Stimmung zum 1. Mai 1956
28. April 1956
1. Mai 1956 [1. Bericht] [Information Nr. M92/56]
Zum 1. Mai 1956 wurden bisher nur wenig Stimmen bekannt. Neben den positiven Stellungnahmen, die sich mit der Bedeutung des 1. Mai u. Ä. befassen, sind folgende Einzelbeispiele beachtenswert:
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Die Kollegen des Stahl- und Walzwerkes Hennigsdorf sind nicht damit einverstanden, dass sie am 1. Mai arbeiten müssen. Ca. 90 % der Kollegen (von 800) bringen zum Ausdruck, dass sie schon Ostern gearbeitet haben und wenigstens am 1. Mai frei haben wollen. Die Arbeiter der Nachmittags- und Nachtschicht erklärten, dass sie dann nicht an der Demonstration teilnehmen werden. Es kann damit gerechnet werden, dass ein Teil der Arbeiter am 1. Mai nicht zur Arbeit erscheint. BPO und Werkleitung sowie BGL haben bereits versucht, die Kollegen von der Richtigkeit der Maßnahmen zu überzeugen, bisher jedoch ohne Erfolg. Die gleiche Meinung besteht unter den Arbeitern im Stahl- und Walzwerk Brandenburg, die ebenfalls am 1. Mai arbeiten. Aus diesem Grunde haben es einige Kollegen abgelehnt, eine Maiplakette zu kaufen.
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Die Mitglieder der FDJ im VEB Porzellanwerk Triptis, [Bezirk] Gera, weigern sich, am 1. Mai in ihren blauen Hemden zu marschieren. Zur Begründung wird gesagt, dass sie nicht genügend FDJ-Kleidung haben.
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Im VEB Maxhütte wird von der Mehrzahl der Arbeiter die Meinung vertreten, dass am 1. Mai etwas kostenlos an die Arbeiter verabreicht werden sollte. Sie lehnen deshalb die Bezahlung ihrer Bockwurst ab.
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In Berlin-Pankow wird das Gerücht verbreitet, dass dieses Jahr nur die Kampfgruppen1 und die Volksarmee demonstrieren. Die Werktätigen würden nur an den Straßenrändern Spalier stehen.
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Aus Wittstock, [Bezirk] Potsdam, wurde bekannt, dass der Malermeister [Name], Mitglied der SED, wohnhaft in Wittstock, unter den Handwerkern das Gerücht verbreitet, dass die Handwerker am 1. Mai nicht mitmachen sollen, da dieses nicht erwünscht sei. Er begründete dies mit folgenden Worten: »Der DGB im Westen ruft die Arbeiter zum 1. Mai auf, ohne die Unternehmer zu demonstrieren. Wenn man bei uns in den Zeitungen zwischen den Zeilen liest, dann sind die privaten Unternehmer am 1. Mai ebenfalls nicht gerne gesehen.«