: »Bei uns ist es wie im Taubenschlag, die Arbeiter kommen und gehen, weil die Bezahlung zu schlecht ist. Wenn es hier einmal zum Krach kommt, braucht sich niemand zu wundern. Die BPO und BGL halten es gar nicht für nötig, sich einmal in der Abteilung sehen zu lassen.«
Im VEB Seilerwaren Schlotheim,4 [Kreis] Mühlhausen, [Bezirk] Erfurt, herrscht eine schlechte Stimmung, besonders in der Abteilung Ernte-Bindegarn, weil der Monatsverdienst eines Arbeiters bei 230 DM liegt. Die Diskussionen bewegen sich in der Richtung, dass der Lebensstandard des Arbeiters in Westdeutschland höher liegt als bei uns und dass unsere Zeitungen in dieser Beziehung nicht die Wahrheit schreiben.
Im VEB Kelton, [Kreis] Meiningen, [Bezirk] Suhl, wurden Ernteeinsätze abgelehnt mit der Begründung, man soll die Frauen der Wirtschafts- und Parteifunktionäre dazu nehmen. Die Arbeiter bekämen nur 240 bis 260 DM im Monat.
Diese Beispiele könnten aus den Bezirken erweitert werden.
2.) Änderungen im Lohngefüge
Die Einführung des Wirtschaftszweiglohngruppen-Kataloges hat in einer Reihe von Betrieben zur Unzufriedenheit und Missstimmung geführt.5 Des Weiteren führten Mängel in der Materialbeschaffung zu Lohnänderungen, was ebenfalls Unstimmigkeiten hervorrief.
Hierzu folgende Beispiele
Im Kombinat Eisenerzgruben Hüttenrode, [Kreis] Wernigerode, [Bezirk] Magdeburg, »Braunesumpf« besteht unter den Beschäftigten speziell der Berufsgruppe Hauer eine schlechte Stimmung. Die Ursache liegt in der Anwendung des neuen Wirtschaftszweiglohngruppen-Kataloges. Es ist zu verzeichnen, dass die Hauer in den Objekten »Buchenberg« und »Braunesumpf« in die Lohngruppen 6 und 7 und im Betriebsteil Schwefelkiesgrube »Einheit« in die Lohngruppen 8 und 6 des Wirtschaftszweiglohngruppen-Kataloges eingestuft sind. Der Unterschied beträgt ca. 300 DM monatlich. Die Arbeitsleistungen sind in den verschiedenen Objekten gleich. In der Grube »Einheit« hat durch die bestehenden Unstimmigkeiten eine Fluktuation eingesetzt. Nach Überprüfung wäre die Lohngruppe 6 nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten die Richtige. Die Arbeiter sind jedoch mit einer Zurückstufung nicht einverstanden.
In den Kaliwerken des Bezirkes Suhl wird noch immer über die Einführung des WLK diskutiert. Es treten Unzufriedenheiten auf, weil sich die Arbeiter benachteiligt fühlen. Im Kaliwerk »Einheit« Dorndorf, [Kreis] Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, erhielten die Arbeiter an der Nähmaschine z. B. bisher Lohngruppe 5 und sollen jetzt in Lohngruppe 4 eingestuft werden. Sie vertreten den Standpunkt, wenn sie in Lohngruppe 4 eingestuft werden, sind sie gezwungen, andere Arbeit anzunehmen.
Aus dem VEAB in Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, wird bekannt, dass drei Kraftfahrer schriftlich und ein vierter mündlich die Kündigung einreichen, da ihnen die bisher gezahlten 0,15 DM Erschwerniszuschlag nicht mehr gewährt werden, obwohl sie noch die gleiche Arbeit verrichten und Be- und Entladen der Fahrzeuge selbst vornehmen. Die übrigen Kraftfahrer erhalten diese Summe auch weiterhin ausgezahlt. Die Bezirksverwaltung der VEAB lehnt es ab, an diese vier Kraftfahrer diese Entschädigung wie bisher zu zahlen. Der Kreisvorstand des FDGB, der schon im Vorjahre unterrichtet wurde, versprach die Angelegenheit zu klären, hat aber bis heute nichts unternommen.
Aus dem Kaliwerk Marx-Engels Unterbreizbach, [Kreis] Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, werden Unstimmigkeiten zum WLK bekannt. Zwei Arbeiter am Kratzer im Schuppen lehnen eine Anerkennung des WLK durch Unterschrift ab, weil sie von der Lohngruppe 6 auf 5 zurückgestuft würden. Für die Zurückstufung sollte eine Erschwerniszulage in Höhe von 25 % gezahlt werden. Auch im Grubenbetrieb des o. g. Kaliwerkes herrscht unter dem Sprengstoffpersonal schlechte Stimmung aufgrund der Einführung des WLK. Sie sind gegen die Unterschiedlichkeit. So erhält z. B. ein Arbeiter im Hauptmagazin Lohngruppe 5, während ein Arbeiter im Nebenmagazin nur in Lohngruppe 4 eingestuft wurde. Beide haben die gleiche Arbeit und auch die gleiche Verantwortung.
Im VEB Zeiss Jena ist unter den Drehern eine Fluktuation zu verzeichnen, da in der letzten Zeit der Verdienst zurückgegangen ist. Sie bearbeiten zzt. kleinere Stücken, bei welchen nicht so viel verdient wird. Dazu kommt noch, dass verschiedene Maschinen alten Typs sind, was bei den Arbeitern eine Verärgerung hervorruft. Die Arbeiter suchen sich in anderen Betrieben Arbeit oder werden republikflüchtig und bemühen sich im Pseudowerk Oberkochen um Arbeit.6
Die Lokführer, Heizer und Rangierer im Lokbetrieb VEB Magnesitwerk Aken, [Kreis] Köthen, [Bezirk] Halle, sind verärgert darüber, dass es der Werkleitung noch nicht gelungen ist, in dieser Abteilung die Kollegen im Leistungslohn zu beschäftigen. In dieser Angelegenheit wurde von den Arbeitern schon nach Berlin geschrieben, um Klarheit zu erhalten. Die Arbeiter berufen sich auf die Forderung unserer Partei, dass überall dort, wo die Möglichkeit des Leistungslohnes besteht, dieser auch eingeführt wird.
Im Braunkohlenwerk Zeitz, Brikettfabrik Theißen, [Bezirk] Halle, ist aufgrund der Nichterfüllung des Produktionsplanes und der daraus entstehenden Verringerung des Lohnes eine schlechte Stimmung. Es gibt solche Erscheinungen, dass verschiedene Arbeiter bereits 10 bis 15 Monate mit der FDGB-Beitragszahlung im Rückstand sind. Sie bringen zum Ausdruck, dass sie auch nicht eher FDGB-Beiträge zahlen, bis sich ihr Lohn nicht gebessert hat. Sie sprechen dem FDGB nach, dass er seine Aufgabe, Vertreter der Werktätigen zu sein, nicht erfüllt.
Im Braunkohlenwerk Zeitz, [Bezirk] Halle, hat sich die Stimmung gegenüber den letzten Berichterstattungen nicht verändert. Hier steht nach wie vor die Frage in den Brikettfabriken des Werkes, dass aufgrund der zu nassen Rohkohle und der unzureichenden Trocknungskapazität die Höchstgrenze am Wassergehalt von 17,5 % bei Briketts nicht eingehalten werden kann und sich ein Wassergehalt bei den Briketts von rund 20 % bemerkbar macht. Dadurch ist den Arbeitern die Bezahlung des Leistungslohnes nicht mehr gesichert und sie erhalten nur Zeitlohn ausgezahlt. Durch die dadurch eintretende Verringerung des Lohnes kommt die ständige Unzufriedenheit der Arbeiter zustande. Es zeigt sich eine allgemeine Interessenlosigkeit, welche in der Ablehnung des Besuches von Versammlungen zum Ausdruck kommt. Weiterhin äußerten sich schon einige Arbeiter, dass sie keine FDGB-Beiträge mehr bezahlen werden, wenn sich die wirtschaftliche Lage im Betrieb nicht bessert und ihr Lohn weiter so gering bleibt.
Unterschiedliche Lohnzahlung
Bei den Diskussionen über die unterschiedliche Lohnzahlung kommt es zu Unzufriedenheiten über die Unterschiede in der Bezahlung, bei gleichen Berufen und Arbeitsbedingungen. Zum Teil bestehen Unstimmigkeiten in der Frage der Ortsklassen A und B,7 wenn es sich um gleichgestellte Betriebe handelt. In allen Fällen wird zum Teil mit Kündigung gedroht.
So ist in der Flachsspinnerei Hirschfelde, [Kreis] Zittau, [Bezirk] Dresden, folgender Zustand zu verzeichnen: seit Tagen kommen Arbeiter zur Betriebsleitung und verlangen eine Lohnerhöhung. Die Betriebsleitung ist der Meinung, dass diese Situation mit der kürzlich erfolgten Verordnung über die Erhöhung der Löhne und Gehälter in der Schwerpunkt-Bauindustrie zusammenhängt.8 Da in Hirschfelde und Berzdorf Schwerpunktbaustellen sind, bietet sich hier Gelegenheit, dass die Arbeiter einen Arbeitsplatz mit besserem Verdienst erhalten. Für die Flachsspinnerei entsteht dadurch eine Situation, die sich auf die Produktion nachteilig auswirkt.
Aus dem VEB Sächsisches Kunstseidenwerk Pirna, [Bezirk] Dresden, wird bekannt, dass ständige Brigadevertretungen bis Januar 1956, d. h. über drei Jahre den Lohn der Brigadiere erhielten, wenn sie deren Vertretung hatten. Brigadiere erhalten Lohngruppe 4. Ab Januar 1956 erhalten Vertretungen Lohngruppe 3. Auf Einwände wurde ihnen erklärt, dass es ungesetzlich wäre, wenn sie nach Lohngruppe 4 bezahlt würden, da die Lohngruppe 4 für Brigadiere personengebunden ist.9
Im VEB Bau (K) Freiberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, gibt es Diskussionen wegen des noch bestehenden Ortsklassensystems. Die Arbeiter des VEB Bau-Union werden nach der Ortsklasse A und die Arbeiter vom VEB Bau nach der Ortsklasse B entlohnt. Die Arbeiter sind der Meinung, dass für gleiche Arbeit gleicher Lohn gezahlt werden muss.
Im VEB Werkzeugfabrik Königsee, [Kreis] Rudolstadt, [Bezirk] Gera, sind die Meister unzufrieden, da sie gegenüber den Brigadieren im Lohn benachteiligt sind. Brigadiere bekommen in einer Stunde ca. 3,00 DM. Ein Meister verdient pro Monat 491 DM und muss vorher eine Prüfung ablegen.
In der Schweißerei der Elbewerft in Boizenburg, [Kreis] Hagenow, [Bezirk] Schwerin, wird in Fragen der Normerfüllung darüber diskutiert, warum die Schweißer auf anderen Werften mehr Geld verdienen. Es wird zum Ausdruck gebracht, dass die Schweißer in der Elbewerft für eine Scheuerleiste zu schweißen die Lohngruppe 5 (1,56 DM) erhalten. Jedoch würden die Schweißer auf den Werften in Stralsund, Warnemünde und Roßlau mit derselben Lohngruppe mehr Geld verdienen. Verschiedene Schweißer tragen sich in dem Betrieb mit dem Gedanken, in eine von den bereits genannten Werften überzuwechseln.
Bei einer Besprechung des leitenden Personals der Leunawerke im Bezirk Halle brachte ein Doktor zum Ausdruck, dass es eine Ungerechtigkeit sei, dass die Lehrlinge, die gerade ausgelernt haben, sofort mit Lohngruppe 5 bezahlt werden, obwohl sie nur theoretische und keine praktischen Kenntnisse haben. Die älteren Kollegen, die die praktische Erfahrung haben und eigentlich nach Lohngruppe 5 bezahlt werden müssten, können nicht nach Lohngruppe 5 bezahlt werden, da die Planstellen durch die Neuanfänger besetzt sind. Er brachte weiter zum Ausdruck, dass niemand mehr Meister werden will, da ein Brigadier mit allen Zuschlägen bedeutend mehr verdient als ein Meister.
Von den Werktätigen der Roßlauer Schiffswerft wird immer wieder die Frage diskutiert, warum die Beschäftigten in den Ostseewerften höhere Löhne bekommen. Die Beschäftigten fordern die Einführung eines Lohngruppenkataloges, damit endlich eine einheitliche Richtlinie in der Bezahlung gewährleistet ist.
Unstimmigkeiten zum Lohngefüge wurden aus dem VEB Stahlbau Magdeburg bekannt. Es gibt Fälle, wo ein Brigadier 400 DM mehr als ein Brigademitglied verdient, obgleich er die gleiche Arbeit verrichtet. Die Arbeiter finden diesen Zuschlag zu hoch. Bemängelt wird von den Arbeitern, dass sie 0,10 DM pro Stunde weniger erhalten als die Arbeiter im Stahlbau der »Ernst-Thälmann«-Werke. Dadurch ist eine Fluktuation vom Stahlbau Magdeburg zum Stahlbau »Ernst Thälmann« vorhanden.
Im VEB Werk für Fernmeldewesen Berlin sind die Beschäftigten nach dem Tarif des Leichtmaschinenbaues eingestuft. Die Beschäftigten sind damit nicht einverstanden, dass ihre Bezahlung nach diesem Tarif erfolgt, während die Beschäftigten z. B. im VEB EAW Treptow und im VEB Funkwerk Köpenick, deren Arbeit im Wesentlichen keine andere ist, eine Bezahlung nach dem Tarif des Schwermaschinenbaues erhalten. Ihr Bestreben geht demzufolge dahin, dass auch für den VEB Werk für Fernmeldewesen der Tarif des Schwermaschinenbaues in Anwendung gebracht wird. Durch diese unterschiedliche Bezahlung konnte es passieren, dass Kollegen in die Betriebe abgewandert sind, in denen die Löhne und Gehälter günstiger liegen und bei einem Teil der Beschäftigten im Werk für Fernmeldewesen ist diese Absicht vorhanden. Diese Tendenz besteht besonders unter den Facharbeitern. Auch der im Betrieb vorhandene Mangel an Konstrukteuren ist ein Ausdruck der unterschiedlichen Tarifeinstufung des Betriebes.