Übersicht über Schwierigkeiten infolge Frosteinwirkung (1)
10. Februar 1956
[1.] Übersicht über Schwierigkeiten infolge Frosteinwirkung [Information Nr. M36/56]
Der plötzliche Kälteeinbruch führte in einigen Bezirken zu ernsthaften Schwierigkeiten in der Industrie. Diese Schwierigkeiten bestehen hauptsächlich in der Strom- und Gaserzeugung, Behinderung der Produktion durch Frost und in Kohlenmangel, wodurch es in einigen Industriezweigen zu Minderleistungen und Produktionseinstellungen kam. Derartige Schwierigkeiten wurden bisher bekannt aus folgenden Bezirken:
Bezirk Dresden
Im Bezirk Dresden bestehen die größten Schwierigkeiten in der Versorgung der Betriebe mit Strom und Gas, wodurch besonders die Schwerpunktbetriebe betroffen sind. Durch Strom-ausfall und Kürzung kam es im Edelstahlwerk »8. Mai 1945« Freital in der Zeit vom 2.2. bis 4.2.1956 zur Produktionseinstellung an der Walzenstraße und dem Hammerwerk. Durch Stromkürzung kann das Stabwalzwerk im Stahlwerk Riesa nicht arbeiten. Durch mangelnde Gaszufuhr wird in der Gießerei des VEB »Ferdinand Kuhnert« Schmiedeberg nur noch zu 10 % gearbeitet. Ähnliche Schwierigkeiten mit der Stromzuteilung haben die Textilbetriebe im Bezirk Dresden. So kann die Abteilung Spinnerei des VEB Spinnerei und Weberei Ebersbach, [Kreis] Löbau, die Produktion nicht voll aufrechterhalten, da dieser Abteilung 550 kw Strom fehlen. Kohlenmangel macht sich besonders in den Papierfabriken des Bezirkes Dresden bemerkbar.
Bezirk Karl-Marx-Stadt
Im Bezirk Karl-Marx-Stadt ist die Lage ähnlich wie im Bezirk Dresden. Besonders die Betriebe des Steinkohlenbergbaues, Maschinenbaues und der Fahrzeugindustrie haben hier erhebliche Produktionsstörungen und Ausfälle durch Strom und Gasmangel. So hatten am 2.2.1956 die Ammoniakfabrik des »August Bebel-Werkes« Zwickau und vom 31.1. bis 1.2.1956 das »Karl-Liebknecht-Werk« Oelsnitz die Produktion infolge Strommangel eingestellt. Die Textilbetriebe des Bezirkes Karl-Marx-Stadt haben erhebliche Störungen durch Kohlenmangel. Folgende Betriebe müssen die Produktion bei Nichteingang von Kohle ganz einstellen:
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VdK Stützengrün Aue
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Kammgarnspinnerei Glauchau
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Textilwerk Glauchau Werk 1, 1a und 3
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Streichgarnspinnerei Rodewisch/Vogtl.
Kohlenmangel besteht außerdem noch im Gaswerk Annaberg und Feinpappenwerk Stollberg.
Bezirk Magdeburg
Im Bezirk Magdeburg ist es hauptsächlich Gas- und Kohlenmangel, der zu Produktions-störungen und teilweisen Einstellungen führt. Besonders betroffen von Gasmangel sind das Walzwerk Burg, das vom 31.1. bis 2.2.1956 die Produktion ganz einstellen musste, sowie die Knäckebrotwerke Burg. Außerdem haben die Kreise Wernigerode, Burg und Zerbst auch größere Gasabschaltungen in den Haushaltungen zu verzeichnen. Kohlenmangel besteht vor allem in den Brikettfabriken des Bezirkes und im Gaswerk Magdeburg.
Bezirk Cottbus
Im Bezirk Cottbus sind besonders die Braunkohlenwerke und Brikettfabriken von dem starken Frost betroffen. Während die Braunkohlenwerke erhebliche Störungen im Abraum und bei der Rohkohlenförderung durch Anfrieren des Abraumes und der Kohle in den Kippern sowie durch Materialschäden an Baggern und dergleichen erleiden, fehlt es den Brikettfabriken an Kohle. Das tägliche Minus in den vier größten Betrieben »Friedenswacht«, »Freundschaft«, »Franz Mehring« und »Koschen« beträgt (vom 31.1.1956 an) bei Abraum 241 502 cbm, Rohkohle 43 721 t, Brikett 12 123 t. Die gegenwärtige Produktionsleistung im gesamten Braunkohlenrevier Senftenberg beträgt bei Abraum 75 %, Kohle 90 % und Brikett 85 %.
Das Synthesewerk Schwarzheide hat infolge starken Frostes Schwierigkeiten in der Entladung von Erdöl. Bis jetzt stehen bereits 146 Kesselwagen mit etwa 3 000 t im Werkgelände. Das Erdöl ist gefroren. Dadurch entstehen dem Werk etwa 100 000 DM Unkosten durch Standgeld vonseiten der Reichsbahn.
Bezirk Leipzig
Im Bezirk Leipzig wirkt sich die strenge Kälte ebenfalls auf die Braunkohlenwerke sowie auf die Strom- und Gaserzeugung aus. Die Abraumförderung beträgt im Durchschnitt in den Revieren Borna und Altenburg etwa 33,6 %, die Kohleförderung und Briketterzeugung ca. 50 %. In der Zeit vom 31.1. bis 5.2.1956 wurden folgende Produktionsausfälle bekannt: 11 750 t Rohkohle, 190 t Silika, 4 505 t Brikett, 21 000 cbm Abraum. Die Produktionsleistung im Revier Borna beträgt gegenwärtig bei Abraum 20 % (Großreparaturen), Kohle 65 %, Brikett 55 %. Hervorgerufen werden diese Ausfälle ebenfalls wie im Bezirk Cottbus durch Festfrieren und Materialschäden. Die gegenwärtige Durchschnittsleistung im Kraftwerk Espenhain beträgt 220 MW, d. h. die Stromerzeugung wurde um 25 MW gedrosselt.
Die Gasversorgung von Böhlen ist stündlich um ca. 600 bis 700 cbm zurückgegangen. Besonders wirkt sich das auf die Betriebe des Maschinenbaues in Leipzig aus. So wurde infolge Gasmangel im VEB Leipziger Eisen- und Stahlwerke, Werk II, die Produktion von Stahl eingestellt. Im VEB VTA Werk II wird nur in Tagschichten gearbeitet, da nachts die Temperaturen ein Arbeiten nicht ermöglichen. Zur Gasversorgung ist zu sagen, dass die Gaswerke ihren Plan erfüllen, das Gas jedoch nicht ausreicht, da der Bedarf in den Haushalten enorm gestiegen ist. Außerdem wurden 300 000 cbm Gas von Watenstedt-Salzgitter gekürzt.1
Bezirk Halle
Die Situation in den Braunkohlenwerken und Brikettfabriken des Bezirkes Halle ist ähnlich wie in den Bezirken Leipzig und Cottbus. Konkrete Zahlen dazu liegen nur vom BKW Profen, [Kreis] Zeitz, vor. Hier erfüllte der Abraum am 3.2.1956 seinen Plan nur mit 20,1 % und die Grube mit 40 %. Die Produktionsleistung der Braunkohlenwerke im Revier Halle beträgt gegenwärtig bei Abraum 40 %, Kohle 80 %, Brikett 95 %. Besonders betroffen vom Stromausfall sind die Betriebe des Maschinenbaues. So wurde am 2.2.1956 in den Halleschen2 Pumpenwerken der Strom von 6.00 bis 9.00 Uhr und 16.30 bis 21.00 Uhr abgeschaltet. Ähnlich war es im Eisenhüttenwerk Thale. Besondere Schwierigkeiten haben auch die Kalibergwerke »Friedenshall« Bernburg und »Deutschland« in Teutschenthal durch Kohlenmangel, um die Betriebe mit Strom und Dampf für die Salzgewinnung zu versorgen. Im Werk »Deutschland« beträgt die Produktion zzt. 75 %.
Bezirk Potsdam
Der Bezirk Potsdam leidet besonders unter Strommangel, was sich ungünstig auf die Produktion in den Stahlwerken Brandenburg und Hennigsdorf auswirkt. Strommangel allgemein besteht außerdem noch in den Bezirken Gera, Suhl und Rostock.
Die Gasversorgung insgesamt im Verbundnetz der DDR zeigt folgende Einschränkung: Das Verbundnetz Stufe A hat keine Einschränkungen. Der Südraum Stufe C hat Einschränkungen von 15 bis 35 % (in Karl-Marx-Stadt und Leipzig Kohlenmangel). In Thüringen Stufe E sind Einschränkungen von 30 bis 70 % zu verzeichnen.
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Dringlichkeitsstufe I wurden 30 % gesenkt,
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Dringlichkeitsstufe II wurden 50 % gesenkt,
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Dringlichkeitsstufe III wurden 70 % gesenkt,
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Kohlebevorratung 1,2 bis 2 Tage.
Energie: In der Energieversorgung wurden keine Abschaltungen bei der Bevölkerung vorgenommen. Die Werke Hirschfelde, Lauta, Zschornewitz, Zeitz, Calbe, Espenhain sind um 50 % zurückgefahren. Dadurch wurde der Strombedarf in der Industrie eingeschränkt.