Verdacht der Republikflucht bei Jugendlichen (2)
21. Januar 1956
Verdacht der Republikflucht bei Jugendlichen (19.–20.1.1956 – 2. Bericht) [Information Nr. M16/56]
Die Transportpolizei meldet, dass in der Zeit vom 19. bis 20.1.1956 642 Jugendliche in den Zügen nach Berlin festgestellt wurden. Dabei waren u. a. ca. 200 Studenten mit ihren Lehrern aus Greifswald, die zum Ausstellungsbesuch nach Berlin fuhren.
In der Zeit vom 19. bis 20.1.1956 wurden folgende Jugendliche wegen Verdachtes der Republikflucht festgenommen:
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von der Transportpolizei 18 Jugendliche,
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von der Grenzpolizei 30 Jugendliche (Kontrollpunkt Neuendorf und Schönefeld),
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insgesamt: 48 Jugendliche.
Die Jugendlichen kamen aus den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Erfurt, Magdeburg und Halle.
Über die Ursachen der beabsichtigten Republikflucht äußerten sich die Jugendlichen, welche in der Zeit vom 18. bis 19.1.1956 dem VPKA Potsdam übergeben wurden, wie folgt: acht Jugendliche äußerten, dass sie aus Angst vor Einberufung für die Nationale Volksarmee republikflüchtig werden wollten.1 Unter diesen Jugendlichen befand sich der [Vorname Name], geb. am [Tag, Monat] 1938 in Wernsdorf,2 Kreis Klingenthal, wohnhaft Muldenberg,3 [Straße, Nr.], der angab, dass er in Riesa auf dem Bahnhof von einer ihm unbekannten männlichen Person angesprochen und zur Republikflucht nach Westberlin aufgefordert wurde, mit der Begründung, dass er es dort viel besser hätte und viel Geld verdienen könnte. Ein weiterer Jugendlicher aus Halberstadt machte ähnliche Angaben, aufgrund derer er die Fahrt nach Westberlin angetreten hat. Circa zehn Jugendliche machten Angaben, dass sie sich nach anderen Arbeitsstellen umsehen wollten. Ca. zehn bis zwölf gaben an, sich eine Arbeitsstelle in Westberlin beschaffen zu wollen. Der Rest der Jugendlichen gab verschiedene Gründe an, wie z. B. den Besuch von Verwandten in Berlin sowie Einkauf sowohl im demokratischen, als [auch] im Westsektor Berlins.
Bemerkenswert ist auch, dass ein Teil der Jugendlichen ohne Wissen der Eltern die Fahrt angetreten hat. Aus diesem Grunde ist anzunehmen, dass in diesen Fällen das Verlassen der Republik organisiert wurde, da nicht anzunehmen ist, dass der größte Teil dieser Jugendlichen diesen folgenschweren Entschluss ohne äußeren Anlass getan hatte.
Die Jugendlichen werden nach Überprüfung in die FDJ-Schule nach Bärenklau4 überführt.