Unzufriedenheit bei Arbeitern, Handwerkern, medizinischen Hilfskräften
27. Juli 1956
Information Nr. 95/56 – Betrifft: Unzufriedenheit unter Arbeitern, Handwerkern und Hilfskräften in medizinischen Einrichtungen
Seit der Lohnerhöhung für das mittlere medizinische Personal, die ab 1.5.1956 gezahlt wird, hat sich eine starke Unzufriedenheit unter den o. g. Personenkreisen entwickelt. Dieser Personenkreis umfasst ca. 40 000 bis 50 000 Kollegen, wovon etwa zwei Drittel 200 DM und weniger verdienen (Minimum liegt bei 160 DM).
Aus den Krankenanstalten Großschweidnitz z. B. war eine Delegation beim stellvertretenden Vorsitzenden des ZV der Gewerkschaft Gesundheitswesen, Molwitz,1 und wollte eine bindende Zusage für eine Lohnerhöhung haben. Bei der Berichterstattung dieser Delegation kam es zu erregten Diskussionen, wobei auch von Streik gesprochen wurde. Ähnliche Erscheinungen gibt es noch in vielen anderen medizinischen Einrichtungen, z. B. in den Krankenanstalten Brandenburg-Görden, Krankenhaus und Poliklinik Cottbus, Universitätsklinik Jena u. a. Die Kollegen erklären, dass sie nur noch wenig bzw. gar kein Vertrauen mehr zur Gewerkschaft haben, weil diese nur vertröstet. Es werden dabei Vergleiche mit Industriebetrieben gezogen, wo gleichartige Beschäftigung höher bezahlt wird.
Die Krankenhausleitungen befürchten, dass die Kollegen in die Industrie abwandern, wodurch Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung des Krankenhausbetriebes auftreten können. Im Krankenhaus Cottbus argumentiert man u. a., dass »der Mensch erst dort anfängt, wo er einen weißen Kittel trägt« und dass man »für die dreckigen Arbeiter anscheinend nichts übrig hat«.