Stimmung zur Schaffung der NVA (7)
27. Januar 1956
Nationale Volksarmee (7. Bericht für die Zeit vom 24. bis 27.1.1956) [Information Nr. M26/56]
I. Gesamteinschätzung
Unter allen Bevölkerungsschichten der Bezirke, besonders in der Industrie und Landwirtschaft, ist weiterhin zu verzeichnen, dass sich die positiven Stimmen mehren und in der Mehrzahl der Bezirke die negativen bereits überwiegen. Die Frage, weshalb nicht gleich die Wehrpflicht eingeführt wurde,1 wird dabei in den zustimmenden Diskussionen noch oft, vielfach jedoch aus persönlichen Erwägungen heraus gestellt. Stärker als bisher sind unter Arbeitern und Jugendlichen der Industrie und Landwirtschaft die Frage der Bezahlung sowie die Meinung in den Vordergrund getreten, dass der Aufbau der Volksarmee2 schon länger vorbereitet wurde. Wie in der Landwirtschaft wurde in den Bezirken Frankfurt/O., Leipzig, Schwerin und Suhl, jetzt auch in der Bauindustrie als negative Diskussion bekannt, dass mit dem Aufbau der Volksarmee der Arbeitskräftemangel vergrößert und der Achtstundentag dadurch gefährdet wird. Eine weitere Diskussion, besonders von Umsiedlern vertreten, ist, dass sie nichts zu verteidigen hätten, da ihnen die Heimat genommen wurde. In einigen Bezirken wurden vereinzelt von Angehörigen der Intelligenz, Angestellten und Frauen Diskussionen bekannt, in denen zum Ausdruck kommt, die DDR solle sich wie die Schweiz und Schweden neutral verhalten.
Obwohl auch unter den Jugendlichen eine positive Änderung in der Stimmung zu erkennen ist, bilden sie gegenwärtig, ebenso die Frauen, noch den Schwerpunkt ablehnender und pazifistischer Diskussionen. Direkte feindliche Äußerungen wurden nur vereinzelt bekannt. Als Feindtätigkeit wurde wiederum verstärktes Anschmieren von Hetzlosungen sowie Gerüchteverbreitung bekannt.
II. Hauptargumente
In den positiven Stimmungen zeigt sich gegenüber den Vortagen keine Änderung. Im Wesentlichen wird weiterhin die Notwendigkeit des Aufbaues der Volksarmee zum Ausdruck gebracht. Von den Jugendlichen wird jedoch immer häufiger mit den Erklärungen zur Bereitschaft, in der Volksarmee Dienst zu tun, die Frage nach der Bezahlung und bei Verheirateten nach Unterstützung der Familien gestellt. Außerdem taucht unter Jugendlichen, die bereit wären, in die Volksarmee einzutreten, die Frage auf, dass sie nicht angenommen werden, da sie bereits schon einmal in Westdeutschland und Westberlin waren. Die gleiche Frage wird von Eltern gestellt, deren Kinder republikflüchtig wurden.
Die negativen Äußerungen haben sich ihrem Inhalt nach gegenüber den Vortagen ebenfalls nicht geändert. Am stärksten treten immer noch die bekannten pazifistischen sowie die auf Unklarheiten zurückzuführenden Argumente auf, wie »keine Waffe mehr anfassen«, »nicht auf Brüder schießen«, »die KVP genügt zum Schutze der DDR«, »der Aufbau der Volksarmee widerspricht dem Potsdamer Abkommen«,3 u. Ä. Unter der Jugend und Frauen stehen außerdem noch die bekannten Argumente im Vordergrund, in denen persönliche Interessen der Grund zur Ablehnung sind, »wir erst gehen, wenn alle müssen«, »für 1,00 DM Sold gehen wir nicht«, »von Kindern keinen Vorwurf sagen lassen, wenn ich zustimme« u. Ä.
Aufgrund von großen Unklarheiten über die politische Situation und den Charakter unseres Staates werden folgende negative Argumente in einigen Bezirken vertreten:
- a)
unter allen Bevölkerungsschichten in den Bezirken, besonders von Jugendlichen, dass die Wehrpflicht eingeführt werden müsste, damit alle gehen müssen und nicht nur die, die guten Willen haben (alle Bezirke).
- b)
Von feindlichen Elementen wird die Meinung geäußert, dass »der Aufbau der Volksarmee schon lange vorbereitet wurde« (alle Bezirke).
- c)
Von Arbeitern in der Bauindustrie werden Diskussionen bekannt, dass durch die Volksarmee der Arbeitskräftemangel sich vergrößert und der Achtstundentag dadurch gefährdet wäre (Bezirk Frankfurt/O., Schwerin, Leipzig, Suhl).
- d)
Von Umsiedlern wird die Meinung verbreitet, dass sie nichts zu verteidigen hätten, da ihnen die Heimat genommen wurde (Bezirk Frankfurt/O., Cottbus und Wismut).
- e)
Von Angestellten, Angehörigen der Intelligenz und Frauen wurden Diskussionen bekannt, dass die DDR neutral bleiben soll wie die Schweiz und andere Staaten, dann brauchen sie keine Armee.
III. Charakteristische Beispiele
a) Industrie
Wie bereits erwähnt, hält die positive Veränderung der Stimmung in der Industrie an. Besonders negative Diskussionen im stärkeren Maße werden weiterhin aus den Bezirken Karl-Marx-Stadt und Suhl gemeldet, wobei ebenfalls wie in den anderen Bezirken die Frauen und Jugendlichen die Schwerpunkte bilden.
Für die Diskussionen der Arbeiter in der Industrie im positiven Sinne ist die Meinung eines parteilosen Arbeiters aus der Maxhütte Unterwellenborn, [Bezirk] Gera, charakteristisch, der erklärte: »Wir Arbeiter begrüßen die Schaffung der Volksarmee, denn wir müssen unsere Grenzen schützen. VP und KVP ist dazu zu schwach. Außerdem lernen die Jugendlichen einmal Ordnung, was bis jetzt noch zu wünschen übrig lässt.«
Charakteristisch für die im negativen Sinne geführten Diskussionen sind folgende Argumente: »Wieso kann General Stoph in Generalsuniform erscheinen, wenn in der Volkskammer erst über die Aufstellung einer Volksarmee diskutiert wird.4 Das habe ich nämlich vom Rundfunk Münster.«5 (Ein Arbeiter aus Magdeburg); »Uns fehlen genügend Arbeitskräfte und jetzt werden beim Aufbau der Volksarmee noch viele abgezogen, da werden wir wieder mehr als acht Stunden arbeiten müssen« (Bauarbeiter der Baubetriebe Schwerin).
Für die Diskussionen der Umsiedler, die sich mit der Umsiedlung noch nicht abgefunden haben, ist das Argument eines Arbeiters vom Schacht 66 der Wismut Aue charakteristisch, der erklärte: »Ich habe nichts zu verteidigen, denn meine Heimat haben sie mir weggenommen.«
Die ablehnenden Diskussionen der weiblichen Beschäftigten werden weiterhin von dem persönlichen Verlust ihrer Männer im Zweiten Weltkrieg sowie der Angst vor einem neuen Krieg bestimmt und tragen zur Beeinflussung der Jugendlichen bei. Charakteristisch dafür sind folgende Beispiele:
- –
Die Lohnrechnerin [Name 1] vom VEB Mifeu Holzhausen, [Kreis] Leipzig[-Land], erklärte: »Wenn ich frei meine Meinung äußern soll, muss ich sagen, dass ich nicht mit der Bildung der Volksarmee einverstanden bin. Ich will mir später nicht einmal von meinen Kindern sagen lassen, dass ich daran schuld sei, wenn sie an die Front geschickt werden.«
- –
Eine Arbeiterin aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt äußerte: »Mein Ehemann ist im Zweiten Weltkrieg gefallen. Man sagte mir damals, warum hast du deinen Mann gehen lassen. Deswegen werde ich nie zulassen, dass mein Sohn zur Volksarmee geht.«
- –
Außerdem werden von weiblichen Beschäftigen wie in der Mathias-Thesen-Werft Wismar folgende Diskussionen geführt, die auch unter Angehörigen der Intelligenz und Angestellten auftreten: »Unsere Männer sollen in keinen Krieg. Wir können doch völlig neutral bleiben wie Österreich und die Schweiz.«
Unter den Jugendlichen häufen sich die Diskussionen, in denen zum Ausdruck kommt, dass sie zur Volksarmee gehen würden, wenn sie sich finanziell nicht verschlechtern. Außerdem traten Diskussionen auf, wo Jugendliche befürchteten nicht aufgenommen zu werden, da sie schon einmal Westdeutschland oder Westberlin aufgesucht haben. Dazu folgende zutreffende Äußerungen:
- –
Jugendliche im Ernst-Thälmann-Werk Magdeburg erklärten: »Wir würden uns sofort melden, wenn wir uns finanziell nicht verschlechtern würden.«
- –
Jugendliche aus Glashütte, [Bezirk] Dresden, sagten: »Da wir schon einmal in Westdeutschland und Westberlin waren, sind wir der Meinung, dass wir trotz unseres Willens deswegen nicht eingestellt werden.« Im gleichen Sinne liegen Anfragen von Eltern vor, deren Kinder flüchtig wurden und zurückkommen wollen.
Im negativen Sinne traten weiterhin die schon bekannten pazifistischen und ablehnenden Diskussionen hervor. Neu ist die Meinung großer Teile der Jugend, besonders Oberschüler, über die Einführung der Wehrpflicht, für die folgende Beispiele charakteristisch sind: Jugendliche in der Wismut: »Wenn es Pflicht wird, gehen wir auch.« Sowie die Erklärung der Jugendlichen im VEB Zähler- und Apparatebau Teltow, [Bezirk] Potsdam: »Es müsste Wehrpflicht eingeführt werden, dass alle Jugendlichen gehen müssen, nicht nur die, die guten Willen haben.«
b) Landwirtschaft
Die Stimmen in der Landwirtschaft zur Aufstellung einer Volksarmee stehen weiterhin im Mittelpunkt der Diskussionen. Dabei werden aus dem sozialistischen Sektor vorwiegend positive Stellungnahmen bekannt. Dies zeigt sich besonders unter den Jugendlichen in der Landwirtschaft, die durch Bereitschaftserklärungen ihre positive Meinung zum Ausdruck bringen. Z. B. erklärten sich in der MTS Lankensburg,6 [Kreis] Rügen, sechs Jugendliche, in der MTS Breege, [Kreis] Rügen, zehn Jugendliche und in der MTS Boddin, [Kreis] Teterow, [Bezirk] Neubrandenburg, zwei Jugendliche bereit, in die Reihen der Volksarmee einzutreten.
Die vereinzelten negativen Diskussionen sind vor allem auf Unklarheiten und Pazifismus zurückzuführen. So brachten einige Traktoristen der MTS Egeln-Nord, [Kreis] Staßfurt, [Bezirk] Magdeburg, zum Ausdruck, dass sie beim Erhalt eines Stellungsbefehles sofort nach dem Westen gehen wollen. Ein Genossenschaftsbauer der LPG Trinwillershagen/Potsdam7 sagt: »Wir kommen ja dem alten Stil schon immer näher. Alle alten Uniformen werden wieder eingeführt. Man wollte den Naziaufzug vergessen, aber wir kommen wieder dahin, wo wir waren.«8 Unter den älteren Beschäftigten werden noch vielfach Stimmungen [sic!] dahingehend geführt, dass unsere Regierung 1945 gesagt habe, »keiner fasst mehr eine Waffe an«, und heute wird wieder eine Armee geschaffen.
Obwohl unter den Mittel- und Großbauern noch sehr wenig über die Aufstellung einer Volksarmee diskutiert wird, sind verschiedene Äußerungen bekannt geworden, in denen ablehnend zum Beschluss Stellung genommen wird. Nur vereinzelt treten positive Stimmungen auf, die vor allem aber unter den Kleinbauern bekannt werden. Die Großbauern bringen vereinzelt in ihren Argumenten zum Ausdruck, dass sie für die Volksarmee sowieso nicht benötigt werden, da man kein Vertrauen zu ihnen hätte, und dass sie daran zweifeln an den Forderungen der Werktätigen nach Aufstellung der Volksarmee.
In den Diskussionen der Mittel- und Großbauern kommt Folgendes zum Ausdruck: Ein Großbauer aus Zossen,9 [Kreis] Herzberg, [Bezirk] Cottbus: »Jetzt baut man eine Armee auf, das heißt, das Volk will es so, das stimmt aber nicht ganz, denn erst müsste man eine Volksbefragung durchführen und das Volk wirklich befragen, ob es eine Armee will.« Ein typisches Beispiel ist die Äußerung eines Mittelbauern aus Groß-Below, [Kreis] Altentreptow, [Bezirk] Neubrandenburg: »Dass man bei uns über die alten Generäle schimpft, das ist richtig, aber viel anders sieht es bei uns auch nicht aus, denn hier werden bestimmt auch solche Personen in der Volksarmee eingesetzt, die unsere Jugend ausbilden sollen.«
c) Übrige Bevölkerung
Nach wie vor gibt es auch unter der übrigen Bevölkerung zahlreiche Diskussionen über die Nationale Volksarmee. Während sich im Allgemeinen eine überwiegend positive Stimmung zeigt, gibt es aber gerade bei den Frauen – wie auch in der Industrie – sehr viel ablehnende Diskussionen. Die Argumente dazu sind bereits bekannt. Sie beziehen sich vor allem darauf, dass sie ihre Männer und Söhne »nicht opfern«. Konzentrationen negativer Stimmen bei bestimmten Schichten der Bevölkerung wurden nicht festgestellt. Die Argumente der positiven Stellungnahmen und auch der ablehnenden bzw. negativen Äußerungen sind bei den Verwaltungsangestellten, Beschäftigten in dem Handelsapparat, bei Gewerbetreibenden und Handwerkern ähnlich wie in der Industrie, wobei aber Letztere überwiegend negativ diskutieren. Stellungnahmen von Schülern und Studenten haben sich gegenüber den Vortagen nicht verändert.
Die Diskussionen von Mitgliedern bürgerlicher Parteien weisen zu anderen Schichten der Bevölkerung keine Unterschiede auf. Von Funktionären der LDP werden positive Stellungnahmen abgegeben (z. B. Bezirksverband Karl-Marx-Stadt), während Mitglieder teils positiv und teils negativ wie bekannt argumentieren. Das gleiche Bild zeigt sich auch in den Reihen der CDU. Dort gibt es aber bei den ablehnenden Äußerungen das Argument, dass sie als Christen die Volksarmee ablehnen müssten bzw. sich nicht daran beteiligen könnten. Z. B. brachte ein evangelisches, 60 Jahre altes Mitglied der CDU die Befürchtung zum Ausdruck, dass die Aufstellung einer Nationalarmee die Gefahr eines Bruderkrieges heraufbeschwört. Er stellte in diesem Zusammenhang die Frage, ob in der DDR gesetzliche Grundlagen zu erwarten seien, wie z. B. in der Bundesrepublik, die die Möglichkeit der Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe beinhalten.10 Er war der Meinung, dass es dem Christen grundsätzlich verboten sei zu töten, wobei als erschwerender Umstand hinzukomme, dass ein zukünftiger Krieg, von wem auch immer ausgelöst, Veranlassung dazu sei, dass Deutsche auf Deutsche schießen. Er war nicht der Meinung, dass es in der zukünftigen Entwicklung einen großen Kreis von Menschen geben würde, die aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigern könnten. Es sei aber mit Sicherheit anzunehmen, dass es trotzdem eine Reihe von solchen Menschen geben werde und dass man ihnen in einem Rechtsstaat die Möglichkeit offen lassen müsse, einem Gewissenskonflikt auszuweichen.
Ähnliche Äußerungen kommen aus den Reihen der Pfarrer. Während aus Leipzig eine positive Stellungnahme des Pfarrers Mehlhose (LDP) bekannt wird,11 welcher der Volksarmee zustimmt, enthalten die anderen bekannt gewordenen Stimmen oftmals Hetze. Z. B. sagte der Pfarrer aus Theißen, [Bezirk] Halle, in seiner Predigt am 22.1.1956: »Uns Christen droht ein neuer Krieg.« Der Pfarrer der Lutherkirche Halle sagte in der Predigt: »Wir sehnen uns alle nach Frieden, nicht nur nach dem Frieden im religiösen Sinne, sondern auch in der Welt. Trotzdem wird überall, auch in unserer engeren Heimat eine Macht geschaffen, deren Sinn es ist, Menschen zu morden. Ist das nicht Wahnsinn?« Ein Pfarrer aus dem Kreis Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt/O., sagte: »Es ist nicht Aufgabe der Kirche, Waffen zu segnen und Christen aufzufordern, diese in die Hand zu nehmen. Es ist vielmehr die Aufgabe der Kirche, den Christen klar zu machen, dass sie nicht kämpfen sollen gegen Brüder und Schwestern.«
IV. Forderung nach Volksabstimmung
Forderung nach Volksabstimmung über die Schaffung der Volksarmee, aufgrund von Einfluss der Feindzentralen,12 von einzelnen Personen vertreten, wurde unter folgenden Schichten und in folgenden Betrieben und Orten bekannt:
- –
unter Großbauern aus Zessern,13 [Kreis] Herzberg, [Bezirk] Cottbus;
- –
im Ernst Thälmannschacht Eisleben,14 [Bezirk] Halle;
- –
auf der Baustelle Torgelow der Bau-Union Neubrandenburg;
- –
im VEB »Immergut« Stavenhagen,15 [Bezirk] Neubrandenburg;
- –
Mathias-Thesen-Werft Wismar, [Bezirk] Rostock (unter der technischen Intelligenz);
- –
in Suhl der Malermeister [Name 2].
V. Objekte mit negativen Erscheinungen
Negative Erscheinungen zeigen sich in Betrieben und Verwaltungen weiterhin bei Abstimmungen und Unterschriftenleistungen. Bekannt wurden diese in folgenden Objekten:
- –
Deutsche Tuchfabrik Forst,16 [Bezirk] Cottbus, von 80 Jugendlichen stimmten 28 dafür und 40 dagegen.
- –
Bekleidungswerk Görlitz, von 60 Personen stimmten 30 dagegen.
- –
Im VEG Großharthau Bischofswerda, [Bezirk] Dresden, gaben von 20 Anwesenden fünf ihre Unterschrift.
- –
VEB Karosseriewerk Dresden, von 110 Arbeitern 80 % dagegen.
- –
Mathias-Thesen-Werft, in einer Halle stimmten drei dafür, fünf dagegen und 20 enthielten sich der Stimme.
- –
Im VEB RFT Rostock sind von 225 Arbeitern 70 % gegen die Volksarmee.
- –
Im Straßenbahndepot Erkner, [Bezirk] Frankfurt/O., von 30 Personen stimmten neun offen dagegen.
- –
Im Walzwerk Finow, [Bezirk] Frankfurt/O., von 60 Arbeitern alle dagegen.
- –
Im ZKB der BVG Hauptverwaltung Berlin stimmten von 28 Anwesenden 16 dafür und zwölf dagegen.
- –
VEB Herrenbekleidung Lichtenberg, Jugendband 7a, 100 % abgelehnt.
- –
VEB Berliner Glühlampenwerk, von 140 Anwesenden stimmten nur 40 zu.
- –
In einer Konsumversammlung in Rahnsdorf, [Ortsteil von] Berlin, von 26 Personen stimmten elf dafür, zwei dagegen, 13 enthielten sich der Stimme.
- –
Rat des Kreises Gera, Referat Einheitskataster, 100 % abgelehnt.
- –
Im VEB »Record« Werk II Gera,17 von 60 Anwesenden stimmte keiner dafür.
- –
VEB Schiefergruben Probstzella, [Bezirk] Gera, Abteilung [»Franz«] Franik, von 58 Arbeitern sieben dafür.
- –
Im VEB Suppex Auerbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sind 85 % aller Frauen dagegen.
- –
Im VEB Falgard Falkenstein, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sind 90 % aller Frauen dagegen.
- –
VEB Audi-Werk Zwickau, von 60 Angehörigen der Intelligenz stimmten nur sechs dafür.
- –
VEB Textima Aue, von 300 Anwesenden ein reichliches Drittel dagegen.
- –
Im VEB IFA-Motorenwerk Zschopau,18 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, Abteilung Verwaltung, stimmten von 30 Angestellten 15 dagegen.
- –
VEB Werkzeugmaschinenfabrik Plauen 30 % dagegen.
- –
Im Kombinat 241 der Wismut in Auerbach unterschrieben von 16 Anwesenden zwei die Resolution.
- –
VEB Messgerätewerk Zwönitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, von 500 Anwesenden 300 dafür, zwei dagegen, 198 Stimmenenthaltungen.
- –
VEB Metallwarenfabrik Oberlungwitz,19 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, von 86 sechs dafür, 80 dagegen.
- –
Im Großhandelskontor Zossen, [Bezirk] Potsdam, Belegschaft 100 % dagegen.
- –
Im Institut für Pflanzenzüchtung Quedlinburg, [Bezirk] Halle, elf Anwesende stimmten dafür, 13 dagegen.
- –
Im RAW Stendal, [Bezirk] Magdeburg, haben […]20 dafür, 21 dagegen gestimmt.
- –
Im gleichen Werk stimmten von 80 Jugendlichen 60 dagegen.
- –
VEB Karl Liebknecht Werk Magdeburg, Abteilung I, 50 % aller Belegschaftsmitglieder sind gegen die Volksarmee.
- –
VEB Pumpenfabrik Oschersleben, [Bezirk] Magdeburg, von 30 Jugendlichen stimmten nur fünf zu.
- –
VEB Georgi-Dimitroff-Werk Magdeburg, von 120 FDJ-Mitgliedern stimmten 95 dagegen.
- –
Im VEB Porzellanwerk Neuhaus[-Schierschnitz], [Bezirk] Suhl, Abteilung Werkzeugbau, von 56 Arbeitern, darunter 32 Genossen, stimmten zwei dafür.
- –
VEB Walzkörper Bad Liebenstein, [Bezirk] Suhl, Abteilung Rollenfertigung, von 60 Arbeitern einer dafür.
- –
Im VEB Eisen- und Stahlwerk Leipzig, Abteilung Metall, von 60 Arbeitern acht dafür, 18 dagegen, 34 Stimmenthaltungen.
- –
VEB Kraftwerk Kulkwitz, [Kreis] Leipzig[-Land], gaben von 450 Anwesenden nur 160 ihre Unterschrift.
- –
Berufsschule Oschatz, [Bezirk] Leipzig, 2. Klasse, von 60 Schülern gaben 32 ihre Unterschrift.
- –
VEB Maschinenfabrik Meuselwitz,21 [Bezirk] Leipzig, Lehrwerkstatt, 60 % der Jugendlichen lehnen ab.
Republikflucht Jugendlicher
In der Zeit vom 23.1. bis 24.1.1956 wurden 71 Jugendliche von den Organen der Transportpolizei und der Grenzpolizei wegen Verdachtes der Republikflucht festgenommen.22
VII. Feindtätigkeit
Gegenüber den Vortagen zeigte sich in der Berichtszeit keine Verstärkung der Feindtätigkeit.
Anschmieren von Hetzlosungen u. a.
- –
Im VEB Leipziger Wollkämmerei wurde an eine Erdgeschosstür das Wort »Streik« geschrieben.
- –
Im VEB Zellstoffwerk Gröditz, [Kreis] Riesa, [Bezirk] Dresden, wurde in der Schlosserei eine Hetzlosung gegen die Bildung der Volksarmee angeschmiert.
- –
In der Nacht vom 23.1. bis 24.1.1956 wurde an der Schleusenstraße in Woltersdorf, Kreis Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt/O., eine Hetzlosung »Wir wollen einen Friedensvertrag, aber keine Volksarmee« mit Lackfarbe angebracht.
- –
In der Elektroabteilung der Großkokerei Lauchhammer wurde am 17.1.1956 die Bekanntmachung »Die Fahrstuhlführer müssen am … zur Untersuchung« wie folgt verändert: »Die Flugzeugführer müssen am … zur Untersuchung.«
- –
In Oelsnitz/Vogtland wurde in der Nacht zum 21.1.1956 die Parole »Ohne uns« an Häuserwände geschmiert.
- –
Am 19.1.1956 wurde in der Abteilung Fahrbetrieb des VEB Zellwolle Wittenberge,23 [Bezirk] Schwerin, ein ausgeschnittenes Bild, welches einen Trompeter darstellt, mit dem Text: »Schön ist das Soldatenleben« am Türrahmen befestigt.
- –
In Leipzig S 36 wurde die Scheibe eines Schaukastens der Nationalen Front eingeschlagen.24
- –
Am 19.1.1956 wurde am Gerüst der Baustelle eines privaten Bauunternehmers in Stadtroda, [Bezirk] Gera, eine ausgestopfte Figur aufgehängt, die einen Soldaten darstellen sollte.
Hetze
- –
In einer Gaststätte in Karl-Marx-Stadt wurden zwei Jugendliche von einem Handwerksmeister aus Gornsdorf, Kreis Stollberg, aufgefordert, die Flinte nicht für die Existenz von einigen führenden Persönlichkeiten in die Hand zu nehmen. Er sagte: »Denkt an eure jungen Jahre. Ihr habt die Zukunft noch vor, nehmt kein Gewehr in die Hand, ihr wisst ja sowieso nicht warum. So rot sind wir noch nicht, dass wir auf Deutsche schießen. Ich habe 1939 auch keine Waffe in die Hand genommen.«
- –
Ein jugendlicher Elektriker aus dem Kraftwerk der LEW Hennigsdorf,25 [Bezirk] Potsdam, äußerte sich zu einem Kollegen, als im Werk Handzettel verteilt wurden, auf denen Stellungnahmen einiger Kollegen zur Schaffung der Nationalen Volksarmee veröffentlicht waren: »Nun wissen wir ja, wer diejenigen sind. Mit denen rechnen wir noch ab.«
- –
In Oberschlema,26 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, erklärte ein Arbeiter auf der Arbeitsstelle und in der Unterkunft: Man müsste diejenigen, die die Nationale Volksarmee gefordert haben, mit dem Hammer erschlagen bzw. ihr Grab schaufeln lassen und erschießen.
Gerüchte
- –
In Rheinsberg, Kreis Neuruppin, [Bezirk] Potsdam, wurde das Gerücht verbreitet, dass zur Volksarmee die alten aktiven Unteroffiziere und Feldwebel eingezogen werden, um die jungen Menschen nach dem alten Stil auszubilden.
- –
Unter den Kollegen des Güterkraftverkehrs Potsdam-Babelsberg wurde erzählt, dass die Jugendlichen des Jahrganges 1932 alle ein Jahr und die Jugendlichen Jahrgang 1926 alle acht Wochen zur Volksarmee müssten.
- –
In der LPG Pohritzsch, Kreis Delitzsch, [Bezirk] Leipzig, wurde erzählt, dass die Jugendlichen jetzt keine PM 1227 mehr nach Westdeutschland erhalten, da man befürchte, dass sie nicht wieder zurückkommen.
- –
In Brudersdorf, Kreis Malchin, [Bezirk] Neubrandenburg, kursiert das Gerücht, dass der Deutschlandsender28 die Mitteilung brachte, dass keiner mehr nach Westdeutschland kann.
- –
Im Bezirk Rostock wurde von Reisenden behauptet, dass die Polizei Kontrollen durchführt und gleichzeitig fragt, wer für und wer dagegen ist. Wer angeblich gegen die Volksarmee ist, wird sofort festgenommen.
- –
Immer wieder tauchen Gerüchte auf, dass der ehemalige Feldmarschall Paulus29 als Oberbefehlshaber für die Volksarmee vorgesehen ist.
Brand
Am 21.1.1956 wurde der Schießstand der GST in Schortental (Eisenberg), Bezirk Gera, vorsätzlich in Brand gesteckt. Es verbrannten die Schießpritschen und ein Schuppen der GST.
Westberlin
Am 15.1.1956 fand eine außerordentliche Delegiertenkonferenz der »Jungsozialisten«30 und »Falken«31 statt, wobei eine Resolution angenommen wurde, die sich sowohl gegen die Wiederaufrüstung in Westdeutschland als auch gegen die Nationale Volksarmee der DDR richtete. Diese Resolution soll als Flugblatt auf dem Gebiet der DDR verbreitet werden. Man erklärt sich darin mit »allen jungen Menschen, die aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigern« solidarisch. Es heißt weiter, dass »jede Aufrüstung dem Krieg dient und die Spaltung Deutschlands besiegelt, den Frieden gefährdet«. Gegen die DDR wird u. a. mit folgenden Worten gehetzt: »Die ostdeutsche Wehrmacht dient der Aufrechterhaltung der Diktatur.« Die Resolution ruft zum Kampf gegen die »Armee der beiden deutschen Teilstaaten« auf und schließt mit der Forderung an den Westberliner Senat, in Berlin »Asyl für alle Wehrdienstverweigerer aus Ost- und Westdeutschland« zu gewähren.32