Tätigkeit des Ostbüros der SPD
5. Juli 1956
Information Nr. 57/56 – Betrifft: Tätigkeit des Ostbüros der SPD
Aus zuverlässigen Quellen wurden Einzelheiten zur Tätigkeit des Ostbüros der SPD bekannt,1 die vermutlich zusammenhängen mit der Vorbereitung des Bundesparteitages der SPD in München2 und der Ausnutzung der Provokationen in Poznan3 zur Hetze gegen die DDR.
Der am 13.11.1951 vom ehemaligen Landesgericht Potsdam nach Befehl 160 der SMAD4 verurteilte und inzwischen entlassene ehemalige Oberbürgermeister von Rathenow, Szillat,5 wurde vor ungefähr 14 Tagen republikflüchtig. Für Szillat wurde von Bonn aus eine Flugkarte (Berlin – Frankfurt/M.) bestellt. Die Maschine startet am 9.7.1956, um 17.30 Uhr, in Berlin. Der Zweck der Reise ist nicht bekannt.
Der ebenfalls kürzlich aus der Haft entlassene Bauer, Leo,6 arbeitet in Schwalbach, [Bezirk] Hessen, an der Schule der »Landeszentrale für Heimatdienst«7 als Referent. Ferner soll er zzt. auch an der DGB-Schule in Oberursel, »Haus der Arbeit«, tätig sein. Nach einer Information soll Ollenhauer8 in einem persönlichen Schreiben bei ihm angefragt haben, ob er bereit sei, Mitglied der SPD zu werden. Gleichzeitig habe er Bauer als Gast zum Bundesparteitag der SPD nach München eingeladen. Diese Einladung habe Bauer angenommen.
Die Westberliner Dienststelle des SPD-Ostbüros9 stellt »Hinweise« aus der DDR zusammen und gibt diese am 5.7.1956 an die Zentrale nach Westdeutschland. Das Material soll bei der Ausarbeitung einer Nummer des sogenannten »Ostspiegels«, die speziell zum Münchener Parteitag der SPD herausgegeben wird, Verwendung finden. Ein Artikel zu den Provokationen in Poznan, der ebenfalls in der Zentrale des Ostbüros verfasst wurde, ist an die Westberliner Dienststelle abgegangen und wird in der nächsten Nummer des »Ostspiegels« veröffentlicht.10 Zum Thema »Reaktion der Pankower Zeitung« verfasste Müller,11 stellvertretender Leiter des Ostbüros der SPD in Westberlin, einen Artikel für den »Pressedienst«.12 Wie verlautet, ist dem Ostbüro kein Fall bekannt geworden, in dem die Regierung der DDR aufgrund der Provokationen in Poznan irgendwelche Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet hat.
Die Bundestagsabgeordneten und Ausschussmitglieder13 Dr. Bärsch,14 SPD, Egon Franke,15 SPD, und Seiboth,16 BHE, trafen am 2.7.1956 nachmittags in Westberlin ein und hatten sich für den Besuch der Flüchtlingsstelle des Ostbüros in Berlin-Marienfelde eingetragen.17 Die Mitarbeiter der Zweigstelle Marienfelde hielten sich zur Verfügung der Ausschussmitglieder. Über das Ergebnis des Besuches ist noch nichts bekannt.