Stimmung zur Schaffung der NVA (12)
1. März 1956
Nationale Volksarmee (12. Bericht für die Zeit vom 18.2. bis 1.3.1956) [Information Nr. M45/56]
Die Diskussionen über die Volksarmee sind auch in der Berichtszeit weiterhin stark zurück-gegangen und in der Mehrzahl positiv.1
Die negativen Diskussionen werden immer noch von Unklarheiten bestimmt. Die Überzahl der positiven Argumente hat sich im Inhalt nicht geändert. Zur Prager Deklaration werden nur noch vereinzelte Diskussionen bekannt.2 In den negativen Diskussionen wurden vereinzelt Argumente bekannt, die zu beachten sind:
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Im VEB Sägewerk Weggun, [Bezirk] Neubrandenburg, äußerte ein Arbeiter, Mitglied der SED: »Es wird so kommen, dass aus den Belegschaftsmitgliedern aller VEB die Menschen für die Volksarmee auf drei Monate gestellt werden müssen und die Bezahlung erfolgt durch die Betriebe, die diese Menschen abgestellt haben.«
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Im VEB Fahrzeug- und Gerätewerk Simson, Suhl, erklärte der 1. Sekretär der BPO am Tage des Meisters vor 30 anwesenden Meistern: »Unsere KVP ist jetzt faktisch aus der Illegalität herausgetreten und man kann jetzt offen darüber sprechen, dass unsere Seeoffiziere in der UdSSR und unsere Flugzeugführer in Polen und der ČSR ausgebildet werden.«
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In der VP-Inspektion Berlin-Pankow äußerten zwei Offiziere, »dass die Schaffung der Volksarmee schon länger vorbereitet gewesen ist und somit auch damit gerechnet werden kann, dass auf der kommenden III. Parteikonferenz die Wehrpflicht eingeführt wird und hierfür ebenfalls schon Vorbereitungen getroffen sind«.3 Einer dieser Offiziere (VP-Meister) vertritt außerdem die Meinung, »dass das Einsetzen von Pfarrern in die Volksarmee unbedingt notwendig wäre, da doch unter den Angehörigen der Volksarmee bestimmt Kirchenanhänger sind«.
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In der Gemeinde Zitz, [Kreis] Brandenburg, wurde von der DFD-Ortsgruppe beschlossen, dass einige Frauen an einem DRK-Lehrgang teilnehmen. Von den 16, die sich gemeldet hatten, lehnten nach dem Bekanntwerden des Beschlusses über die Volksarmee zwölf Frauen ab mit der Begründung, »dass der Lehrgang nur dazu durchgeführt wird, um zu lernen, die Soldaten im Kriege zu verbinden, denn durch die Schaffung der Volksarmee würde auch bald ein Krieg kommen«.
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In Neuhaus, [Bezirk] Suhl, diskutierten Handwerker über die Erhöhung der SVK-Beiträge.4 Sie vertreten die Meinung, »dass das Geld für die Volksarmee verwandt wird«.
Objekte mit negativen Erscheinungen
Im VEB Fahrzeugelektrik Karl-Marx-Stadt, Mechanische Abteilung, wird Jugendlichen durch die älteren Arbeiter mit Schlägen gedroht, wenn sie sich zur Volksarmee melden oder irgendetwas unterschreiben. In den Baubetrieben des Bezirkes Neubrandenburg wird unter den Beschäftigten die Meinung vertreten, dass über die Schaffung der Volksarmee eine Volksabstimmung durchgeführt werden müsste.
Feindtätigkeit
Am 19.2.1956 wurde an ein Schaufenster in Erfurt eine Losung gegen die Volksarmee angeschmiert.
Auf einer Versammlung der DBD in Colditz, [Bezirk] Leipzig, hetzte ein Leiter der dortigen BHG mit folgenden Worten: »Wenige Tage nachdem die Volkskammer das Gesetz zur Schaffung der Volkskammer verabschiedet hat, wurde die Volksarmee von Walter Ulbricht bereits in Prag verschachert.«