Stimmung zum Verbot der KPD (2)
23. August 1956
Information Nr. 167/56 – Betrifft: Stimmung über das Verbot der KPD (2. Bericht)
In allen Bezirken und in allen Bevölkerungsschichten haben die Diskussionen über das Verbot der KPD noch zugenommen.1 Es wird in einem Ausmaß darüber gesprochen, wie nur selten bei politischen Ereignissen. Auch reagiert die Bevölkerung schneller als sonst. Nach wie vor werden in der Hauptsache Meinungen bekannt, die sich gegen das Verbot aussprechen. Negative Diskussionen sind als Einzelerscheinungen zu werten. Ebenfalls sind die zurückhaltenden und die Gleichgültigkeit verratenden Stimmen gering. Die Argumente negativer wie auch positiver Art sind die gleichen, wie schon im ersten Bericht angeführt. Neu und auch in mehreren Fällen aufgetreten sind Argumente, wo man sich direkt gegen Adenauer2 wendet, wie – »Das hätte man von Adenauer nicht erwartet«, – »Das wird Adenauer das Genick brechen«.
- –
Z. B. äußerte ein Gärtnereibesitzer aus Ershausen, [Bezirk] Erfurt: »Diese Maßnahme Adenauers ist ein Schlag in sein eigenes Gesicht. Ich bin durchaus keiner von denen, die alles hier bei uns gutheißen, aber was Adenauer da getan hat, ist eine Vergewaltigung und widerspricht dem gesunden Menschenverstand.«
- –
Ein selbstständiger Malermeister aus Apolda erklärt: »Adenauer und seine Leute sind nicht mehr wert, als erschossen zu werden. Sie machen heute das gleiche Theater wie Hitler.«
- –
Ein selbstständiger Techniker aus Schmalkalden, [Bezirk] Suhl: »Ich bin sehr empört, diese Gemeinheit hätte ich Adenauer doch nicht zugetraut.«
Für das zurückhaltende und interessenlose Verhalten sind folgende Beispiele typisch:
- –
In einer Versammlung im VEB Spedition Berlin war die Meinung der Mehrzahl der Kollegen, »dass auch mit Resolutionen nichts geändert werden kann (siehe Fall Rosenberg-Prozess).3 Wir wollen alle keinen Krieg, aber mit dieser Verbotsangelegenheit auch nichts zu tun haben.« Die Kollegen sind sich des Verbots und dessen Folgen nicht bewusst.
- –
Mehrere Jugendliche Arbeiterinnen vom VEB Vereinigte Wäschefabriken Auerbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, erklärten: »Wir verdienen unser Geld und uns geht es gut. Was interessiert uns da Politik. Wir überlassen alles der Zukunft.«
- –
Eine Hausfrau, nach ihrer Meinung befragt, erklärte: »Wissen Sie, was mich interessiert?, ob ich heute das Obst und Gemüse bekomme, das ich gerne haben möchte, oder ob ich wegen grüner Bohnen nach Pankow, wegen Tomaten nach Treptow und wegen Kirschen nach Weißensee fahren muss.«
In einigen Fällen sind die Arbeiter nicht mit den Protestversammlungen einverstanden gewesen, weil es erstens nichts nützen würde und weil zweitens die Arbeitszeit benutzt wurde und dadurch finanzielle Einbuße entsteht. An negativen Stimmen ist ein neues Argument bekannt geworden, vertreten von zwei Kollegen vom Ministerium für Chemische Industrie: »Die Bundesregierung kann sich Methoden wie 1933 nicht getrauen und will nun eine Kaltstellung der KPD erreichen.«