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Stimmung zur III. Parteikonferenz der SED (8)

30. März 1956
III. Parteikonferenz der SED (8. Bericht) [Information Nr. M77/56]

Die Diskussionen zur III. Parteikonferenz der SED nehmen in allen Schichten der Bevölkerung weiterhin zu.1 Diskutiert wird hauptsächlich über die Schaffung besserer Arbeitsbedingungen, die Einführung des 7-Stunden-Tages2 und die Rentenerhöhung3 sowie die Verbesserung des Lebensstandards im 2. Fünfjahrplan.4

Verschiedentlich äußern die Arbeiter der Industriebetriebe Zweifel darüber, dass die gestellten Aufgaben realisiert werden könnten, während ein großer Teil der Arbeiter in den Diskussionen zum Ausdruck bringt, dass es hierbei auf jeden selbst ankommt, zur Verwirklichung dieser großen Aufgaben beizutragen. Eine positive Haltung gegenüber der III. Parteikonferenz kommt in den Verpflichtungen werktätiger Bauern und landwirtschaftlicher Produktionsbetriebe zu Ehren der III. Parteikonferenz zum Ausdruck. Andererseits werden in der Landwirtschaft Stimmen verlautbar [sic!], die in der Einführung des 7-Stunden-Tages eine Benachteiligung zum Inhalt haben. [sic!] Dergleichen ist auch vereinzelt im Handel festzustellen. Negative und feindliche Äußerungen, die sich gegen den Genossen Walter Ulbricht richten, wurden nur vereinzelt bekannt. Aus der Industrie mehren sich die Diskussionen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität, um schneller zur Einführung des 7-Stunden-Tages übergehen zu können. In allen Bevölkerungsschichten ist immer noch eine Skepsis über die Verbesserung des Lebensstandards vorhanden, indem sie die Ausführungen des Genossen Walter Ulbricht als leere Versprechungen bezeichnen, wobei sie sich auf den 1. Fünfjahrplan berufen.5 Solche Diskussionen wurden bekannt aus den Bezirken Rostock, Schwerin, Neubrandenburg, Karl-Marx-Stadt, Wismut, Magdeburg, Cottbus und Berlin. Feindliche Diskussionen gegen den Genossen Walter Ulbricht im Zusammenhang mit dem Genossen Stalin wurden aus den Bezirken Frankfurt/O. und Magdeburg bekannt.

In der Bevölkerung traten folgende Diskussionen auf: Noch immer bestehen bei einem großen Teil der Arbeiter Unklarheiten über die Einführung des 7-Stunden-Tages. So fühlt sich vor allem der Handel zurückgesetzt. Mehrere Verkäuferinnen der Konsumgenossenschaft Berlin-Prenzlauer Berg vertreten die Meinung, dass Walter Ulbricht von der Industrie und von Industriezweigen gesprochen hat, aber vom Handel keine Rede sei. Der Handel werde schon am schlechtesten gegenüber den Industriearbeitern bezahlt und bei Vergünstigungen kommt er immer zu kurz. Man wird sich überlegen, nicht auch in die Industrie zu gehen.

Ein Eisenbahner aus dem Kreis Neuruppin, [Bezirk] Potsdam, äußerte: »Ich glaube nicht, dass die Partei ernstlich beabsichtigt, den 7-Stunden-Tag in der Industrie einzuführen, vielmehr bin ich der Ansicht, dass der 12-Stunden-Tag wieder eingeführt wird. Wenn die Jugend zur Volksarmee eingezogen wird,6 wird sich meine Vermutung bewahrheiten.« Im Kreis Strausberg, [Bezirk] Frankfurt/O., und im VEB Kranbau Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/O., wurden unter den Arbeitern Diskussionen geführt, den 7-Stunden-Tag generell einzuführen, ohne die Ausführungen des Genossen Walter Ulbricht auf der III. Parteikonferenz zu berücksichtigen. Besonders herrschen im Kreis [Bad] Freienwalde, [Bezirk] Frankfurt/O., Zweifel über die Einführung des 7-Stunden-Tages. Ein Maurer aus Hohenfinow, [Kreis] Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/O., äußerte: »Es ist nur alles Reklame der Kommunisten. Durch die Verkürzung der Arbeitszeit werden die Normen erhöht und der Lebensstandard dadurch sinken.« Der Eisenbahner [Vorname Name 1] aus [Bad] Salzungen ist der Meinung: »Mir ist es unbegreiflich, wie das bei uns mit der 40-Stunden-Woche vonstattengehen soll. Jetzt, wo 48 Stunden gearbeitet werden, wird noch nicht genug geschafft, wie soll das erst in 40 Stunden geleistet werden. Man soll sich nur nicht einbilden, dass dies auf die [sic!] Knochen der Arbeiter geschehen soll.« Ähnliche Äußerungen treten auch in den Bezirken Cottbus, Schwerin, Karl-Marx-Stadt und Magdeburg auf.

In der Landwirtschaft ist man der Meinung, dass »der 7-Stunden-Tag nicht einzuhalten geht, da in den nächsten Jahren nicht genügend Maschinen zur Verfügung gestellt werden können und außerdem Leute in der Landwirtschaft fehlen«. Dazu äußerte ein Werkstattmeister der MTS Proetzel, [Kreis] Strausberg, [Bezirk] Frankfurt/O.: »Bei der Einführung des 7-Stunden-Tages in der Industrie wird eine Abwanderung von der Landwirtschaft zur Industrie einsetzen.« In der MTS Rerik, [Kreis] Bad Doberan, äußerten einige Traktoristen ihren Unwillen, dass nicht auch in der Landwirtschaft der Arbeitstag verkürzt würde. Sie vertreten die Meinung, dass in der Landwirtschaft sich der 7-Stunden-Tag schlecht einführen lassen wird, und weil sie nicht in den Genuss des 7-Stunden-Tages kommen, würden sie Ostern nicht arbeiten.

Diskussionen zur Rentenerhöhung

Ein weiterer Hauptpunkt ist die Diskussion zur Erhöhung der Renten. Neben den meisten positiven Stimmen treten auch einige negative Argumente in Erscheinung, wo zum Ausdruck gebracht wird, dass bisher viele Versprechungen gemacht, aber wenige eingehalten wurden. Weiter wird zum Ausdruck gebracht, dass nicht so schnell eine Rentenerhöhung vorgesehen war, wenn die Regierung und die Partei nicht dazu gezwungen worden wären.

So äußerte z. B. ein Eisenbahner aus Gusow,7 [Kreis] Seelow, [Bezirk] Frankfurt/O.: »Wir müssen jetzt Maßnahmen zur Erhöhung der Renten treffen, wenn wir mit Westdeutschland Schritt halten wollen. In Westdeutschland wurden die Renten auch erhöht und das ist die Ursache zur Rentenerhöhung in der DDR.« Ein Rentner aus Linum, [Kreis] Neuruppin, [Bezirk] Potsdam, sagte dazu: »Jetzt haben wir 1956 – und 1957 ist schon wieder vergessen was heute gesagt wird. Walter Ulbricht hat vor einigen Jahren auch schon davon gesprochen, dass die Lebensmittelkarten wegfallen sollen und wir haben sie heute noch. Sollten die Renten aber wirklich erhöht werden, so ist es eine begrüßenswerte Sache.« Auch im Konsumverband Potsdam wird von den älteren Mitarbeitern zum Ausdruck gebracht: »Es ist aber auch an der Zeit, dass man hier eine Veränderung schafft, denn was man bis jetzt zahlt, davon kann keiner leben und sterben.«

Zur Frage der Abschaffung der Lebensmittelkarten8 wird in den Diskussionen noch immer zum Ausdruck gebracht, dass es sich nur um leere Versprechungen handelt. Als charakteristisches Beispiel kann die Äußerung eines Kumpels aus Oberschlema genannt werden. »Walter Ulbricht hat schon einmal öffentlich so eine Versprechung gemacht.« Er bringt weiter zum Ausdruck, dass er bezweifelt, dass bis 1960 die Lebensmittelkarten abgeschafft werden.

Negative Diskussionen gegen den Genossen Walter Ulbricht traten auch in den letzten Tagen wieder auf.

  • So äußerte der werktätige Bauer [Name 2] aus State,9 [Bezirk] Schwerin: »Die Parteikonferenz zeigt, dass es mit uns zu Ende geht. Ulbricht macht nur noch den letzten Atemzug.« Ähnliche Diskussionen gab es auch in der Gemeinde Rastow10 und Leubstorf11 im Bezirk Schwerin.

  • Der Arbeiter Genosse [Vorname Name 3] aus Brotterode, [Bezirk] Suhl, äußerte: »Ich bin gespannt, welche Diskussionen auf der III. Parteikonferenz über die Kritik an Stalin zustande kommen, und neugierig bin ich, ob Walter Ulbricht wieder als 1. Sekretär gewählt wird.«

  • Ein Frisörmeister aus dem Kreis Fürstenberg/Oder sagte: »Ulbricht hat nun wieder den Mund zu voll genommen, dass es ihm wieder so geht wie am 17. Juni 1953. Was kann denn die DDR alleine schon aushecken – gar nichts.«

  • Im Bezirk Magdeburg äußerte sich vor allem der Gastwirt [Name 4] aus Glindenberg,12 [Kreis] Wolmirstedt, negativ. Er wunderte sich, dass Genosse Ulbricht auf der III. Parteikonferenz sprach, da er der Meinung war, dass Walter Ulbricht eingesperrt wäre, da er doch den »Stalinschen Kurs« vertreten habe. Er sagte: »Ich möchte bloß wissen, wie lange der Mist noch weitergeht, es findet sich ja kein Schwein mehr raus.«

  • Im Sägewerk VEB »Einheit« in Klötze, [Bezirk] Magdeburg, verstehen die Arbeiter noch nicht, dass wir den Sozialismus aufbauen und andererseits der Privatindustrie eine Perspektive geben. So äußerte ein Arbeiter im Werk: »Walter Ulbricht ist ein falscher Fuchs. Im richtigen Moment baut er alle Privatbetriebe ab, aber erst macht er sich noch alles zunutze.«

Zur Erhöhung des Lebensstandards wurden negative Stimmen aus dem Karl-Liebknecht-Werk Magdeburg bekannt, wo drei Arbeiter äußerten: »Von einer Preissenkung wurde bisher nichts erzählt. Es ist Zeit, dass der Lohn den Preisen angeglichen wird, wie es 1936 war. Ulbricht hat uns zum 1. Fünfjahrplan einen Lebensstandard wie 1936 versprochen, aber bisher merkt man nichts.« Ähnliche Diskussionen gibt es im Bezirk Rostock, Neubrandenburg, Cottbus, Frankfurt/O. und Schwerin.

Feindtätigkeit

  • In der Nacht vom 27. zum 28.3.1956 wurde in Rostock eine rote Fahne mit Fahnenstange entwendet. Täter noch unbekannt.

  • In der Nacht vom 28. zum 29.3.1956 wurden in Klütz, [Kreis] Grevesmühlen, vier rote Fahnen heruntergerissen. Die Täter konnten noch nicht ermittelt werden.

  • In Berlin wurden in der Straße Am Friedrichshain verschiedene Plakate, die auf die III. Parteikonferenz hinweisen, von unbekannten Tätern zerrissen und entfernt.

  • In der Nacht vom 26. zum 27.3.1956 wurden im VEB Bergmann-Borsig die Buchstaben eines Spruchbandes zur III. Parteikonferenz abgerissen.

  • Am 26.3.1956, gegen 20.00 Uhr, wurden vor dem Parteierholungsheim »August Bebel« in Altenhof, [Bezirk] Frankfurt/O., elf Fahnen 20 × 30 cm durch unbekannte Täter abgerissen.

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    3. April 1956
    III. Parteikonferenz der SED (9. Bericht) [Information Nr. M78/56]

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    29. März 1956
    Feindpropaganda zur III. Parteikonferenz [2. Bericht] [Information Nr. M75/56]