Stimmung zur Neufestsetzung der Arbeitsnormen (3)
23. Februar 1956
Die Stimmung zur Neufestsetzung der Arbeitsnormen (3. Bericht) [Information Nr. M40/56]
In der Zeit vom 20.1.1956 bis 23.2.1956 wurde wiederum aus einigen Betrieben Unzufriedenheit und ablehnendes Verhalten der Beschäftigten gegenüber [einer] Neufestsetzung von Arbeitsnormen bekannt. Die Ursachen dazu sind administrative Normerhöhung sowie Unklarheiten über technisch begründete Arbeitsnormen,1 was zu ablehnendem Verhalten führt. Im Einzelnen wurde dazu Folgendes bekannt:
Im VEB Simson Suhl, Automatenabteilung, herrscht unter den Arbeitern Unzufriedenheit über die Auswirkungen der administrativen Normarbeit. Von dem dortigen Gewerkschaftsgruppenorganisator wurde zum Ausdruck gebracht, »dass die Verdienstlisten bislang zu Trugschlüssen führten. Eine Reihe Arbeiter könnte mit der Hand nicht so viel verdienen. So habe z. B. ein Arbeiter höchstens 1,30 bis 1,40 DM pro Stunde Verdienst, wenn nicht die Einsichter bei der Nachtschicht freistehende Automaten und das Ergebnis der Arbeit den Arbeitern zugutekommen lassen würden.« [sic!] Weiterhin brachte er zum Ausdruck, dass aufgrund dessen eine starke Fluktuation an Arbeitskräften in dieser Abteilung besteht und ein Arbeiter, der beste aus der Abteilung, republikflüchtig wurde.
Im VEB IKA Brotterode,2 [Bezirk] Suhl, werden ebenfalls heftige Diskussionen über die Normen geführt. Während einer Produktionsberatung äußerten zwei Arbeiter, »in unserem Betrieb wird eine dauernde Normdrückung auf Kosten der Knochen der Arbeiter durchgeführt. Die Angestellten und die Intelligenz erhalten zu hohe Gehälter, das ist eine ungesunde Entwicklung.« Ähnlich sind die Diskussionen unter den Beschäftigten in folgenden Betrieben:
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TEWA Schiffskettenwerk Weißenfels, [Bezirk] Halle
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VEB Schleifmaschinenwerk Dresden
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VEB Schiffswerft Berlin-Köpenick
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VEB Motorenwerk Wurzen, [Bezirk] Leipzig
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Kfz-Werk Neubrandenburg3
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Prom-Kombinat Stendal,4 [Bezirk] Magdeburg
Außerdem kam es in einigen Betrieben zu direkter Ablehnung der Neuaufsetzung von Arbeitsnormen. Im VEB Seehafen Wismar, [Bezirk] Rostock, wurde die Änderung der Normen in einer Sitzung der Betriebsleitung, der Funktionäre der Abteilung Arbeit und der Staatlichen Kontrolle beschlossen, um die schlechte Arbeitsmoral der Arbeiter zu verbessern. Ein Arbeiter der Brigade c/2 brachte dazu zum Ausdruck: »Wir laden Erdnüsse und nun ist die Norm erhöht worden. Die Burschen haben wohl den 17. Juni vergessen, wenn das so weitergeht, kommt es noch einmal so.«
Im VEB Landmaschinenbau Torgau, [Bezirk] Leipzig, werden zzt. die Normen überprüft. Ein Arbeiter der Stanzerei äußerte dazu: »Nach dieser Norm kann ich nicht arbeiten. Ich muss mindestens 350 DM netto verdienen, denn wenn meine Frau mit 20,00 DM einkaufen geht, bekommt sie nicht viel dafür und ich müsste verhungern.« Ähnliche Diskussionen werden in folgenden Betrieben geführt:
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Betonwerk Schwedt/Oder
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VEB Kema Werk II Olbersdorf, [Kreis] Zittau, [Bezirk] Dresden
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Waggonbau Niesky, [Bezirk] Dresden
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VEB Bleierzgrube Freiberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt
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VEB Gummiwerk »Elbe« Piesteritz, [Bezirk] Halle