Übersicht über Schwierigkeiten infolge Frosteinwirkung (2)
18. Februar 1956
2. Übersicht über Schwierigkeiten infolge Frosteinwirkung (10.2. bis 16.2.1956) [Information Nr. M38/56]
Die andauernde Kältewelle führte auch weiterhin zu erheblichen Schwierigkeiten in Industrie und Verkehr. Außerdem machen sich bereits im Bezirk Frankfurt/O. Schwierigkeiten in der Hausbrandversorgung bemerkbar. Die Lage auf den einzelnen Gebieten am 16.2.1956 war folgende:
1.) Die Lage in der Braunkohlenförderung
Die Arbeiter in den drei entscheidendsten Braunkohlenrevieren Halle, Senftenberg und Borna unternehmen trotz Kälte, Schneeverwehungen und Materialschäden an Baggern und Transportmitteln alles um den Produktionsplan zu erfüllen. Beeinträchtigt durch die Schwierigkeiten beträgt die Produktionserfüllung in den einzelnen Revieren folgenden Stand:
[Produktion von] | Halle | Senftenberg | Borna |
---|---|---|---|
Abraum | 48,2 % | 61,3 % | 23 % |
Kohle | 93,4 % | 95,0 % | 84 % |
Brikett | 85,8 % | 76,5 % | 82 % |
Die einzelnen Kraftwerke werden mit folgenden Mengen zugefahren:
- –
Zschornewitz mit 4 000 t,
- –
EKB Bitterfeld mit 12 000 t,
- –
Buna mit 11 000 t,
- –
Leuna mit 4 000 t,
- –
Trattendorf mit 1 040 t.
Das Kraftwerk Lauta wird nur mit 6 800 t zugefahren, während der Bedarf bei 8 000 t liegt. Aus diesem Grunde wird die Brikettfabrik zurückgefahren.
2.) Die Lage in der Gasversorgung
Das Verbundnetz wird nach – Stufe C – beliefert, der Nordraum nach – Stufe A – (voller Bezug). Die Bevölkerung hat volles Gas.
Durch schlechte Kohle sind Störungen in Leipzig, Karl-Marx-Stadt und Magdeburg zu verzeichnen. Magdeburg hatte außerdem noch Störung an der Koksbahn. 15 % der gelieferten Kohle ist für die Gaswirtschaft unbrauchbar. Bevorratungsmittel sind vorhanden für 4,7 Tage.
3.) Die Lage in der Energieversorgung
Kohleschwierigkeiten bestehen in den Kraftwerken Hirschfelde, Harpe, Espenhain, Zeitz und Rummelsburg. Die Absenkung in der Industrie beträgt in den einzelnen Tageszeiten: früh 250 MW, tagsüber 100 MW, abends 400 MW. Die Gesamterzeugung beträgt 4 100 MW. Durch die zurückgehende strenge Kälte ist der Bedarf an Energie gesunken. Das Bördenetz Bezirk Magdeburg hatte am 11.2.1956 abends zwei Stunden Stromunterbrechung.
4.) Die Lage im Erzbergbau und Hüttenwesen
Im Erzbergbau und im Hüttenwesen gibt es keine besonderen Vorkommnisse. Nur die Gießereien stehen alle, da es an Gas mangelt.
5.) Die Lage in der Industrie
Am stärksten wurden die Industriebetriebe von der Kältewelle betroffen, indem hohe Unkosten durch Arbeitsstundenausfälle entstanden. Allein in den wichtigsten Betrieben des Allgemeinen Maschinenbaues sind in der Zeit vom 1.2. bis 12.2.1956 die Ausfälle wie folgt zu verzeichnen:
[Betrieb] | Lohnausfall | Arbeits-Stunden |
---|---|---|
EMW Eisenach | 87,0 TDM | 65 500 |
Horch Zwickau | 91,2 TDM | 58 500 |
Motorenwerke Karl-Marx-Stadt | 35,0 TDM | 15 000 |
Blechverformungswerk Leipzig | 35,0 TDM | 20 000 |
Simson Suhl | 38,0 TDM | 32 000 |
Phänomen Zittau | 3,6 TDM | 3 000 |
Besondere Schwierigkeiten in der Industrie werden aus den Möbel- und Textilwerken des Bezirkes Gera gemeldet. Der Kohlenvorrat in diesen Betrieben ist nur noch für ein bis zwei Tage vorhanden. Der VEB Ostthüringische Möbelwerke musste bereits am 16.2.1956 die Produktion mit 300 Beschäftigten einstellen.
6.) Die Lage in der Hausbrandversorgung
Schwierigkeiten in der Hausbrandversorgung wurden bisher nur aus dem Bezirk Frankfurt/O. bekannt. Im Kreis Bernau sind zzt. 47 t Braunkohle und 44 t Rohkohle vorhanden. Der Kohleverkauf an die Bevölkerung wurde eingestellt. Bisher wurden elf Schulen geschlossen, mit weiteren Schließungen ist zu rechnen. Der vorhandene Kohlenbestand ist gesperrt, da er für die Aufrechterhaltung der Konsumproduktionsbetriebe (Bäckereien usw.) dringend benötigt wird. Außerdem besteht im Bezirk Frankfurt/O. folgende Kohlensituation: In Stalinstadt wurde die medizinische Fachschule geschlossen und in den Grundschulen Schichtunterricht eingeführt.
Die Brauerei Eberswalde hat nur noch für einen Tag Brennstoff. 10 bis 15 t werden dringend benötigt. Das Kraftwerk Finow hat nur noch für einen Tag Vorrat. Es werden täglich 750 t Kohle benötigt. Die Versorgung erfolgt durch die Zentrale Leitung der Regierung. In den Schulen wird Zwei-Schichten-Unterricht eingeführt. Fürstenwalde hat zzt. nur 60 t Braunkohlenbriketts erhalten.
In Strausberg wurden die Berufsschule Müncheberg und die Diesterweg-Schule Strausberg geschlossen. Die LPG Vogelsdorf benötigt dringend Rohkohle für die Brütereien. Der Zustand in der Brennstoffversorgung des Bezirkes Frankfurt/O. ist wie folgt: Braunkohlenbrikett: erforderlich für lebensnotwendige Betriebe täglich 500 t; Bestand – gleich sechs Tage Versorgung – 2 960 t.
Rohbraunkohle: erforderlich für lebensnotwendige Betriebe täglich 500 t; Bestand – gleich zehn Tage Versorgung – 5 100 t.
Der Rat des Bezirkes hat folgende Maßnahmen eingeleitet:
- 1.
Operative Feststellung der effektiven Bestände zur Sicherung der lebensnotwendigen Betriebe.
- 2.
Alle Kohle von Handel und Versorgung wurde sichergestellt. Herausgabe obliegt der Zustimmung eines Sonderbevollmächtigten.
- 3.
Alle Verwaltungen und Institutionen werden auf 50 % der beheizten Fläche gesetzt.
- 4.
Alle Sonderlehrgänge werden bis nach der Kälteperiode vertagt.
Vorbereitet werden noch folgende Maßnahmen:
- 1.
Schließung aller Tanzgaststätten,
- 2.
Schließung aller Grund, Ober- und Spezialschulen nach örtlichen Notwendigkeiten,
- 3.
Schließung untergeordneter, nicht lebensnotwendiger Betriebe.
7.) Die Lage bei der Deutschen Reichsbahn
Reise- und Güterzugverkehr
Der gestrige Tag und die vergangene Nacht zeigten, dass weiterhin erhebliche Schäden bei der Reichsbahn auftraten, wodurch eine pünktliche Zugfahrt nicht gewährleistet war. So z. B. traten über 40 Schienenbrüche in den verschiedenen RBD auf und an 80 Loks waren Schäden an den Pumpen, Zylinder usw. zu verzeichnen.
Besonders hoch ist die Zahl der Lokschäden im Bereich der RBD Erfurt, wo bei 20 Zügen Bespannungsschwierigkeiten vorhanden waren. 43 % aller Reisezüge fuhren pünktlich. Pro Zug im Reiseverkehr ist ein Verspätungsdurchschnitt von 7,8 Minuten vorhanden. Ca. 43 % aller Güterzüge wurden pünktlich gefahren. Hier ist ein Durchschnitt von 21 Minuten Verspätung pro Zug vorhanden. Besonders hohe Verspätungen traten in dem RBD-Bezirk Halle auf. Bis auf wenige Ausnahmen wurde im RBD-Bezirk Berlin pünktlich gefahren. Wegen Frachtenmangel fielen 20 Güterzüge aus. Der Ausfall von Zügen ist somit auf ein erträgliches Maß zurückgefallen. Im Berufsverkehr traten nur im RBD-Bezirk Halle Störungen auf.
Beladung und Entladung
Im Bereich der DDR ist zu verzeichnen, dass weniger entladen als beladen wird. Gegenüber dem Plan wurden am gestrigen Tage ca. 10 000 Wagen weniger entladen. Beladen wurden 25 951 Wagen, entladen wurden 24 257.
Im Bereich der RBD Dresden und Magdeburg waren heute Morgen 6.00 Uhr 5 200 Wagen, welche seit gestern für die Industrie für Entladung bereitstehen, noch nicht entladen. Besonders ist wiederum ein Mangel an G-Wagen zu verzeichnen.1
Im Kohleverkehr wurden 8 526 Wagen beladen und von der Kohle 1 000 Wagen wieder abbestellt. Davon entfallen auf Halle 600 und Cottbus 400 Wagen. Zur Erzverladung wurden von 280 bereitgestellten Wagen 250 durch die Reichsbahn gestellt. Im EKS steht weiterhin die Zahl von 1 000 Wagen Erz und Kohle, welche aufgrund des Schlechtwetterzustandes nicht entladen werden können. Im Bereich der DDR sind 25 Rückstauzüge vorhanden, welche zum überwiegenden Teil durch die ČSR nicht abgenommen werden können bzw. in Wismar wegen schlechter Verlademöglichkeiten durch Frost, nicht umgeschlagen werden können.
Dienstkohlelager
Bei der Deutschen Reichsbahn ist ein Vorrat an Dienstkohle von 3,6 Tagen vorhanden. Der Zulauf aus der Kohle, welcher sich am 16.2.1956 erheblich verbessert hatte, ist seit gestern wieder am Absinken. Aus Staatsreserven werden immer noch täglich 1 200 t Steinkohle für die RBD Erfurt, Magdeburg und Dresden genommen. Die abgestellten Kohlenstaubloks können weiterhin wegen Mangel an Kohlenstaub nicht eingesetzt werden. Kohlevorrat in Erfurt 2,7 Tage, Magdeburg 2,9 Tage, Halle 3,5 Tage, Dresden 2,8 Tage, Schwerin und Greifswald 6,1 Tage, Berlin 4,3 Tage, Cottbus 3,9 Tage.
Besondere Vorkommnisse
Am 16.2.1956 erhielt die Hauptdispatcherleitung des MfV einen Anruf des Ministeriums für Energie, Transportabteilung [Name], welcher mitteilte, dass das Kraftwerk Breitungen ab 16.2.1956, 18.00 Uhr, die Stromabgabe einstellen muss, da keine Kohlen vorhanden [sind]. Von der Reichsbahn wurde sofort vom Geiseltal nach Eisenach ein Zug mit 24 Wagen Kohle gefahren. Diese Überführung brachte erhebliche Schwierigkeiten und warf den ganzen Plan durcheinander. Eine Überprüfung durch den Vizepräsidenten der RBD Erfurt in Breitungen ergab, dass das Kraftwerk noch einen ausreichenden Vorrat für zwei Tage hatte. RBD Erfurt will Strafanzeige wegen Desorganisierung des Verkehrs einleiten.
8.) Die Lage auf den Binnenwasserstraßen der DDR
Oder: von der Quelle bis zur Mündung Eisstand.
Elbe:
- –
von km 0,0 bis 1,4: Eisstand,
- –
von km 1,4 bis 12: Rand- und Grundeis,
- –
von km 12 bis 184 nach Coswig: mäßiges Treibeis,
- –
von km 184 Pretzsch bis 232: Eisstand,
- –
von km 232 bis 274,8 Aken: leichtes Treibeis,
- –
von km 274,8: Eisstand.
Eiszusammenschiebungen:
- –
km 501–506: 180–200 cm über Wasserspiegel,
- –
km 462–465: 120 cm über Wasserspiegel,
- –
km 457,5–460,5: 160–200 cm über Wasserspiegel,
- –
km 450–453: 90 cm über Wasserspiegel,
- –
km 421,5–422: 80–120 cm über Wasserspiegel,
- –
km 313–307: 120–150 cm über Wasserspiegel.
Mittellandkanal und Elbe-Havel-Kanal – Eisdecken 25–28 cm.
9. Nichtschiffbare Gewässer
Der Wasserstand der Havel im Bereich von Roskow, Kreis Brandenburg, hat bereits den normalen Stand überschritten. Wie mitgeteilt wird, hat das Wasserwirtschaftsamt Neuruppin noch nicht ein einziges Gerät für den Katastrophenfall geliefert. Es fehlen besonders: Maschinen, Bindedraht, Pfähle, Sandsäcke, Bohlen sowie Balken. Vom Wasserwirtschafts-amt Neuruppin wurde darauf gemeldet, dass alles am Lager ist und dieses Material im Ernstfall geliefert wird. Es wird aber darauf hingewiesen, dass dann im Ernstfall eine Lieferung bereits zu spät ist.