Stimmung zu Prämienfragen (3)
4. Mai 1956
Stimmung zu Prämienfragen (3. Bericht) [Information Nr. M96/56]
In der Zeit vom 7.4. bis 1.5.1956 wurden wiederum unter den Beschäftigten einer Reihe von Betrieben unzufriedene Diskussionen über das Prämiensystem bekannt. Unzufriedenheiten über die Prämienzahlung wurden bekannt im Zusammenhang mit:
- 1.)
Der Auszahlung von Quartalsprämien,
- 2.)
Veränderungen in der Prämienzahlung und
- 3.)
Prämiierung am 1. Mai 1956.
1.) Auszahlung von Quartalsprämien
Die Auszahlung von Quartalsprämien an die Wirtschaftsfunktionäre und Angestellten in den Betrieben löst nach wie vor unter den Produktionsarbeitern heftige Diskussionen und Unzufriedenheit aus. Neben dem Standpunkt, dass es nicht richtig sei, wenn die Angestellten bei ihrem Gehalt noch hohe Summen durch Prämien erhalten, während die Arbeiter nur mit niedrigen Prämien bedacht werden, wurden in der Berichtszeit auch wieder Diskussionen bekannt, die die Tendenz der Gleichmacherei aufweisen.
So wird unter einem Teil der Arbeiter und Angestellten des VEB EFR Brotterode,1 [Kreis] Schmalkalden, [Bezirk] Suhl, negativ über die ausgezahlte Jahresabschlussprämie diskutiert. Ein Angehöriger des Werkschutzes, Mitglied der SED, brachte dazu Folgendes zum Ausdruck: »Ich bin Genosse der SED und bin auch mit den Zielen der Partei einverstanden, doch ich kann nicht verstehen, dass man den Angestellten, die an sich schon ein hohes Gehalt bekommen, auch noch eine hohe Prämie auszahlt. Weiterhin kann ich nicht verstehen, dass man den Arbeitern, die keine Prämie bekommen haben, sagt, sie hätten nichts geschafft. Ich bin der Meinung, dass bei der Erfüllung des Jahresplanes sämtliche Arbeiter mit dazu beigetragen haben und dass man durch diese Prämienzahlung die Arbeiter verärgert und ihnen die Lust zur Arbeit nimmt.«
Im IKA-Werk Sondershausen, [Bezirk] Erfurt, löste die Auszahlung der Prämien für das IV. Quartal eine lebhafte Diskussion aus. Die Belegschaftsmitglieder, die nichts bekommen haben, waren sehr verärgert und sagten, über die Art der Prämienzahlung sollte man sich Gedanken machen, denn es würden zwischen den Arbeitern und der Intelligenz unnötige Schranken errichtet.
Zu ähnlichen Diskussionen und Auffassungen kam es noch in folgenden VE-Betrieben: Feinprüf Schmalkalden, [Bezirk] Suhl, Sägewerk Goldisthal,2 [Bezirk] Suhl, Schuhfabrik Storkow, [Bezirk] Frankfurt/O., Schiffswerft Fürstenberg, [Bezirk] Frankfurt/O., Kalk- und Zementwerk Rüdersdorf, [Bezirk] Frankfurt/O., Braunkohlenwerk Profen, [Bezirk] Halle sowie Bau (Z) Bitterfeld, [Bezirk] Halle, Rußwerk Oranienburg, [Bezirk] Potsdam.
2.) Veränderung in der Prämienzahlung
Unter den Eisenbahnarbeitern im Bw Frankfurt/O. gibt es heftige Diskussionen darüber, dass die Wirtschaftsprämie gesperrt wurde, da man eine neue Verordnung über die Auszahlung derselben herausbringen will. Im Moment ist man darauf gespannt, wann die Quartalsprämien gezahlt werden. Die Tatsache jedoch, dass man die Arbeiter über die Neuregelung der Prämienfrage in Unwissenheit lässt, führt zur Verärgerung unter den Arbeitern.
Im Bw Jüterbog, [Bezirk] Potsdam, führt die Auszahlung der Lokpflegeprämie zur Unzufriedenheit. Der Anteil der Prämien verteilt sich auf 60 % für die Lokschlosser und 40 % für das Lokpersonal. Das Lokpersonal ist damit schon längere Zeit nicht einverstanden und fordert, dass die Prämien 50 : 50 verteilt werden, worin sie von der Leitung des Bw unterstützt werden. Diese Verteilung 50 : 50 ist in den meisten Bw zu verzeichnen.
Im VEB Chemische Werke Buna herrscht Unzufriedenheit unter den Laboranten und Chemotechnikern darüber, da diese aus den DDR-Prämienfonds herausgenommen und dem Werk-Prämienfonds angeschlossen wurden. Dadurch tritt eine finanzielle Verschlechterung ein. Im VEB Gummi-Asbest Potsdam-Babelsberg herrscht unter den Produktionsarbeitern Erregung, weil verschiedene Arbeiter prämiiert worden sind, die die Belegschaft nicht vorgeschlagen hatte. Dazu gehören u. a. vier Mitglieder der BGL. Die Produktionsarbeiter diskutieren nun, dass die Prämienverteilung die Leitung unter sich durchführt.
3.) Prämiierung am 1. Mai 1956
Die Prämiierung zum 1. Mai 1956 führte ebenfalls zu großen Unzufriedenheiten unter den Beschäftigten einer Anzahl Betriebe. Diese Unzufriedenheiten sind im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass in einigen Betrieben mehr Angestellte als Arbeiter prämiiert wurden oder dass die Vorschläge der Belegschaften von den Betriebsleitungen übergangen und dafür andere Beschäftigte prämiiert wurden. In diesem Zusammenhang kam es auch zu ähnlichen Diskussionen, wie sie die Auszahlung der Quartalsprämien hervorruft, oder zu solchen Meinungen, dass die Leitungen die Prämiierung unter sich festlegen.
Solche Erscheinungen wurden bekannt aus folgenden VE-Betrieben: Kalk- und Zementwerk Rüdersdorf, [Bezirk] Frankfurt/O., Kreisbauhof Schwerin, Fliesenwerk Boizenburg, [Bezirk] Schwerin, Zellwolle Wittenberge, [Bezirk] Schwerin, Chemische Werke Buna, Z-Abteilung,3 [Bezirk] Halle.